EuGH stärkt Fluggastrechte: Entschädigung für Flugverspätung in den USA

Flugverspätung

Die drei klagenden Passagiere hatten bei einer deutschen Airline den Flug Brüssel (Belgien) – San José (USA) gebucht, mit Zwischenlandung in Newark (USA). Durchgeführt wurde der komplette Flug von einem in den USA ansässigen Luftfahrtunternehmen. Dies geschah im Rahmen des sogenannten Code-Sharing-Verfahrens, also einer Kooperation zweier Fluggesellschaften, bei dem die eine Airline die Tickets im eigenen Namen verkauft und die andere Airline den Flug durchführt.

Auf dem zweiten Teilflug von Newark nach San José gab es technische Probleme. Die Passagiere erreichten San José schließlich mit einer Verspätung von über 3,5 Stunden. Sie klagten daraufhin gegen das US-amerikanische Unternehmen vor dem Brüsseler Unternehmensgericht und verlangten Entschädigung. Dabei beriefen sie sich auf die EU-Verordnung 261/2004 (Europäische Fluggastrechteverordnung), die Ausgleichsansprüche für Annullierungen und Flugverspätungen regelt.

Gilt EU-Recht auch für Teilflüge in den USA?

Das beklagte Luftfahrtunternehmen führte gegen den von den drei Passagieren geltend gemachten Anspruch hauptsächlich zwei Argumente ins Feld:

  1. Es bezweifelte die Anwendbarkeit der EU-Verordnung auf das inneramerikanische Flugsegment. Weder sei die Airline ein Luftfahrtunternehmen der EU, noch seien Start oder Landung in einem EU-Mitgliedsstaat erfolgt.
  2. Für den Fall, dass die Anwendbarkeit der EU-Verordnung auf den inneramerikanischen Teilflug bejaht würde, führte die US-amerikanische Airline den völkerrechtlichen Grundsatz der Souveränität ins Feld, wonach jeder Staat die ausschließliche Hoheit über seinen Luftraum besitzt.

Die Anwendung von Unionsrecht auf einen Sachverhalt im Bereich eines Drittstaats wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht.

Voraussetzung: Startflughafen liegt in EU-Mitgliedsstaat

Das Brüsseler Unternehmensgericht hat daraufhin beschlossen, das Verfahren auszusetzen und die zwei o.g. Einwände vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) rechtlich beleuchten zu lassen.

Die Luxemburger Richter stellten zunächst klar, dass es sich bei dem Flug von Brüssel nach San José – trotz Zwischenlandung und Umstieg in Newark – um einen Flug handelte, der rechtlich als Ganzes zu betrachten ist. Schließlich wurden die zwei Teilflüge nicht einzeln, sondern die Verbindung Brüssel – San José als Gesamtheit bei der deutschen Airline gebucht. Nach dieser Betrachtungsweise wurde dann auch hinsichtlich der Verspätung nicht das einzelne, die Verspätung auslösende Flugsegment betrachtet, sondern der gebuchte Flug als Ganzes. Startpunkt war Brüssel im EU-Mitgliedsstaat Belgien, Endziel San José in den USA. Dies führte zur direkten Anwendbarkeit der EU-Fluggastrechteverordnung.

Auch dem völkerrechtlichen Einwand konnte mit dieser Auslegung begegnet werden, weil der direkte EU-Bezug durch den Startpunkt im Mitgliedsstaat Belgien hergestellt wurde.

Dem stand auch nicht entgegen, dass es sich um eine amerikanische Fluglinie handelt. Sie stand zwar in keinem direkten Vertragsverhältnis mit den klagenden Passagieren, wurde aber in ihrer Eigenschaft als ausführendes Luftfahrtunternehmen im Namen einer deutschen Airline tätig.

Stundenlange Flugverspätung? Entschädigungsoption prüfen lassen!

Das Urteil stärkt die Rechte der Fluggäste über die Grenzen der EU hinweg. Sie sollten sich nicht scheuen, bei mehrstündigen Verspätungen oder Stornierung eines Fluges, stets die Möglichkeit einer Entschädigungszahlung prüfen zu lassen. Wohin auch immer die Reise geht: Wenn der Flug in einem EU-Mitgliedsstaat angetreten wurde, stehen die Chancen für eine Ausgleichszahlung sehr gut.

EuGH, Urteil vom 7.4.2022, Rs. C-561/20


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