Dashcam als Beweismittel: Urteile und aktuelle Rechtslage

Ob Aufnahmen von Dashcams als Beweis verwendet werden dürfen, richtet sich nach den schutzwürdigen Interessen der Betroffenen.

Dashcam als Beweismittel an der Frontscheibe

Dashcam als Beweismittel: Urteil 2023

Sachverhalt

Es ging um einen Verkehrsunfall nach einer Kurvendurchfahrt, bei dem streitig war, wer auf wessen Spur geraten war und somit den Unfall verursacht hatte. Zeugenvernehmungen ergaben kein klares Ergebnis. Eine Dashcam als Beweismittel lag vor (im Fahrzeug einer Partei). Das Video zeigte, dass das klägerische Fahrzeug eine Spurgrenze überfuhr und auf die Spur des Beklagten geriet — und kurz darauf die Kollision erfolgte. Die Kollisionsstelle war akustisch im Video erkennbar. 

Entscheidung und Begründung für die Dashcam als Beweismittel

Das LG Aachen verwertete die Dashcam als Beweismittel und wies die Klage ab. Es hielt fest, dass keine Partei der Verwertung widersprochen hatte — insbesondere nicht der Kläger. Entscheidend: Selbst wenn die Aufnahme nach geltendem Datenschutzrecht unzulässig sein sollte, spreche das nicht automatisch gegen ihre Verwertbarkeit. Es komme auf eine Güterabwägung an — analog zu der Rechtsprechung des BGH von 2018 (siehe weiter unten). Das Gericht betonte, dass das Video ausschließlich die „Öffentlichkeitssphäre“ betreffe (also keine privaten Bereiche) und dass ohne das Video eine angemessene Beweisführung und damit die Durchsetzung materieller Gerechtigkeit nicht möglich gewesen wäre. 

Warum das Urteil relevant ist

Das Urteil zeigt, dass die Rechtsprechung auch im Zeitalter der DSGVO fortbesteht: Es gibt weiterhin Gerichte, die selbst bei datenschutzrechtlichen Problemen eine Verwahrung und Verwertung von Dashcam-Videos befürworten, wenn Beweisnot besteht und keine Partei widerspricht. Damit wird der Grundsatz aus dem BGH-Urteil von 2018 bestätigt und konkret auf aktuelle Fälle angewendet. Für Verkehrsteilnehmer zeigt dieses Urteil: Dashcams als Beweismittel können unter Umständen auch heute noch bei der Aufklärung von Unfällen helfen — insbesondere, wenn es keine anderen brauchbaren Beweise gibt und der Unfallhergang unklar ist. 

Landgericht Aachen, Beschluss vom 06. Juli 2023, Az. 12 O 398/22

Hier ist der Link zum Urteil des Landgericht Aachen

Dashcam als Beweismittel: Urteil 2018

Sachverhalt

Streitgegenstand war ein Verkehrsunfall innerorts: Beide Beteiligte befuhren zweispurige Linksabbiegerspuren; unklar war, wer von beiden von der Spur abgekommen und für die seitliche Kollision verantwortlich war. Der Kläger hatte eine Dashcam in seinem Fahrzeug, die den Unfall inklusive der Fahrt davor aufzeichnete. Die Videoaufzeichnung wurde als Beweismittel angeboten. Auf unteren Instanzebenen (Amts- und Landgericht) wurde das Beweismittel abgelehnt — mit Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken.

Entscheidung und Begründung

Der BGH stellte klar: Die permanente und anlasslose Aufzeichnung des Verkehrsgeschehens mit einer Dashcam verstößt gegen datenschutzrechtliche Regelungen (insbesondere gegen das frühere Bundesdatenschutzgesetz — BDSG). Trotzdem sah der BGH kein generelles Beweisverwertungsverbot: Eine Videoaufzeichnung bleibt im Zivilprozess — z. B. im Unfallhaftpflichtprozess — verwertbar. Entscheidend sei eine Interessen- und Güterabwägung im Einzelfall. Im vorliegenden Fall hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zurück — damit war die Dashcam als Beweismittel grundsätzlich verwendbar. 

Wichtige Einschränkungen und Rahmenbedingungen

Der BGH wies ausdrücklich darauf hin, dass die Aufzeichnung datenschutzrechtlich unzulässig ist — das Urteil bedeutet also nicht, dass der Einsatz einer Dashcam generell erlaubt wäre. Für eine Verwertung braucht es eine Einzelfallabwägung. Eine dauerhafte „heimliche“ Videoüberwachung des Straßenverkehrs allein aus Eigeninteresse gilt nicht automatisch als zulässig. Insbesondere müssten die Rechte der gefilmten Personen (Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Datenschutz, ggf. Recht am eigenen Bild) gegen das Interesse der Beweisführung abgewogen werden. Der BGH betonte, dass bei Beteiligten eines Unfalls ohnehin eine gesetzliche Pflicht zur Feststellung von Person, Fahrzeug und Art der Beteiligung besteht — daraus resultiere ein geringeres Datenschutzgewicht gegenüber dem Interesse der Unfallaufklärung.

Bedeutung des Urteils

Das Urteil gilt als Grundsatzentscheidung: Es löste die vorher sehr uneinheitliche Rechtsprechung und machte deutlich: Datenschutzverstöße führen nicht automatisch zu einem Ausschluss von Dashcam-Beweisen im Zivilprozess. Seitdem hängt die Zulässigkeit von Dashcams als Beweismittel stark vom Einzelfall ab — und insbesondere von einer gerichtlichen Güterabwägung. Für Unfallopfer und -gegner wurde damit eine rechtlich realistische Möglichkeit geschaffen, Dashcam-Material zur Klärung des Unfallhergangs heranzuziehen — zumindest in Zivil- bzw. Haftpflichtprozessen. 

Bundesgerichtshof (BGH), Beschluss vom 15. Mai 2018, Az. VI ZR 233/17

Hier ist der Link zum Urteil des Bundesgerichtshof (BGH)

Dashcam als Beweismittel: Älteres Urteil 2016

Das Oberlandesgericht Stuttgart hat 2016 zum ersten Mal in Deutschland ein Dashcam-Video als Beweismittel vor Gericht zugelassen. Damit widerspricht das Gericht dem Beschluss des AG München vom 13. August 2014. Das Gericht in Stuttgart verfolgt die Auffassung, dass bei Dash-Cam-Aufnahmen nicht zwingend ein Beweisverwertungsverbot im Bußgeldverfahren eintritt. Die Aufnahmen wurden zufällig und ohne Arglist von einem Zeugen gemacht und wegen der besonderen Schwere des Verkehrsverstoßes zugelassen. Ein weiterer Grund wären schwerwiegende Verstöße oder Versäumnisse im Ermittlungsverfahren der Ermittlungsbehörden. In dem Fall konnten die Aufnahmen beweisen, dass ein Autofahrer eine seit mehr als sechs Sekunden rote Ampelanlage passierte. Der Betroffene musste eine Geldbuße über 200 Euro begleichen und einen Monat den Führerschein abgeben.

OLG Stuttgart, Beschluss vom 04. Mai 2016, AZ Az. 4 Ss 543/15

Hier ist der Link zum Urteil des OLG Stuttgart.

Warum die Lage weiterhin uneinheitlich ist

Zwar haben Gerichte wie BGH oder LG Aachen die Verwertbarkeit im Einzelfall bejaht — aber sie betonen, dass der Datenschutz und das allgemeine Persönlichkeitsrecht der gefilmten Personen nicht aushebelbar sind. Daueraufzeichnung („permanentes Filmen“) bleibt grundsätzlich unzulässig. Es kommt stark auf den Einzelfall an: Welche Kamera wurde genutzt? Wurde permanent gefilmt oder nur punktuell? Gab es einen konkreten Anlass bzw. Unfall? Wurde eine Interessenabwägung vorgenommen?

Legal-Rahmen und Kritikpunkte

Der Kern der Auseinandersetzung liegt im Spannungsverhältnis zwischen dem Anspruch auf Aufklärung von Unfällen bzw. Haftungsfragen und dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung bzw. Recht am eigenen Bild Dritter. Datenschutzrechtlich ist das permanente Filmen problematisch (§ 6b des früheren Bundesdatenschutzgesetz, in Kombination mit DSGVO). Viele Datenschutzbehörden sehen Dashcam-Daueraufnahmen als unzulässig an. Trotz datenschutzrechtlicher Bedenken hat der Gesetzgeber bislang keine klare gesetzliche Regelung geschaffen, die Dashcam-Verwendung umfassend erlaubt oder verbietet. Deshalb bleibt vieles Gerichts- und Einzelfallentscheidung. 

Fazit – Aktueller Stand für Dashcams als Beweismittel

Die aktuellen Urteile (insbesondere 2018 BGH und 2023 LG Aachen) zeigen, dass Dashcams als Beweismittel durchaus zulässig sein können — unter bestimmten Voraussetzungen und nach Abwägung. Eine generelle „Freigabe“ für Dauer-Dashcams gibt es aber nicht. Wer sich also auf Dashcam-Material vor Gericht verlassen will, muss mit Unsicherheiten rechnen und im Einzelfall auf günstige Umstände hoffen.

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