Zivil- und Zivilprozessrecht

Notarhaftung: Richterspruchprivileg bei notarieller Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs

Aktenzeichen  III ZR 160/19

Datum:
1.12.2020
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2020:011220BIIIZR160.19.0
Normen:
§ 19 Abs 1 S 3 BNotO
§ 839 Abs 2 S 1 BGB
§ 796a ZPO
§ 796c ZPO
Spruchkörper:
3. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend BGH, 12. August 2020, Az: III ZR 160/19, Beschlussvorgehend BGH, 8. Januar 2020, Az: III ZR 160/19, Beschlussvorgehend Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, 24. Oktober 2019, Az: 11 U 145/18vorgehend LG Kiel, 27. November 2018, Az: 3 O 191/14nachgehend BGH, 20. Januar 2021, Az: III ZR 160/19, Beschluss

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des 11. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts vom 24. Oktober 2019 wird gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.
Streitwert: 6.112.918,80 €

Gründe

I.
1
Die vom Berufungsgericht (beschränkt) zugelassene Revision des Klägers ist gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen, weil die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nicht vorliegen und das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat. Der Senat nimmt insoweit in vollem Umfang auf die Gründe des Beschlusses vom 12. August 2020 Bezug, mit dem er auf die beabsichtigte Zurückweisung hingewiesen hat.
II.
2
Die Ausführungen des Klägers in der Stellungnahme vom 22. Oktober 2020 zu dem Hinweisbeschluss des Senats geben keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung.
3
1. Entgegen der Auffassung des Klägers hat das Berufungsgericht die Revision, was sich klar und eindeutig aus den Urteilsgründen ergibt, nur beschränkt zugelassen.
4
In dem Berufungsurteil wird unterschieden zwischen Amtspflichten im Zusammenhang mit der Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs vom 7. November 2001 nach §§ 796b, 796c ZPO, bei deren Verletzung eine Haftungsprivilegierung gemäß § 19 Abs. 1 Satz 3 BNotO i.V.m. § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB in Betracht kommt (BU 4-7 unter II.1), und “anderen Handlungen des Beklagten, bei denen das Spruchrichterprivileg nicht gilt” (BU 8 unter II.2). Letzteres bezieht sich auf die Unleserlichkeit der Unterschrift des Bevollmächtigten der Landesbank auf der erteilten vollstreckbaren Ausfertigung, die unterbliebene Eintragung der Vollstreckbarerklärung in die Urkundenrolle (§ 8 Abs. 1 Nr. 6 DONot) und die Nichtbeachtung des § 18 Abs. 1 Satz 2 DONot hinsichtlich der Verwahrung der Urschrift des Anwaltsvergleichs.
5
Zugelassen hat das Berufungsgericht die Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO allein zur Klärung der Frage, “ob die Tätigkeit des Notars, der einen Anwaltsvergleich gemäß § 796c ZPO für vollstreckbar erklärt, dem Spruchrichterprivileg gemäß § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB unterliegt” (BU 9). Die zur Zulassung führende Rechtsfrage betrifft ausschließlich etwaige Amtspflichtverletzungen bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung des Anwaltsvergleichs. Dabei handelt es sich um einen selbständigen Teil des Gesamtstreitstoffs. Das Berufungsurteil ist deshalb dahin auszulegen, dass die Revision nur insoweit zugelassen worden ist. Anders als die Revision meint, bezieht sich die Zulassungsfrage nicht nur auf Aspekte oder Elemente eines einheitlichen Anspruchstatbestands.
6
2. Soweit der Kläger geltend macht, das Berufungsgericht habe den Streitstoff unter Verstoß gegen § 286 ZPO nicht vollständig zur Kenntnis genommen und gewürdigt, erschöpft sich seine Stellungnahme im Wesentlichen in einer Wiederholung des bisherigen Revisionsvorbringens und läuft darauf hinaus, die tatrichterliche Würdigung zum Misslingen des Gegenbeweises nach § 418 Abs. 2 ZPO, die – wie der Senat im Hinweisbeschluss vom 12. August 2020 im Einzelnen ausgeführt hat (Rn. 19 ff) – revisionsrechtlich nicht zu beanstanden ist, durch eigene Wertungen zu ersetzen. Dies ist im Revisionsrechtszug unbeachtlich.
7
a) Die Behauptung des Klägers, er hätte die “maßgeblichen Mitarbeiter der H.       bank” nur ins Blaue hinein benennen können, ist nicht nachvollziehbar. Unabhängig davon, dass er etwaige – ihm zumutbare – Erkundigungen nicht einmal behauptet, ist das Schreiben des Beklagten vom 4. Mai 2010, das der Kläger als Anlage K 3 vorgelegt hat, unmittelbar an die in der Rechtsabteilung der H.        bank für den Vorgang zuständige Sachbearbeiterin gerichtet. Diese hätte der Kläger daher ohne weiteres sofort als Zeugin benennen können.
8
b) Allein der Umstand, dass die Aufbewahrungsfrist nach § 5 Abs. 4 Satz 1, 4 DONot inzwischen abgelaufen sein mag, besagt nicht, dass die Nebenakten des Beklagten dem Kläger zu keinem Zeitpunkt als Beweismittel zur Verfügung standen (vgl. § 5 Abs. 4 Satz 5 DONot).
9
c) Kern des Streits der Parteien war und ist die Frage, ob der Anwaltsvergleich bei der Vollstreckbarerklärung vorgelegen hat. Insoweit kann dem vom Beklagten als Anlage B 1 vorgelegten Schreiben vom 29. Oktober 2004 die Behauptung entnommen werden, die H.      bank AG habe bei ihm den Anwaltsvergleich in Urschrift mit dem Auftrag in Verwahrung gegeben, diesen für vollstreckbar zu erklären. Er habe sowohl den Verwahrungsauftrag als auch den Antrag auf Vollstreckbarerklärung angenommen. In dem Schreiben an die H.     bank AG vom 4. Mai 2010 (vom Kläger als Anlage K 3 vorgelegt) hat der Beklagte sodann Folgendes ausgeführt:
“Das Original meines Beschlusses vom 24.11.2004 befindet sich in meiner Urkundensammlung; es liegt mir zum Zeitpunkt dieses Diktats im Original auf dem Schreibtisch.
Entsprechend habe ich Herrn F.    bzw. der F.     Holiday KG seinerzeit nicht das Original meines Beschlusses zur Verfügung gestellt. Richtig ist vielmehr, dass ich mit Schreiben vom 25.11.2004 Herrn F.    und der F.      Holiday KG zu Händen der Rechtsanwälte … eine Ausfertigung meines Beschlusses vom 24.11.2004 zugestellt habe …
Fest verbunden mit der zugestellten Ausfertigung des Beschlusses war der Anwaltsvergleich vom 07.11.2001 nebst Vollmachten in beglaubigter Abschrift.
Dass mir seinerzeit der Anwaltsvergleich vom 07.11.2001 im Original vorgelegen hat, kann ich ebenfalls bestätigen unter Hinweis darauf, dass ich dies bereits mit meinem Schreiben an Sie vom 27.04.2007 – unter seinerzeitiger Rückgabe des Originals des Anwaltsvergleichs – bestätigt hatte.”
10
Weiterer Sachvortrag zu der Aufbewahrung und dem Verbleib der Urschrift des Anwaltsvergleichs war von dem Beklagten auch unter Berücksichtigung der Grundsätze der sekundären Darlegungslast beim Beweis negativer Tatsachen nicht zu verlangen.
11
Wie der Senat in dem Hinweisbeschluss bereits ausgeführt hat, brauchte sich das Berufungsgericht mit der Randbemerkung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten in den Schriftsätzen vom 23. Februar 2005 (GA I 98) und vom 20. Mai 2019 (GA III 479), das Original des Anwaltsvergleichs befinde sich noch in der Obhut des Beklagten, nicht explizit zu befassen. Diese Behauptung betraf nicht den Kern des Streits der Parteien, der sich um die Frage drehte, ob der Anwaltsvergleich in Urschrift im November 2004 bei der Entscheidung über die Vollstreckbarerklärung vorgelegen hat. Nichts Anderes gilt für den Umstand, dass auf der der Vollstreckbarerklärung beigehefteten Kopie des Anwaltsvergleichs die Unterschrift des Bevollmächtigten der Landesbank nicht lesbar ist, während sie auf der beglaubigten Kopie eines anderen Notars zu erkennen ist. Dass sich das Berufungsgericht mit diesen Fragen nicht ausdrücklich auseinandergesetzt hat, zwingt – wie im Hinweisbeschluss ausgeführt (Rn. 25) – nicht zur Annahme einer lückenhaften Beweiswürdigung.
12
3. Der Hinweis der Revision, dass nach der Rechtsprechung des Senats das Spruchrichterprivileg des § 839 Abs. 2 Satz 1 BGB nicht für Entscheidungen in der Zwangsvollstreckung gilt (Urteil vom 23. März 2000 – III ZR 152/99, NJW 2000, 3358, 3360), ist für die Beurteilung des vorliegenden Falles unbehelflich. Die Vollstreckbarerklärung eines Anwaltsvergleichs durch einen Notar nach §§ 796b, 796c ZPO dient der Schaffung eines Vollstreckungstitels (§ 794 Abs. 1 Nr. 4b ZPO), wobei Prüfungsumfang und Entscheidung sich nicht von dem gerichtlichen Erkenntnisverfahren unterscheiden (Hinweisbeschluss Rn. 26). Die Vollstreckbarerklärung stellt somit keine Zwangsvollstreckungsmaßnahme dar. Sie schafft vielmehr erst die Voraussetzungen für die Einleitung solcher Maßnahmen.
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