Verwaltungsrecht

Verwaltungsrechtliche Rehabilitierung; nicht rehabilitierungsfähige Nachteile

Aktenzeichen  3 PKH 8/13, 3 PKH 8/13 (3 B 30/13)

Datum:
5.12.2013
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 1 Abs 1 S 1 VwRehaG
§ 1 Abs 2 VwRehaG
Spruchkörper:
3. Senat

Verfahrensgang

vorgehend VG Meiningen, 7. März 2013, Az: 8 K 4/12 Me, Urteil

Tenor

Der Antrag der Klägerin, ihr für das Beschwerdeverfahren BVerwG 3 B 30.13 gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Meiningen vom 7. März 2013 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

1
Der Klägerin kann Prozesskostenhilfe nicht bewilligt und ein Rechtsanwalt beigeordnet werden. Bewilligung und Beiordnung setzen nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1, § 121 Abs. 1 ZPO und § 173 VwGO i.V.m. § 78b Abs. 1 ZPO nicht nur voraus, dass die Partei die Kosten der Prozessführung nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, sondern überdies, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung – hier das Beschwerdeverfahren BVerwG 3 B 30.13 – hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Letzteres lässt sich hier nicht sagen: Die von der Klägerin persönlich anhängig gemachte und begründete Beschwerde bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg und erscheint aussichtslos.
2
Die Klägerin begehrt ihre Rehabilitierung nach dem Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VwRehaG) sowie daran anknüpfende Leistungen, weil DDR-Behörden im Jahr 1963 die Adoption durch ihre in der Bundesrepublik Deutschland lebende Tante abgelehnt hätten und sie deshalb bestimmte Lebenschancen nicht habe wahrnehmen können. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Rehabilitierung abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei zwar nicht feststellbar, dass DDR-Behörden mit einem Antrag auf Adoption oder deren Genehmigung befasst gewesen seien; ein entsprechender Vorgang sei aber aufgrund der Nachweiserleichterung des § 13 Abs. 2 VwRehaG zu unterstellen, weil hinreichende Anhaltspunkte vorlägen. Es sei jedoch nicht erkennbar, dass die Adoption willkürlich und gezielt zum Nachteil der Klägerin abgelehnt oder verboten worden sei und dies im Sinne des § 1 Abs. 2 VwRehaG ihrer politischen Verfolgung gedient haben könnte. Die Maßnahmen seien entweder schlicht rechtswidrig gewesen oder hätten ihren Grund in systemimmanenten Einschränkungen gehabt, die mehr oder weniger alle DDR-Bürger getroffen hätten und nicht Gegenstand einer Rehabilitierung sein könnten. Auch hätten die Maßnahmen keine schädigenden Folgen für Gesundheit, Vermögen oder Beruf der Klägerin im Sinne des § 1 VwRehaG gehabt. Eine nachträgliche Anerkennung oder Bestätigung des Status als Adoptivtochter sei ebenso wenig möglich wie ein Ausgleich für die ihr entgangene Erbschaft.
3
Das Vorbringen der anwaltlich nicht vertretenen Klägerin lässt bei der von Amts wegen vorzunehmenden Prüfung nicht erkennen, dass einer der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt, aus denen die Revision nur zugelassen werden darf.
4
1. Es trifft nicht zu, dass das Verwaltungsgericht verfahrensfehlerhaft (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), nämlich unter bewusstem Verstoß gegen Grundrechte willkürlich und amtspflichtwidrig zum Nachteil der Klägerin entschieden hat. Es hat im Gegenteil die ausdrückliche Verweigerung der angestrebten Adoption unterstellt und die unterstellte Maßnahme daraufhin untersucht, ob sie im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates schlechthin unvereinbar gewesen sein könnte. Unter diesem Aspekt war das Verwaltungsgericht mangels greifbarer Tatsachen zwar genötigt, in gewissem Umfang auf hypothetische Umstände zurückzugreifen, hat die denkbaren Gründe für die negative Entscheidung dessen ungeachtet aber zugunsten der Klägerin geprüft. Wenn es bei dieser Prüfung nicht zu dem von ihr für richtig gehaltenen Ergebnis gekommen ist, dann deshalb, weil die relevanten Ereignisse nicht hinreichend aufgeklärt werden konnten und die denkbaren Umstände dem Verwaltungsgericht keinen ausreichenden Anhalt für eine politische Verfolgung boten.
5
2. Eine Frage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wirft die Rechtssache nicht auf. Zwar wird aus dem Vorbringen der Klägerin deutlich, dass es ihr um die Klärung geht, ob es rechtsstaatswidrig war, wenn DDR-Behörden eine Adoption durch westdeutsche Verwandte verweigerten, weil dies mit einer Übersiedlung des Adoptierten in die Bundesrepublik verbunden war. Diese Frage ist schon nicht entscheidungserheblich, weil das Verwaltungsgericht die Klageabweisung zusätzlich damit begründet hat, dass es an einem der in § 1 Abs. 1 Satz 1 VwRehaG genannten Folgeansprüche fehle (vgl. UA S. 9). Davon abgesehen ist die genannte Frage aus der bisherigen Rechtsprechung so klar zu beantworten, dass es keines Revisionsverfahrens bedarf. Die Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts befindet sich im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Daraus ergeben sich folgende Grundsätze:
6
a) Die verwaltungsrechtliche Rehabilitierung dient nicht der Wiedergutmachung jedweden Verwaltungsunrechts, sondern nur solcher Maßnahmen, die in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen haben und die der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 VwRehaG). Nach dem Willen des Gesetzgebers nicht rehabilitierungsfähig sind daher systemimmanente Einbußen an Freiheit und Eigentum, die jeden Rechtsunterworfenen der DDR mehr oder weniger gleich trafen (vgl. Entwurf eines Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetzes vom 19. Mai 1993, BTDrucks 12/4994, S. 23). Dazu gehören grundsätzlich auch Nachteile, die DDR-Bürgern aus den allgemeinkundigen Beschränkungen der Reisefreiheit und der faktischen Unmöglichkeit zur Ausreise aus der DDR erwuchsen. Diese Beschränkungen trafen alle DDR-Bürger schon seit der Gründung der DDR, besonders aber seit dem Bau der Mauer (vgl. Weidenfeld/Korte, Handbuch zur deutschen Einheit, 1999, S. 445), und griffen gerade auch im Jahr 1963, in dem der Klägerin die Adoption verweigert worden sein soll. Von solchen allgemeinen Beschränkungen betroffen waren dementsprechend auch alle sonstigen Vorgänge, die mit einer Ausreise und Übersiedlung in die Bundesrepublik Deutschland verbunden waren oder nur durch Aussiedlung realisiert werden konnten. Es ist verständlich, dass die Klägerin die negative Entscheidung des Adoptionsantrags als besonders belastend empfindet; gleichwohl spricht nichts dafür, dass diese Entscheidung in ihren individuellen Verhältnissen gründete oder gar ihrer persönlichen Verfolgung gedient haben könnte.
7
b) Es führt auch nicht auf einen Zulassungsgrund, wenn die Ablehnung, wie die Klägerin meint, nicht dem Recht der DDR entsprochen haben sollte. Tatsachenfeststellungen hierzu, die im Revisionsverfahren zugrunde gelegt werden könnten, enthält das angefochtene Urteil insoweit ebenfalls nicht. Eine weitere Aufklärung des Sachverhaltes hat das Verwaltungsgericht nach seinem zutreffenden rechtlichen Ansatz nachvollziehbar abgelehnt. Der vom Verwaltungsgericht als möglich unterstellte Sachverhalt einer „schlicht” rechtswidrigen Sachbehandlung ist für sich genommen, wie oben gesagt, nicht rehabilitierungsfähig. Für eine rechtswidrige Verwaltungsmaßnahme, die die Grenzen des § 1 Abs. 2 VwRehaG überschreitet, die also mit tragenden Grundsätzen eines Rechtsstaates zulasten der Klägerin schlechthin unvereinbar war, sind Anhaltspunkte weder von der Klägerin aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich. Grundsätzlich klärungsfähige Fragen ergeben sich aus alledem nicht.


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