Strafrecht

Inlandsgültigkeit einer bulgarischen Fahrerlaubnis

Aktenzeichen  11 CE 18.1268

Datum:
16.8.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 19964
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123 Abs. 1 S. 2
StVG § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 u. 2, Abs. 10 S. 2 u. 4
FeV § 11 Abs. 3 S. 1 Nr. 5, § 13 S. 1 Nr. 2 lit. d, § 28 Abs. 5
BayVwVfG Art. 40

 

Leitsatz

1 Eine Vorwegnahme der Hauptsache in Form der vorläufigen Zulassung zum Straßenverkehr ist trotz ermessensfehlerhafter Anordnung der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aus Verkehrssicherheitsgründen abzulehnen, wenn ein Erfolg in der Hauptsache nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, weil die Gutachtensbeibringung aus anderen Gründen rechtmäßig angeordnet werden könnte. (Rn. 11 und 16) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei den Ermessenserwägungen über eine Gutachtensanordnung sind die Wertungen des Mehrfachtäterpunktesystems auch im Rahmen der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis oder der Erteilung des Rechts, von einer EU-Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, in den Blick zu nehmen. (redaktioneller Leitsatz)
3 Es fragt sich, ob der Regelung des § 4 Abs. 10 S. 2 und 4 StVG auch der Rechtsgedanke zu entnehmen ist, dass bei Eintragung von zwei Straftaten im Fahreignungsregister, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 lit. s StVG bezeichnet sind, in der Regel im Rahmen eines Wiedererteilungsverfahrens aufzuklärende Fahreignungszweifel bestehen, wenn bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die Punkte nach § 4 Abs. 3 StVG gelöscht werden. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26 E 18.2051 2018-05-15 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt das Recht, bis zur Entscheidung über seine diesbezügliche Klage vorläufig von seiner bulgarischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ohne vorherige Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens Gebrauch machen zu dürfen.
Das Amtsgericht München erließ am 18. Mai 2016, rechtskräftig seit 7. Juni 2016, gegen den Antragsteller einen Strafbefehl wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr, entzog ihm die Fahrerlaubnis und verhängte eine Sperre für die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von neun Monaten. Dem lag zu Grunde, dass der Antragsteller am 2. April 2016 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,45 Promille mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte. Für diese Straftat sind drei Punkte im Fahreignungsregister eingetragen. Die Sperrfrist endete am 17. Februar 2017.
Mit Strafbefehl vom 12. Mai 2017, rechtskräftig seit 1. Juni 2017, ahndete das Amtsgericht Miesbach den Antragsteller wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis, da er am 25. März 2017 mit einem Kraftfahrzeug am öffentlichen Straßenverkehr teilgenommen hatte, ohne die dafür erforderlich Fahrerlaubnis zu besitzen.
Ebenfalls am 12. Mai 2017 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Erteilung des Rechts, von seiner bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen.
Mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 forderte die Antragsgegnerin den Antragsteller auf, innerhalb von drei Monaten ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Die Anordnung werde auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 FeV gestützt. Der Antragsteller sei zwei Mal wegen Delikten im Straßenverkehr rechtskräftig verurteilt worden. Dabei handele es sich um Straftaten im Sinne des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV, die Zweifel an seiner Fahreignung hervorriefen. Eine Maßnahme nach dem Mehrfachtäterpunktesystem werde der mit der ersichtlichen individuellen Fehleinstellung unmittelbar verbundenen Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit nicht gerecht. Die Zweifel an der charakterlichen Eignung würden so schwer wiegen, dass unter Sicherheitsgesichtspunkten ein Durchlaufen der einzelnen Stufen des Punktesystems mit der Zielsetzung eines möglichst hohen Grades an Gleichbehandlung aller Kraftfahrer und Kraftfahrerinnen aufgrund des erforderlichen Präventivcharakters nicht abgewartet werden könne. Durch die wiederholte Missachtung der Rechtsvorschriften habe der Antragsteller ein Verhaltensmuster offenbart, das eine fehlende Akzeptanz der gültigen Rechtsnormen zum Ausdruck bringe. Die Maßnahme werde nach pflichtgemäßem Ermessen angeordnet, sie sei geeignet und erforderlich sowie verhältnismäßig im engeren Sinne. Es sei mittels eines Gutachtens zu klären, ob trotz der aktenkundigen Straftaten im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr zu erwarten sei, dass der Antragsteller die Anforderungen an das sichere Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 im Verkehr erfülle und ob er in Zukunft nicht erheblich oder wiederholt gegen strafrechtliche Bestimmungen in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr verstoßen werde.
Über die Klage des Antragstellers auf Zuerkennung des Rechts, von seiner bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch zu machen, hat das Verwaltungsgericht München nach Aktenlage noch nicht entschieden (M 26 K 18.276). Den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO hat das Verwaltungsgericht abgelehnt. Der Antragsteller habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 FeV seien erfüllt. Aus dem Umstand, dass der Strafbefehl vom 18. Mai 2016 entgegen der Vorschrift des § 187 Abs. 1 GVG nur in deutscher Sprache zugegangen sei, ergebe sich nicht, dass der Antragsteller nicht gewusst habe, dass er nach Ablauf der Sperrfrist nicht ohne Weiteres wieder von seiner bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet Gebrauch machen durfte. Der Antragsteller habe schon nicht glaubhaft gemacht, dass er der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei, insbesondere vor dem Hintergrund, dass er als Vorarbeiter in einer Reinigungsfirma tätig sei. Die Kopie des Führerscheins in der Behördenakte zeige, dass ein Aufkleber mit einem durchgestrichenen „D“ aufgebracht sei. Daraus habe er schließen können, dass er im Bundesgebiet nicht fahren dürfe. Obwohl es sich bei der einen Straftat um einen Alkoholverstoß handele, sei dessen Berücksichtigung im Rahmen des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 FeV nicht ausgeschlossen. Es dürften nur die Wertungen des § 4 StVG und § 13 FeV nicht umgangen werden. Dies sei hier nicht der Fall.
Dagegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt. Der Antragsteller macht geltend, er habe von den Folgen der erteilten Sperrfrist nichts gewusst. Er sei davon ausgegangen, dass er nach Ablauf der Sperre in Deutschland wieder fahren dürfe. Der Aufkleber auf seinem Führerschein sei erst angebracht worden, als er am 12. Mai 2017 den Antrag auf Erteilen des Rechts zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland gestellt habe. Sein Führerschein sei nicht von der deutschen Fahrerlaubnisbehörde eingezogen worden. In seinem Heimatland dürfe man nach Ablauf der Sperre wieder Kraftfahrzeuge führen. Es werde anwaltlich versichert, dass der Antragsteller der deutschen Sprache nicht hinreichend mächtig sei. Die Prozessbevollmächtigte spreche auch bulgarisch und habe dies selbst festgestellt. Beide Strafbefehle seien entgegen § 187 Abs. 1 GVG ausschließlich in deutscher Sprache zugestellt worden. Dies führe zwar nicht per se zur Rechtswidrigkeit der Entscheidungen. Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass der Antragsteller nicht wiederholt Straftaten in Zusammenhang mit dem Straßenverkehr begehe und nicht angenommen werden könne, dass er straßenverkehrsrechtliche Vorschriften nicht ernst nehme. Das Abwarten sei dem Antragsteller nicht zumutbar, da zahlreiche Asylanträge mit Vorrang behandelt würden. Er verliere seinen Arbeitsplatz und könne den Unterhalt an sein minderjähriges Kind nicht mehr bezahlen.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde, bei deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO auf die form- und fristgerecht vorgetragenen Gründe beschränkt ist, hat keinen Erfolg.
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn diese Regelung nötig erscheint, um u.a. wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist, dass der Antragsteller einen Anordnungsgrund und einen Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Eine Vorwegnahme der Hauptsache kommt allerdings nur in eng begrenzten Ausnahmefällen in Betracht, wenn das Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3.13 – NVwZ-RR 2014, 558 Rn. 5 m.w.N.). Die begehrte Regelung muss zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes schlechterdings notwendig sein und es muss ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg auch in der Hauptsache sprechen (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, § 123 Rn. 14 m.w.N.). Dies gilt im Fahrerlaubnisrecht angesichts der staatlichen Schutzpflicht für das Leben und die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer in besonderem Maße, da das Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge im Straßenverkehr mit erheblichen Gefahren für diese Rechtsgüter einhergeht, wenn der Betroffene nicht fahrgeeignet oder zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht befähigt ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.7.2018 – 11 CE 18.1170 – juris Rn. 15; B.v. 28.11.2014 – 11 CE 14.1962 – juris Rn. 11; B.v. 11.12.2014 – 11 CE 14.2358 – juris Rn. 18; s. auch Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 44. Auflage 2017, § 20 FeV Rn. 6). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, denn der Antragsteller konnte keinen Anordnungsanspruch glaubhaft machen.
Es bestehen zwar Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung, da das Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt worden ist. Nach summarischer Prüfung sind nicht alle Umstände ausreichend ermittelt und eingestellt worden. Das Ermessen ist aber nicht dahingehend reduziert, dass nur ein Absehen von einer Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens in Betracht kommt. Ein Erfolg der Klage ist nicht mit ausreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, um eine Vorwegnahme der Hauptsache zuzulassen.
Zutreffend sind die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht davon ausgegangen, dass es sich bei den beiden Vorfällen um Straftaten handelt, die im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr stehen und nach § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 23. Mai 2018 (BGBl I S. 566), grundsätzlich Anlass zu weiteren Aufklärungsmaßnahmen sein können (vgl. VGH BW, U.v. 11.10.2017 – 10 S 746/17 – DAR 2018, 44). Aufklärungsmaßnahmen nach § 13 Satz 1 Nr. 2 FeV sind nicht zulässig, da die Tatbestandsvoraussetzungen des § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d FeV nach der strafbaren Trunkenheitsfahrt vom 2. April 2016 nicht vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 – 3 C 24.15 – Blutalkohol 54, 320). Ob dabei schon jede Straftat für sich als erheblich i.S.d. § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 1 FeV anzusehen ist, da beide im Mehrfachtäterpunktesystem mit drei Punkten berücksichtigt werden (vgl. VGH BW a.a.O. juris Rn. 35) oder ob damit der Tatbestand des § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 9 Buchst. b FeV erfüllt wäre, kann dahinstehen, da die Antragsgegnerin die Gutachtensaufforderung auf § 11 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 Alt. 2 FeV gestützt hat.
Hinsichtlich der Ermessenserwägungen ist zu berücksichtigen, dass das Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise auszuüben ist und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten sind (Art. 40 BayVwVfG). Dabei ist zu beachten, dass das Mehrfachtäterpunktesystem nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. August 2017 (BGBl I S. 3202), zwar nur auf Inhaber einer Fahrerlaubnis anzuwenden ist. Zutreffend gehen die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht aber davon aus, dass auch im Rahmen der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis oder der Erteilung des Rechts, von einer Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen nach § 28 Abs. 5 FeV, die Wertungen des Punktesystems in den Blick genommen werden müssen. Denn mit der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis werden nach § 4 Abs. 3 Satz 1 und 2 StVG die bestehenden Punkte gelöscht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Entziehung der Fahrerlaubnis nach dem Punktesystem oder aus anderen Gründen erfolgt ist (§ 4 Abs. 3 Satz 3 Nr. 1 StVG).
Hier ist daher in die Erwägungen einzustellen, dass der Antragsteller mit den Straftaten erst sechs Punkte erreicht hatte, da beide Taten nach Nr. 1 der Anlage 13 zu § 40 FeV mit drei Punkten bewertet sind (lfd. Nr. 1.8 und 1.11) und seine Nichteignung nach dem Punktesystem damit nicht feststand. Weiterhin ist allerdings auch in den Blick zu nehmen, dass nach § 4 Abs. 10 Satz 2 und 4 StVG bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis in der Regel die Beibringung eines Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung anzuordnen ist, wenn zwei Entscheidungen nach § 28 Abs. 3 Nr. 1 oder 3 Buchst. a oder c StVG gespeichert sind. Die vorliegende Konstellation ist damit vergleichbar, da zwei rechtskräftige Entscheidungen der Strafgerichte wegen Straftaten, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s StVG bezeichnet sind, im Fahreignungsregister eingetragen sind. Es wäre daher zu prüfen gewesen, ob die Vorschrift des § 4 Abs. 10 Satz 2 und 4 StVG nur dazu dient, dem Anreiz und der Möglichkeit entgegenzuwirken, einer anstehenden Entziehung nach § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 3 StVG durch einen Verzicht zuvorzukommen und damit im Wege einer Wiedererteilung ohne Sperrfrist den Punktestand zu bereinigen (vgl. Stieber in Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. 2016, § 4 Rn. 100), oder ob dieser Regelung auch der Rechtsgedanke zu entnehmen ist, dass bei Eintragung von zwei Straftaten im Fahreignungsregister, die in der Rechtsverordnung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. s StVG bezeichnet sind, in der Regel im Rahmen eines Wiedererteilungsverfahrens aufzuklärende Fahreignungszweifel bestehen, wenn bei der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis die Punkte nach § 4 Abs. 3 StVG gelöscht werden.
Darüber hinaus wäre jedoch auch zu berücksichtigen gewesen, dass der Ungültigkeitsvermerk mittels durchgestrichenem „D“ nach von der Antragsgegnerin nicht bestritten Angaben des Antragstellers erst nach Stellung des Antrags auf Erteilung des Rechts, von der bulgarischen Fahrerlaubnis im Inland wieder Gebrauch zu machen, aufgebracht worden ist. Soweit das Verwaltungsgericht davon ausgeht, dem Antragsteller hätte schon aufgrund dieses Aufklebers bewusst sein müssen, dass er im Bundesgebiet kein Kraftfahrzeug führen dürfe, trifft dies deshalb wohl nicht zu. Es ist daher nicht auszuschließen, dass dem Antragsteller angesichts der von ihm behaupteten und von der Antragsgegnerin nicht bestrittenen unterschiedlichen Rechtspraxis in Bulgarien und der fehlenden Übersetzung des Strafbefehls vom 18. Mai 2016 tatsächlich nicht bewusst war, dass nach Ablauf der Sperrfrist ein Antrag nach § 28 Abs. 5 Satz 1 FeV erforderlich war und ihm das Recht, von seiner bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet wieder Gebrauch zu machen, dann ohne Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens hätte erteilt werden müssen, wenn nicht die weitere Straftat vom 25. März 2017 hinzugekommen wäre (vgl. BVerwG, U.v. 6.4.2017 a.a.O.). Das Amtsgericht Miesbach hat zwar vorsätzliches Fahren ohne Fahrerlaubnis angenommen und es hätte dem Antragsteller oblegen, entsprechende Erkundigungen einzuziehen, bevor er von der bulgarischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet wieder Gebrauch gemacht hat. Das Amtsgericht hat aber ein sehr geringes Strafmaß als ausreichend angesehen und keine weitere Sperrfrist nach § 69a StGB angeordnet. Der Antragsteller hat auch im Laufe dieses Strafverfahrens einen Antrag auf Erteilung der Fahrberechtigung bei der Antragsgegnerin gestellt. Es erscheint daher durchaus möglich und wäre hier noch näher aufzuklären und entsprechend zu berücksichtigen gewesen, dass er sich tatsächlich geirrt hat und damit grundsätzlich keine rechtsfeindliche Gesinnung oder gefestigte charakterliche Fehleinstellung als Ursache für die Straftaten in Betracht kommt, so wie die Antragsgegnerin annimmt, sondern nur eine gewisse Gleichgültigkeit und Nachlässigkeit gegenüber den Verkehrsvorschriften.
Da jedoch nicht von vornherein auszuschließen ist, dass die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen gleichwohl die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens in rechtmäßiger Weise anordnen kann, kommt eine Vorwegnahme der Hauptsache nicht in Betracht. Auch der Umstand, dass der Antragsteller nach seinen Angaben die Fahrerlaubnis für die Ausübung seiner Berufstätigkeit benötigt, führt nicht zu einer anderen Entscheidung. Das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG abzuleitende Auftrag des Staates zum Schutz der Verkehrsteilnehmer vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben ist auch hier zu beachten (vgl. z.B. BVerfG, U.v. 16.10.1977 – 1 BvQ 5/77 – BVerfGE 46, 160) und die persönlichen Interessen des Antragstellers müssen dahinter zurücktreten.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1 und 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Kopp/Schenke, VwGO, 23. Auflage 2017, Anh. § 164 Rn. 14).
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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