Steuerrecht

Steuerrechtliche Einordnung von Beiträgen zu einem ausländischen Versorgungswerk

Aktenzeichen  5 K 887/18

Datum:
13.2.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
StEd – 2019, 341
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 45
DBA Österreich Art. 15 Abs. 1
EStG § 10 Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Nr. 1, § 32b

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.
I.
Die Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk sind, soweit sie mit steuerfreien Einkünften im unmittelbaren Zusammenhang stehen, nicht als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
1. Beiträge zu berufsständischen Versorgungswerken, die den gesetzlichen Rentenversicherungen vergleichbare Leistungen erbringen, sind zwar als sog. Vorsorgeaufwendungen nach den Regelungen des § 10 EStG als Sonderausgaben abziehbar (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Sie dürfen aber nach § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG nicht in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stehen. Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Einnahmen und Aufwendungen besteht, wenn ein Steuerpflichtiger steuerfreie Einnahmen erzielt und dieser Tatbestand gleichzeitig Pflichtbeiträge an einen Sozialversicherungsträger auslöst. In diesem Fall geht die Steuerbefreiung dem Sonderausgabenabzug logisch vor (Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 23.01.2017 5 K 1463/14, EFG 2017, 1080).
2. Der unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang im Sinne des § 10 Abs. 2 Nr. 1 EStG ist im Streitfall gegeben. Der durch die Tätigkeit in Österreich erzielte Arbeitslohn ist nach Art. 15 Abs. 1 DBA Österreich im Inland steuerfrei. Die Verpflichtung des Klägers zur Leistung von Pflichtbeiträgen folgt aus § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI; seine Freistellung von der gesetzlichen Rentenversicherung erfolgt lediglich aufgrund der entsprechenden Mitgliedschaft im berufsständischen Versorgungswerk. Nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 Buch. h des österreichischen EStG sind Beiträge von Arbeitnehmern zu – aus österreichischer Sicht – ausländischen Pensionskassen, die auf Grund einer ausländischen gesetzlichen Verpflichtung zu leisten sind, als Werbungskosten zu berücksichtigen. Dies entspricht Art. 15 Abs. 7 DBA Österreich, wonach Leistungen des in Österreich tätigen Arbeitnehmers an Versorgungswerke im Heimatland Deutschland in Österreich so berücksichtigt werden wie Zahlungen an österreichische Pensionskassen. Dies gilt nach Ansicht der österreichischen Finanzverwaltung auch für Zahlungen an gesetzliche Pflichtversicherungen (öBMF vom 19.07.2004, EAS 2478; Stefaner in Wassermeyer, DBA Österreich Art. 15 Rn. 25). Im Streitfall sind die Beiträge zum Versorgungswerk auch tatsächlich in der Position „sonstige Werbungskosten“ berücksichtigt worden. Eine europarechtskonforme Auslegung des § 10 Abs. 2 EStG für den Fall, dass ein Steuerpflichtiger weder im Tätigkeitsstaat noch im Inland seine Vorsorgeaufwendungen geltend machen kann, hat daher auf die Anwendung dieser Vorschrift im vorliegenden Fall keine Auswirkung. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig.
II.
Die Beiträge zum Versorgungswerk sind, soweit sie auf die steuerfreien österreichischen Einkünfte entfallen, auch nicht im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen.
1. Dies ergibt sich nach der Systematik des § 32b EStG.
a) Nach § 32b Abs. 2 ist der besondere Steuersatz nach Absatz 1 dieser Vorschrift der Steuersatz, der sich ergibt, wenn bei der Berechnung der Einkommensteuer das nach § 32a Abs. 1 zu versteuernde Einkommen vermehrt oder vermindert wird um – im Fall des Abs. 1 Nr. 2 bis 5 – die dort bezeichneten Einkünfte, wobei die darin enthaltenen außerordentlichen Einkünfte mit einem Fünftel zu berücksichtigen sind. Ausgangspunkt ist also bereits das zu versteuernde Einkommen gem. § 32a Abs. 1 i. V. m. § 2 Abs. 5 Satz 1 EStG, von dem die Sonderausgaben bereits gem. § 2 Abs. 4 EStG abgezogen worden sind.
b) Die Erhöhung erfolgt um die gem. § 32b Abs. 1 Nr. 3 EStG aufgrund eines Doppelbesteuerungsabkommens steuerfreien Beträge; dies ist gem. Art. 23 Abs. 1 Buchst. c DBA Österreich auch zulässig. Von diesen Einnahmen kommen gem. § 32b Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 Buchst. b EStG nur Werbungskosten zum Abzug. Die Beiträge zum Versorgungswerk dienen dem allgemeinen Interesse an einer Alterssicherung und decken kein berufsspezifisches Risiko ab. Es handelt sich daher nach der maßgeblichen Qualifikation durch das deutsche EStG – anders als in Österreich – um Sonderausgaben (§ 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG). Sonderausgaben zählen nicht zu den Einkünften, sondern werden erst im Anschluss an die Ermittlung der Einkünfte vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen (§ 2 Abs. 4 EStG). Das schließt ihre Berücksichtigung im Rahmen des Progressionsvorbehalts aus (BFH-Urteile vom 03.11.2010 I R 73/09, BFH/NV 2011, 773; und vom 18.04.2012 X R 62/09, BFHE 237, 434, BStBl II 2012, 721).
2. Eine abweichende Auslegung, die zu einer Berücksichtigung führen würde, ist auch europarechtlich nicht geboten.
a) Eine solche Auslegung kommt schon aus systematischen Gründen nicht in Betracht. Selbst wenn die Nichtberücksichtigung von Sozialbeiträgen, die mit ausländischen Einkünften im unmittelbaren Zusammenhang stehen, nach der Rechtsprechung des EuGH geboten sein sollte, würde diese nach dem deutschen EStG bereits eine Stufe zuvor, nämlich bei der Auslegung von § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG und dem daraus folgenden Sonderausgabenabzug gem. § 2 Abs. 4 EStG zum Tragen kommen. Der Progressionsvorbehalt und die von ihm geregelte Besteuerung der übrigen inländischen Einkünfte wäre hiervon nicht betroffen. Eine solche Auslegung des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG ist im Streitfall jedoch nicht geboten (s. o. unter I. der Gründe).
b) Auch aus tatsächlichen Gründen fehlt es an einer Benachteiligung, die zu einer Verletzung von Art. 45 AEUV führen könnte. Im Streitfall waren die Versorgungsbeiträge in Österreich als Werbungskosten zu berücksichtigen und sind auch tatsächlich berücksichtigt worden.
Im Rahmen der Berechnung des Steuersatzes gem. § 32b Abs. 2 EStG sind die Versorgungsbeiträge, soweit sie mit den steuerfreien österreichischen Einkünften im Zusammenhang stehen, daher zu Recht nicht abgezogen worden.
Die Klage war daher abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
IV.
Die Revision wird zugelassen. Der Zusammenhang zwischen der Steuerfreiheit ausländischer Einkünfte und der Berücksichtigung darauf entfallender Sozialabgaben ist Gegenstand mehrerer Revisionsverfahren (X R 23/17 und X R 25/18). Auch wenn im vorliegenden Fall eine Berücksichtigung nicht mehr im Wege des Sonderausgabenabzugs, sondern nur noch bei der Berechnung des Steuersatzes gem. § 32b Abs. 2 EStG beantragt worden ist, ist nicht auszuschließen, dass die weitere Entwicklung der Rechtsprechung des BFH Auswirkungen auf das vorliegende Klageverfahren entfalten könnte (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

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