Arbeitsrecht

Wirksamer Abschluss eines Musikverlagsvertrags und Fortbestand trotz Kündigung

Aktenzeichen  21 O 12610/17

Datum:
11.7.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZUM-RD – 2019, 494
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VerlagsG § 1, § 22, § 23, § 32, § 35
UrhG § 41, § 42, § 137 Abs. 2
WahrnG § 7, § 28 Abs. 2
BGB § 138, § 242, § 307, § 626, § 723
ZPO § 256 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Statuiert ein Verlagsvertrag dem Gesetzeswortlaut entsprechend keine auf das Aufführungs- oder Senderecht bezogenen Verwertungspflichten, kann dies eine Vertragsnichtigkeit nach § 138 BGB nicht begründen. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Regelt ein Verlagsvertrag die Leistungspflichten des Verlegers dahin, sich für die Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes in handelsüblicher Weise einzusetzen, führt dies nicht zu einer Unwirksamkeit des Vertrags, weil der Begriff „handelsüblich“ unpräzise sei. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verlagsvertrag, der als Leistung des Urhebers die Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte und als Gegenleistung des Verlags die Verpflichtung, sich in handelsüblicher Weise für die Vervielfältigung und Verbreitung der Vertragswerke einzusetzen, sowie die Aufteilung der Erträgnisse aus der jeweiligen Nutzung des Werkes vorsieht, ist nicht wegen Missverhältnisses von Leistung und Gegenleistung nach § 138 BGB unwirksam. (Rn. 30 – 31) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Rechtsübertragung in einem Musikverlagsvertrag für die gesamte Schutzdauer führt nicht zur Sittenwidrigkeit. (Rn. 32 – 34) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Es wird festgestellt, dass die Verlagsverträge zwischen dem Kläger und den Beklagten betreffend die Werke
1. … (Verlagsvertrag vom 19.02.1965)
(…-Werknummer: 133899)
2. … (Verlagsvertrag vom 19.02.1965)
(…-Werknummer: 454292)
3. … (Verlagsvertrag vom 18.11.1965)
(…-Werknummer: 796195)
4. … (Verlagsvertrag vom 18.11.1965)
(…-Werknummer: 847042)
5. … Verlagsvertrag vom 05.12.1965)
(…-Werknummer: 847006)
6. … (Verlagsvertrag vom 05.12.1965)
(…-Werknummer: 376150)
7. … (Verlagsvertrag vom 05.12.1965)
(…-Werknummer: 846989)
8. … (Verlagsvertrag vom 05.12.1965)
(… Werknummer: 796224)
9. … (Verlagsvertrag vom 05.12.1965)
(…-Werknummer: 727958)
10. … (Verlagsvertrag vom 05.12.1965)
(…-Werknummer: 446792)
durch die Kündigungen der Beklagten vom 16.01.2017 und vom 24.06.2017 nicht beendet wurden.
Im Übrigen wird die Klage zurückgewiesen.
II. Die Zwischenfeststellungswiderklage wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagten samtverbindlich.
IV. Dieses Urteil ist hinsichtlich der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Zwischenfeststellungswiderklage ist unbegründet, während die Klage weitgehend Erfolg hat.
I.
Die Zwischenfeststellungswiderklage der Beklagten war zurückzuweisen, da die zwischen den Parteien geschlossenen Verlagsverträge nicht nach § 138 BGB nichtig sind.
1. Die Zwischenfeststellungswiderklage ist nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig.
Während sich die vom Kläger erhobene Feststellungsklage auf die Rechtsfrage der Wirksamkeit zweier Kündigungen beschränkt, geht die Zwischenfeststellungwiderklage über diese Frage hinaus, da sie die Wirksamkeit des Vertrages ex tunc betrifft. Für die Frage der Wirksamkeit der im Streit stehenden Kündigungen ist die Zwischenfeststellungswiderklage auch vorgreiflich, da sich die Frage der Wirksamkeit der Kündigungen nur im Falle rechtswirksam abgeschlossener Verträge überhaupt stellt.
2. Die Zwischenfeststellungswiderklage ist allerdings unbegründet.
a. Maßgebender für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Verträge ist der Zeitpunkt der Vornahme der Rechtsgeschäfte (vgl. dazu Ellenberger, in Palandt, BGB, 77. Auflage 2018, § 138 Rn. 9 m.w.N.), hier also das Jahr 1965.
Insofern kann der Ansicht der Beklagten, ein die Sittenwidrigkeit begründender Umstand sei unter anderem, dass die streitgegenständlichen Verträge keine Regelung zu Leistungspflichten des Klägers mit Blick auf die Online-Nutzung enthalten, nicht gefolgt werden; im maßgeblichen Zeitpunkt war die Online-Nutzung keine bekannte Nutzungsart, so dass eine fehlende Vertragsregelung hierzu die Sittenwidrigkeit nicht begründen kann.
Auch mit Blick auf die vertragliche Bezugnahme auf den …-Verteilungsplan kann eine Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Verträge im maßgeblichen Zeitpunkt nicht festgestellt werden. Die Beklagten berufen sich insoweit auf ein Urteil des Kammergerichts aus dem Jahr 2016, welches die Frage der Wirksamkeit des …-Verteilungsplanes im Hinblick auf § 7 UrhWahrnG zum Gegenstand hat. Ungeachtet dessen, dass das Urteil des Kammergerichts für die hiesigen Streitparteien keine Bindungswirkung entfaltet, konnte eine Unwirksamkeit des in Bezug genommenen Verteilungsplanes nach § 7 UrhWahrnG zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (1965) schon deshalb nicht bestehen, weil § 7 UrhWahrnG erst zum 01.01.1966 – und damit nach Vertragsschluss – in Kraft trat (§ 28 Abs. 2 UrhWahrnG). Eine dem für den hier einschlägigen Zeitraum entsprechende gesetzliche Regelung ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich; insbesondere aus der sog. STAGMA-Gesetzgebung (vgl. hierzu Reinbothe in: SchrickerLoewenheim, UrhG, 5. Auflage 2017, Vor. §§ 1 UrhWG, Rn. 3) ergibt sich kein entsprechender Unwirksamkeitsgrund.
b. Soweit die Beklagten die streitgegenständlichen Verträge wegen eines Mißverhältnisses von Leistung und Gegenleistung als sittenwidrig ansehen, kann dem nicht gefolgt werden.
aa. Die Leistungspflicht des Klägers ist vertraglich hinreichend bestimmt:
Der Kläger hat sich in den streitgegenständlichen Verlagsverträgen – in Übereinstimmung mit den entsprechenden Regelungen des Verlagsgesetzes – jeweils zur Vervielfältigung und Verbreitung des Vertragswerkes verpflichtet. Die Vervielfältigungspflicht des Klägers ergibt sich dabei einerseits daraus, dass die vertragliche Verbreitungspflicht (Vertragsziffer 1, Absatz 2) das Herstellen von Vervielfältigungsstücken voraussetzt; der Kläger kann seine Verbreitungspflicht daher nur erfüllen, wenn er auch Vervielfältigungsstücke herstellt (siehe hierzu Schricker, VerlagsR, 3. Auflage, § 1 Rn. 52). Im Übrigen ergibt sich die Vervielfältigungspflicht auch aus Ziffer 11 des Vertrages. Die Vervielfältigungspflicht ist nach allem entsprechend § 1 Satz 2 VerlagsG notwendiger Bestandteil des streitgegenständlichen Verlagsvertrages.
Der in den streitgegenständlichen Verträgen verwandte Begriff der Verbreitung ist auch entgegen der Ansicht der Beklagten nicht etwa unklar, sondern entspricht der damals wie heute geltenden Diktion des Verlags- und Urheberrechts. Verbreitung bedeutet danach, Vervielfältigungsstücke des Werkes der Öffentlichkeit anzubieten.
Sofern die Beklagten monieren, die streitgegenständlichen Verträge litten daran, dass eine Verpflichtung des Klägers zur Förderung der Aufführung und Sendung der jeweiligen Werke fehle, ist festzustellen, dass ein Verlagsvertrag über Werke der Literatur oder Tonkunst von Gesetzes wegen (§ 1 VerlagsG) dadurch gekennzeichnet ist, dass der Verleger zur Vervielfältigung und Verbreitung des Werkes verpflichtet ist. Statuiert ein Verlagsvertrag dem Gesetzeswortlaut entsprechend daher keine auf das Aufführungs- oder Senderecht bezogenen Verwertungspflichten, kann dies eine Vertragsnichtigkeit nach § 138 BGB nicht begründen. Abgesehen von der gesetzlichen Pflicht des Verlegers, das ihm überlassene Werk zu vervielfältigen und zu verbreiten, ist der Inhaber des ausschließlichen Nutzungsrechts grundsätzlich nicht verpflichtet, von den ihm eingeräumten Rechten Gebrauch zu machen (wie hier Schulze in: Dreier/Schulze, Urheberrechtsgesetz, 5. Auflage 2015, § 31 Rn. 61).
Soweit die Beklagten mit Blick auf die Regelung der Leistungspflichten des Verlegers ferner den Begriff „handelsüblich“ als zu unpräzise rügen, ist zunächst einmal festzustellen, dass der Bundesgerichtshof selbst (GRUR 1970, 40 – Musikverleger) auf diesen Begriff zur Bestimmung der Verlegerpflichten zurückgegriffen hat („Die Beklagten sind daher verpflichtet, sich für die Verbreitung der Werke in handelsüblicher Weise einzusetzen und die hierfür erforderlichen Exemplare vorrätig zu halten (vgl. Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 2. Aufl., S. 349; v. Hase, Der Musikverlagsvertrag, 1961, S. 9 f.).“). Auch der Gesetzgeber verwendet diesen Begriff – teilweise seit Jahrzehnten – in unterschiedlichen Rechtsbereichen (z.B. §§ 25 Abs. 3, 172 Abs. 1 HGB, § 1 Abs. 6 TMG, § 14 UStG, § 7 HWG, § 7 Abs. 4 BuchPrG), ohne dass Schwierigkeiten der Rechtsprechung in der Begriffsauslegung und -ausfüllung zu verzeichnen sind.
bb. Leistung und Gegenleistung stehen auch nicht in einem Mißverhältnis zueinander, welches eine Vertragsnichtigkeit nach § 138 BGB zur Folge hätte.
Während die Leistung der Beklagten in der Übertragung ausschließlicher Nutzungsrechte liegt, ist der Kläger verpflichtet, sich in handelsüblicher Weise für die Vervielfältigung und Verbreitung der Vertragswerke einzusetzen; ferner regelt der Vertrag im Zusammenhang von Leistung und Gegenleistung die Aufteilung der Erträgnisse aus der jeweiligen Nutzung des Werkes. Vom vollständigen Fehlen einer Gegenleistung des Klägers, die ein gewichtiges objektives Indiz für die Sittenwidrigkeit der streitgegenständlichen Verträge wäre, kann demnach keine Rede sein. Es fehlt aber auch jeder Anhalt dafür, dass durch die vertraglichen Regelungen in rechtlich bedenklicher Weise von einem Marktpreis oder -wert abgewichen wird, zumal die insofern darlegungspflichtigen Beklagten keinerlei Anhaltspunkte zur Bemessung eines solchen Marktwertes dargetan haben. Hinzu kommt, dass bei der Verwertung der sog. Nebenrechte im Musikverlag und der Beteiligung der Verleger an entsprechenden Erlösen auch der Subventionsgedanke im Hinblick auf das verlustreiche Papiergeschäft zu berücksichtigen ist (siehe Schricker, VerlagsR, 3. Auflage § 8 Rn. 9 m.w.N.), so dass die vermeintlich einfache Rechnung der Beklagten, nach der der Kläger ohne entsprechende Auswertungspflicht an den Erlösen aus der Verwertung der Nebenrechte beteiligt wird, auf das vertragliche Gesamtkonzept aus Auswertung und Erlösbeteiligung nicht passt.
c. Auch die Rechtsübertragung über die gesamte Schutzdauer führt nicht zur Sittenwidrigkeit des Vertrages.
Aufgrund der allgemeinen Vertragsfreiheit können rechtsgeschäftliche Bindungen über einen langen Zeitraum eingegangen werden. Eine Grenze bilden lediglich §§ 138, 242, 723 BGB, gegebenenfalls auch § 307 BGB. Eine langfristige Bindung ist dann sittenwidrig, wenn durch sie die persönliche und wirtschaftliche Handlungsfreiheit so beschränkt wird, dass die eine Seite der anderen in einem nicht mehr hinnehmbaren Übermaß, „auf Gedeih und Verderb“, ausgeliefert ist. Maßgebend ist eine Abwägung der jeweiligen vertragstypischen und durch die Besonderheiten des Einzelfalls geprägten Umstände (BGH NJW 2005, 1784).
Gerade im Falle von Musikverlagsverträgen hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass diese regelmäßig – wie auch hier – auf außerordentlich lange Dauer, nämlich auf die gesamte Dauer des urheberrechtlichen Werkschutzes, angelegt sei können, ohne dass der Bundesgerichtshof an einer solch langen Vertragslaufzeit Anstoß genommen hat (BGH GRUR 2010, 1093 – Concierto de Aranjuez). Dem Vertragspartner, dessen Rechte verletzt worden sind, ist es angesichts solch langfristig angelegter Verträge in der Regel zuzumuten, zunächst einmal seinen Vertragspartner zu gehöriger Erfüllung aufzufordern und die ihm zustehenden Ansprüche – notfalls gerichtlich – geltend zu machen; eine fristlose Kündigung ist im Allgemeinen nur im äußersten Fall gerechtfertigt (BGH a.a.O.). Die außerordentlich lange Vertragsdauer stellt für sich genommen also keinen Umstand dar, der zur Sittenwidrigkeit führt. Vielmehr hat der Gesetzgeber in Kenntnis dieser Vertragspraxis bereits im Verlagsgesetz (§§ 32, 35) und später auch im Urheberrechtsgesetz (§§ 41, 42) besondere Möglichkeiten zur Vertragsbeendigung geschaffen. Der Gesetzgeber ist aber mit der in § 137 Abs. 2 UrhG geschaffenen Übergangsregelung für Altverträge wie den hier vorliegenden Verlagsverträgen ausdrücklich davon ausgegangen, dass Rechtsübertragungen für die Dauer des Urheberrechts rechtlich zulässig sind; die in § 137 Abs. 2 UrhG enthaltene Auslegungsregel besagt sogar, dass die mit dem Urheberrechtsgesetz eingeführte Schutzfristverlängerung im Zweifel auch auf Altverträge anzuwenden ist, die für die Dauer des gesetzlichen Schutzrechts abgeschlossen wurden (vgl. Katzenberger/Ohly in: Schricker/Loewenheim, UrhR, § 137 Rn. 10 unter Hinweis auf BGH GRUR 1975, 495 – Lustige Witwe). Dass sich der Gesetzgeber der Praxis langer Vertragslaufzeiten in urheberrechtlichen Verwertungsverträgen, insbesondere Verlagsverträgen, nach wie vor bewusst ist, zeigt auch der Regierungsentwurf zum Urhebervertragsrecht (siehe hierzu Ohly in: Schricker/Loewenheim, UrhR, Vor §§ 31 ff. Rn. 79); der Gesetzgeber hat die beklagtenseits monierte Vertragspraxis aber auch bei dieser Gelegenheit unangetastet gelassen und den Vorschlag eines gesetzlichen Kündigungsrechts nach 30 Jahren verworfen.
Dem Vortrag der Beklagten kann aber auch nicht entnommen werden, dass sie sich durch den Vertragsschluss persönlich und/oder wirtschaftlich „auf Gedeih und Verderb“ dem Kläger ausgeliefert haben. Die Beklagten haben vielmehr vorgebracht, dass sich die Nachfrage bei Musikwerken der streitgegenständlichen Art regelmäßig sehr schnell erschöpft. Da die wirtschaftliche Bedeutung eines solchen Musikwerkes folglich sehr schnell abnimmt, hat der langfristig geschlossene Vertrag mit zunehmender Vertragsdauer immer weniger Bedeutung für die wirtschaftliche Handlungsfreiheit des Urhebers.
d. Die streitgegenständlichen Verträge sind auch nicht im Hinblick auf etwaige Leerübertragungen sittenwidrig. Ausweislich der Vertragsziffer 2 waren sich die Vertragsparteien bewusst, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses für die Beklagten jeweils eine … bestand und aufgrund dessen bestimmte Nutzungsrechte durch die … wahrgenommen wurden. Eine Übertragung der Rechte an den Kläger erfolgte daher ausdrücklich nur insofern, als diese nicht bereits einer Verwertungsgesellschaft zur Verwaltung übertragen worden waren. „Leerübertragungen“ sind also gerade nicht erfolgt, zumal diese auch nicht zu Lasten der Beklagten, sondern des Klägers als Empfänger einer Leerübertragung gegangen wären.
e. Die streitgegenständlichen Verträge sind auch nicht mangels einer Verpflichtung zur Leistung von Vorschüssen nichtig. Nach den insofern einschlägigen §§ 22, 23 VerlagsG war der Kläger lediglich zur Zahlung einer vereinbarten Vergütung, nicht aber zur Leistung eines Vorschusses hierauf verpflichtet. Unter Ziffer 10 B des Vertrages ist zwar eine Regelung zur Verrechenbarkeit etwaiger Vorschusszahlungen enthalten; aus dem Vertrag ergibt sich aber an keiner Stelle, dass der Kläger zur Leistung eines Vorschusses verpflichtet war. Selbst wenn – wofür nach dem Vortrag der Beklagten keinerlei konkrete Anhaltspunkte bestehen – entsprechende Vorauszahlungen branchenüblich, aber nicht vereinbart gewesen sein sollten, wären die streitgegenständlichen Verträge deshalb nicht sittenwidrig, sondern eine entsprechende Regelung entsprechend § 22 Satz 2 VerlagsG als (stillschweigend) vereinbart anzusehen.
f. Auch die fehlende ausdrückliche Regelung von Informationspflichten ist für die Wirksamkeit der streitgegenständlichen Verträge unschädlich. Nach § 242 BGB bestehen entsprechende Anzeige-, Hinweis-, Mitteilungs-, Offenbarungs- oder Informationspflichten als Nebenpflichten auch ohne konkrete Regelung im Vertrag. Sie verpflichtet dazu, den anderen Teil unaufgefordert über Umstände zu informieren, die für die Durchführung des Vertrags oder allgemein für die Erreichung und Sicherung des Zwecks der Sonderverbindung notwendig sind.
g. Eine Ausbeutung der Unerfahrenheit der Beklagten (§ 138 Abs. 2 BGB) ist nicht ersichtlich. Die Beklagten selbst haben vorgetragen, im Jahre 1965 bereits sehr bekannt und bundesweit auch als Interpreten sehr erfolgreich gewesen zu sein (Klageerwiderung, Seite 8, Ziffer 5.); damit ist der pauschale Vortrag, die Beklagten seien seinerzeit noch jung und unerfahren gewesen, nicht in Einklang zu bringen.
II.
Die Klage ist, soweit sie zulässig ist, begründet; die streitgegenständlichen Verträge wurden nicht durch die im Streit stehenden Kündigungen beendet.
1. Streitgegenständlich sind allerdings allein die im Klageantrag namentlich genannten Vertragswerke. Soweit Gegenstand der Klage eine darüber hinausgehende Feststellung zur Beendigung weiterer, nicht näher bestimmter Verträge ist – was durch die Formulierung „die Verlagsverträge zwischen dem Kläger und den Beklagten, insbesondere die Verträge…“ zum Ausdruck kommt -, ist die Klage unzulässig, da die von der Feststellung betroffenen Rechtsverhältnisse insoweit nicht genau bezeichnet sind (vgl. hierzu Reichold in: Thomas/Putzo, ZPO, 39. Auflage 2018, § 253 Rn. 13). Insoweit war die Klage als unzulässig zurückzuweisen und der Tenor auf die namentlich genannten Verlagsverträge zu beschränken.
2. Für die mit dem Klageantrag namentlich benannten Verlagsverträge ist festzustellen, dass diese nicht durch die Kündigungen vom 16.01.2017 und vom 14.06.2017 beendet wurden.
Ein Musikverlagsvertrag kann als Dauerschuldverhältnis, das ein besonderes Vertrauensverhältnis der Vertragsparteien voraussetzt, fristlos gekündigt werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein Kündigungsgrund ist gegeben, wenn dem kündigenden Vertragspartner eine Fortsetzung des Vertragsverhältnisses wegen einer Störung der Vertrauensgrundlage unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und Abwägung der Interessen beider Vertragsteile nicht mehr zugemutet werden kann. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Musikverlagsvertrag regelmäßig – wie auch hier – auf außerordentlich lange Dauer (die gesamte Dauer des urheberrechtlichen Schutzes an den Werken) angelegt sein kann (zur außerordentlich langen Laufzeit eines Musikverlagsvertrages schon BGH GRUR 1974, 789 – Hofbräuhauslied). Dem Vertragspartner, dessen Rechte verletzt worden sind, ist es deshalb in der Regel zuzumuten, zunächst einmal seinen Vertragspartner zu gehöriger Erfüllung aufzufordern und die ihm zustehenden Ansprüche – notfalls gerichtlich – geltend zu machen; eine fristlose Kündigung ist im Allgemeinen nur im äußersten Fall gerechtfertigt (vgl. BGH GRUR 2010, 1093 – Concierto de Aranjuez). Hinsichtlich der Kündigungsfrist soll nicht die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 BGB gelten; vielmehr soll dem Kündigenden aufgrund der Besonderheiten des Musikverlagsvertrages vor einer fristlosen Kündigung eine hinreichend bemessene Frist zu eigenen Ermittlungen zuzubilligen sein (BGH GRUR 1982, 41 – Musikverleger III).
Die von den Beklagten angeführten Kündigungsgründe vermögen die ausgesprochenen Kündigungen weder für sich genommen noch im Rahmen einer Gesamtschau zu rechtfertigen.
a. Soweit die Kündigung vom 16.01.2017 darauf gestützt wird, der Kläger selbst habe im Hinblick auf die streitgegenständlichen Werke bei der … Falscheintragungen veranlasst, haben die Beklagten diesen Vorwurf ausweislich der Klageerwiderung und der Duplik, die sich hierzu nicht verhalten, im Rahmen des Rechtsstreits nicht mehr weiterverfolgt. Mit der Klageerwiderung wird ausdrücklich nur auf Seiten 8 bis 11 des Kündigungsschreibens vom 16.01.2017 Bezug genommen; die angeblichen Falscheintragungen werden auf den vorhergehenden Seiten der Kündigung abgehandelt. Mit der Duplik wird als Falscheintragung bei der … nur die Registrierung von … thematisiert, die der Kläger aber unstreitig nicht selbst veranlasst hat.
b. Soweit nach der Kündigung vom 16.01.2017 ein … bei der … ein Werk mit dem Titel „…“ zur Anmeldung gebracht hat, ist nicht ersichtlich, aus welchem rechtlichen Grund der Kläger diesbezüglich zum Handeln verpflichtet gewesen sein sollte. Zunächst einmal ist festzustellen, dass sowohl der beklagtenseits gestellte Strafantrag als auch die Beschwerde gegenüber der … erfolglos geblieben ist; es ist demnach davon auszugehen, dass die fragliche Titelmeldung weder als Straftat noch als Verstoß gegen die Statuten der … gewertet werden kann, so dass ein Einschreiten des Klägers schon aus diesem Grund letztlich nicht veranlasst war.
Nach dem Vortrag des Klägers handelte es sich bei dem von … unter demselben Titel angemeldeten Werk im Übrigen um eine völlig eigenständige Schöpfung; die Beklagten haben auch nicht vorgetragen, dass die Werkbezeichnung „…“ unter irgendeinem rechtlichen Gesichtspunkt für die Beklagten selbständig geschützt ist, so dass auch insofern eine Rechtsverletzung des vertragsgegenständlichen Werkes durch …, der der Kläger hätte nachgehen müssen, nicht ersichtlich ist. Unabhängig davon lässt sich dem zwischen den Parteien geschlossenen Verlagsvertrag aber auch weder unmittelbar noch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung eine verlegerische (Neben-)pflicht entnehmen, hinsichtlich einer solchen Titelmeldung einen Strafantrag zu stellen oder eine Beschwerde bei der … einzureichen. Die Beklagten hatten selbst originäre Kenntnis von dem fraglichen Umstand und insofern – insbesondere auch aufgrund ihrer Stellung als Mitglieder bei der … – alle Möglichkeiten, selbst hiergegen vorzugehen.
c. Soweit die Beklagten dem Kläger mit der Kündigung vom 16.01.2017 in verschiedener Hinsicht Untätigkeit vorwerfen, liegt die monierte Untätigkeit entweder so lange zurück, dass ein zeitlicher Zusammenhang mit der Kündigung offensichtlich nicht gegeben ist, oder ein entsprechender zeitlicher Zusammenhang wird gar nicht dargestellt.
Die Beklagten werfen dem Kläger vor, sich in den Jahren, in denen Klingeltöne extrem populär waren, nicht um entsprechende Verwertungsmöglichkeiten gekümmert zu haben. Gerichtsbekannt liegt dieser Zeitraum viele Jahre vor den im Jahre 2017 ausgesprochenen Kündigungen, was sich etwa an der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ablesen lässt (z.B. BGH NJW 2006, 2479 – Werbung für Klingeltöne). Gleiches gilt für die Verwertung auf Online-Plattformen wie …, um die sich die Beklagten nach ihrem eigenen Vortrag im Jahr 2005 selbst gekümmert haben; eine etwaige Untätigkeit des Klägers im Jahre 2005 oder früher vermag eine fristlose Kündigung im Jahre 2017 nicht mehr zu rechtfertigen. Dies gilt auch für den nach dem Vortrag der Beklagten ausgebliebenen finanziellen Beitrag des Klägers zur Erstellung eines Videos für die TV-Vermarktung im Jahr 2005 (im Kündigungsschreiben wird wohl fälschlich das Jahr 2013 (vgl. hierzu Ziffer 2. der Kündigung vom 24.06.2017) genannt, was für die rechtliche Bewertung allerdings unerheblich ist).
Zeitlich völlig unbestimmt bleibt die beklagtenseits behauptete Untätigkeit des Klägers im Hinblick auf wünschenswerte TV-Auftritte der … bzw. das Bewirken von Coverversionen oder die Verwendung der streitgegenständlichen Werke als Film- oder Werbemusik.
Wenn – wie die Beklagten behaupten – der Kläger ferner über einen Zeitraum von zehn bis zwölf Jahren überhaupt keine verlegerischen Tätigkeiten entfaltet hat – also seit 2005 -, wäre mit Blick auf die hierfür vorgesehen gesetzlichen Beendigungsmöglichkeiten (§§ 41, 132 Abs. 1 UrhG) eine außerordentliche Kündigung nicht ohne weiteres gerechtfertigt gewesen (wie hier Ohly in Schricker/Loewenheim, UrhR, 5. Auflage 2017, Vor §§ 31 ff. Rn. 90). Selbst wenn man aber mit Blick auf die behauptete Untätigkeit eine fristlose Kündigung für gerechtfertigt hielte, wäre die streitgegenständliche Kündigung vom 16.01.2017 nicht fristgerecht erfolgt: Zwar fände die Frist des § 626 Abs. 2 BGB insoweit keine Anwendung; das bedeutet aber nicht, dass der Zeitpunkt der fristlosen Kündigung ins Belieben des Kündigenden gestellt ist und auch noch nach vielen Jahren der Untätigkeit möglich ist.
Die Behauptung genereller Untätigkeit ist aber auch erkennbar falsch: So hat der Kläger – um nur ein Beispiel zu nennen – mit Anwaltsschreiben vom 09.02.2017 (Anlage K 4) vorgetragen, im Onlinebereich Lizenzen für den Notendownload eingeräumt und an die Beklagten dementsprechend abgerechnet zu haben. Die Beklagten sind gleichwohl, trotz der gerade in diesem Schreiben aufgeführten Tätigkeiten, bei der Behauptung geblieben, die praktisch einzige Aktivität des Klägers habe im Kassieren der Verlegeranteile bestanden (Kündigung vom 24.06.2017, S. 3); auch mit der Vorlage von 238 Seiten Lizenzabrechnungen im Jahr 2013, auf die klägerseits mit Schreiben vom 09.02.2017 noch einmal hingewiesen worden war, haben sich die Beklagten nicht ansatzweise inhaltlich auseinandergesetzt. Stattdessen haben die Beklagten mit Anwaltsschreiben vom 08.04.2017 erneut die zusammenfassende Darstellung aller verlegerischen Aktivitäten der letzten zehn Jahre binnen dreier Wochen verlangt. Diese Aufforderung diente – das zeigt die fehlende Auseinandersetzung mit dem Anwaltsschriftsatz vom 09.02.2017 – nicht etwa dazu, tatsächlich Aufschluss über die verlegerischen Aktivitäten zu erhalten, sondern allein dem Ziel, einen Kündigungsgrund zu kreieren.
d. Soweit mit der Kündigung vom 16.01.2017 Abrechnungsmängel aus den Jahren 1969-1979, 2011 und 2013 vorgebracht werden, vermögen diese ebenfalls in zeitlicher Hinsicht eine fristlose Kündigung im Jahre 2017 nicht zu rechtfertigen, zumal auch hier jede gerichtliche Geltendmachung der angeblichen Abrechnungsmängel zu vermissen ist.
e. Eine konkrete Verpflichtung, auf der Internetseite des klägerischen Musikverlages das Repertoire der Beklagten „anzubieten“ – was immer damit konkret gemeint ist – lässt sich weder aus dem Gesetz noch aus den streitgegenständlichen Verträgen herleiten, so dass auch eine dahingehende Pflichtverletzung durch Untätigkeit nicht festgestellt werden kann. Einmal mehr gilt ungeachtet dessen aber auch hier, dass die Untätigkeit des Verwerters für sich genommen keinen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellt; Schutz gewährt das Gesetz dem Urheber insofern über § 41 UrhG (wie hier Ohly in: Schricker/Loewenheim, UrhR, 5. Auflage 2017, Vor §§ 31 ff. Rn. 90 m.w.N.). Letztlich ist mithin auch in diesem Punkt nicht feststellbar, dass den dargestellten Anforderungen an eine außerordentliche Vertragskündigung inhaltlich und zeitlich genügt wäre.
f. Die Kündigung vom 24.06.2017 kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass der Kläger den Beklagten in Reaktion auf das Urteil des Kammergerichts in Sachen … Verteilungsplan die von der … entwickelte „Elektronische Bestätigungsvereinbarung“ (Anlage B 2) mit der Bitte um Gegenzeichnung vorgelegt hat. Es stellt keinen eine fristlose Kündigung rechtfertigenden Vertrauensbruch dar, wenn eine Vertragspartei zur Wahrung ihrer Interessen versucht, den Vertragspartner im Hinblick auf die für sie negativen Folgen eines (zwischen anderen Parteien ergangenen!) Gerichtsurteils zu einer Erklärung zu bewegen. Ohne Hinzutreten weiterer Umstände kann ein solches Ansinnen entgegen der Ansicht der Beklagten nicht als „rücksichtslos“ bewertet werden; die Verfolgung eigener Interessen in einem Dauerschuldverhältnis ist grundsätzlich zulässig. Hinzu kommt, dass das Kündigungsschreiben vom 24.06.2017 auf die Übersendung der Bestätigungsvereinbarung ohnehin nicht Bezug nimmt, diesen Umstand also gar nicht als Kündigungsgrund anführt.
g. Die Kündigung vom 24.06.2017 kann auch nicht mit der Reaktion des Klägers auf das Aufforderungsschreiben vom 08.04.2017 gerechtfertigt werden.
Mit Anwaltsschreiben vom 04.05.2017 hatte der Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagten regelmäßig Abrechnungen über die vorgenommenen Auswertungshandlungen erhalten haben und bereits im Jahr 2013 eine geordnete Aufstellung von Drittabrechnungen über insgesamt 238 Seiten übersandt wurden, zumal die verlegerischen Aktivitäten des Klägers bereits mit Schreiben vom 09.02.2017 dargestellt worden waren. Der Prozeßvertreter der Beklagten ist mit seinem Kündigungsschreiben vom 24.06.2017 auf diese Abrechnungsaktivitäten allerdings inhaltlich nicht eingegangen, sondern hat erneut lediglich betont, seinem Auskunftsersuchen sei nicht entsprochen, Belege für die letzten zehn Jahre nicht vorgelegt worden. In einer Situation, in der sich der zur Auskunft aufgeforderte Verleger – wie hier – erkennbar bemüht, Auskünfte für einen langen Zeitraum zu erteilen, ist dessen Vertragspartner seinerseits verpflichtet, auf eine bereits erfolgte Auskunft hin konkret mitzuteilen, inwiefern diese noch immer für unvollständig gehalten wird. Ein Grund für eine außerordentliche Kündigung steht ihm in dieser Situation nicht zur Seite, zumal er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes gehalten wäre, die ihm zustehenden Ansprüche zunächst notfalls gerichtlich geltend zu machen.
h. Auch eine Gesamtschau der vorgebrachten Kündigungsgründe führt zu keinem anderen Ergebnis. Die vorgenannten Kündigungsgründe vermögen in keinem einzigen Fall auch nur im Ansatz ein zur Kündigung berechtigendes Fehlverhalten des Klägers aufzuzeigen; daran ändert auch eine Gesamtschau nichts.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 709, 108 ZPO.


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