Aktenzeichen 3 StR 521/14
§ 18 Abs 1 S 3 JGG
§ 18 Abs 2 JGG
§ 30 Abs 1 StGB
§ 30 Abs 2 StGB
§ 49 Abs 1 StGB
§ 249 Abs 2 StGB
Verfahrensgang
vorgehend LG Osnabrück, 28. Juli 2014, Az: 3 KLs 11/14
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Osnabrück vom 28. Juli 2014 – soweit es ihn betrifft – im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten F. wegen Versuchs der Beteiligung an einem Raub zu einer Jugendstrafe von neun Monaten verurteilt, deren Vollstreckung es zur Bewährung ausgesetzt hat. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
2
Der Ausspruch über die Jugendstrafe hat keinen Bestand. Die Erwägungen, mit denen das Landgericht in vergleichender Beurteilung der Taten nach Erwachsenenstrafrecht das Vorliegen eines minder schweren Falles (§ 249 Abs. 2 StGB) verneint hat, halten rechtlicher Überprüfung nicht stand.
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Zutreffend ist die Jugendkammer davon ausgegangen, dass sowohl bei der Beurteilung der Schuldschwere im Sinne des § 17 Abs. 2 Alt. 2 JGG wie bei der Zumessung der konkreten Jugendstrafe der äußere Unrechtsgehalt der Tat insofern von Belang ist, als aus ihm Schlüsse auf die Persönlichkeit des Täters und die Schwere der Schuld gezogen werden können (vgl. BGH, Urteil vom 11. November 1960 – 4 StR 387/60, BGHSt 15, 224, 226). Dabei ist zur Bestimmung der zurechenbaren Schuld des jugendlichen oder heranwachsenden Täters das Tatunrecht am Maßstab der gesetzlichen Strafandrohungen des Erwachsenenstrafrechts heranzuziehen; denn die Strafrahmen des allgemeinen Strafrechts behalten insoweit ihre Bedeutung, als in ihnen die Bewertung des Tatunrechts zum Ausdruck kommt. Dies gilt namentlich dort, wo sich die Tat, nach Erwachsenenstrafrecht beurteilt, als minder schwerer Fall darstellen würde (BGH, Beschlüsse vom 4. November 1987 – 3 StR 482/87, BGHR JGG § 18 Abs. 1 Satz 3 minder schwerer Fall 3; vom 21. August 2012 – 4 StR 157/12, NStZ-RR 2013, 50, ; vom 5. Juni 2013 – 2 StR 189/13, NStZ-RR 2013, 291; vom 8. Januar 2014 – 3 StR 318/13, NStZ 2014, 409; Urteil vom 9. August 2000 – 3 StR 176/00, NStZ-RR 2001, 215, 216).
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Im Rahmen der hierfür vorzunehmenden Gesamtwürdigung hat das Landgericht indes den vertypten Milderungsgrund nach § 30 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB nicht berücksichtigt.
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Sieht das Gesetz den Sonderstrafrahmen eines minder schweren Falles vor und ist auch ein gesetzlich vertypter Milderungsgrund gegeben, so muss bei der Strafrahmenwahl zunächst geprüft werden, ob der mildere Sonderstrafrahmen zur Anwendung kommt. Dabei ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung vorab auf die allgemeinen Strafzumessungsgründe abzustellen. Vermögen bereits diese die Annahme eines minder schweren Falles allein zu tragen, stehen die den gesetzlich vertypten Milderungsgrund verwirklichenden Umstände noch für eine (weitere) Strafrahmenmilderung nach § 49 StGB zur Verfügung. Ist jedoch nach einer Abwägung aller allgemeinen Strafzumessungsumstände das Vorliegen eines minder schweren Falles abzulehnen, so sind zusätzlich die den gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrund verwirklichenden Umstände in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehen. Erst wenn der Tatrichter danach weiterhin die Anwendung des milderen Sonderstrafrahmens nicht für gerechtfertigt hält, darf er den (allein) wegen des vorliegenden gesetzlich vertypten Strafmilderungsgrundes herabgesetzten Regelstrafrahmen zugrunde legen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 27. April 2010 – 3 StR 106/10, NStZ-RR 2010, 336 ; vom 5. August 2014 – 3 StR 138/14, juris Rn. 6).
6
Dem wird das angegriffene Urteil nicht gerecht. Die Jugendkammer hat nach einer Gesamtwürdigung der allgemeinen Strafzumessungsgründe das Vorliegen eines minder schweren Falles des Raubes verneint und lediglich eine für den Fall der Anwendung von Erwachsenenstrafrecht hypothetische Milderung des Strafrahmens nach § 30 Abs. 1 und 2, § 49 Abs. 1 StGB vorgenommen. Damit hat es die Prüfung versäumt, ob bei Anwendung von Erwachsenenstrafrecht nicht wegen Vorliegens des vertypten Milderungsgrundes ein minder schwerer Fall nach § 249 Abs. 2 StGB vorläge.
7
Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Gericht dann, wenn es in Anlehnung an das Erwachsenenstrafrecht einen minder schwerer Fall angenommen hätte, nicht auf die Schwere der Schuld erkannt oder jedenfalls eine niedrigere Jugendstrafe verhängt hätte.
Becker Pfister Schäfer
Gericke Spaniol