Aktenzeichen M 6 S 16.806
FeV FeV § 11 Abs. 7, § 29 Abs. 1 S. 1, § 46 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 5
Leitsatz
Den Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis, der keinen Wohnsitz im Inland hat und aufgrund gelegentlichen Cannabiskonsums sowie mangelndem Trennvermögen seine Fahreignung nach Maßgabe der innerstaatlichen Vorschriften verloren hat, darf das Recht, von der EU-Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland (wieder) Gebrauch zu machen, dann nicht aberkannt werden, wenn der Ausstellerstaat, in dem er seinen ordentlichen Wohnsitz hat, zuvor in einem rechtsförmlichen Verfahren in Kenntnis aller Umstände des Falles die Fahreignung des Betroffenen mit dem Ergebnis überprüft hat, dass dieser (wieder) fahrgeeignet ist. (amtlicher Leitsatz)
Tenor
I.
Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom … Januar 2016 wird bezüglich Nr. 1 dieses Bescheids wiederhergestellt, hinsichtlich Nrn. 2 und 4 wird sie angeordnet.
II.
Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Der 1996 geborene Antragsteller, ein österreichischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Österreich, ist Inhaber einer ihm dort 2006 erteilten EU-Fahrerlaubnis der Klasse B samt Unterklassen.
Am … Juni 2015 gegen a. Uhr geriet er auf der BAB A… in Richtung Österreich fahrend in eine Verkehrskontrolle, in deren Verlauf bei ihm drogentypische Auffälligkeiten festgestellt wurden. Ein durchgeführter Urinschnelltest verlief positiv auf Tetrahydrocannabinol – THC. Die daraufhin mit Einverständnis des Antragstellers durchgeführte Blutprobe enthielt laut toxikologischem Gutachten vom … Juli 2015 folgende Substanzen:
THC a… µg/l
THC-Carbonsäure b… µg/l.
Zu seinem Drogenkonsum gab der Antragsteller gegenüber der Polizei an, er habe am … Juni 2015 …Joints konsumiert; davor habe er zuletzt vor etwa einem Jahr konsumiert. Aufgrund dessen erging gegenüber dem Antragsteller am … August 2015 ein Bußgeldbescheid, mit welchem eine Geldbuße sowie ein einmonatiges Fahrverbot wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Straßenverkehrsgesetz (StVG) verhängt wurde.
Das nahm die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners zum Anlass, den Antragsteller mit Verfügung vom … September 2015 zur Vorlage eines ärztlichen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung aufzufordern, mit welchem das Konsumverhalten des Antragstellers geklärt werden sollte. Nach Abgabe einer entsprechenden Einverständniserklärung wurde dieses Gutachten nach Aktenlage erstellt, der Behörde jedoch nicht vorgelegt.
Die Fahrerlaubnisbehörde des Ausstellerstaates Österreich der Fahrerlaubnis des Antragstellers reagierte ebenfalls auf diesen Vorfall und erließ mit Datum … August 2015 einen sogenannten Mandatsbescheid. Darin wurde dem Antragsteller für die Dauer eines Monats seine Fahrerlaubnis entzogen. Ihm wurde auferlegt, eine Nachschulung durchführen zu lassen sowie ein amtsärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen beizubringen. Auf den Einspruch des Antragstellers hin wurde dieser Bescheid durch eine Abhilfeentscheidung vom … September 2015 bis auf die Anordnung des amtsärztlichen Gutachtens wieder aufgehoben.
Die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners hörte den Antragsteller mit Schreiben vom … Januar 2016 zur beabsichtigten Entziehung seiner Fahrerlaubnis mit der Wirkung der Aberkennung des Rechts, von seiner EU-Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch machen zu dürfen, an. Daraufhin bestellte sich dessen Bevollmächtigter und übermittelte zusammen mit seiner Stellungnahme vom … Januar 2016 eine Reihe von Unterlagen über das Verfahren bei der österreichischen Fahrerlaubnisbehörde. Er teilte mit, das Ergebnis der amtsärztlichen Untersuchung stehe noch aus, werde aber nach Vorliegen unverzüglich der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners vorgelegt. Beigefügt war u. a. ein Untersuchungsbefund der Gerichtsmedizin A. vom … November 2015, aus dem hervorgeht, eine vom Antragsteller an diesem Tag abgegebene Urinprobe habe keine Cannabinoide enthalten.
Mit Bescheid vom … Januar 2016 erkannte die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners dem Antragsteller das Recht ab, von seiner Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen (Nr. 1 des Bescheids), gab ihm auf, seinen Führerschein spätestens zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids bei der Behörde zwecks Eintragung eines Sperrvermerks vorzulegen (Nr. 1a), drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Vorlage ein Zwangsgeld in Höhe von a. EUR an (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Nr. 1 des Bescheids an (Nr. 3). Die Stellungnahme des Bevollmächtigten des Antragstellers vom … Januar 2016 wird in den Gründen des Bescheids zwar erwähnt, im Übrigen geht der Bescheid hierauf jedoch weder in der Begründung für die Aberkennung des Rechts des Antragstellers, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, ein, noch bei der Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung dieser Maßnahme. Auf die Gründe des Bescheids im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Mit Schriftsatz vom … Februar 2016, eingegangen am … Februar 2016, erhob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers für diesen Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Bescheid des Antragsgegners vom … Januar 2016 aufzuheben sowie
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
Zur Begründung wird insbesondere ausgeführt, dem Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis könne von einem anderen Mitgliedstaat, sofern der Betroffene seinen Wohnsitz nicht dort genommen habe, zwar das Recht aberkannt werden, von dieser Fahrerlaubnis auf dem Gebiet des anderen Mitgliedstaats Gebrauch zu machen. Dies gelte jedoch nicht, wenn ein Vorfall auf dem Gebiet dieses Mitgliedstaats dazu führe, dass der Ausstellerstaat der Fahrerlaubnis die Fahreignung des Betroffenen mit dem Ergebnis überprüfe, dieser sei weiterhin fahrgeeignet. Auf das Vorbringen der Antragspartei im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO). Über die unter dem Aktenzeichen M 6 K 16.804 geführte Klage wurde bislang nicht entschieden.
Zusammen mit der Klage- und Antragsschrift wurde eine Bescheinigung über die amtsärztliche Untersuchung nach § 8 Abs. 2 des österreichischen Führerscheingesetzes mit Datum … Oktober 2015 vorgelegt. Daraus geht hervor, dass sich der Antragsteller der von der österreichischen Fahrerlaubnisbehörde angeordneten amtsärztlichen Begutachtung hinsichtlich seiner Fahreignung an diesem Tag unterzogen hat. Die Bescheinigung, die eine Seite umfasst und auf einem Vordruck erstellt worden ist, enthält u. a. die Angabe des Antragstellers, er habe vor dem Vorfall einige Zeit lang in größeren Abständen ein bis zweimal pro Monat Cannabis konsumiert, seit dem Vorfall im Juni 2015 sei er abstinent. Die Begutachtung endet mit der Feststellung, unter der Bedingung der Verwendung einer Sehhilfe sei der Antragsteller zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 geeignet.
Mit Schriftsatz vom … März 2016, eingegangen am … März 2016, legte der Antragsgegner die Behördenakten vor und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Erstmals wird zur Begründung zu den von der Antragstellerseite bereits im Anhörungsverfahren geltend gemachten europarechtlichen Aspekten Stellung genommen und hierzu ausgeführt, die Befugnis des Antragsgegners, dem Antragsteller das Recht abzuerkennen, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, folge schlicht aus dem Territorialprinzip. Dabei komme es letztlich entscheidend darauf an, ob nach jenem Vorfall, aufgrund dessen der Antragsteller seine Fahreignung verloren habe, dieser nach Ansicht der Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners wieder fahrgeeignet sei. Auf das Vorbringen des Antragsgegners im Übrigen wird ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakten, auch im Verfahren M 6 K 16.804, sowie die vorgelegten Behördenakten ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 VwGO).
II.
Der zulässige Antrag hat in der Sache Erfolg. Bei der hier gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung erweist sich der Bescheid vom … Januar 2016 als rechtswidrig, so dass die hiergegen erhobene Klage voraussichtlich Erfolg haben wird. In einem solchen Fall besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids.
1. Nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1 – 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
Nach § 80 Abs. 3 VwGO ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Eyermann/Schmidt, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 43).
2. Unter Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall war dem Antrag stattzugeben, weil die für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegebene Begründung den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht genügt und sich bei der hier notwendigen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung der Bescheid des Antragsgegners vom … Januar 2016 als rechtswidrig erweist. Nachdem der Ausstellermitgliedstaat Österreich, in welchem der Antragsteller seinen ordentlichen Wohnsitz hat, aus Anlass der Drogenfahrt am … Juni 2015 dessen Fahreignung in einem förmlichen Verwaltungsverfahren überprüft und bejaht hatte, war der Antragsgegner nicht mehr befugt, gleichwohl die Fahreignung des Antragsteller in Abrede zu stellen und ihm unter Berufung auf die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Recht abzuerkennen, Kraftfahrzeuge auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen.
2.1 Die für die Anordnung des Sofortvollzugs gegebene Begründung genügt den an sie zu stellenden Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO nicht.
Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Eyermann /Schmidt, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 80 Rn. 43).
Dem genügt die Begründung des Sofortvollzugs vorliegend deshalb nicht, weil sie nicht hinreichend auf die konkreten Umstände des Falles eingeht und diese in die Abwägung der für und gegen die sofortige Vollziehung sprechenden Gesichtspunkte einstellt. Die Behörde setzt sich nämlich – trotz Kenntnis hiervon – mit der Tatsache der Überprüfung der Fahreignung des Antragstellers durch die österreichische Führerscheinbehörde mit keinem Wort auseinander. Hierzu hätte jedoch hinreichend Anlass bestanden, denn die Prognose, bei weiterer Verkehrsteilnahme des Antragstellers werde von diesem eine Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer ausgehen, war vor dem Hintergrund des Tätigwerdens der österreichischen Fahrerlaubnisbehörde zumindest zu hinterfragen. Dem Antrag war daher bereits aus diesem Grund stattzugeben.
2.2 Darüber hinaus – und insoweit selbsttragend – war die Fahrerlaubnisbehörde des Antragsgegners vorliegend nicht mehr befugt, die Fahreignung des Antragsteller in Abrede zu stellen und ihm unter Berufung auf die entsprechenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften das Recht abzuerkennen, Kraftfahrzeuge auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu führen, nachdem der Ausstellermitgliedstaat Österreich, in welchem der Antragsteller seinen ordentlichen Wohnsitz hat, aus Anlass der Drogenfahrt am … Juni 2015 dessen Fahreignung in einem förmlichen Verwaltungsverfahren überprüft und bejaht hatte.
In der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) ist geklärt, dass in einem Fall wie dem vorliegenden ein Mitgliedstaat, der nicht Ausstellerstaat des Führerscheins ist und in dessen Hoheitsgebiet der Betroffene keinen ordentlichen Wohnsitz hat, gleichwohl befugt ist, auf den Inhaber einer solchen EU-Fahrerlaubnis seine innerstaatlichen Vorschriften nicht nur aus den Bereichen Strafrecht und Ordnungswidrigkeitenrecht, sondern auch des Fahrerlaubnisrechts bzw. sonstiger der Sicherheit des Straßenverkehrs dienende Rechtsvorschriften anzuwenden (EuGH, U. v. 23.4.2015, C-260/13 – Aykul, Blutalkohol Band 52, 207 bis 213, DAR 2015, 316 bis 321 = NJW 2015, 2944 bis 2949). In dem zugrundeliegenden Fall hatte eine deutsche Behörde wegen der Verkehrsteilnahme einer österreichischen Staatsangehörigen, die Inhaberin einer österreichischen Fahrerlaubnis war und ihren Wohnsitz in Österreich hatte, aufgrund der Teilnahme unter fahreignungsrelevantem Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr in der Bundesrepublik dieser das Recht aberkannt, von ihrer EU-Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch zu machen. Entgegen der noch vom Verwaltungsgericht Augsburg (B. v. 18.7.2012, Au 7 S 12.801 – juris) mit guten Gründen vertretenen Auffassung, für eine solche fahrerlaubnisrechtliche Maßnahme sei allein der Ausstellerstaat des EU-Führerscheins zuständig, hat der EuGH in einem mit dem vorliegenden Fall insoweit vergleichbaren Sachverhalt die Fahrerlaubnisbehörden oder sonst für die Aufrechterhaltung der Sicherheit im Straßenverkehr zuständigen Behörden ermächtigt, auf der Grundlage ihrer innerstaatlichen Rechtsvorschriften, die diesem Ziel dienten, auch gegenüber dem Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis Maßnahmen zu ergreifen, wenn dieser seinen ordentlichen Wohnsitz nicht auf ihrem Territorium hat.
Gleichwohl war der Antragsgegner im vorliegenden Fall nicht berechtigt, gegenüber dem Antragsteller solche Maßnahmen zu ergreifen. Denn im Gegensatz zu jenem Fall, der Grundlage der Entscheidung des EuGH in Sachen Aykul (a. a. O.) war, hat vorliegend die Fahrerlaubnisbehörde des Ausstellerstaates des Führerscheins des Antragstellers jenen Sachverhalt, aufgrund dessen auch der Antragsgegner tätig geworden ist, zum Anlass genommen, dessen Fahreignung in einem förmlichen Verwaltungsverfahren umfassend zu überprüfen. Zunächst war sogar vorgesehen, ihm für die Dauer eines Monats die Fahrerlaubnis zu entziehen und seine Probezeit zu verlängern. Hiervon wurde zwar Abstand genommen, die Anordnung, dass sich der Antragsteller einer amtsärztlichen Begutachtung seiner Fahreignung zu unterziehen habe, blieb jedoch bestehen. Dem hat der Antragsteller Folge geleistet und eine amtsärztliche Bescheinigung mit Datum vom … Dezember 2015 bzw. … Dezember 2015 vorgelegt, aus der hervorgeht, dass er nach Auffassung des Amtsarztes (weiterhin) zum Führen von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1 (worunter auch die Fahrerlaubnisklasse B fällt) geeignet sei. Dabei war dem Gutachter der anlassgebende Vorfall vom … Juni 2015 offensichtlich bekannt. In einem solchen Fall verbleibt es nicht bei den Grundsätzen, wie sie der EuGH in seinem o.g. Urteil aufgestellt hat. Vielmehr tritt hier jener Rechtsgedanke bzw. Grundsatz hinzu, den der EuGH in seinem Urteil vom 26. April 2012 in der Sache „Hofmann“ entwickelt hat (DAR 2012, 319 bis 325 = NJW 2012, 1935 bis 1940). Ist dem Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis diese von einem Mitgliedstaat entzogen worden und verlegt der Betroffene anschließend seinen Wohnsitz in einen anderen Mitgliedstaat, wo ihm nach Ablauf einer eventuell bestehenden Sperrfrist und unter Einhaltung der Mindestanforderungen an die Ausstellung einer EU-Fahrerlaubnis, wie sie die einschlägigen Richtlinien der EU (hier die Richtlinie 2006/26 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.12.2006 über den Führerschein, ABl. L 403 v. 30.12.2006, S. 18 bis 60) aufstellen, eine neue Fahrerlaubnis erteilt wird, so haben alle Mitgliedstaaten diese neue Fahrerlaubnis anzuerkennen, auch derjenige Staat, der zuvor dem Betroffenen nach Maßgabe seiner nationalen Vorschriften die Fahrerlaubnis entzogen hatte. Der dieser Entscheidung des EuGH zugrundliegenden Fall betraf die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr im strafgerichtlichen Verfahren. Der Betroffene hätte ohne Verlegung seines Wohnsitzes ins Ausland die Fahrerlaubnis nach Maßgabe der deutschen Rechtsvorschriften erst nach Vorlage eines positiven medizinisch-psychologischen Gutachtens wiedererlangen können. Nachdem er jedoch seinen ordentlichen Wohnsitz in einen anderen EU-Mitgliedstaat verlegt hatte und man ihm dort nach Ablauf der Sperrfrist eine neue Fahrerlaubnis erteilte, durfte es Deutschland nicht ablehnen, diese anzuerkennen, obwohl sich der Betroffene im Ausstellerstaat keiner den innerstaatlichen Vorschriften entsprechenden Fahreignungsbegutachtung hatte unterziehen müssen.
In einem Fall wie dem vorliegenden gilt das erst recht, nachdem sich der Antragsteller gegenüber der Fahrerlaubnisbehörde seines Heimatstaats und Ausstellerstaats seines Führerscheins wegen der Drogenfahrt in Deutschland hatte verantworten und ein amtsärztliches Fahreignungsgutachten hatte beibringen müssen. Anders als in der Entscheidung des EuGH in Sachen „Aykul“ hat vorliegend also der Ausstellermitgliedstaat in Kenntnis sämtlicher Umstände die Fahreignung seines Staatsbürgers und Inhabers des von ihm ausgestellten EU-Führerscheins neuerlich überprüft und für gegeben erachtet. Dies ist mit einem Fall gleichzusetzen wie demjenigen, in welchem der EuGH die anderen Mitgliedstaaten, darunter auch denjenigen, der zuvor dem Betroffenen seine Fahrerlaubnis entzogen hatte, verpflichtete, eine nach Ablauf einer eventuellen Sperrfrist neu erteilte Fahrerlaubnis anzuerkennen. In beiden Fällen geht der EuGH nämlich davon aus, dass die Zielsetzung der EU-Richtlinien über den Führerschein erreicht ist, wenn die Fahreignung des Betroffenen nach einem eventuell diese ausschließenden Ereignis unter Einhaltung der von der jeweils einschlägigen Führerschein-Richtlinie aufgestellten Mindestanforderungen neuerlich überprüft und vom hierfür zuständigen Ausstellermitgliedstaat der Fahrerlaubnis bejaht worden ist. Es kann keinen Unterschied machen, ob den Betroffenen zuvor in einem anderen Mitgliedstaat die Fahrerlaubnis entzogen worden ist oder ob – wie im vorliegenden Fall – ein entsprechendes Verfahren noch anhängig war. Denn es liegt auf der Hand, dass der Betroffene nicht schlechter stehen kann als derjenige, bei dem es bereits zur Entziehung der Fahrerlaubnis durch jenen Mitgliedstaat gekommen ist, auf dessen Hoheitsgebiet sich ein hierfür anlaßgebender Vorfall ereignet hat. Mit anderen Worten: Wäre dem Antragsteller seine Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im Verkehr nach § 316 StGB i. V. m. §§ 69, 69a StVG entzogen worden und hätte ihm sein Heimatstaat nach Ablauf einer eventuell verhängten Sperrfrist – gegebenenfalls nach Vorlage eines amtsärztlichen Gutachtens, wie es der Antragsteller auch im zu entscheidenden Fall vorgelegt hat – seine Fahrerlaubnis neu erteilt, so könnte es der Antragsgegner auch nicht ablehnen, diese anzuerkennen. Es kann nichts anderes gelten, wenn es noch vor einer Maßnahme durch den Antragsgegner zu einem entsprechenden Überprüfungsverfahren durch den Ausstellermitgliedstaat des Führerscheins des Betroffenen in Kenntnis des Sachverhalts gekommen ist, der auch dem Antragsgegner Anlass zum Tätigwerden gegeben hatte.
Für dieses Ergebnis spricht schließlich die Überlegung, wie in einem Fall zu verfahren wäre, in dem der deutschen Fahrerlaubnisbehörde bekannt wird, dass jemandem mit Wohnsitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat eine Fahrerlaubnis erteilt wurde, der nach deutschem Recht als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen ist, etwa weil er regelmäßig Cannabis konsumiert (ohne jedoch unter Einfluss dieser Droge am Straßenverkehr teilzunehmen). Auch in diesem Fall müsste die deutsche Behörde die Entscheidung des anderen Mitgliedstaates akzeptieren, den bei ihm Wohnhaften für fahrgeeignet zu halten und müsste die diesem erteilte EU-Fahrerlaubnis anerkennen.
Da der Antragsgegner folglich nicht berechtigt war, dem Antragsteller das Recht abzuerkennen, von seiner österreichischen Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen, wird die gegen den entsprechenden Bescheid vom … Januar 2016 erhobene Anfechtungsklage voraussichtlich Erfolg haben. Besteht die Berechtigung des Antragstellers jedoch fort, aufgrund seiner österreichischen Fahrerlaubnis im Bundesgebiet am öffentlichen Straßenverkehr teilzunehmen, so können auch die übrigen Regelungen des Bescheids keinen Bestand haben. Dem Antrag war folglich in vollem Umfang stattzugeben.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts hat ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i. V. m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Stand 2013).