Arbeitsrecht

Abmahnung eines Taxiunternehmers

Aktenzeichen  M 23 K 20.3219

Datum:
31.3.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11067
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
PBefG § 25 Abs. 2 S. 1
PBZugV § 1 Abs. 1 S. 2 lit. d

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen. 
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Abmahnung der Beklagten vom 9. März 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Juni 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO-).
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere statthaft. Nach der Rechtsprechung der Kammer ist die erhobene Anfechtungsklage statthaft, da die ausgesprochene Abmahnung als Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG zu qualifizieren ist (vgl. z.B. VG München, U.v. 29.6.2016 – M 23 K 15.1416). Selbst wenn in der Abmahnung kein Verwaltungsakt gesehen würde, wäre die Klage jedenfalls als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig. Der Kläger hätte dann auch ein berechtigtes Interesse an der Klärung, ob die ausgesprochene Abmahnung zu Recht erfolgte, da sie die Vorstufe zum Widerrufsverfahren darstellen und in diesem zu berücksichtigen sein kann (vgl. VG München, a.a.O.).
2. Die Klage ist unbegründet, da die verfahrensgegenständliche Abmahnung rechtmäßig ist. Der Kläger hat einen die Abmahnung rechtfertigenden Verstoß gegen abgabenrechtliche Pflichten i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG begangen. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich, insbesondere verstößt die Abmahnung nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.
2.1 Eine ausdrückliche Rechtsgrundlage für die Abmahnung existiert im Personenbeförderungsrecht nicht. Allerdings sieht die Widerrufsvorschrift des § 25 PBefG in Bezug auf die persönliche Zuverlässigkeit des Unternehmers die vorherige Abmahnung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG vor.
Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG ist die erforderliche Zuverlässigkeit des Unternehmers insbesondere nicht mehr gegeben, wenn in seinem Verkehrsunternehmen trotz schriftlicher Mahnung die der Verkehrssicherheit dienenden Vorschriften nicht befolgt werden oder den Verpflichtungen zuwidergehandelt wird, die dem Unternehmer nach diesem Gesetz oder nach den auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften obliegen. Der Regelung ist einerseits zu entnehmen, dass ein einmaliger Verstoß gegen die genannten Vorschriften für einen Widerruf der Genehmigung im Regelfall nicht ausreicht, andererseits, dass der Widerruf wegen Unzuverlässigkeit des Unternehmers zumindest regelmäßig eine Abmahnung voraussetzt. Da der Widerruf gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 PBefG mit zwingender Rechtsfolge ausgestaltet ist und eine einschneidende Maßnahme darstellt, ist zudem der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besonders zu berücksichtigen. Aus dieser Systematik ist zu folgern, dass Grundlage eines Widerrufs wegen Unzuverlässigkeit nicht lediglich eine hinweisende Ermahnung des Inhalts sein kann, mögliche künftige Verstöße zu unterlassen, sondern dass bereits der Abmahnung ein tatsächlich stattgefundener Verstoß im Sinne von § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG zugrunde liegen muss (vgl. VG München, U.v. 29.6.2016 – M 23 K 15.1416).
Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der PBZugV gelten der Unternehmer und die zur Führung der Geschäfte bestellten Personen als zuverlässig im Sinne des § 13 Abs. 1 Nr. 2 des Personenbeförderungsgesetzes, wenn keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass bei der Führung des Unternehmens die für den Straßenpersonenverkehr geltenden Vorschriften missachtet oder die Allgemeinheit bei dem Betrieb des Unternehmens geschädigt oder gefährdet werden. Anhaltspunkte für die Unzuverlässigkeit des Unternehmers oder der für die Führung der Geschäfte bestellten Person sind nach § 1 Satz 2 PBZugV insbesondere rechtskräftige Verurteilungen wegen schwerer Verstöße gegen strafrechtliche Vorschriften (Nr. 1) und u.a. schwere Verstöße gegen die abgabenrechtlichen Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben (Nr. 2 lit d).
Bei der zitierten Bestimmung des PBZugV handelt es sich um eine auf Grund des Personenbeförderungsgesetzes erlassene Rechtsvorschrift. Sie kann also grundsätzlich Anknüpfungspunkt für einen Widerruf – und eine Abmahnung – nach § 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG sein. Aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der Vorschriften ist zu entnehmen, dass die Verstöße gegen die in § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 PBZUgV aufgeführten Vorschriften und Pflichten allerdings nicht „schwer“ wiegen müssen, um eine Abmahnung grundsätzlich zu rechtfertigen, sondern dass im Rahmen einer Abmahnung ein einfacher Verstoß ausreicht. Denn die Abmahnung ist zwar regelmäßig Voraussetzung eines Widerrufs der personenbeförderungsrechtlichen Genehmigung wegen Unzuverlässigkeit (§ 25 Abs. 1 Satz 2 PBefG), setzt aber ihrerseits keinen Sachverhalt voraus, der für sich genommen schon den Schluss auf die Unzuverlässigkeit trägt (BayVGH, B.v.26.3.2021- 11 ZB 20 2076, RdNr. 19, zit. n.juris). Ferner kann sich die Annahme der Unzuverlässigkeit nicht nur aus schweren Verstößen im Sinne der nicht abschließenden Regelung des § 1 Abs. 1 Satz 2 PBZugV, sondern auch aus einer Häufung von im Einzelnen nicht so schwerwiegenden Verstößen ergeben (vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2020 – 11 ZB 20.642 – juris Rn. 24 m.w.N.).
2.2 Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben, sind vorliegend gegeben. Der Kläger hat durch das fehlerbehaftete Führen von Schichtzetteln Verstöße gegen die ihn als Inhaber eines Taxiunternehmens treffenden Buchführungspflichten aus §§ 146, 147 AO begangen. Dies ist bei der Prüfung der Zuverlässigkeit nach Personenbeförderungsrecht und nicht nur bei der Prüfung durch das Finanzamt von Relevanz (OVG Hamburg, B.v. 24.6.2009 – 3 BS 57/09 – juris; offengelassen von OVG Bremen, B.v. 22.3.2018 – 1 B 26/18 -, juris). Der Kläger hat in einer Reihe von Fällen die Einnahmen mehrerer Tage auf einem Schichtzettel zusammengefasst und auf den Schichtzettel keine Angaben zu Tachometerstand bei Beginn und Ende der Schicht und zu Beginn und Ende der Schicht gemacht. Auch im vom Kläger geführten Kassenbuch fehlen diese Angaben. Die Verstöße sind als solche unstreitig, der Kläger hat sie eingeräumt.
Die vom Kläger begangenen Verstöße gegen die Buchführungspflichten aus §§ 146,147 AO sind begrifflich Verstöße gegen abgabenrechtliche Pflichten, die sich aus unternehmerischer Tätigkeit ergeben i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 lit. d PBZUgV. Sie mögen zwar als „Ordnungsvorschriften“ nicht straf- oder bußgeldbewehrt und im Vergleich mit anderen steuerrechtlichen Pflichten wie der Steuerzahlungspflicht und der Steuererklärungspflicht von geringerer Bedeutung sein (dazu OVG Hamburg, B.v. 24.6.2009, a.a.O. Rn. 47). Nichtsdestoweniger sind sie als Grundlage einer ordnungsgemäßen Ausübung des Taxigewerbes auch in abgabenrechtlicher Hinsicht zu beachten. Ihre Verletzung kann – wovon das Gericht im Falle des Klägers ausdrücklich nicht ausgeht – die Gefahr von nicht mehr nachvollziehbaren Geschäftsvorgängen in sich bergen und damit auch Grundlage von unlauteren Geschäftspraktiken sein.
2.3 Die Abmahnung erscheint auch ermessensgerecht, insbesondere bestehen keine Anhaltspunkte gegen deren Verhältnismäßigkeit. Die Einhaltung der Einzelaufzeichnungspflicht des Unternehmers ist von einem zuverlässigen Unternehmer zu erwarten. Der Kläger hat während der Prüfung angegeben, ihm sei bewusst gewesen, dass die gerügte Art der Aufzeichnung nicht zulässig sei. Er hat vorsätzlich pflichtwidrig gehandelt. Eine abstrakte Wiederholungsgefahr, der durch eine förmliche Abmahnung begegnet werden soll, war demnach gegeben. Dementsprechend war es vorliegend sachgerecht und angemessen, den Kläger für das pflichtwidrige Verhalten abzumahnen und ihn auf eventuelle Folgen von weiteren Verstößen hinzuweisen. Anders als im Falle des Widerrufs ist hiermit noch kein weitreichender Eingriff in die Berufsausübung der Klägerin verbunden. Die Abmahnung dient lediglich dem Hinweis des Unternehmers darauf, dass weitere Verstöße Konsequenzen für seine personenbeförderungsrechtliche Genehmigung haben können. Verhält sich der Kläger rechtstreu, zeitigt sie keinerlei weitere rechtliche oder tatsächliche Konsequenzen. Es ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass die Beklagte die Hinweise der Prüfer im Rahmen der Betriebsprüfung nicht als ausreichend angesehen hat, dem Kläger mögliche Konsequenzen seines Handelns vor Augen zu führen, sondern das Mittel einer förmlichen Abmahnung gewählt hat. Insoweit hat sie in Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass lediglich Bagatellverstöße von geringstem Schweregrad, wie sie hier nicht gegeben seien, lediglich eine Ermahnung zeitigen würden.
Der Hinweis des Klägers auf seinen Gesundheitszustand macht sein Fehlverhalten zwar entschuldbar, rechtfertigt es jedoch nicht, da auch von einem gesundheitlich angeschlagenen Taxiunternehmer rechtmäßiges Verhalten erwartet werden muss. Die Tatsache, dass der Kläger bei einer steuerlichen Betriebsprüfung im August 2020 unbeanstandet blieb, ist ohne Belang schon deshalb, weil sich der dortige Prüfungszeitraum auf die Jahre 2016 bis 2018 erstreckte, die hier relevanten Pflichtverletzungen aber in das Jahr 2019 fallen. Auch die Tatsache, dass der Kläger bereits über einen sehr langen Zeitraum unbeanstandet fährt, macht die Abmahnung nicht rechtswidrig. In der Abwägung zwischen dem vorsätzlichen Rechtsverstoß und dem geringen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit ist die gebührenpflichtige Abmahnung im Ergebnis verhältnismäßig und gerechtfertigt.
3. Bedenken gegen die Nebenentscheidungen von Bescheid und Widerspruchsbescheid sind weder geltend gemacht noch erkennbar.
Die Klage war somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Absatz 2 VwGO i.V. m. § 708 ff. ZPO.


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