Arbeitsrecht

4 Ca 1602/21

Aktenzeichen  4 Ca 1602/21

Datum:
8.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Erfurt 4. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERF:2022:0608.4CA1602.21.00
Spruchkörper:
undefined

Tenor

1. Die KIage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Der Streitwert beträgt 3.000,00 €.

Tatbestand

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin Beschäftigung an einem bestimmten Arbeitsort.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Mitarbeiterin des Sozialmedizinischen Dienstes (SMD) beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält zum Arbeitsort keine ausdrückliche Festlegung. In § 2 des Arbeitsvertrages wird allerdings auf den Tarifvertrag der Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung verwiesen. Neben dem Arbeitsvertrag erhielt die Klägerin eine “Niederschrift nach dem Nachweisgesetz“ mit folgendem Inhalt:
“1. Die Beschäftigung erfolgt in X (Arbeitsort).Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung und Zuweisung bleiben unberührt.Die Arbeitnehmerin wird außerdem darauf hingewiesen, dass sich aus dem Arbeitsverhältnis für sie die Verpflichtung ergibt, ihre Tätigkeit am neuen Sitz der Beschäftigungsdienststelle fortzuführen, soweit Teile der Beschäftigungsdienststelle an einen anderen Ort verlegt werden.“
Unter dem 31.01.2021 beantragte die Klägerin gegenüber der Beklagten eine Umsetzung vom Standort in X an den Standort der Beklagten in Y. Mit Schreiben vom 02.06.2021 entsprach die Beklagte dem Antrag der Klägerin und kündigte an, sie mit Wirkung vom 01.09.2021 als Mitarbeiterin SMD und SMD am Standort einzusetzen. Dem Schreiben war eine “Niederschrift nach dem Nachweisgesetz“ vom 02.06.2021 beigefügt mit folgenden Inhalt:
“1. Die Beschäftigung erfolgt ab 01.09.2021 in (Arbeitsort).Die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung und Zuweisung bleiben unberührt.Die Arbeitnehmerin wird außerdem darauf hingewiesen, dass sich aus dem Arbeitsverhältnis für sie die Verpflichtung ergibt, ihre Tätigkeit am neuen Sitz der Beschäftigungsdienststelle fortzuführen, soweit Teile der Beschäftigungsdienststelle an einen anderen Ort verlegt werden.“
Mit Schreiben der Beklagten vom 20.07.2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Diensteinsatzschreiben vom 02.06.2021 gegenstandslos sei und begründete dies mit der Umsetzung des Standortkonzepts der Beklagten. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage K 6 Bl. 14 d. A. verwiesen.
Die Klägerin trägt u. a. vor,
sie habe einen Anspruch auf sofortige Beschäftigung am Standort der Beklagten . Ihr Antrag vom 31.01.2021 sei durch die Beklagte mit Schreiben vom 02.06.2021 angenommen worden und die Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Niederschrift nach dem Nachweisgesetz bestätigt worden. Unter Beachtung dessen hätten beide Parteien übereinstimmend eine vertragliche Vereinbarung über den Standort als Arbeitsort der Beklagten ab dem 01.09.2021 getroffen. Diese auf übereinstimmenden Willenserklärungen der Parteien beruhende Vereinbarung sei für beide Seiten verbindlich. Insofern sei es der Beklagten versagt, die Vereinbarung durch eine einseitige Erklärung zu widerrufen.Der Widerruf sei auch nicht durch das Direktionsrecht der Beklagten gedeckt. Eine Rückversetzung der Klägerin vom verbindlich vereinbarten Arbeitsort müsse gemäß § 4 TV-TgDRV durch dienstliche Gründe gerechtfertigt sein. Derartige Gründe seien jedoch nicht ersichtlich. Die Rückumsetzung der Klägerin sei willkürlich und deshalb als rechtswidrig zu qualifizieren.
Es möge sein, dass es ein Standortkonzept gebe. Allerdings handele es sich, wie der Name schon sage, lediglich um eine Zukunftsplanung, deren Umsetzung noch gar nicht begonnen hätte und tatsächlich noch ungewiss sei.Ferner sei zu beachten, dass zu dem Zeitpunkt, als die Beklagte die Umsetzung der Klägerin von geprüft hätte, das Standortkonzept seit geraumer Zeit bekannt gewesen sei.
Die Klägerin wohne. Die Wegstrecke zu Fuß von diesem Wohnsitz bis zum Sitz der Beklagten in betrage rund 2 km und sei in ca. 20 Minuten zu Fuß zu bewältigen.
Um nach zu gelangen, benötige die Klägerin mit dem Auto für die Strecke von rund 25 km hingegen ca. 40 Minuten.
Die Klägerin beantragt daher:
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin mit sofortiger Wirkung am Standort der Beklagten zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt K l a g e a b w e i s u n g .
Sie trägt u. a. vor,
§ 4 TV-TgDRV regele die Versetzung, Abordnung, Zuweisung und Personalgestellung vom Beschäftigten. Darüber hinaus bestehe in den Grenzen des § 106 Gewerbeordnung auch die Möglichkeit der tarifvertraglich nicht geregelten Umsetzung, d. h. das Recht, einem Beschäftigten einen anderen Arbeitsplatz bei unveränderter Dienststelle desselben Arbeitgebers unter Fortsetzung des bestehenden Arbeitsverhältnisses zu übertragen.Mit Schreiben der Beklagten vom 20.07.2021 sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass die Umsetzung an den Standort nicht realisiert werden könne. Zur Begründung sei auf das bei der Beklagten geltende Standortkonzept verwiesen worden. Zweck des Standortkonzeptes sei die Konzentration der Beschäftigten der Beklagten auf vier Hauptstandorte zur Verbesserung der Zusammenarbeit und zur Reduzierung der Kosten. Das Standortkonzept lege fest, dass die meisten Beschäftigten der Beklagten an den vier Hauptstandorten Leipzig, Dresden, Erfurt und Halle konzentriert werden sollen. Stellennachbesetzungen durch externe Neueinstellungen oder interne Umsetzungen seien deshalb nur noch an diesen vier Standorten vorzunehmen. Eine Ausnahme gelte für die wenigen Tätigkeiten, welche an den Außenstandorten – wie – verbleiben würden. Gleichzeitig erfolge durch die Beklagte mit zunehmender Personalreduzierung an den Außenstandorten eine sukzessive Reduzierung von Büroflächen zur Kostensenkung.
Die Tätigkeit der Klägerin als Mitarbeiterin des SMD sei keine an einem Außenstandort verbleibende Tätigkeit. Der Klägerin sei klargestellt worden, dass das Schreiben vom 02.06.2021 aufgrund eines Bearbeitungsfehlers der Beklagten versandt worden sei und nach Erkennen des Fehlers mit Schreiben vom 20.07.2021 umgehend eine entsprechende Korrektur erfolgt sei.
Ein Anspruch der Klägerin würde voraussetzen, dass es eine exakte und klare Vereinbarung gäbe, dass unter Verzicht auf das Direktionsrecht ein dauerhafter, ausschließlicher, zukünftiger Arbeitsort mit der Klägerin festgelegt werden solle. Eine diesen Anforderungen genügende Vereinbarung der Beklagten mit der Klägerin gebe es nicht. Der Arbeitsvertrag vom 14.01.2016 enthalte keine Festlegung zu einem Arbeitsort. Die Niederschrift der Beklagten nach dem Nachweisgesetz enthalte die Mitteilung, an welchem Arbeitsort die Beschäftigung erfolge, die tariflichen Vorschriften über die Versetzung, Abordnung und Zuweisung blieben jedoch unberührt. Dieser Zusatz stelle eindeutig klar, dass die Vereinbarung eines dauerhaften, ausschließlichen Arbeitsortes mit der Klägerin gerade nicht erfolgt sei. Deshalb könnte mit Schreiben vom 20.07.2021 die erfolgte Umsetzung an den Standort Weimar rückgängig gemacht werden.
Die Zulässigkeit der Umsetzung richte sich nach der allgemeinen Regelung des Direktionsrechts in § 106 Gewerbeordnung.
Wegen weiterer Einzelheiten des Parteienvortrags wird auf die zu den Akten gereichten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Ein Anspruch der Klägerin auf ausschließliche Beschäftigung am Standort lässt sich dem Arbeitsvertrag nicht entnehmen.
Der Arbeitsvertrag vom 14.01.2016 enthält zum Arbeitsort keine ausdrückliche Festlegung. Dies erfolgt bei der Beklagten vielmehr regelmäßig durch Übermittlung einer Niederschrift nach dem Nachweisgesetz, die den Arbeitsort bezeichnet und gleichzeitig den Versetzungsvorbehalt nach tariflichen Vorschriften unberührt lässt. Aus dieser Kombination von Benennung des Arbeitsortes unter gleichzeitigem Hinweis auf einen Versetzungsvorbehalt wird deutlich, dass die Benennung des Arbeitsortes keine unabänderliche vertragliche Festlegung bedeutet, sondern im Rahmen des Direktionsrechts geschieht.
Die Ausübung des Direktionsrechts durch die Beklagte entspricht billigem Ermessen.Das Standortkonzept der Beklagten sieht eine Konzentration vieler Aufgaben an den Hauptstandorten vor. Hierunter fällt auch der Aufgabenbereich der Klägerin. Wenn die Beklagte dabei den an den Außenstandorten beschäftigten Mitarbeitern einen gewissen Bestandsschutz gewährt, deutet dies nicht auf eine fehlende Umsetzung, sondern allenfalls auf eine schonende Umsetzung des Standortkonzepts hin. Die Bewilligung vom 02.06.2021 widerspricht dem Standortkonzept und wurde von der Beklagte noch vor der tatsächlichen Umsetzung als Bearbeitungsfehler erkannt und korrigiert. Mit dem Widerruf vom 20.07.2021 wollte die Beklagte vermeiden, mit der Umsetzung der Klägerin nach Weimar einen Präzedenzfall zu schaffen, der einer Umsetzung des Standortkonzepts entgegensteht. Das konsequente Festhalten am Standortkonzept stellt nach Auffassung der Kammer einen Sachgrund dar, der ein willkürliches Vorgehen der Beklagten ausschließt.
Im Rahmen der Interessenabwägung ist anzumerken, dass die Klägerin im Zeitpunkt des Widerrufs vom 20.07.2021 noch keinerlei Bestandsschutz besaß, da die Umsetzungsentscheidung noch nicht in Kraft getreten war. Sicherlich mag es für die Klägerin aufgrund ihres Wohnsitzes wünschenswert gewesen sein, zukünftig einen kürzeren Arbeitsweg zurücklegen zu müssen; demgegenüber ist jedoch die unternehmerische Entscheidung zu berücksichtigen, die Aufgaben der Klägerin am Standort zu konzentrieren und nicht neue Arbeitsplätze an Außenstellen einrichten zu müssen. Ein Berufen auf den Gleichbehandlungsgrundsatz mit den noch am Außenstandort beschäftigten Mitarbeiterinnen scheitert daran, dass deren Arbeitsplatz schon immer gelegen ist und das Bestandsschutzargument der Beklagten einen Sachgrund für die Ungleichbehandlung darstellt.
2. Die Kosten des Rechtsstreites sind gem. den §§ 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO der unterlegenen Klägerin aufzuerlegen.Die Streitwertfestsetzung beruht auf den §§ 61 Abs. 1, 46 Abs. 2 Satz 1 ArbGG, 3 ff. ZPO. In Ansatz gebracht wurde ein geschätztes Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.000,00 €.


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