Steuerrecht

Erfolglose Klage gegen den Rundfunkbeitrag

Aktenzeichen  M 26 S 16.1504

Datum:
20.5.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 6 S. 1, S. 2, § 88, § 123
VwZVG VwZVG Art. 21 S. 1

 

Leitsatz

Ein nicht unterschriebener Klageschriftsatz genügt nicht dem Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 S. 1 VwGO, wenn sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es dem Willen des Klägers entspricht, wirksam Klage zu erheben. Für einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz fehlt es dann am Rechtsschutzbedürfnis. (redaktioneller Leitsatz)
Das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs geht zwar auch in Massenverwaltungsverfahren wie dem der Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht auf den Adressaten über. Die pauschale Behauptung, keine Schreiben erhalten zu haben, stellt aber den nach allgemeiner Lebenserfahrung naheliegenden Schluss, dass Sendungen zugegangen sind, nicht wirksam in Frage. (redaktioneller Leitsatz)
Der auch im Fall des Rundfunkbeitrags nach § 80 Abs. 6 S. 1 VwGO an die Behörde zu richtende Antrag auf Aussetzung der Vollziehung stellt eine Zugangsvoraussetzung zur Entlastung der Verwaltungsgerichte dar, die nicht nachholbar ist und deshalb bereits bei Rechtshängigkeit des gerichtlichen Aussetzungsverfahren vorliegen muss. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 354,47 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich u. a. im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Erhebung von Rundfunkbeiträgen.
Er wurde im Rahmen des einmaligen Meldedatenabgleichs vom Antragsgegner ermittelt und, nachdem er dessen Auskunftsverlangen zu rundfunkbeitragsrelevanten Daten nicht nachkam, zum … Januar 2013 angemeldet. Hierüber informierte der Antragsgegner den Antragsteller mit Schreiben vom … Juni 2014.
Mit Festsetzungsbescheiden vom … Februar 2015 (für Januar 2013 bis Oktober 2014 über a… EUR) und … März 2015 (für November 2014 bis Januar 2015 über b… EUR) setzte der Antragsgegner rückständige Rundfunkbeiträge sowie je einen Säumniszuschlag in Höhe von c… EUR fest. Mit Schreiben vom … April 2015 und … Mai 2015 mahnte der Antragsgegner den Antragsteller zu den festgesetzten Forderungen. Mit Festsetzungsbescheid vom … Juni 2015 setzte der Antragsgegner für Februar 2015 bis April 2015 weitere b… EUR fest. Mit Schreiben vom … August 2015 mahnte er den Antragsteller hierzu. Mit Vollstreckungsersuchen vom … September 2015 bat der Antragsgegner das Amtsgericht A… um die Vollstreckung der Forderungen aus den Bescheiden vom … Februar 2015, … März 2015 und … Juni 2015.
Weitere Festsetzungsbescheide ergingen mit Schreiben vom … September 2015 (für Mai 2015 bis Juli 2015) und … Dezember 2015 (für August 2015 bis Oktober 2015) über jeweils d… EUR.
Das Amtsgericht A… wies den Widerspruch des Antragstellers gegen die Anordnung des Gerichtsvollziehers betreffend seine Eintragung in das zentrale Schuldnerverzeichnis mit Beschluss vom 9. Dezember 2015 zurück. Die sofortige Beschwerde hiergegen wurde nach Nichtabhilfe durch das Amtsgericht vom Landgericht A… mit Beschluss vom 23. Februar 2016 zurückgewiesen. Der Antragsgegner erwirkte im Dezember 2015 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss.
Mit Festsetzungsbescheid vom … März 2016 setzte der Antragsgegner für November 2015 bis Januar 2016 erneut d… EUR fest.
Mit am … März 2016 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangenem Schriftsatz vom … März 2016, der jedoch keine Unterschrift trug, erhob der Antragsteller Klage gegen „die Erhebung von Zwangsbeiträgen“ durch den Antragsgegner. Außerdem beantragte er,
die Aussetzung der Vollziehung
sowie das Ruhen des Verfahrens bis zu einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts im Verfahren 6 C 7.15. Es werde des Weiteren das Unterlassen der Pfändung des Gehalts gefordert, bis eine rechtskräftige Entscheidung über das genannte Verfahren getroffen worden sei und bis zu einer ordnungsgemäßen Auflistung der Zusammenstellung der für den Haushalt des Antragstellers berechneten Beträge. Zur Begründung trug der Antragsteller vor, dass die Erhebung von Beiträgen für einen Service, den er nicht in Anspruch nehme, mit der Berufung auf einen Rundfunkstaatsvertrag, welcher für den Antragsteller nicht komplett einsehbar sei, eine Verletzung seiner Grundrechte darstelle. Der Antragsteller habe nie eine ordentliche Berechnung der festgesetzten Gebühren erhalten. Außerdem seien sowohl er als auch seine Ehefrau für die Abgabe angeschrieben worden. Eine ausführliche Begründung sei der Klageschrift an das Amtsgericht A… zu entnehmen.
Mit Schriftsatz vom … April 2016 beantragte der Antragsgegner,
den Antrag abzulehnen.
Er führte aus, dass schon nicht erkennbar sei, dass sich der Antragsteller gegen ihn betreffende Bescheide wende. Jedenfalls sei unklar, gegen welche. Er verwies zur weiteren Begründung seines Antrags auf die Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom März 2016 sowie auf die weitere verwaltungsgerichtliche und oberverwaltungsgerichtliche Rechtsprechung, außerdem auf die Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs vom 15. Mai 2014. Mit Schriftsatz vom … April 2016 ergänzte der Antragsgegner, dass hinsichtlich der Ehefrau des Antragstellers eine Abmeldung des Beitragskontos zum Anmeldezeitpunkt (…1.2013) erfolgt und die bereits eingeleitete Pfändung zurückgenommen worden sei, nachdem der Antragsgegner im Januar 2016 Kenntnis von der Ehe mit dem Antragsteller erhalten habe. Weiter führte der Antragsgegner näher aus, dass die den Antragsteller betreffenden Bescheide ordnungsgemäß zugegangen seien.
Der Antragsteller hat sich trotz gerichtlicher Aufforderungen vom … April 2016 und … April 2016 nicht weiter zu seinem Klage- und Antragsbegehren geäußert.
Mit Beschluss vom 18. Mai 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf die Einzelrichterin übertragen. Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und zum Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Verfahren M 26 K 16.1474 sowie auf die vom Antragsgegner vorgelegte Akte verwiesen.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Das Antragsbegehren ist auslegungsbedürftig, nachdem der Antragsteller keine konkreten Anträge stellte und sich trotz Aufforderung des Gerichts auch nicht näher zu seinem Klage- und Antragsbegehren äußerte. Da sich der Antragsteller der Formulierung in seinem Klageschriftsatz zu Folge gegen die „Zwangsbeiträge“ des Antragsgegners wendet, ist sein Begehren dahingehend zu verstehen, dass er mit seinem Schriftsatz vom … März 2016 Anfechtungsklage gegen die gegen ihn bis dahin ergangenen Festsetzungsbescheide des Antragsgegners erheben wollte und dem entsprechend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen diese Bescheide nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt (s. § 88 VwGO).
Der Antrag ist unzulässig.
Dies zum einen deshalb, weil der Klageschriftsatz des Antragstellers vom … März 2016 keine Unterschrift erkennen lässt und folglich nicht dem Schriftformerfordernis des § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO entspricht. Es ergeben sich auch keine sonstigen Anhaltspunkte dafür, dass es dem Willen des Klägers entspricht, wirksam Klage zu erheben. Die dem hier zu entscheidenden Antrag zugrundeliegende Klage ist daher mit Prozessurteil als unzulässig abzuweisen. Für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt schon deshalb das Rechtsschutzbedürfnis.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist aber auch unabhängig von der fehlenden Unterschrift unzulässig.
Soweit die am … März 2016 erhobene Klage gegen die Festsetzungsbescheide des Antragsgegners vom … Februar 2015, … März 2015, … Juni 2015, … September 2015 und … Dezember 2015 gerichtet ist, ist diese unzulässig, weil die betreffenden Bescheide bereits vor Klageerhebung bestandskräftig geworden sind. Für den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO fehlt folglich auch deshalb insoweit das Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller hat innerhalb der mit der Bekanntgabe eingeleiteten Rechtsmittelfrist von einem Monat weder einen Widerspruch eingelegt, noch rechtzeitig Klage erhoben (s. § 74 Abs. 1, § 68 Abs. 1 VwGO, Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung – AGVwGO analog; s. VG München, B.v. 8.8.2014 – M 6a S 14.1955 – juris Rn. 26 ff.). Die mit ordnungsgemäßer Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Festsetzungsbescheide sind dem Antragsteller jeweils mit einfachem Brief übermittelt worden. Die Bekanntgabe der Bescheide ist mit dem dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bewirkt anzusehen (s. Art. 17 Abs. 1 und 2 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – VwZVG; vgl. auch Art. 41 Abs. 2 Satz 1 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz – BayVwVfG). Insoweit ist von den aus der Historyaufstellung des Antragsgegners ersichtlichen Postauslieferungsdaten (…2.2015, …3.2015, …6.2015, …9.2015 und …12.2015) auszugehen. Das Risiko der Nichterweislichkeit des Zugangs geht zwar auch in den sog. Massenverwaltungsverfahren wie dem der Erhebung des Rundfunkbeitrags nicht auf den Adressaten über (s. Art. 17 Abs. 2 Satz 2 VwZVG). Nachdem der Antragsgegner – wie er vorträgt und nach Aktenlage ersichtlich ist – eine Vielzahl von Schreiben und Bescheiden an die unverändert gebliebene Anschrift des Antragstellers richtete, ohne dass auch nur eines der Schreiben als unzustellbar zurückgegangen wäre, genügt die pauschale Behauptung des Antragstellers, er habe keine ordnungsgemäßen Berechnungen bzw. Beitragsaufstellungen erhalten, jedoch nicht, um den nach allgemeiner Lebenserfahrung naheliegenden Schluss, dass ihm die Sendungen auch alle zugegangen sind, in Frage zu stellen (s. BayVGH, B.v. 11.5.2011 – 7 C 11.232 – juris, B.v. 24.10.2007 – 7 CE 07.2317 – NVwZ-RR 2008, 220; VG Würzburg, U.v. 28.9.2010 – W 3 K 10.843 – juris m. w. N.).
Der Antrag ist auch in Bezug auf den Bescheid vom … März 2016 unzulässig. Wenn man von der fehlenden Unterschrift des Klageschriftsatzes absieht, ist die Klage insoweit zwar rechtzeitig erhoben worden. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist jedoch jedenfalls mangels vorheriger Durchführung des Verfahrens nach § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO unzulässig. § 80 Abs. 6 Satz 1 VwGO regelt eine Zugangsvoraussetzung zur Entlastung der Verwaltungsgerichte, die nicht nachholbar ist und deshalb bereits bei Rechtshängigkeit des gerichtlichen Aussetzungsverfahren vorliegen muss. Danach ist bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Dies gilt nur dann nicht, wenn entweder die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder eine Vollstreckung droht (s. § 80 Abs. 6 Satz 2 VwGO). Der Antragsteller hat keinen Aussetzungsantrag beim Antragsgegner gestellt. Hiervon hätte er in Bezug auf den Bescheid vom … März 2016 nicht absehen dürfen. Es war vom Antragsgegner weder der Beginn von Vollstreckungsmaßnahmen für einen unmittelbar bevorstehenden Termin angekündigt, noch liefen Vorbereitungen für eine alsbaldige Vollstreckung. Dass die Behörde zu erkennen gibt, dass sie die Vollziehung eines Abgabenbescheides nicht von sich aus aussetzen will, genügt grundsätzlich noch nicht, ebenso nicht der formularmäßige Hinweis auf Vollstreckung bei nicht fristgerechter Zahlung (vgl. VGH BW, B.v. 28.02.2011 – 2 S 107/11 – juris; BayVGH, B.v. 18.2.2010 – 10 CS 09.3204 – juris).
Der Antrag bliebe im Übrigen auch dann ohne Erfolg, wenn man das Begehren des Antragstellers im Hinblick darauf, dass er speziell auch die vorläufige Aussetzung der Pfändung seines Gehalts verfolgt, dahingehend auslegen würde (§ 88 VwGO), dass er sich im Klagewege gegen die Vollstreckung aus dem Ausstandsverzeichnis zum Vollstreckungsersuchen vom … September 2015 wendet und hierzu einen einstweiligen Rechtsschutzantrag stellt.
Der Zulässigkeit eines solchen Antrags nach § 123 VwGO stünde bereits entgegen, dass der Antragsteller vor Klage- und Antragserhebung zum Verwaltungsgericht keinen Antrag nach Art. 21 Satz 1 VwZVG beim Antragsgegner gestellt hat. Der Antrag wäre aber auch unbegründet. Der Antragsteller hat zur Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen und damit zu einem Anordnungsgrund nichts Durchgreifendes vorgetragen. Der Antragsteller hat aber auch keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Mit den von ihm vorgebrachten materiellen Einwendungen kann er sich nicht mehr erfolgreich gegen die Vollstreckung wenden. Diese sind nicht erst nach Erlass der der Vollstreckung zugrundeliegenden Festsetzungsbescheide entstanden. Er hätte sie mit rechtzeitig eingelegten förmlichen Rechtsbehelfen gegen die Festsetzungsbescheide vorbringen können und müssen (s. § 21 Satz 2 VwZVG).
Abschließend ist noch anzumerken, dass das Bundesverwaltungsgericht über das vom Antragsteller erwähnte Verfahren 6 C 7.15 am 18. März 2016 bereits entschieden und die Revision zurückgewiesen hat (vgl. Pressemitteilung Nr. 21/2016 unter www.bverwg.de).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes – GKG – i. V. m. der Empfehlung in Nr. 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand November 2013).


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