Verkehrsrecht

Offensichtliche Erfolglosigkeit einer Berufung

Aktenzeichen  10 U 1006/16

Datum:
25.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 136454
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2 Nr. 1

 

Leitsatz

Eine ausführlich dargestellte, genau begründete und mit Nachweisen gestützte Entscheidung kann keinen Einwand gegen die rechtliche Beurteilung der Berufung als offensichtlich aussichtslos rechtfertigen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

26 O 2152/14 2016-02-02 LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 07.03.2016 gegen das Endurteil des Landgerichts München I vom 02.02.2016 wird zurückgewiesen.
2. Das Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
3. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
4. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 104.212,83 €.

Gründe

A.
I. Der Kläger macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz, insbesondere Verdienstentgang, aus einem Verkehrsunfall vom 19.11.1992 geltend, wobei als Anspruchsgrundlage eine Vergleichs- und Abfindungserklärung der Rechtsvorgängerin der Beklagten dient. Der Kläger beziffert seinen Erwerbsschaden der Jahre 2009 bis 2013 mit 104.212,83 €. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 02.02.2016 (Bl. 65/73 d. A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
II. Das Landgericht München I hat die Klage ohne Beweisaufnahme in vollem Umfang abgewiesen (EU 1 = Bl. 65 d. A.), weil der Zurechnungszusammenhang zwischen ursprünglichen unfallbedingten Erwerbseinbußen und den letzten Arbeitsplatzverlusten unterbrochen sei. Insbesondere beruhe die Arbeitsplatzaufgabe bei der Firma N.S. N. GmbH & Co. KG auf einer eigenverantwortlichen Entscheidung des Klägers und sei ebenso wenig wie die Kündigung der Beschäftigung im Polizeidienst auf unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen zurück zu führen. Hinsichtlich der Erwägungen des Landgerichts wird auf die Entscheidungsgründe (EU 5/8 = Bl. 69/72 d. A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.
III. Gegen dieses ihm am 09.02.2016 zugestellte Urteil hat der Kläger mit beim Oberlandesgericht München am 07.03.2016 eingegangenem Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 83/84 d. A.) und diese mit Schriftsatz vom 27.04.2016, eingegangen beim Gericht am gleichen Tag, – nach Fristverlängerung gemäß Verfügung des Senatsvorsitzenden vom 05.04.2016 fristgerecht – begründet (Bl. 97/109 d. A.).
Der Kläger beantragt (BB 1 = Bl. 97 d. A.), unter Abänderung des angefochtenen Urteils,
– die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 104.212,83 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 05.03.2014 zu bezahlen,
– die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten von 958,19 € zu bezahlen, nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen (Bl. 88/89 d. A.).
IV.
Der 10. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München wies den Kläger mit Beschluss vom 30.11.2016, zugestellt am 06.12.2016, darauf hin, dass der Senat beabsichtige, die Berufung nach § 522 II ZPO zurückzuweisen (Bl. 112/126 d. A.). Der Kläger hat sich hierzu mit Schriftsatz vom 13.01.2017 (Bl. 130/134 d. A.) geäußert.
B.
I.
Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung des Klägers hat nach einhelliger Überzeugung des Senats in der Sache keine Aussicht auf Erfolg und ist deshalb, da die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts, noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts aufgrund mündlicher Verhandlung erfordern, gemäß § 522 II 1 ZPO zurückzuweisen.
1. Zur Begründung wird zunächst gemäß § 522 II 3 ZPO auf den Hinweis des Senats Bezug genommen.
2. Nach nochmaliger Prüfung der Sach- und Rechtslage bleibt der Senat auch unter Berücksichtigung der Ausführungen des Klägers im Schriftsatz vom 13.01.2017 bei der im Hinweisbeschluss mitgeteilten Rechtsauffassung, mit folgenden Ergänzungen:
a) Der Kläger ist offenbar der Ansicht, eine Zurückweisung der Berufung im Beschlusswege sei nicht statthaft, wenn die Beschlussbegründung ausführlich sei und auf zahlreiche Entscheidungen gestützt werde, weil dann eine längere Nachprüfung stattgefunden haben müsse (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 2 = Bl. 131 d. A.).
Er übersieht dabei jedoch zum einen, dass „Offensichtlichkeit“ nicht voraussetzt, dass die Aussichtslosigkeit gewissermaßen auf der Hand liegt, also nur dann bejaht werden dürfte, wenn die Unbegründetheit der Berufung anhand von paratem Wissen festgestellt werden kann (BVerfG EuGRZ 1984, 442 f.); sie kann vielmehr auch das Ergebnis vorgängiger gründlicher Prüfung sein (vgl. BVerfGE 82, 316 [319 f.]). Zum anderen kann eine ausführlich dargestellte, genau begründete und mit Nachweisen gestützte Entscheidung keinen Einwand gegen die rechtliche Beurteilung der Berufung als offensichtlich aussichtslos rechtfertigen. Die auch in sonstigen Fällen vom Senat gewählte umfassende schriftliche Ausarbeitung dient allein dazu, den Berufungsführern das Verständnis und die Überprüfung der Entscheidung zu erleichtern, wenngleich dies ersichtlich nicht in allen Fällen geschätzt und gewürdigt wird.
b) Der Kläger geht zutreffend davon aus, dass Rechtsausführungen nicht als verspätet zurückgewiesen werden können (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 2 = Bl. 131 d. A.). Allerdings berücksichtigt er nicht, dass dies für die zugrunde liegenden Tatsachen, die unter die rechtlichen Tatbestände zu subsumieren sind, nicht gilt, und versagt sich eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den Darlegungen des Senats zur erstinstanzlichen Tatsachenfeststellung (Hinweisbeschl. v. 30.11.2016, S. 3/9 = Bl. 114/120 d. A.). So ist zwar richtig, dass grundsätzlich (sic!) ein Schädiger keinen Anspruch darauf hat, dass der Geschädigte ein bestimmtes Arbeitsverhältnis fortsetze (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 2/3 = Bl. 131/132 d. A.); ebenso ist jedoch zutreffend, dass der Bundesgerichtshof unter bestimmten Umständen eine Unterbrechung des Ursachenzusammenhangs anerkannt – dies bestätigt der Kläger selbst – und das Erstgericht solche tatsächliche Umstände rechtsfehlerfrei festgestellt hat.
> Ein neues Berufsziel kann nach Auffassung des Senats nicht ernsthaft in Zweifel gezogen werden, wenn der Kläger aus einer angestellten Beschäftigung bei einer Kapitalgesellschaft in eine Anstellung bei einem öffentlichen Arbeitgeber wechseln wollte. Eine nähere Auseinandersetzung mit diesem Gesichtspunkt (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 3 = Bl. 132 d. A.) ist deswegen nicht geboten.
> Im Übrigen wiederholt der Kläger lediglich seine Einschätzung, er habe die Tätigkeit bei N. S. nicht eigenverantwortlich aufgegeben (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 3/4 = Bl. 132/133 d. A.). Dabei ist jedoch nicht entscheidungserheblich, welche betrieblichen Umstrukturierungsmaßnahmen und welche unternehmerischen Entscheidungen N. S. getroffen habe und ob der Kläger hierfür verantwortlich sei. Maßgeblich ist allein, dass der Kläger unstreitig das Beschäftigungsverhältnis mittels eines Auflösungsvertrags beendet hat und deswegen hätte darlegen und nachweisen müssen, dass dies allein deswegen geschehen sei, um einer ohnehin unvermeidlichen Kündigung zuvorzukommen. Letzteres schließen die gegenlautenden -und berufungsrechtlich unangreifbaren – Feststellungen des Landgerichts aus.
> Soweit der Kläger behauptet, das Erstgericht habe die Frage der eigenverantwortlichen Arbeitsplatzaufgabe für ein geändertes Berufsziel rechtsfehlerhaft nicht angesprochen (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 5 = Bl. 134 d. A.), ist dies unrichtig (EU 8 = Bl. 72 d. A.). Im Übrigen kann eine Berufungsrüge, die sich auf eine mangelhafte Darstellung und Erörterung der erstinstanzlichen Ergebnisse stützt, dann nicht erfolgreich sein, wenn der Senat – wie geschehen – diese anhand des Tatbestands und des Akteninhalts ergänzen und klarstellen kann.
c) Soweit der Kläger eine Entscheidung durch Beschluss aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Sache ablehnt (Schriftsatz v. 13.01.2017, S. 5 = Bl. 134 d. A.), verkennt er deren Voraussetzungen (BGH NJW-RR 2014, 505). Insbesondere ist das Fehlen einer höchstrichterlichen Entscheidung ohne Belang, vielmehr wäre eine Aufbereitung erforderlich gewesen, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite eine aufgeworfene Frage umstritten ist, wobei naturgemäß die Auffassung des Klägervertreters für sich allein nicht ausreichend sein kann. Vielmehr ist eine grundsätzliche Bedeutung nur dann gegeben, wenn die Rechtssache eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deswegen das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt, die allgemein von Bedeutung ist. Klärungsbedürftig ist eine Rechtsfrage dann, wenn ihre Beantwortung zweifelhaft ist, weil sie vom BGH noch nicht entschieden ist und (sic!) in der obergerichtlichen Rechtsprechung unterschiedlich beurteilt wird oder wenn sie im Schrifttum in gewissem Umfang umstritten ist. Derartige Unklarheiten werden noch nicht einmal dargelegt und nicht begründet, insbesondere besteht kein Bedarf, selten vorkommende Einzelfälle zu klären, wenn keinerlei unterschiedliche obergerichtliche Entscheidungen ersichtlich sind.
II.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 S. 2 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 I ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 63 II 1, 47 I 1, 40, 48 I 1 GKG, 3 ff. ZPO.

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