Arbeitsrecht

Feststellung des Verbots der erneuten Ernennung zum Beamten bei einem bayerischen Dienstherrn im Fall der Entlassung auf eigenen Antrag nach Einleitung eines Disziplinarverfahrens

Aktenzeichen  M 13L DK 17.1059

Datum:
27.9.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 162867
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 11 Abs. 6 S. 2, Art. 33 Abs. 2, Art. 43 Abs. 4 Nr. 3, Art. 57 Abs. 2 Nr. 2, Art. 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 3
StGB § 184 Abs. 3 Alt. 2
BeamtStG § 47 Abs. 1 S. 2
VwGO § 161 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis beim Kläger ist die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nach Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BayDG ausgeschlossen (Rn. 8). (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird der Beamte nach der Einleitung eines Disziplinarverfahrens aus dem Beamtenverhältnis (auf eigenen Antrag) entlassen, kann im gerichtlichen Verfahren die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG getroffen werden   (Rn. 23). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Es wird festgestellt, dass der Beklagte nicht wieder zum Beamten bei einem bayerischen Dienstherrn ernannt werden darf.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.
Der Beklagte ist Studiendirektor und 1975 geboren.
Gegen den disziplinar- und strafrechtlich ansonsten nicht in Erscheinung getretenen Beklagten wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts … vom 8. Dezember 2015 wegen Besitzes kinderpornografischer Schriften eine Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je 70 Euro verhängt. Am 29. März 2015 hatte sich der Beamte in der Beschuldigtenvernehmung und am 4. Januar 2016 im Rahmen des Disziplinarverfahrens gegenüber dem Dienstherrn zum Vorwurf eingelassen. Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren äußerte sich der Beklagte zur Sache nicht.
Mit der Disziplinarklage vom 9. März 2017 verfolgte der Kläger das Ziel der Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis.
Die Disziplinarbehörde teilte mit Schreiben vom 15. September 2017 mit, dass der Beklagte auf seinen Antrag mit Ablauf des 14. September 2017 aus dem Beamtenverhältnis auf Lebenszeit beim Kläger entlassen wurde.
Es wird im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Schilderung der persönlichen Verhältnisse des Klägers in seiner Disziplinarklage vom 9. März 2017 auf S. 2 ff. verwiesen (§ 117 Absatz 5 VwGO).
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vom Kläger vorgelegten Disziplinarakte (mit Beiakten und Personalakten) Bezug genommen. Zum Verfahren beigezogen wurden auch die strafrechtlichen Ermittlungsakten (mit den dort beigezogenen Strafakten), die der Verurteilung des Beklagten durch das Amtsgericht … zugrunde gelegen haben.
II.
Das Disziplinarverfahren war nach dem Ausscheiden des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis einzustellen, über die Kostentragung für das Verfahren war im Einstellungsbeschluss zu entscheiden (dazu nachfolgend zu 1. und 2.). Weiter wird eine Feststellung zum Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG hinsichtlich einer erneuten Ernennung zum Beamten eines bayerischen Dienstherrn getroffen (dazu nachfolgend zu 3.).
1. Mit dem Eintritt der Wirksamkeit der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis beim Kläger mit Ablauf des 14. September 2017 ist die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nach Art. 33 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) i.d.F. d. Bek. vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 665; BayRS 2031-1-1-F) ausgeschlossen, da der Beklagte nicht mehr dem Anwendungsbereich des Art. 1 Abs. 1 BayDG unterfällt. Das gerichtliche Disziplinarverfahren konnte deshalb in Anwendung von Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 BayDG i.V.m. Art. 33 Abs. 2 BayDG durch Beschluss eingestellt werden.
Der Einstellungsbeschluss ist vom Kammervorsitzenden ohne die Mitwirkung der ehrenamtlichen Richter zu erlassen (Art. 43 Abs. 4 Nr. 3 BayDG; vgl. Findeisen, Kommentar zum BayDG, Stand September 2014, Art. 43 Anm. 2.3.1).
2. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens nach Art. 72 Abs. 4 Satz 2 BayDG zu tragen. Nach der in dieser Vorschrift angeordneten entsprechenden Anwendung der Grundsätze des § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen durch Beschluss zu entscheiden. Dabei ist der bisherige Sach- und Streitstand zu berücksichtigen.
a) Vorliegend hätte das Disziplinarverfahren ohne den vorherigen Antrag des Beklagten auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis wegen der ihm in der Disziplinarklage vom 9. März 2017 im Einzelnen vorgeworfenen disziplinarrechtlichen Verstöße nach Art. 11 BayDG zu seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geführt. Der Beklagte hätte damit auch in diesem Fall die Kosten des Verfahrens zu tragen gehabt, so dass es sachgerecht ist, ihm auch nach der Einstellung des Verfahrens die Verfahrenskosten aufzuerlegen.
b) Die Klägerseite hat in der Disziplinarklage vom 9. März 2017 zutreffend dargelegt, dass die vom Beklagten begangene Straftat die Verhängung der Höchstmaßnahme gerechtfertigt hätte. Auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 9 ff. wird nach § 117 Absatz 5 VwGO verwiesen. Im Übrigen wird angemerkt:
Durch rechtskräftigen Strafbefehl des Amtsgerichts … wurde der Beamte wegen des Besitzes kinderpornographischer Schriften nach § 184 Absatz 3 Alt. 2 StGB zu einer Geldstrafe von 70 Tagessätzen verurteilt. Das Gericht nimmt auf die tatsächlichen Feststellungen des Amtsgerichts Bezug, da es keinen Anlass zu einer eigenständigen Beweisaufnahme hatte.
Durch die Vorsatzstraftat des Besitzes kinderpornographischer Schriften hat der Beamte als Lehrer und Studiendirektor ein schweres außerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Absatz 1 Satz 2 BeamtStG begangen.
Dieses weist einen Bezug zu seinem Dienstposten auf, weil er die ihm als Dienstpflicht obliegende Erziehungsaufgabe und Vorbildfunktion nicht mehr glaubwürdig und mit der nötigen Autorität erfüllen kann. Er hat auch das Ansehen des Berufsbeamtentums als Sachwalter einer stabilen und gesetzestreuen Verwaltung beeinträchtigt.
Zwar wurde „nur“ eine Geldstrafe verhängt, die konkreten Tatumstände sind jedoch so schwerwiegend, dass das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört ist.
Die Einlassungen des Beamten in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 29. April 2015 und im Gespräch mit dem Dienstherrn am 4. Januar 2016 führen zu keinem anderen Ergebnis.
Er hat zugegeben, sich die Bilder beschafft zu haben. Seine Einlassung, er habe als Informatiklehrer herausfinden wollen, wie leicht Jugendliche „etwas“, z.B. Bilder, im Internet von sich preisgeben, und er habe nur diesen Versuch gemacht und danach ad acta gelegt, ist unglaubwürdig.
Es befinden sich auch Bilder von Kleinstkindern dabei, die selbst noch gar nicht in der Lage sind, einen Computer zu nutzen. Zudem gab es vier unterschiedliche Erstellzeitpunkte im Zeitraum von 3.10.12 bis 13.4.14 für mindestens 192 Bilddateien mit kinderpornografischem Inhalt.
Durchgreifende Milderungsgründe, die ein Absehen von der Höchstmaßnahme zwingend erforderlich gemacht hätten, sind bei der – im Rahmen der vorliegenden Kostenentscheidung gebotenen aber auch ausreichenden – summarischen Prüfung für das Gericht nicht erkennbar.
Weder die Tatsache, dass der Beamte bisher noch nicht strafrechtlich oder disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist, noch seine guten Beurteilungen, noch die Akzeptanz des Strafbefehls führen dazu, dass noch ein Restvertrauen verbliebe.
3. Die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG wird hinsichtlich einer erneuten Ernennung des Beklagten zum Beamten eines bayerischen Dienstherrn getroffen.
Nach der Einstellung des Disziplinarverfahrens aufgrund der Entlassung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 1 i.V.m. Art. 33 Abs. 2 BayDG) kann im gerichtlichen Verfahren die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG getroffen werden. Dies ergibt sich aus der in Art. 57 Abs. 2 Nr. 2 Halbsatz 2 BayDG angeordneten entsprechenden Anwendbarkeit der Vorschrift des Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 i.V.m. Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG. Eines ausdrücklichen Antrags bedarf es nicht (vgl. Findeisen, BayDG, Art. 58 Anm. 3.2 a.E.).
Art. 11 Abs. 6 Satz 2 BayDG erklärt die Regelung des Art. 11 Abs. 6 Satz 1 BayDG in den Fällen für (analog) anwendbar, in denen der Beamte nach der Einleitung eines Disziplinarverfahrens aus dem Beamtenverhältnis (auf eigenen Antrag) entlassen wird. Aufgrund dieser Regelung darf der Beamte nach der Entlassung „bei einem bayerischen Dienstherrn (…) nicht wieder zum Beamten (…) ernannt werden“ (Art. 11 Abs. 6 Satz 1 Halbsatz 1 BayDG). Damit wird nach der Entlassung die Berufung in ein neues Beamtenverhältnis bei einem bayerischen Dienstherrn ausgeschlossen, wenn die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis aufgrund der Disziplinarklage nur deshalb nicht erfolgt ist, weil das Beamtenverhältnis vor der gerichtlichen Entscheidung im Disziplinarverfahren durch den Entlassungsantrag beendet worden ist und das Disziplinarverfahren ohne diese Entlassung durch eine Entscheidung nach Art. 11 Abs. 1 BayDG beendet worden wäre (vgl. Findeisen, BayDG, Art. 11 Anm. 2.2.2 letzter Absatz).
Nach den vorstehenden Ausführungen (vgl. oben zu 2.) hätte zur Überzeugung des Gerichts die Disziplinarklage vom 9. März 2017 zur Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis geführt. Damit sind die Voraussetzungen des Art. 11 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbsatz 1 BayDG erfüllt.

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