Aktenzeichen 54 O 354/17
Leitsatz
Die Vereinbarung einer 10-jährigen Vertragslaufzeit für einen Fernwärmeliefervertrag verstößt gegen § 309 Nr. 9 a BGB, wenn der Vertragspartner nur Fernwärme liefert und nicht produziert. Die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 2 BGB und die AVBFernwärmeV gilt nur für Fernwärmeversorgungsunternehmen. (Rn. 18 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird für den Zeitraum bis zum 30.05.2017 auf 119.968,70 € und für den Zeitraum ab dem 30.05.2017 auf 122.530,70 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Kündigung vom 01.12.2016 ist wirksam.
I.
Ein Zahlungsanspruch auf Zahlung der rückständigen, monatlichen Abschläge ist unbegründet, da der Vertrag zum 31.12.2016 wirksam von der Beklagten gekündigt wurde.
1. Grundsätzlich besteht nach dem hier relevanten Vertrag vom 05.03./31.03.2014 ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung der monatlichen Abschläge.
2. Der Vertrag wurde aber durch die Kündigung vom 01.12.2016 wirksam beendet. Die Kündigung war insbesondere nicht dadurch unwirksam, dass es sich um einen befristeten Vertrag handelte. Die Klägerin kann sich nicht auf die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 2 BGB und die AVBFernwärmeV berufen, da es sich bei der Klägerin nicht um ein Fernwärmeversorgungsunternehmen handelt. Die Vereinbarung einer 10-jährigen Vertragslaufzeit verstößt gegen § 309 Nr. 9 a BGB.
a) Unstreitig handelt es sich bei der Beklagten um eine Verbraucherin im Sinne des AGB-Rechts, vgl. BGH, Az.: VIII ZR 243/13.
b) Bei der Klägerin handelt es sich nicht um ein Fernwärmeversorgungsunternehmen, so dass die AVBFernwärmeV und die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 2 BGB keine Anwendung finden. Die Beklagte weist zu Recht auf das Urteil des BGH vom 21.12.2011, Az.: VIII ZR 262/09, hin. Dort wiederholt der BGH seine gesetzliche Definition der Fernwärme: Diese liegt vor, wenn aus einer nicht im Eigentum des Eigentümers stehenden Heizungsanlage von einem Dritten nach unternehmenswirtschaftlichen Gesichtspunkten eigenständig Wärme produziert und an andere geliefert wird, wobei es auf die Nähe der Heizungsanlage sowie der versorgten Gebäude ebenso wenig ankommt wie auf das Vorhandensein eines größeren Leitungsnetzes (Rn. 11 – juris). Der BGH nimmt in seiner Entscheidung ausdrücklich auf die Begründung des Verordnungsgebers zur AVBFernwärmeV Bezug, wo auf hohe Investitionen abgestellt wird. Es seien gerade die mit einer Einrichtung einer Fernwärmeversorgung verbundenen hohen Kosten der Hauptgrund, in Fernwärmeversorgungsverträgen eine formularmäßige Vereinbarung einer 10-jährigen Vertragslaufzeit als zulässig anzusehen (Rn. 16 – juris). Der BGH zieht daraus den Schluss (Rn. 18 – juris), dass Fernwärme dann vorliegt, wenn der Versorger vor Beginn der Versorgung die Wärmeproduktionsanlage auf eigene Kosten erstellt und/oder ein für die Wärmeversorgung erforderliches Leitungsnetz aufzubauen hat. Ganz anders soll es sich ausdrücklich dann verhalten, wenn ein Betriebsführungsmodell vorliegt, in denen sich der Versorger im wesentlichen lediglich dazu verpflichtet, eine bereits vorhandene, im Eigentum des Kunden stehende, funktionstüchtige Heizungsanlage für ein Entgelt anzupachten und zu betreiben. In diesen Fällen soll es nach der Rechtsprechung des BGH regelmäßig an der hohen Kostenintensität der Wärmeversorgung und damit an einem Wesensmerkmal des Fernwärmebegriffs fehlen. Denn dann würden die hohen Investitionskosten, die sich über die Vertragslaufzeit Weg amortisieren müssten, nicht vorliegen.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ist im Gegensatz zur Auffassung der Klägerin im vorliegenden Fall nicht davon auszugehen, dass es sich bei der Klägerin um ein Fernwärmeversorgungsunternehmen handelt. Auch wenn die Klägerin das Urteil des BGH nicht für einschlägig hält, da sie ja schließlich Investitionen getätigt hätte, ist unter Anwendung dieser Rechtsprechung der Fall zugunsten der Beklagten zu entscheiden.
Vordergründig ist vor allem darauf abzustellen, dass die Klägerin keine Wärmeproduktionsanlage errichtet hat. Vielmehr betreibt die Klägerin, wie sie auch im Vertrag ausdrücklich festgehalten hat, sogenanntes Energiecontracting. Die Klägerin leitet also nur die Fernwärme weiter, die von den Stadtwerken L. in deren Wärmeproduktionsanlage (ehemalige Müllverbrennungsanlage) hergestellt wird. Die Klägerin produziert also keine Wärme, sondern stellt die Wärme eines Dritten lediglich zur Verfügung. Sie schaltet sich also zwischen die Stadtwerke L. und die Beklagte als Abnehmerin der Wärme (aus Sicht der Stadtwerke).
Im Zuge der hier relevanten Vertragsauslegung sind diverse vertragliche Regelungen relevant, die dazu führen, dass erhebliche Investitionen der Klägerin nicht vorliegen: Berücksichtigungsfähige Investitionen liegen ohnehin nur in Höhe der hälftigen Kosten für die Einrichtung der Hausstation, also 27.571,21 € brutto, sowie die Herstellungskosten für den Hausanschluss in Höhe von 2.737 € brutto (gezahlt an die Stadtwerke) zu berücksichtigen. Der Umbau nach der Trinkwasserverordnung hat mit der Lieferung von Fernwärme nichts zu tun, sondern ist lediglich eine Folge aus dem Betrieb der Hausstation. Mit der Frage, ob die Klägerin Fernwärme liefert, hat dies nicht zu tun. Ebenso bleiben natürlich die Verbrauchskosten, welche ja 1 : 1 an die Beklagte weitergereicht werden, für die Betrachtung der Investitionen ohne Berücksichtigung.
Bezogen auf eine mögliche Vertragslaufzeit von 10 Jahren (mit der Option der Verlängerung) kann nicht von einer hohen Investition im Sinne der Rechtsprechung des BGH ausgegangen werden. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass in § 3 Abs. 2 des Vertrages ausdrücklich festgehalten wurde, dass durch den Einbau der Hausstation diese nicht ins Eigentum der Beklagten übergeht, für die Vertragsdauer die Verfügungsbefugnis über die Hausstation ausschließlich der Klägerin zusteht und diese nach Beendigung des Wärmelieferungsvertrages durch den Lieferanten entfernt wird (§ 3 Abs. 6 des Vertrages). Gerade letzteres spricht gegen hohe Investitionen, da die Hausstation auch nach Ablauf der Mindestvertragszeit von 10 Jahren zumindest einen gewissen Restwert haben wird, der von den Investitionskosten von knapp 30.000 € abzuziehen wäre. Doch selbst unter der Annahme, die Hausstation wäre nach Ende von 10 Jahren nichts mehr wert, liegen keine hohen Investitionen vor, die eine so lange Vertragslaufzeit zwingend nach sich ziehen müssten.
Insbesondere ist offensichtlich, dass der Verordnungsgeber diejenigen Investitionen gemeint hat, welche den eigentlichen Fernwärmeversorger, hier die Stadtwerke L., treffen. Dem Gericht ist aus eigener Anschauung bekannt, dass die Stadtwerke in den letzten drei Jahren erhebliche Aufwendungen dafür hatten, die Fernwärmeleitungen von der ehemaligen Müllverbrennungsanlage, die sich knapp außerhalb der Wohnbebauung befindet, in die Stadt hineinzulegen und dann insbesondere die Fernwärmeleitungen in den Straßen der Stadt zu verlegen. Dabei haben die Stadtwerke erhebliche Kosten durch das Aufreißen und Wiederverschließen der Straßen auf sich nehmen müssen. Diese Kosten sind sicherlich in die Millionen gegangen. Dagegen ist die Investition in eine Hauswärmestation von 27.571,21 €, welche gegenüber einer normalen Gasheizung für ein Mehrfamilienhaus auch nicht deutlich teurer ist, geradezu wenig.
Umgerechnet auf eine 10-jährige Vertragslaufzeit betragen die monatlichen Investitionen (ohne Kapitalkosten) gerade einmal 250,00 €. Im Jahr 2016 betrug der bezahlte Abschlag an die Klägerin hingegen 2.736,83 € (vgl. Anlage K 7), während ausweislich Anlage K 30 der monatliche Abschlag der Stadtwerke, welche der Klägerin in Rechnung gestellt wurde, lediglich 1.695,83 € betrug. Daraus folgt eine monatliche (!) Differenz von 1.041,00 €, die mit dem (auch unter Berücksichtigung von Kapitalkosten) monatlichen Investitionskosten von 250,00 € nicht annähernd in Einklang gebracht werden können. Es besteht daher für die Klägerin kein Zwang, sich für die Amortisierung dieses Vorhabens auf eine 10-jährige Vertragslaufzeit berufen zu müssen.
Dazu passt auch, dass Preissteigerungen, welche seitens der Stadtwerke L. vorgenommen werden, in vollem Umfang auf die Beklagte umgelegt werden (§ 4 Abs. 2 des Vertrages). Wenn dann auch noch berücksichtigt wird, dass die Klägerin ausdrücklich keine eigene Wärmeerzeugung vornimmt (§ 2 Abs. 3 des Vertrages) und damit nicht einmal garantiert, dass tatsächlich im Notfalle (sprich Ausfall der Fernwärmeversorgung) die Klägerin der Beklagten eine Notwärmeversorgung zur Verfügung steht, sind die Investitionen erst recht nicht erheblich genug, um die Anwendung der AVBFernwärmeV zu begründen.
Ein weiterer, gegen die Klägerin sprechender Aspekt ist, dass mit dem in Anlage K 2 vorgelegten Mietvertrag die Räumlichkeiten für lediglich 1 € netto pro Monat angemietet wurde. Darüber hinaus muss ausweislich von § 4 Abs. 2 des Mietvertrages, den Strom für die Hausstation noch die Beklagte bezahlen. Es handelt sich also um einen die Beklagte stark benachteiligenden Scheinmietvertrag, der im Übrigen das übliche Mietniveau der Stadt L. erheblich unterschreitet, auch wenn es sich „nur“ um einen Heizungsraum handelt. Ebenso verzichtet die Beklagte auf ihr Vermieterpfandrecht (§ 9 Abs. 2 des Mietvertrages), was ebenfalls einen erheblichen Rechtsverzicht darstellt, auch wenn die Klägerin offensichtlich die geschuldete Miete wird bezahlen können.
Nach alledem ist die Bereichsausnahme des § 310 Abs. 2 BGB nicht anwendbar, die Klägerin kann sich für die Zulässigkeit der Befristung nicht auf die AVBFernwärmeV berufen. Aufgrund des Verstoßes gegen § 309 Nr. 9 a BGB gilt die gesetzliche Regelung, insbesondere würde eine Vertragslaufzeit auf 2 Jahre gegen das Verbot der geltungserhaltenden Reduktion verstoßen. Der Vertrag gilt also auf unbestimmte Zeit geschlossen und kann daher ordentlich gekündigt werden (§ 620 Abs. 2 BGB). Die Kündigungsfrist berechnet sich daher nach § 621 Nr. 3 BGB. Die Kündigung am 01.12.2016 konnte daher Wirkung zum Ende Dezember 2016 entfalten.
II.
Der Feststellungsantrag ist nach dem oben Ausgeführten aus den gleichen Gründen unbegründet. Der Vertrag ist durch die Kündigung beendet worden.
III.
Die Kostenfolge ergibt sich aus § 91 ZPO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit resultiert aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Streitwert folgt im Verlauf der Klageforderung. Der Feststellungsanspruch wurde mangels Anwendbarkeit von §§ 41, 42 GKG nach § 9 ZPO bewertet. Ausgehend vom vorgetragenen letzten Abschlag von 2.730 € ergibt sich ein Jahreswert von 32.760 €, das 3,5-fache davon sind 114.660 €. Dazu war der Zahlungsantrag hinzuzuaddieren.