Aktenzeichen 4 C 968/20
Leitsatz
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.602,26 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.12.2019 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 18% und die Beklagte 82% zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 1.602,26 € festgesetzt.
Gründe
Die Klage ist zulässig und teilweise begründet.
I. Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das AG Landshut sachlich nach §§ 23, 71 GVG und örtlich gemäß §§ 12, 13, 29 ZPO zuständig.
II. Die Klage ist in der Hauptsache begründet, bzgl. der Nebenforderungen jedoch zum Teil unbegründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages von 1.602,26 € gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB. Einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 255,85 € hat die Klägerin nicht. Zinsen kann die Klägerin erst ab 20.12.2019 verlangen.
1. Die Zahlung der Klägerin an die Beklagte erfolgte ohne Rechtsgrund. Die Klägerin hat kein Schuldanerkenntnis abgegeben.
a) In Betracht kommt hier nur ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Ein konstitutives Schuldanerkenntnis würde voraussetzen, dass die Parteien neben der Grundverpflichtung eine selbstständige Verpflichtung durch das Anerkenntnis schaffen wollten. Das ist prinzipiell nur dann anzunehmen, wenn die mit dem Anerkenntnis geschaffene Verpflichtung von ihren wirtschaftlichen und rechtlichen Zusammenhängen losgelöst und rein auf den Leistungswillen des Schuldners gestellt werden soll. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Es handelt sich hier um eine Regulierung im Rahmen eines Verkehrsunfalls. Die Klägerin und die Beklagte sind insoweit ausschließlich über ein gesetzliches Schuldverhältnis aufgrund der Direkthaftung des Haftpflichtversicherers nach § 115 VVG miteinander verbunden. Grundsätzlich entspricht es der allgemein bekannten Übung, dass der Haftpflichtversicherer nur in dem Umfang zur Zahlung bzw. Übernahme einer Haftung bereit ist, in dem gegen ihn tatsächlich ein Anspruch besteht. Für den Haftpflichtversicherer besteht regelmäßig kein Grund, ohne bestehende Verpflichtung Zahlungen zu leisten. Da er an dem Unfall selbst nicht beteiligt ist, bedarf er der Informationen seines Versicherungsnehmers und der Gegenseite, um eine Einschätzung über die auf ihn entfallende Zahlungspflicht abgeben zu können. Von der Zuverlässigkeit und der Überzeugungskraft dieser Informationen hängt die Einschätzung des Versicherers hinsichtlich der eigenen Zahlungsverpflichtung maßgeblich ab. Deshalb ist für alle Beteiligten klar, dass der Haftpflichtversicherer insbesondere im Fall einander widersprechender Informationen wie hier keine von der tatsächlichen Zahlungspflicht losgelöste, nur von seinem Willen abhängige Leistung erbringen will.
b) Ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis hat den Zweck, ein zwischen den Parteien bestehendes Schuldverhältnis insgesamt oder in einzelnen Beziehungen dem Streit oder der Ungewissheit endgültig zu entziehen. Es soll das alte Schuldverhältnis für die Zukunft festlegen. Die Vertragschließenden wollen miteinander, ähnlich wie bei einem Vergleich gemäß § 779 BGB, für die Zukunft auf eine verlässliche Basis kommen. Wenn der Wille der Parteien hierzu nicht ausdrücklich erklärt ist, kann er nur unter engen Voraussetzungen angenommen werden. Bei der Ermittlung des zum Ausdruck gebrachten Parteiwillens ist auf den erkennbar mit der Erklärung verfolgten Zweck, die beiderseitige Interessenlage im konkreten Fall und die allgemeine Verkehrsauffassung über die Bedeutung einer solchen Erklärung abzustellen.
Das maßgebliche Schreiben der Klägerin vom 30.08.2017 (Anlage K1) enthält kein ausdrückliches Anerkenntnis. Es kann nach den Umständen des vorliegenden Falls nicht als deklaratorisches Anerkenntnis gewertet werden.
Die Regulierungszusage eines Haftpflichtversicherers stellt zwar regelmäßig ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis dar (BGH NJW-RR 2009, 382). Hier liegt der Sachverhalt jedoch anders.
Die Klägerin beginnt ihr Abrechnungsschreiben mit einem ausdrücklichen Rückforderungsvorbehalt. Aus der maßgeblichen objektiven Empfängersicht der Beklagten ist bereits deshalb jede weitere nachfolgende Erklärung der Klägerin vor diesem Hintergrund zu interpretieren.
Die Aussage der Klägerin, einen Anspruch auf vollen Schadensersatz könne sie nicht anerkennen, sie müsse eine Mithaftung berücksichtigen, ist aus der maßgeblichen objektiven Sicht der Beklagten nicht als Anerkenntnis zu werten. Für die Beklagte war erkennbar, dass die Klägerin kein Interesse daran hat, auf Einwendungen zu verzichten, ohne einen Vorteil dadurch zu erlangen. Das folgt hier ganz maßgeblich daraus, dass die Beklagte ihrerseits mit dieser angenommenen Mithaftung nicht einverstanden war und Klage auf volle Entschädigung erhoben hat. Demnach wurde durch die erklärte Mithaftung der Klägerin ein Streit über die korrekte Haftungshöhe gerade nicht endgültig geklärt, wie es aber Voraussetzung für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis ist. Es ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Klägerin ein Interesse daran haben sollte, dass mit ihrer Erklärung nur eine einseitige Mindesthaftung begründet wird. Das Interesse der Klägerin kann nur darin gelegen haben, den Streit über die Haftungsquote endgültig dahingehend zu beseitigen, dass man sich einvernehmlich auf 50% einigt. Wollte man der Beklagten folgen, so hätte die Klägerin ohne Grund und ohne Vorteil eine Mindesthaftung ihrerseits anerkannt und sich gleichwohl einem Rechtsstreit über die Haftungsquote ausgesetzt (so zutreffend auch LG Saarbrücken NJW 2013, 87). Das gilt hier umso mehr, als die Klägerin einen ausdrücklichen Rückforderungsvorbehalt erklärt hat.
Die Auseinandersetzung der Klägerin mit der Sach- und Rechtslage unter Bezugnahme auf die einschlägige Rechtsprechung bei ungeklärtem Unfallverlauf ist vor dem vorstehenden Hintergrund zu sehen und begründet ebenfalls kein Anerkenntnis. Die insoweit in dem Schreiben Anlage K1 der Klägerin erfolgten Ausführungen hatten erkennbar nicht den Zweck, die eigene Haftung zu begründen und dem Streit zu entziehen, sondern die Beklagte auf die sie treffende Haftung und die Gründe hierfür hinzuweisen und sie dazu zu bewegen, von einer Klage Abstand zu nehmen.
2. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Freistellung bzgl. ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten.
Zwar scheitert der Anspruch nicht an der Aktivlegitimation der Klägerin. Diese hängt nicht davon ab, ob die Klägerin die Kosten bereits an ihre Anwälte bezahlt hat. Der Begriff der Aktivlegitimation zeigt an, wer Inhaber einer Forderung ist. Es ist nicht ersichtlich oder vorgetragen, dass die Klägerin den in ihrer Person entstandenen Anspruch an jemand anderen abgetreten haben sollte oder ein gesetzlicher Forderungsübergang, etwa nach § 87 VVG stattgefunden haben könnte.
Jedoch ist ein Verzug der Beklagten mit der Zahlung der Hauptforderung im maßgeblichen Zeitpunkt der Beauftragung der Klägeranwälte nicht schlüssig dargelegt. Insbesondere ist das Schreiben der Beklagten vom 07.05.2018 (Anlage K6) nicht als ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung im Sinne von § 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB auszulegen. Dem steht bereits entgegen, dass die Beklagte ausdrücklich ausgeführt hat, nach ihrer „derzeitigen“ Rechtsauffassung nicht zu einer Rückerstattung bereit zu sein. Aus der maßgeblichen Sicht der Klägerin war damit Raum für eine weitere sinnvolle, nicht rein formalistische Diskussion. Das zeigt sich auch darin, dass die Klägerin es für nötig erachtet hat, die Beklagte nochmals, diesmal durch ihre anwaltlichen Vertreter, auf ihre Sicht der Dinge hinzuweisen und zur Zahlung aufzufordern (Anlage K8). Als erste Mahnung hat die Klägerin das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.12.2019 vorgetragen (Anlage K8). Die erste Zahlungsaufforderung vom 23.04.2018 (Anlage K5) ist keine Mahnung. Zu einer einseitigen, verzugsbegründenden Fristsetzung wäre die Klägerin auch nicht befugt gewesen (BGH NJW 2008, 50). Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für diejenigen Maßnahmen, die den Verzug erst herbeiführen – hier das erste Schreiben der Klägeranwälte – kann nicht auf den Anspruchsgrund Verzug gestützt werden. Ein sonstiger Anspruchsgrund ist nicht ersichtlich.
3. Zinsen stehen der Klägerin erst ab 20.12.2019 zu. Ein vorheriger Verzug der Beklagten ist nicht schlüssig dargelegt. Als erste Mahnung hat die Klägerin das Schreiben ihrer Prozessbevollmächtigten vom 05.12.2019 vorgetragen (s.o. 2.). Darin hat sie der Beklagten ausdrücklich eine Frist zur Zahlung bis zum 19.12.2019 gesetzt und die Zahlung damit bis dahin gestundet, weshalb vor dem Ablauf dieses Tages kein Verzug eintreten konnte. Nach dem Rechtsgedanken des § 187 Abs. 1 BGB beginnt der Zinslauf am Folgetag.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Für das im Rahmen der Kostenentscheidung maßgebliche Obsiegen/Unterliegen ist ein fiktiver Streitwert aus der Summe aller Haupt- und Nebenforderungen, darunter die vorgerichtlichen Anwaltskosten und Zinsen, zu bilden.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.
Der Streitwert ist nach §§ 43, 48 GKG in Verbindung mit § 6 ZPO festgesetzt.