Arbeitsrecht

Altersteilzeitvertrag – Blockmodell – TV COVID – TV FlexAZ

Aktenzeichen  1 Ca 210/21

Datum:
11.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Gera 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 10 TV FlexAZ
§ 9 TV COVID
Spruchkörper:
undefined

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf EUR 1.091,35 festgesetzt.
4. Soweit die Berufung nicht bereits kraft Gesetzes zugelassen ist, wird sie hiermit nicht zugelassen.

Tatbestand


Die Parteien streiten über Vergütungsansprüche aus einem Altersteilzeitvertrag.
Die Klägerin ist seit dem …1979 als Sparkassenangestellte bei der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin beschäftigt. Sie ist in der Entgeltgruppe 6, Stufe 6, eingruppiert. Die Parteien haben mit Änderungsvertrag vom 26.09.2016 vereinbart, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin ab dem 01.01.2017 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt wird und die Klägerin Altersteilzeitarbeit in Form des sogenannten „Blockmodells“ mit einer Arbeitsphase vom 01.01.2017 bis 31.12.2020 und mit einer Freistellungsphase vom 01.01.2021 bis 31.12.2024 leistet. Grundlage für die Vereinbarung waren die Dienstvereinbarung über den gleitenden Übergang in die Rente sowie der Tarifvertrag zur flexiblen Arbeitszeit für ältere Beschäftigte (TV FlexAZ) und das Altersteilzeitgesetz (AltTZG). § 2 Abs. 3 des Änderungsvertrages sowie § 6 der Dienstvereinbarung über den gleitenden Übergang in die Rente verweisen auf die Geltung des § 10 TV FlexAZ.
Gemäß § 7 Abs. 2 TV FlexAZ erhalten Beschäftigte, die die Altersteilzeit im Blockmodell absolvieren, während der Arbeitsphase der Altersteilzeit das Tabellenentgelt und alle sonstigen Entgeltbestandteile in Höhe der Hälfte des Entgelts, dass sie jeweils erhalten würden, wenn sie die bisherigen wöchentliche Arbeitszeit weitergearbeitet hätten. Die andere Hälfte des Entgelts fließt in das Wertguthaben. Gemäß § 7 Abs. 3 TV FlexAZ wird das Entgelt nach § 7 Abs. 2 TV FlexAZ um 20% aufgestockt.
Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 TV FlexAZ wird das Wertguthaben in der Freistellungsphase ratierlich ausgezahlt, wobei auch das Wertguthaben gemäß § 7 Abs. 2 Satz 2 TV FlexAZ an den Tariferhöhungen teilnimmt und gemäß § 7 Abs. 3 Satz 4 TV FlexAZ ebenfalls um 20% aufgestockt wird.
Am 01.04.2020 trat der TV COVID in Kraft, der, wegen der durch das Corona-Virus verursachten Pandemie, Reglungen zur Kurzarbeit von unter den TVöD fallenden Beschäftigten enthält.
Auf Grundlage des TV COVID hat die Beklagte am 23.04.2020 mit ihrem Personalrat eine Dienstvereinbarung zur Kurzarbeit abgeschlossen. Mit Schreiben vom 27.04.2020 hat die Beklagte für die Klägerin Kurzarbeit mit 50% angeordnet.
Beschäftigte, die von Kurzarbeit betroffen sind, erhalten gemäß § 5 Abs. 1 TV COVID zusätzlich zum verkürzten Entgelt und dem von der Agentur für Arbeit erwartenden Kurzarbeitergeld in den Entgeltgruppen 1 bis 10 eine Aufstockung auf 95% des Nettomonatsgehalts, das sie in den 3 vollen Kalendermonaten vor Einführung der Kurzarbeit durchschnittlich erhalten haben. So auch die Klägerin.
Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 2 TV COVID ist die Aufstockung zum verkürzten Entgelt kein Regelarbeitsentgelt i.S.v. § 7 Abs. 3 Satz 2 TV FlexAZ.
Infolge der angeordneten Kurzarbeit hat die Klägerin in der Zeit vom 08.05.2020 bis 17.07.2020 statt wöchentlich 40 Stunden nur durchschnittlich 20 Stunden gearbeitet. In dieser Zeit hat sich auch das tarifliche Entgelt der Klägerin um 50% reduziert. Die Klägerin erhielt neben dem gekürzten tariflichen Entgelt, Aufstockungsleistungen nach § 7 Abs. 3 TV FlexAZ in ungeminderter Höhe gemäß § 10 Abs. 4 AltTZG, das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur für Arbeit und die entsprechenden Aufstockungsleistungen zum Kurzarbeitergeld nach dem TV COVID.
Die Beklagte stellte für die Zeit der Kurzarbeit in das tarifliche Wertguthaben nur das gekürzte Entgelt ohne das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur sowie ohne die von der Beklagten gemäß § 5 TV COVID geleisteten Aufstockungszahlungen zum Kurzarbeitergeld ein, sodass ein geringes Wertguthaben aufgebaut wurde.
§ 9 Abs. 3 Satz 1 TV COVID sieht vor, dass für Beschäftigte in der Arbeitsphase des Altersteilzeitblockmodell § 10 TV FlexAZ entsprechend angewendet werden kann. § 10 TV FlexAZ enthält dabei folgende Regelungen:
„§ 10Verlängerung der Arbeitsphase im Blockmodell bei Krankheit
Ist die/der Beschäftigte bei Altersteilzeitarbeit im Blockmodell während der Arbeitsphase über den Zeitraum der Entgeltfortzahlung (§ 22 Abs. 1 Satz 1 TVöD; § 13 Abs. 1 Satz 1 TV-V) hinaus arbeitsunfähig erkrankt, verlängert sich die Arbeitsphase um die Hälfte des den Entgeltfortzahlungszeitraum übersteigenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit; in dem gleichen Umfang verkürzt sich die Freistellungsphase.“
Mit Schreiben vom 10.09.2020 informierte die Beklagte die Klägerin, dass im Zeitraum Mai 2020 bis Juli 2020 204,00 Stunden Kurzarbeit geleistet wurden, welche nach dem Tarifvertrag nachzuarbeiten wären und das für die ausgefallenen Stunden zwar Kurzarbeitergeld gezahlt wurde, dieses jedoch nicht in ihr Wertguthaben einfloss und dies Auswirkungen auf den monatlichen Zahlbetrag während der Freizeitphase habe.
Mit E-Mail vom 30.09.2020 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie keine dieser Stunden nacharbeiten werde.
Das bis dahin aufgebaute Wertguthaben wurde zu Beginn der Freizeitphase zum 01.01.2021 gemäß den Regelungen im TV FlexAZ zeitratierlich durch die Monate der Freizeitphase (vorliegend 48 Monate) geteilt und in der Folge mit einem geminderten Betrag neben den Aufstockungsleistungen zur Auszahlung gebracht.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Nachzahlung von Vergütung in der Freizeitphase eines Altersteilzeitvertrages. Sie ist der Ansicht, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Vergütung für die Passivphase zu verkürzen; schon gar nicht im Umfang des Betrages, der sich aus der Kurzarbeit von 204,00 Stunden ergebe. Es sei fraglich, ob § 10 TV FlexAZ überhaupt entsprechend angewendet werden könne; jedenfalls hätte es einer weiteren Vereinbarung bedurft. Selbst wenn § 10 TV FlexAZ entsprechend Anwendung finde, sei ein fiktiver gesetzlicher Entgeltfortzahlungszeitraum von 6 Wochen seit Beginn der Kurzarbeit (Zeitraum: 08.05.2020 – 22.06.2020) auch entsprechend und für den Umfang der Nacharbeit nicht zu berücksichtigen. Überdies habe die Beklagte in ihrem Schreiben vom 10.09.2020 auf die Nacharbeit der in Folge der Kurzarbeit ausgefallenen 204,00 Stunden verzichtet.
Die Klägerin beantragte zuletzt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin rückständige Vergütung für die Zeit vom 01.01.2021 bis 31.01.2022 i.H.v. 1.091,35 € brutto zzgl. Verzugszinsen aus jeweils 93,95 € brutto seit dem 01.02., 01.03., 10.04., 01.05., 01.06., 01.07., 01.08., 01.09., 01.10., 01.11. und 01.12.2021 sowie 01.01. und 01.02.2022 zu zahlen
Zudem beantragt die Klägerin hilfsweise,
Die Beklagte wird verurteilt, die Altersteilzeitvergütung der Klägerin für die Zeit vom 01.01.2021 – 31.01.2022 unter Berücksichtigung einer gem. § 10 TV FlexAZ anrechenbaren Kurzarbeit für den Zeitraum vom 23.06.-19.07.2020 neu abzurechnen und die sich daraus ergebende Nettovergütung abzüglich der bereits gezahlten Nettoaltersteilzeitvergütung für diesen Zeitraum an die Klägerin auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass § 10 TV FlexAZ angewendet werden könne; ein fiktiver Entgeltfortzahlungszeitraum sei nicht zu berücksichtigen. Zudem habe die Klägerin die Möglichkeit gehabt, die Minderung des Wertguthabens durch die Nacharbeit von ca. 25 Arbeitstagen auszugleichen. Zudem sei die Formulierung im Schreiben vom 10.09.2020 nicht zu verstehen, dass die Beklagte auf die Nacharbeit und eine Kürzungsmöglichkeit verzichtet habe; vielmehr sei der Klägerin die Wahl überlassen worden, die ausgefallenen Stunden nachzuarbeiten und das Wertguthaben zu erhöhen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die Protokolleerklärungen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


I.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
1. Die Klägerin hat für die Zeit vom 01.01.2021 bis 01.02.2022 keinen Anspruch auf rückständige Vergütung in Höhe von EUR 1.091,35 aus dem Arbeitsvertrag vom 01.11.1992 i.V.m. dem Änderungsvertrag vom 26.09.2016 i.V.m. mit der Dienstvereinbarung über den gleitenden Übergang in die Rente i.V.m. TV FlexAZ i.V.m. AltTZG.
Der letztlich zwischen den Parteien unstreitige Sachverhalt, ist zwischen den Parteien lediglich hinsichtlich der unterschiedlichen Rechtsauffassungen streitig. Die Kammer schließt sich hierbei vollumfänglich der Auffassung der Beklagten an.
a) Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis bestimmt sich gemäß § 2 des zwischen den Parteien am 01.11.1992 geschlossenen Arbeitsvertrages nachdem BAT-O und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzen Tarifverträgen. Der BAT-O wurde mit Wirkung vom 01.10.2005 durch den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) ersetzt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der TVöD, die Dienstvereinbarung über den gleitenden Übergang in die Rente, der Tarifvertrag zu flexiblen Arbeitszeitregelungen für ältere Beschäftigte (TV FlexAZ) vom 27.02.2010 in seiner jeweils gültigen Fassung und das Altersteilzeitgesetz vom 23.07.1996 in seiner jeweils geltenden Fassung Anwendung. Dies ergibt sich aus den vom 26.09.2016 zwischen den Parteien geschlossenen Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag vom 01.11.1992 über die Altersteilzeit.
b) Die Beklagte war in Folge der Kurzarbeit berechtigt, dass tarifliche Entgelt der Klägerin zu reduzieren. Dies hatte Auswirkungen auf das Wertguthaben der Klägerin. Gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 a. E. TV FlexAZ fließt die Hälfte des Entgelts in das Wertguthaben. Die Klägerin arbeitete in der Zeit vom 08.05.2020 bis 17.07.2020 in Folge der angeordneten Kurzarbeit im Umfang von lediglich 50%, was konsequenterweise dazu führte, dass für diesen Zeitraum ein geringeres Wertguthaben aufgebaut wurde. Gemäß § 9 Abs. 3 Satz 1 TV COVID ist der Aufstockungsbetrag gemäß § 5 Abs. 1 TV COVID kein Regelarbeitsentgelt im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 2 TV FlexAZ, mit der Folge, dass das von der Bundesagentur für Arbeit während des Zeitraums der Kurzarbeit gezahlte Kurzarbeitergeld und der Aufstockungsbetrag gemäß § 5 Abs. 1 TV COVID nicht – auch nicht anteilig – in das Wertguthaben der Klägerin floss. Anknüpfungspunkt für den Aufbau des Wertguthabens ist das tarifliche Entgelt.
Zum Ausgleich der Entgeltminderung wegen der Kurzarbeit sieht § 9 Abs. 3 Satz 1 TV COVID vor, dass für Beschäftigte in der Arbeitsphase des Altersteilzeitmodells § 10 TV FlexAZ entsprechend angewendet werden kann. Nach dieser Vorschrift verlängert sich für Beschäftigte, die Altersteilzeit im Blockmodell leisten und während der Arbeitsphase um die Hälfte des den Entgeltfortzahlungszeitraum übersteigenden Zeitraums der Arbeitsunfähigkeit; in dem gleichen Umfang verkürzt sich die Freistellungsphase.
Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, über die Verlängerung der Arbeitsphase und die Nacharbeit der durch die Kurzarbeit ausgefallen Arbeitszeit eine Erhöhung des Wertguthabens zu erreichen. Über die in § 10 TV FlexAZ über die Verlängerung der Arbeitsphase geregelte Nacharbeit führt dazu, dass nochmals Entgelt in das Wertguthaben einfließt und folglich der Beschäftigte in der Freizeitphase monatlich auch mehr Geld enthält. In entsprechender Anwendung des § 10 TV FlexAZ verlängert sich die Arbeitsphase und die Hälfte der während der Kurzarbeit entstandenen Ausfalltage. Der Verweis von § 9 Abs. 3 S. 1 TV COVID auf eine entsprechende Anwendung des § 10 TV FlexAZ soll den Parteien ein Instrument in die Hand geben, um eine flexible und auch interessengerechte Möglichkeit zur nachträglichen Erhöhung des Wertguthaben zu finden. Von dieser Möglichkeit profitieren letztlich beide Seite: die Beklagte, die eine Arbeitsleistung erhält, und die Klägerin, die ihr Wertguthaben aufbauen und somit von einem höheren Auszahlungsbetrag in der Freistellungsphase profitieren kann. Bei der Vorschrift des § 9 Abs. 3 Satz 1 TV COVID handelt es sich um eine „Kann-Vorschrift“, welche nicht eine zwingende Anwendung vorschreibt. § 2 Abs. 3 des Änderungsvertrages sowie § 6 der Dienstvereinbarung über den gleitenden Übergang in die Rente verweisen bereits auf die Geltung des § 10 TV FlexAZ. Dass es für die Anwendung der Vorschrift, einer nochmaligen Vereinbarung bedurfte, ist nicht ersichtlich. Wie die Klägerin zurecht verweist, hat der Arbeitgeber bei Einführung und Ausgestaltung der Altersteilzeit einen weiten Entscheidungsspielraum. Dem Einwand einer arbeitgeberseitigen Minderung künftiger Altersteilzeitvergütung durch extensive Ausdehnung von Kurzarbeit und der nicht immer grundsätzlichen Möglichkeit von Nacharbeit, steht entgegen, dass die Auszahlung Kurzarbeitergeld an vorgeschriebene Bedingungen geknüpft sind und im vorliegenden Verfahren eine grundsätzliche Nacharbeit möglich gewesen wäre; jedenfalls ist nichts Gegenteiliges vorgetragen wurden.
Nach wertender Betrachtung in der Gesamtschau erscheint die Regelung für die Klägerin weder nachteilig noch ungerecht. Zum einen, wurde durch die geschaffene Regelung das Risiko in der Folge der Corona-Pandemie, welche die Beklagte nicht zu treten hat, von der Beklagten halbiert. Zum anderen, hat die Klägerin während des Zeitraums der Kurzarbeit schlichtweg weniger gearbeitet, wodurch sie ein geringeres Wertguthaben aufbaute und dementsprechend einen geringerer Betrag in der Freistellungsphase ausgezahlt wird. Zudem hat die Klägerin während des Zeitraums neben dem verkürzten tariflichen Entgelt durch das Kurzarbeitergeld der Bundesagentur und des Aufstockungsbetrags der Beklagten, 95% ihres Nettoentgelts erhalten, obwohl sie während diesen Zeitraums nur 50% der Arbeit leistete.
Die Klägerin wurde auch von der Beklagten ausdrücklich auf den Umstand des geringeren Aufbaus des Wertguthabens in Folge der Kurzarbeit hingewiesen und seitens der Beklagten wurde ihr ausdrücklich die Entscheidung eingeräumt, die ausgefallen Stunden – und somit das Wertguthaben – nachzuarbeiten. Dies lehnte die Klägerin jedoch ohne weitere Begründung – welche nicht erforderlich war – mit einem Satz ab.
c) Die Klägerin kann nicht geltend machen, dass die Rechtsfolgen des § 10 TV FlexAZ erst mit dem Wegfall des fiktiven gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruches Anwendung finden.
Zutreffend weist die Klägerin darauf hin, dass bei der Anwendung des § 10 TV FlexAZ Wortlaut und Sinn zu berücksichtigen sind. § 10 TV FlexAZ regelt Arbeitsunfähigkeitszeiten, die über den Entgeltfortzahlungszeitraum hinausgehen. Jedoch ist im vorliegenden Verfahren bei der Auslegung des § 10 TV FlexAZ weiterhin zu berücksichtigen, dass § 9 Abs. 3 Satz 1 TV vorschreibt, dass § 10 TV FlexAZ „entsprechend angewendet werden kann“. Ebenfalls ist zu berücksichtigen, dass der TV COVID – wie in dessen Präambel erläutert – vereinbart wurde, um den Parteien mit der Kurzarbeit ein flexibles Instrument zur Bekämpfung der durch das Corona-Virus verursachten Pandemie zu geben. Auch ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Kurzarbeit und der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall um verschiedene Gegenstände handelt, die nicht ohne weiteres miteinander verglichen werden können. Die Kurzarbeit dient dazu, den Arbeitsplatz während des Arbeitsausfalls zu erhalten und den Angestellten vor der Arbeitslosigkeit zu bewahren. Die Entgeltfortzahlung dient dazu, dem arbeitsunfähig kranken Arbeitnehmer längstens sechs Wochen den Vergütungsanspruch zu erhalten. Im Gegensatz zum Fall der Arbeitsunfähigkeit erhalten Beschäftigte in den ersten 6 Wochen ihrer Kurzarbeit nur das auf Basis der Kurzarbeit berechnete Entgelt, wohingegen bei Arbeitsunfähigkeit in der Arbeitsphase der Altersteilzeit im Entgeltfortzahlungszeitraum das normale Arbeitsentgelt weitergezahlt wird.
Die entsprechende Anwendung des § 10 TV FlexAZ sieht daher lediglich eine Anwendung der Rechtsfolgen vor, dergestalt, um über die Verlängerung der Arbeitsphase und die Nacharbeit der durch die Kurzarbeit ausgefallenen Arbeitszeit nachzuholen und eine Erhöhung des Wertguthabens zu erreichen. Dass ein – nicht eingetretener – fiktiver Entgeltfortzahlungszeitraum von 6 Wochen bei der Nacharbeit in Abzug zu bringen sei, ist weder ersichtlich noch interessengerecht. Die Klägerin war auch während der Zeit der Kurzarbeit nicht erkrankt; jedenfalls wurde entsprechendes nicht vorgetragen.
d) Auch liegt kein Verzicht der Beklagten auf die Nacharbeit der in Folge der Kurzarbeit ausgefallenen 204,00 Stunden und somit auf ihre Kürzungsmöglichkeit vor. Soweit die Beklagte in ihrem Schreiben vom 10.09.2020 vorträgt, dass
„[d]ie Sparkasse … […] auf die Nacharbeit dieser Stunden [verzichtet].“,
ist die Aussage der Beklagten nicht isoliert, sondern im Gesamtkontext des Schreibens zu verstehen. Dabei ist zum einen der Betreff des Schreibens („Nacharbeit der durch Kurzarbeit ausgefallenen Stunden während der Altersteilzeit“) und auch die übrigen Hinweise und Erläuterungen der Beklagten zu berücksichtigen. Wie die Klägerin selbst hinweist, lautet der übernächste Absatz:
„Wir geben Ihnen daher die Möglichkeit selbst zu entscheiden, ob Sie die ausgefallenen Stunden nacharbeiten möchten.“
Spätestens bei diesem Punkt war der Klägerin klar, dass die Beklagte nicht auf die ausgefallen Stunden und eine Kürzung verzichtet, sondern entschied, die Nacharbeit nicht zwingend einzufordern. Sie hat der Klägerin die Wahl gelassen. Zudem hat die Klägerin die eingeräumte Möglichkeit selbst mit E-Mail vom 30.09.2020 abgelehnt, was bereits dafür spricht, dass die Klägerin den Inhalt des Schreibens erfasst hat.
2. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.
Die Klägerin hat diesen Antrag als echten Hilfsantrag gegenüber dem Klageantrag zu 1. gestellt, der erfolglos blieb, weshalb über diesen zu entscheiden war.
Der Hilfsantrag ist ebenfalls erfolglos. Die Klägerin beantragte, die Beklagte zu verpflichten, die Altersteilzeitvergütung unter Berücksichtigung einer anrechenbaren Kurzarbeit neu abzurechnen und den Differenznettobetrag an die Klägerin auszuzahlen. Wie bereits ausgeführt, war ein fiktiver gesetzlicher Entgeltfortzahlungsanspruch von 6 Wochen – und somit eine anrechenbare Kurzarbeit – nicht zu berücksichtigen, weshalb der Antrag vollständig abzulehnen war. Im Übrigen wird auf die obigen Ausführungen unter Ziffer 1. c) verwiesen.
II.
Gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Klägerin als unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
III.
Der Streitwert war gemäß § 61 Abs. 1 ArbGG i.V.m. §§ 3, 5 ZPO im Urteil festzusetzen. Zugrunde gelegt wurde der Wert der eingeklagten Forderung.
IV.
Die Berufung ist nicht gemäß § 64 Abs. 2 a) ArbGG zuzulassen, da Berufungszulassungsgründe gemäß § 64 Abs. 3 ArbGG nicht ersichtlich sind. Unberührt von dieser Entscheidung ist für die im Rechtsstreit unterlegene Klägerin die Berufung gemäß § 64 Abs. 2 b) und c) ArbGG statthaft.


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