Aktenzeichen Au 7 K 16.1561
FeV FeV § 11 Abs. 8 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, S. 3, § 46 Abs. 1
Leitsatz
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung der Anforderung eines Fahreignungsgutachtens eine Rechtsgrundlage angibt, muss diese zutreffen. Ist eine falsche Rechtsgrundlage angegeben, kann die streitgegenständliche Gutachtensaufforderung im Laufe des Verfahrens nicht von der Behörde oder dem Gericht auf eine andere, eigentlich zutreffende Rechtsgrundlage gestützt werden. Im Falle der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens kann dann nicht auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Herrn Rechtsanwalt … bewilligt.
Gründe
I.
Der am … 1966 geborene Kläger wendet sich im Klageverfahren gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis wegen Nichtbeibringung eines ärztlichen Gutachtens zu seinem Cannabiskonsum.
1. Mit Bußgeldbescheid vom 2. Februar 2015 (rechtskräftig seit 19.2.2015) war gegen den Kläger eine Geldbuße und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt worden, da er am Montag, den 24. November 2014, 9:30 Uhr, ein Kraftfahrzeug unter Cannabiseinfluss geführt hatte. Die dem Kläger an diesem Tag um 10:32 Uhr entnommene Blutprobe ergab laut dem rechtsmedizinischen Gutachten des Universitätsklinikums … folgenden Befund:
THC: 2,3 ng/ml,
THC-COOH: 37,9 ng/ml,
11-OH-THC: 2,3 ng/ml),
Mit Schreiben vom 25. September 2015, zugestellt laut Postzustellungsurkunde am 29. September 2015, forderte die Beklagte den Kläger unter Bezugnahme auf die Drogenfahrt vom 24. November 2014 auf, bis spätestens 30. November 2015 ein ärztliches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung vorzulegen. Im Gutachten solle festgestellt werden, ob beim Kläger nur dieser einmalige Konsum vorliege, oder ob er gelegentlich, wenn nicht gar regelmäßig (d.h. täglich oder nahezu täglich) Cannabisprodukte konsumiere. Im Betreff dieses Schreibens sind folgende Rechtsgrundlagen aufgeführt: § 46 Abs. 3 FeV, § 11 Abs. 2 und 6 FeV, § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, Nr. 9.2 Anlage 4 FeV.
Ein Gutachten wurde in der Folgezeit nicht vorgelegt.
2. Nach Anhörung entzog die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 13. April 2016, zugestellt laut Postzustellungsurkunde am 15. April 2016, die Fahrerlaubnis (Nr. 1). Der Kläger wurde aufgefordert, den Führerschein unverzüglich, spätestens binnen drei Tagen nach Zustellung dieser Verfügung, bei der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern (Nr. 2). Hinsichtlich der Nummern 1 und 2 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. 3). Für den Fall, dass der Kläger seinen Führerschein nicht fristgemäß abliefert, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 250,00 EUR angedroht (Nr. 6).
In den Gründen ist unter anderem ausgeführt, dass die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 und 3 FeV i.V.m. § 11 Abs. 2 Satz 3 Nr. 5 FeV dazu berechtigt gewesen sei, vom Betroffenen die Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung zu verlangen. Weigere sich der Betroffene, sich untersuchen zu lassen oder bringe er das geforderte Gutachten nicht fristgemäß bei, dürfe die Fahrerlaubnisbehörde auf die Nichteignung schließen (§ 11 Abs. 8 FeV) und habe dessen Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 FeV zu entziehen.
Am 27. April 2016 ging der Führerschein des Klägers bei der Beklagten ein.
3. Am 29. April 2016 legte der Bevollmächtigte des Klägers Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. April 2016 ein. Zur Begründung wurde mit Schriftsatz vom 19. Juni 2016 im Wesentlichen ausgeführt, dass der Kläger seit Jahren schwer an Gicht erkrankt und auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen sei. Nachdem er den Medien im Rahmen der öffentlichen Legalisierungsdebatte um Cannabis entnommen habe, dass die Einnahme von Cannabis die Schmerzen auch im Falle der Gicht lindern würde, habe der Kläger sich am Wochenende vor dem Tattag (24.11.2014), seiner Erinnerung nach am Freitag, den 21. November 2014, entschlossen, die Einnahme von Cannabis auszuprobieren. Am Morgen des 24. November 2014 habe sich der Kläger in der Lage gefühlt, ein Kraftfahrzeug sicher zu führen. Der Kläger habe mit Drogen – mit Ausnahme der gegenständlichen versuchsweisen, einmaligen Cannabiseinnahme – nichts zu tun.
Mit Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016 wies die … den Widerspruch zurück und führte in den Gründen dazu unter anderem aus, dass die Anforderung eines ärztlichen Gutachtens gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV zu Recht erfolgt sei. Das bisherige Verhalten des Klägers sowie die Nichtvorlage des Gutachtens seien Tatsachen, die zum Entzug der Fahrerlaubnis führen mussten. Zudem wurde darauf hingewiesen, dass der eingeräumte Cannabiskonsum am 21. November 2014 aufgrund der Abbauzeit von Cannabis für den in der Blutprobe am 24. November 2014 gemessenen THC-Wert von 2,3 ng/ml nicht ursächlich sein könne. Damit stehe fest, dass der Kläger wenige Stunden vor der Blutentnahme am 24. November 2014 ein weiteres Mal Cannabis in einem selbständigen Konsumakt konsumiert habe, so dass entgegen der Schilderung des Klägers nicht nur von einem einmaligen Probierverhalten, sondern von einem zumindest zweimaligen Drogenkonsum auszugehen sei. Aufgrund dieses Sachverhalts hätte die Fahrerlaubnisbehörde innerhalb eines Jahres seit dem Vorfall die Fahrerlaubnis sogar direkt ohne Anforderung eines Gutachtens entziehen können.
4. Am 7. November 2016 ließ der Kläger durch seinen Bevollmächtigten Klage erheben und beantragen,
Der Bescheid der Beklagten vom 13. April 2016 wird aufgehoben.
Zur Begründung wurde auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren verwiesen.
Mit weiterem Schriftsatz vom 23. November 2016 wurde der Antrag gestellt,
dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Bevollmächtigten zu bewilligen.
Dabei wurden der ausgefüllte Vordruck „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ und entsprechende Belege (u.a. Bescheid des Jobcenters, … Stadt, vom 13.9.2016 über die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts) vorgelegt.
Die Beklagte beantragte mit Schreiben vom 14. Dezember 2016,
die Klage abzuweisen.
Die Voraussetzungen der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV für die Annahme fehlender Kraftfahreignung seien nach Aktenlage gegeben, da der Kläger als gelegentlicher Konsument von Cannabis ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr mit einer THC-Konzentration von 2,3 ng/ml geführt habe.
5. Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte einschließlich Prozesskostenhilfeakte in diesem Verfahren und die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Klägerbevollmächtigten ist zulässig und begründet.
Nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 S. 1, § 117 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Ausreichend ist hierfür eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolgs, ansonsten wäre die verfassungsrechtlich garantierte Chancengleichheit von Bemittelten und Unbemittelten bei der Rechtsverfolgung nicht hergestellt (vgl. BayVGH vom 21.11.2007, Az. 24 C 07.2525).
Im vorliegenden Fall sind die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens (Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 13.4.2016 in der Fassung des Widerspruchsbescheids der … vom 28.9.2016) als offen anzusehen.
1. Die Nichteignung des Klägers zum Führen von Kraftfahrzeugen mit der zwingenden Folge der Fahrerlaubnisentziehung (§ 3 Abs. 1 StVG, § 46 Abs. 1 FeV) kann nicht damit begründet werden, dass er das mit Schreiben vom 25. September 2015 geforderte ärztliche Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung nicht vorgelegt hat, da diese Aufforderung rechtswidrig war.
Die Beklagte durfte nicht gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV auf die Nichteignung des Klägers schließen. Denn der Schluss auf die Nichteignung des Betroffenen im Fall der Nichtbeibringung eines Gutachtens gemäß § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV ist nur zulässig, wenn die Anordnung zur Gutachtensbeibringung rechtmäßig war, wenn also die rechtlichen Voraussetzungen für die Anordnung erfüllt sind und die Anordnung auch im Übrigen den Anforderungen des § 11 FeV entspricht. Voraussetzung ist insbesondere, dass die Anordnung zur Beibringung des Gutachtens anlassbezogen und verhältnismäßig erfolgt ist. Der Betroffene muss der Gutachtensaufforderung entnehmen können, was konkret ihr Anlass ist und ob das Verlautbarte die behördlichen Zweifel an seiner Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung gebunden (vgl. Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl. 2015, § 11 FeV Rn. 55; Janker in Burmann/Heß/Jahnke/ Janker, Straßenverkehrsrecht, 23. Aufl. 2014, § 3 StVG Rn. 7c und 7e – jeweils m.w.N.).
An die Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung sind auch formal strenge Maßstäbe anzulegen, weil der Betreffende die Gutachtensaufforderung mangels Verwaltungsaktqualität nicht direkt anfechten kann. Er trägt das Risiko, dass ihm gegebenenfalls die Fahrerlaubnis bei einer Weigerung deswegen entzogen wird. Der Gutachter ist an die Gutachtensaufforderung und die dort formulierte Fragestellung sowie die dort genannten Rechts- und Beurteilungsgrundlagen gebunden. Es ist gemäß § 11 Abs. 6 FeV Aufgabe der Fahrerlaubnisbehörde und nicht Aufgabe des Gutachters oder des betroffenen Fahrerlaubnisinhabers, die Beurteilungsgrundlage und den Beurteilungsrahmen selbst klar und fehlerfrei festzulegen (vgl. BVerwG, B.v. 5.2.2015 – 3 B 16/14 – BayVBl 2015, 421 mit Anm. Liebler, juris PR-BVerwG 10/2015 v. 8.5.2015, Anm. 2; BayVGH, B.v. 24.7.2015 – 11 CS 15.1203 – juris; B.v. 24.11.2014 – 11 ZB 13.2240 – juris; U.v. 12.3.2012 – 11 B 10.955 – SVR 2012, 396).
An einer rechtmäßigen Gutachtensanordnung fehlt es hier.
Die Aufforderung zur Beibringung des Gutachtens war rechtswidrig, weil die Beklagte mit „§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV“ eine falsche Rechtsgrundlage angegeben hat.
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde zur Begründung der Anforderung eines Fahreignungsgutachtens eine Rechtsgrundlage angibt, muss diese zutreffen. Ist eine falsche Rechtsgrundlage angegeben, kann die streitgegenständliche Gutachtensaufforderung im Laufe des Verfahrens nicht von der Behörde oder dem Gericht auf eine andere, eigentlich zutreffende Rechtsgrundlage gestützt werden. Im Falle der Nichtbeibringung des geforderten Gutachtens kann dann nicht auf die Fahrungeeignetheit des Betroffenen geschlossen werden (BayVGH, B.v. 16.8.2012 – 11 CS 12.1624 – Blutalkohol 49, 340; B.v. 12.3.2012 – 11 B 10.955 – SVR 2012, 396; B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – SVR 2011, 275;).
Eine Ausnahme käme nur dann in Betracht, wenn eine Norm schlicht falsch bezeichnet wird, die Voraussetzungen der beiden Vorschriften aber identisch sind und die Nennung der falschen Norm den Betreffenden nicht in seiner Rechtsposition oder Rechtsverteidigung beeinträchtigen kann (vgl. BayVGH, B.v. 15.11.2012 – 11 ZB 12.1449; VG Würzburg, B.v. 1.12.2015 – juris m.w.N.).
Da hier ein ärztliches Gutachten angeordnet wurde, ist zutreffende Rechtsgrundlage nicht § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV, denn diese Bestimmung regelt die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens durch Ermessensentscheidung. Die zutreffende Rechtsgrundlage ist hier (wie auch im streitbefangenen Bescheid zu Recht zitiert) § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV, der im Falle der Einnahme von Betäubungsmitteln im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes zwingend die Beibringung eines ärztlichen Gutachtens vorsieht. Es drängt sich zwar auf, dass es sich beim falschen Zitat in der Gutachtensaufforderung vom 25. September 2015 nur um ein Redaktionsversehen gehandelt hat, da der Rest stimmt. In der Gutachtensaufforderung sind insbesondere die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV (Führen eines Kraftfahrzeugs unter Cannabiseinfluss, Feststehen einest zumindest einmaligen Konsums) richtig wiedergegeben, und auch die Fragestellung nach dem Konsumverhalten des Klägers im Hinblick auf Cannabis entspricht dem Aufklärungszweck des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FeV. Gleichwohl enthält die Gutachtensaufforderung einen Fehler, der sie insgesamt rechtswidrig macht. Denn die scharfe Sanktion des § 11 Abs. 8 Satz 1 FeV setzt grundsätzlich eine vollständig rechtmäßige Gutachtensanordnung voraus (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2013 – 11 CS 13.22 – VD 2013, 128; VG Augsburg, B.v. 25.3.2014 – Au 7 S. 14.306 – juris; VG Würzburg, B.v. 1.12.2015 – juris; VGH BW, B.v. 30.6.2011 – 10 S 2785/10 – NJW 2011, 3257).
Die falsche Bezeichnung der einschlägigen Rechtsgrundlage führt zur Rechtswidrigkeit der Gutachtensaufforderung, weil die Voraussetzungen und insbesondere die Rechtsfolgen der beiden verwechselten Vorschriften nicht identisch sind.
2. Offen ist aber, ob die erstmalige Fahrt des Klägers unter Cannabiseinfluss die Entziehung der Fahrerlaubnis rechtfertigt.
Gemäß Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr nur dann vorhanden, wenn Konsum und Teilnahme am Straßenverkehr sicher getrennt werden, nicht zusätzlich Alkohol oder andere psychoaktiv wirkende Stoffe konsumiert werden und wenn keine Störung der Persönlichkeit sowie kein Kontrollverlust vorliegt.
a) Gelegentlicher Cannabis-Konsum liegt nach ständiger Rechtsprechung bereits dann vor, wenn der Betroffene in zumindest zwei selbständigen Konsumvorgängen Cannabis zu sich genommen hat und diese Konsumvorgänge einen gewissen, auch zeitlichen Zusammenhang aufweisen (grundlegend hierzu BVerwG, U.v. 23.10.2014 – 3 C 3/13 – juris, Rn. 16 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 21.7.2014 – 11 CS 14.988; B.v. 13.12.2010 – 11 CS 10.2873; B.v. 27.3.2006 – 11 CS 05.1559 – alle zitiert nach juris).
Das Gericht geht zwar davon aus, dass der Kläger jedenfalls im Zeitpunkt der Fahrt unter Cannabiseinfluss vom 24. November 2014 ein gelegentlicher Konsument von Cannabis war. Dies folgt aus den eigenen Einlassungen des Klägers, der sowohl im Rahmen der polizeilichen Kontrolle am 24. November 2014 (s. polizeiliche Mitteilung wegen eines Verkehrsdelikts vom 27.1.2015, Bl. 1 der Akte der Beklagten) als auch in der Widerspruchsbegründung vom 19. Juni 2016 einen Cannabiskonsum am Wochenende vor dem Tattag, wahrscheinlich am 21. November 2014, eingeräumt hat. Aufgrund des am 24. November 2014 gemessenen THC-Werts von 2,3 ng/ml steht aber fest, dass der Kläger zudem nur wenige Stunden vor der Verkehrskontrolle am 24. November 2014 Cannabis ein weiteres Mal konsumiert hat. Denn der eingeräumte Konsum weit mehr als zwölf Stunden vor der Verkehrskontrolle kann – wie schon im Widerspruchsbescheid vom 28. September 2016 festgestellt wurde – nicht für den in der Blutprobe gemessenen THC-Wert von 2,3 ng/ml ursächlich sein.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof führt zu den Abbauwerten von THC in seinem Beschluss vom 16. Dezember 2015 (Az. 11 CS 15.2377, juris Rn. 14, 15) unter Bezugnahme auf wissenschaftliche Studien, wie folgt, aus:
„Der Senat hat bereits entschieden, dass aus einem THC-Wert, der in einer Blutprobe festgestellt wurde, im Wege der Rückrechnung nicht mit jener Genauigkeit ermittelt werden kann, wie hoch der THC-Spiegel zu einem bestimmten, vor der Blutentnahme liegenden Zeitpunkt war, wie das z.B. beim Rauschmittel “Alkohol” möglich ist (vgl. B.v. 27.9.2010 – 11 CS 10.2007 – juris Rn. 10).
Der psychoaktive Wirkstoff THC wird bei inhalativem Konsum von Cannabis sehr schnell vom Blut resorbiert und ist nach einem Einzelkonsum sechs bis zwölf Stunden im Blut nachweisbar (Beurteilungskriterien – Urteilsbildung in der Fahreignungs-begutachtung – Hrsg.: Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie/Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin, 3. Aufl. 2013, S. 247). Im Rahmen der Maastricht-Studie wurde ebenfalls festgestellt, dass bei der überwiegenden Zahl der Cannabiskonsumenten THC im Blut relativ schnell abgebaut wird und bereits nach sechs Stunden nur noch THC-Werte zwischen 1 und 2 ng/ml festgestellt werden konnten (vgl. BayVGH, B.v. 13.5.2013 – 11 ZB 13.523 – NJW 2014, 407 Rn. 19 ff. m.w.N.).“
b) Fraglich ist aber, ob die Fahrt unter Cannabiseinfluss am 24. November 2014 bereits ein mangelndes Trennungsvermögen belegt.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat hierzu mit Urteil vom 25. April 2017 (Az.: 11 BV 17.33) entschieden, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten nach einer erstmaligen, als Ordnungswidrigkeit geahndeten Fahrt mit einem Kraftfahrzeug unter der Wirkung von Cannabis grundsätzlich nicht gemäß § 11 Abs. 7 FeV ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen von der Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgehen könne. Vielmehr sehe § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV hierfür die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung im Ermessenswege vor.
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat gegen dieses Urteil die Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe. Es sei klärungsbedürftig, ob einem gelegentlichen Cannabiskonsumenten schon nach der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2, Abs. 3 StVG unter Cannabiseinfluss ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen die Fahrerlaubnis entzogen werden müsse.
Nachdem es sich bei der Fahrt des Klägers vom 24. November 2014 unter Cannabiseinfluss um eine erstmalige, als Ordnungswidrigkeit geahndete derartige Fahrt gehandelt hat, erscheinen die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens offen.
Der Kläger hat daher Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil er nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).