Arbeitsrecht

Sozialgerichtliches Verfahren – Nichtzulassungsbeschwerde – Darlegungserfordernis der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache – Förderung der beruflichen Weiterbildung – Zahlung einer Weiterbildungsprämie – Stichtagsregelung – Ausbildungsbeginn – Unbilligkeit – Verfassungswidrigkeit

Aktenzeichen  B 11 AL 53/19 B

Datum:
4.2.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BSG
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BSG:2020:040220BB11AL5319B0
Normen:
§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG
§ 160a Abs 2 S 3 SGG
§ 81 SGB 3
§ 131a Abs 3 SGB 3
§ 444a Abs 2 SGB 3
Art 3 Abs 1 GG
Spruchkörper:
11. Senat

Verfahrensgang

vorgehend SG Kassel, 9. Oktober 2018, Az: S 11 AL 202/17, Gerichtsbescheidvorgehend Hessisches Landessozialgericht, 23. September 2019, Az: L 7 AL 105/18, Urteil

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 23. September 2019 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe

1
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) und eines Verfahrensmangels (§ 160 Abs 2 Nr 3 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw bezeichnet worden sind (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Die Beschwerde ist daher ohne Zuziehung ehrenamtlicher Richter zu verwerfen (§ 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 SGG, § 169 SGG).
2
Grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder der Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine konkrete Rechtsfrage klar formuliert wird. Weiter muss ihre (abstrakte) Klärungsbedürftigkeit, ihre (konkrete) Klärungsfähigkeit im jeweiligen Rechtsstreit (Entscheidungserheblichkeit) sowie die über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der angestrebten Entscheidung (sog Breitenwirkung) aufgezeigt werden (stRspr; vgl etwa BSG vom 25.9.2002 – B 7 AL 142/02 B – SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70 mwN).
3
Die Beschwerdebegründung des Klägers wird diesen Darlegungserfordernissen nicht gerecht. Zwar formuliert er als Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zunächst, ob ein Auszubildender, welcher an einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung teilnimmt, die vor dem 31.12.2020 begonnen hat und bei Einführung der § 131a Abs 3 SGB III und § 444a Abs 2 SGB III noch nicht abgeschlossen gewesen ist, einen Anspruch auf Prämienzahlungen besitzt, wenn die Ausbildung bereits vor dem 1.8.2016 begonnen hat. Jedoch wird die Klärungsbedürftigkeit nicht ausreichend aufgezeigt. Der Kläger sieht in der “Stichtagsregelung des Beginns einer Ausbildung nach dem 31.7.2016” eine Unbilligkeit und hält diese “wegen des Verstoßes gegen den Gleichheitssatz nach Art 3 Abs 1 GG” für verfassungswidrig. Er setzt sich aber nicht mit der bisherigen Rechtsprechung des BSG und des BVerfG zu Stichtagsregelungen und einem auch unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung etwaigen Klärungsbedarf auseinander, wie dies erforderlich wäre. Danach ist es dem Gesetzgeber durch Art 3 Abs 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte Stichtage einzuführen, wenn sich ua die Wahl des Zeitpunkts am gegebenen Sachverhalt orientiert und damit sachlich vertretbar ist (vgl zB BSG vom 21.11.2002 – B 11 AL 1/02 R – SozR 3-4300 § 427 Nr 2; BSG vom 25.8.2011 – B 11 AL 30/10 R – SozR 4-4300 § 144 Nr 22 RdNr 19; BSG vom 27.6.2019 – B 10 EG 2/18 R – SozR 4-7837 § 2c Nr 5 RdNr 39 ff). Insofern fehlt es zumindest auch an einer Auseinandersetzung mit den Motiven des Gesetzgebers für die nur “befristete Leistung” der Weiterbildungsprämie (vgl etwa B. Schmidt in Eicher/Schlegel, SGB III, § 131a RdNr 7, 42, Stand 12/2019). Bezogen auf die von dem Kläger weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob ein Zwischenzeugnis einer Zwischenprüfung iS des § 81 SGB III gleichgestellt werden kann und hierfür dann auch die Prämie des § 131a Abs 3 SGB III zu zahlen ist, fehlt es daher an einer Darlegung der Klärungsfähigkeit.
4
Auch ein Verfahrensfehler ist nicht ausreichend bezeichnet. Nach § 160 Abs 2 Nr 3 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann; der geltend gemachte Verfahrensmangel kann nicht auf eine Verletzung der §§ 109 (Anhörung eines bestimmten Arztes) und 128 Abs 1 Satz 1 SGG (freie richterliche Beweiswürdigung) und auf eine Verletzung des § 103 SGG (Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen) nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Hierzu ist ua aufzuzeigen, dass und warum die Entscheidung – ausgehend von der Rechtsansicht des LSG – auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit der Beeinflussung des Urteils besteht (stRspr; vgl bereits BSG vom 18.2.1980 – 10 BV 109/79 – SozR 1500 § 160a Nr 36). Soweit der Kläger als Verfahrensfehler rügt, das Berufungsgericht habe von ihm benannte Zeugen nicht gehört, welche die Abschlussprämie trotz gleicher tatsächlicher Ausgangslage erhalten hätten, legt er aus den oben genannten Gründen nicht ausreichend dar, warum dies die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen rechtlicher Einschätzung des § 444a Abs 2 SGB III hat beeinflussen können.
5
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.


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