Arbeitsrecht

Anfechtung einer Betriebsratswahl wegen Fehlens eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO

Aktenzeichen  9 TaBV 14/19

Datum:
6.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 44097
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
BetrVG § 1, § 4 Abs. 1 S. 1, § 19
WO § 3 Abs. 2 Nr. 11, § 8 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Abs. 3

 

Leitsatz

Die Wahl ist nicht unwirksam. Der Wahlvorstand hat es zwar unterlassen einen Beschluss nach § 24 Abs. 3 WO in das Wahlausschreiben aufzunehmen (§ 3 Nr. 11 WO), infolge der frühzeitigen und ausreichenden Information der Mitarbiter am entfernten Betriebsteil sowie aufgrund der automatischen Übersendung der Briefwahlunterlagen hat dies das Wahlergebnis nicht beeinflusst. (Rn. 51 – 59)
1. Eine Betriebsratswahl ist nicht wegen des Fehlens eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO und des Unterbleibens einer Veröffentlichung eines derartigen Beschlusses im Wahlausschreiben nach § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO unwirksam, wenn sich die unterbliebene Veröffentlichung des Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO wegen der Übersendung der Briefwahlunterlagen an alle Arbeitnehmer deutlich vor der Wahl weder auf die Wahlbeteiligung noch auf die Motivation der Mitarbeiter bzgl. des Aufstellens eigener Wahlvorschläge ausgewirkt haben kann. (Rn. 51 – 59) (redaktioneller Leitsatz)
2. Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften berechtigen nach § 19 Abs. 1 letzter Halbs. BetrVG nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn sie das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bei einer hypothetischen Betrachtung zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (Anschluss an BAG BeckRS 2013, 70483 Rn. 15 mwN; stRspr). (Rn. 53) (redaktioneller Leitsatz)
3. Auf den Zugang von Wahlvorschlägen beim Wahlvorstand finden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung. Wird der Wahlvorschlag an der Betriebsadresse des Wahlvorstands in dessen Briefkasten oder sonstige Zugangsvorrichtung eingeworfen, geht er nicht ohne weiteres im Zeitpunkt des Einwurfs zu, sondern erst dann, wenn unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse für den Wahlvorstand die Möglichkeit besteht, von dem Wahlvorschlag Kenntnis zu nehmen (Anschluss an BGH BeckRS 2018, 9726 Rn. 25). (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

24 BV 24/18 2019-01-10 Bes ARBGMUENCHEN ArbG München

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2. und zu 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.01.2019, Az. 24 BV 24/18 abgeändert.
Der Antrag des Antragstellers wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer am 06.09.2018 durchgeführten Betriebsratswahl.
Die zu 3) beteiligte Arbeitgeberin erbringt IT-Dienstleistungen und hat ihren Sitz in CStadt. Sie beschäftigt dort 207 Arbeitnehmer. Die Beteiligte zu 3) unterhält darüber hinaus ein Büro in Y, für das elf Arbeitnehmer tätig sind. Der Empfang der Beteiligten zu 3) in CStadt ist von 8.00 bis 16.30 Uhr besetzt. Die Erreichbarkeit für Kunden ist in der Zeit von 7.00 bis 19.00 Uhr gewährleistet. Nach 19.00 Uhr befindet sich üblicherweise kein Arbeitnehmer mehr im Betrieb in C-Stadt.
Die antragstellende Beteiligte zu 1) ist eine im Betrieb der zu 3) beteiligten Arbeitgeberin vertretene Gewerkschaft.
Der Beteiligte zu 2) ist der am 06.09.2018 gewählte neunköpfige Betriebsrat.
Am 04.07.2018 hatte der Wahlvorstand ein Wahlausschreiben (Bl. 7 ff d. A.) erlassen. Dieses lautet auszugsweise wie folgt:
„Im Betrieb in C-Stadt bei der E. ist der Betriebsrat zu wählen. Der für die Durchführung der Betriebsratswahl bestellte Wahlvorstand erlässt hierzu gemäß § 3 der Wahlordnung (WO) das folgende Wahlausschreiben.
1. Mit diesem Wahlausschreiben und den dazugehörigen Wählerlisten sowie der WO zum Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) ist die Betriebsratswahl eingeleitet. Die Wählerlisten und die Wahlordnung hängen für jedermann zugänglich
– vor den Automaten bei der Sitzgruppe im Untergeschoss in C-Stadt sowie – im Flur der Büroräume in Y zur Einsichtnahme aus.
(…)
11. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/-innen des Betriebs sind hiermit aufgefordert, dem Wahlvorstand innerhalb von zwei Wochen seit Erlass des Wahlausschreibens, also bis zum 18.07.2018, Wahlvorschläge in der Form von Vorschlagslisten einzureichen. Es wird gebeten, bei der Aufstellung der Wahlvorschläge die einzelnen Betriebsabteilungen, die unselbständigen Nebenbetriebe und Betriebsteile, die verschiedenen Beschäftigungsarten und Geschlechter in angemessener Weise zu berücksichtigen (§ 15 Abs. 1 BetrVG). Bei den Vorschlagslisten sind folgende Formvorschriften zu beachten:
(…)
13. Die Stimmabgabe (Wahltag) erfolgt am 06.09.2018 im Raum Campus der E. in C-Stadt in der Zeit von 09:00 bis 15:00 Uhr in geheimer, direkter Wahl. Die Stimmabgabe ist an die bekannt gemachten gültigen Wahlvorschläge gebunden.
(…)
18. Zur schriftlichen Stimmabgabe (Briefwahl) sind berechtigt:
a) Wahlberechtigte Arbeitnehmer/-innen, die nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses am Tag der Wahl nicht im Betrieb anwesend sind (§ 24 Abs. 2 WO);
b) Wahlberechtigte Arbeitnehmer/-innen, die aus anderen Gründen wie z.B. Krankheit oder Urlaub verhindert sind, ihre Stimme im betrieblichen Wahlraum abzugeben (§ 24 Abs. 1 WO);
c) Wahlberechtigte Arbeitnehmer/-innen von unselbständigen Nebenbetrieben und Betriebsteilen, die nach Beschluss des Wahlvorstands zum Wahlbereich gehören, aber wegen der räumlichen Entfernung zur Briefwahl zugelassen sind (§ 24 Abs. 3 WO).
d) Dem wahlberechtigten Arbeitnehmer/Arbeitnehmerinnen zu a) und c) werden die erforderlichen Briefwahlunterlagen mit einem Merkblatt als Anleitung ohne Aufforderung übersandt. Die wahlberechtigten Arbeitnehmer/-innen zu b) haben die schriftliche Stimmabgabe unter Angabe des Grundes ihrer Abwesenheit beim Wahlvorstand zu beantragen. Sie erhalten danach die Unterlagen zugesandt, wenn der Abwesenheitsgrund anerkannt wird.
19. Alle Anfragen, Eingaben, Wahlvorschläge und Einsprüche gegen die Wählerliste sowie sonstige Erklärungen gegenüber dem Wahlvorstand sind an die Betriebsadresse des Wahlvorstands zu richten. Sie lautet:
An den Wahlvorstand
E.
X-Straße
C-Stadt“
Das Wahlausschreiben wurde auch am Standort Y ausgehängt. Darüber hinaus erhielten alle Arbeitnehmer am Standort Y eine E-Mail, in der auf das Wahlausschreiben hingewiesen wurde und die einen Link zum Wahlausschreiben enthielt.
Mit Schreiben vom 19.07.2018 (Bl. 13 d. A.) bestätigte der Wahlvorstand dem Listenvertreter der Vorschlagsliste mit dem Kennwort „Für dich & E.“ die Einreichung der Vorschlagsliste zum 19.07.2018. Mit einem weiteren Schreiben vom 19.07.2018 (Bl. 14 d. A.) teilte der Wahlvorstand diesem mit, dass die eingereichte Liste ungültig sei, da der Wahlvorstand unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse erst am 19.07.2018 die Möglichkeit gehabt habe, von dieser Kenntnis zu nehmen.
Die Betriebsratswahl wurde am 06.09.2018 durchgeführt. Den Arbeitnehmern aus Y waren im August vom Wahlvorstand unaufgefordert Briefwahlunterlagen übersandt worden. Das Wahlergebnis wurde am 12.09.2018 bekannt gegeben.
Die Beteiligte zu 1) hat vorgetragen, die Betriebsratswahl vom 06.09.2018 sei unwirksam. Die Vorschlagsliste mit dem Kennwort „Für dich & E.“ sei zu Unrecht nicht zugelassen worden. Am 18.07.2018 hätten der erste und der zweite Wahlbewerber auf der Vorschlagsliste gegen 21.00 Uhr die Liste mit dem Kennwort „Für dich & E.“ beim Wahlvorstand einreichen wollen. Nachdem sie vom Wahlvorstand niemanden angetroffen hätten, hätten sie diese gegen 22.00 Uhr in den Briefkasten der im Wahlausschreiben genannten Adresse eingeworfen. Die Frist für die Einreichung der Vorschlagsliste habe am 18.07.2018 um 24.00 Uhr geendet. Durch den Einwurf in den Briefkasten unter der im Wahlausschreiben genannten Adresse sei die streitgegenständliche Vorschlagsliste in den Zugriffsbereich des Wahlvorstandes gelangt.
Ungeachtet dessen habe der Wahlvorstand für einen Zugang der Vorschlagslisten bis zum Ablauf der Frist am 18.07.2018 um 24.00 Uhr Sorge tragen müssen. Zumal dem Wahlvorstand bekannt gewesen sei, dass der Listenvertreter der streitgegenständlichen Vorschlagsliste beabsichtigt habe, einen Wahlvorschlag einzureichen. Vom Wahlvorstand hätte zur Sicherstellung seiner Erreichbarkeit ein besonderer Briefkasten installiert werden können bzw. zumindest die Angabe einer Faxnummer erfolgen müssen. Ferner habe der Wahlvorstand eine Leerung des im Wahlausschreiben genannten Briefkastens um
24.00 Uhr bzw. die Zuordnung der jeweiligen Zugangsdaten sicherstellen müssen. Dies gelte nur dann nicht, wenn der Wahlvorstand im Wahlausschreiben bestimmte Dienststunden angegebenen habe und diese nicht vor dem Dienstende des überwiegenden Teils der Arbeitnehmer liege.
Darüber hinaus habe der Wahlvorstand für ein schnelles Zusammenkommen aller Mitglieder des Wahlvorstandes Sorge tragen müssen, um eingehende Erklärungen zu prüfen.
Die E-Mail vom 18.07.2018 (Bl. 96 d. A.) genüge hierfür nicht.
Des Weiteren sei die Wahl unter Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt. Für die Arbeitnehmer in Y. habe gem. § 4 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG eine eigenständige Wahl durchgeführt werden müssen. In Y gebe es einen Projektkoordinator, der den Personaleinsatz des Projekts „Digitale Fabrik“ steuere. Insbesondere weise dieser die in dem genannten Projekt tätigen vier Mitarbeiter bei entsprechendem Mehrbedarf des Kunden an, über die Kernarbeitszeit hinaus zu arbeiten. Auch die Personalbedarfs- und Einsatzplanung erfolge durch ihn.
Darüber hinaus sei die Betriebsadresse des Wahlvorstands im Wahlausschreiben unzureichend angegeben. Es fehle eine nähere Bezeichnung der Gebäude- und/oder Raumnummer. Den Wahlberechtigten sei nicht hinlänglich bekannt gewesen, wann und wo sie den Wahlvorstandsvorsitzenden bzw. seine Mitglieder hätten antreffen können. Durch die pauschale Angabe der Betriebsadresse des Wahlvorstands sei die Möglichkeit der Abgabe von Willenserklärungen unter Anwesenden erschwert, wenn nicht sogar unterbunden worden. Hierdurch sei den Arbeitnehmern suggeriert worden, dass Erklärungen nur über die Nutzung der internen (Hauspost) oder über die externen Möglichkeiten der Zustellung hätten erfolgen können. Die Beteiligte zu 1) hat beantragt,
Die Betriebsratswahl vom 06.09.2018 wird für unwirksam erklärt.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben beantragt,
den Antrag abzuweisen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben vorgetragen, die Betriebsratswahl vom 06.09.2018 sei wirksam.
Die Vorschlagsliste mit dem Kennwort „Für dich & E.“ sei dem Wahlvorstand erst am 19.07.2018 und damit verspätet zugegangen.
Es werde mit Nichtwissen bestritten, dass am 18.07.2018 gegen 21.00 Uhr versucht worden sei, beim Wahlvorstand persönlich eine Vorschlagsliste einzureichen und diese sodann um 22.00 Uhr in den Briefkasten geworfen worden sei. Es werde bestritten, dass dem Wahlvorstand bekannt gewesen sei, dass der Listenvertreter der streitgegenständlichen Liste eine Vorschlagsliste habe einreichen wollen. Im Übrigen könne der Umstand, dass eine Vorschlagsliste nicht eingereicht werde, auf vielen Ursachen beruhen.
Der Wahlvorstand sei am 18.07.2018 nicht verpflichtet gewesen, bis 24.00 Uhr im Betrieb anwesend zu sein, um Wahlvorschläge entgegen zu nehmen. Auf den Zugang von Wahlvorschlägen fänden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung. Dabei handle es sich auch nicht um eine unzulässige Fristverkürzung. Der Wahlvorstand müsse keine Freizeitopfer bringen, um nach dem Ende der betriebsüblichen Arbeitszeit etwaigen Posteingang zu kontrollieren.
Das Vorhalten eines zusätzlichen Briefkastens direkt vor dem Büro des Wahlvorstandes oder gar eines Fax-Geräts könne nicht als erforderlich angesehen werden. Denn zum einen sei das Wahlbüro des Wahlvorstandes innerhalb der Geschäftsöffnungszeiten jederzeit zugänglich und erreichbar gewesen und zum anderen hätte eine Vorschlagsliste auch, wie es letztlich geschehen sei, in den Hausbriefkasten der Beteiligten zu 3) eingeworfen werden können.
Bei dem Standort in Y handle es sich um einen unselbständigen Teil des Hauptbetriebes in C-Stadt. Es fehle vorliegend an einer relativen Selbständigkeit, da alle mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten in der Zentrale entschieden würden. Auch sei eine Person mit Leitungsmacht in Y nicht beschäftigt. Jegliche Verwaltung erfolge von C-Stadt aus. Es gebe keinen Projektkoordinator mehr für das Projekt „Digitale Fabrik“. Der ehemalige Projektkoordinator des genannten Projekts arbeite seit April 2017 eigenständig in einem gesonderten Projekt. Im Übrigen habe es auch davor weitere Arbeitnehmer am Standort Y gegeben, die nicht an dem Projekt beteiligt gewesen seien, so dass von einer Übernahme einer angeblichen Arbeitgeberfunktion für den gesamten Arbeitnehmerkreis keine Rede sein könne.
Die Briefadresse des Wahlvorstands sei ausreichend angegeben gewesen.
Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Grund für die Unwirksamkeit der Wahl liege nicht in dem Umstand, dass die Liste „Für dich & E.“ nicht zur Betriebsratswahl zugelassen worden sei. Die Liste sei nicht rechtzeitig am 18.07.2018 zugegangen. Auf den Zugang von Wahlvorschlägen finden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung. Bei Einwurf eines Wahlvorschlags in den Briefkasten des Wahlvorstands gehe dieser erst dann zu, wenn unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse für den Wahlvorstand die Möglichkeit bestehe, vom Wahlvorschlag Kenntnis zu nehmen. Nach diesen Grundsätzen habe die Einreichung um 21.00 bzw. 22.00 Uhr am 18.07.2018 keinen Zugang des Wahlvorschlags am 18.07.2018 bewirkt. Der Wahlvorstand sei auch nicht gehalten gewesen, Vorkehrungen zu treffen, um einen Zugang von Wahlvorschlägen bis um 24.00 Uhr am 18.07.2018 zu gewährleisten.
Die Betriebsratswahl sei auch nicht für unwirksam zu erklären wegen der Verkennung des Betriebsbegriffes. Das Büro in Y verfüge nicht über das erforderliche Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Der vom Antragsteller herangezogene Projektkoordinator sei gegebenenfalls nur für vier von elf Arbeitnehmern am Standort Y zuständig.
Die Betriebsadresse des Wahlvorstandes gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 12 WO sei noch ausreichend im Wahlausschreiben angegeben. Zwar sei vorliegend als Briefanschrift des Wahlvorstands lediglich die Betriebsadresse genannt worden. Eine Raumnummer oder ähnliches sei nicht angegeben gewesen. Der Wahlvorstand habe aufgrund der bekanntgegebenen Namen des Wahlvorstands bzw. seiner Mitglieder unschwer erreicht werden können. Auch wenn es bei der Beteiligten zu 3) nur offene Büroräume gebe und insbesondere keine Zimmernummern vorhanden seien, hätte durch Nachfrage am Empfang der Aufenthaltsort der Wahlvorstandsmitglieder leicht ermittelt werden können; zumal ein Mitglied des Wahlvorstands am Empfang tätig gewesen sei.
Zur Unwirksamkeit der Betriebsratswahl führe jedoch das Fehlen eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO und eine entsprechende Veröffentlichung im Wahlausschreiben gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO. Der Wahlvorstand habe sich offensichtlich für eine schriftliche Stimmabgabe der Arbeitnehmer in Y. und gegen die Einrichtung eines Wahlraums in Y entschieden. Es wäre daher gemäß § 24 Abs. 3 S. 1 WO ein Beschluss des Wahlvorstands zur schriftlichen Stimmabgabe erforderlich gewesen. Dieser hätte gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO im Wahlausschreiben bekanntgegeben werden müssen. Das dies unterblieben sei, führe zur Anfechtbarkeit und damit zur Unwirksamkeit der Wahl. Die Arbeitnehmer in Y hätten in der Zeit vom 05.07.2018 bis 18.07.2018 nicht zwangsläufig davon ausgehen können, dass sie sich am Wahlgeschehen aktiv mit der Abgabe ihrer Stimme beteiligen können. Für sie sei aus dem Wahlausschreiben nicht ersichtlich gewesen, dass für den Standort Y vom Wahlvorstand Briefwahl vorgesehen sei. Sie hätten davon ausgehen müssen, dass sie gemäß Ziffer 13. des Wahlausschreibens ihre Stimme in C-Stadt abgeben müssen. Ziffer 18. Buchstabe a) und b) sei für sie nicht einschlägig gewesen und ein Beschluss hinsichtlich einer schriftlichen Stimmabgabe gemäß Buchstabe c) sei im Wahlausschreiben nicht enthalten gewesen. Damit könne nicht ausgeschlossen werden, dass Arbeitnehmer aus Y möglicherweise keine Vorschlagsliste (n) eingereicht haben, weil sie nicht davon ausgehen konnten, am Wahltag selbst ihre Stimme abgeben zu können. Dies habe möglicherweise zu einem anderen Wahlergebnis geführt.
Hinsichtlich der Begründung im Einzelnen wird auf die Seiten 9 – 21 (Bl. 197 – 210 d.A.) des erstinstanzlichen Beschlusses verwiesen.
Gegen diesen Beschluss der dem Beteiligten zu 2) am 16.01.2019 und der Beteiligten zu 3) am 17.01.2019 zugestellt wurde, legten diese am 15.02.2019 Beschwerde ein. Die Beschwerde wurde vom Beteiligten zu 2) am 16.04.2019 und von der Beteiligten zu 3) am 08.04.2019 begründet. Der Betriebsrat führt aus, dem Beschluss des Arbeitsgerichts sei vollumfänglich zu folgen, soweit er ausführt, dass die Betriebsratswahl weder wegen der Nichtzulassung der Vorschlagsliste „Für dich & E.“ noch wegen einer Verkennung des Betriebsbegriffs unwirksam sei. Die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl könne auch nicht auf einen fehlenden Beschluss nach § 24 Abs. 3 WO und dem fehlenden Hinweis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO gestützt werden. Der Wahlvorstand habe zumindest konkludent über die schriftliche Stimmabgabe der Arbeitnehmer in Y beschlossen. Dies lasse sich daraus entnehmen, dass den Arbeitnehmern in Y unstreitig die schriftlichen Wahlunterlagen übersandt worden seien. Aus Ziffer 18. des Wahlausschreibens sei auch zu entnehmen gewesen, wer zu schriftlichen Stimmabgabe berechtigt sei. Dem Wahlausschreiben sei unter Nummer 11. auch für die Arbeitnehmer in Y zu entnehmen gewesen, dass sie Wahlvorschläge in Form von Vorschlagslisten einreichen können.
Entscheidend sei, dass unter Berücksichtigung der Angaben unter Ziffer 18. für die betroffenen Arbeitnehmer in Y objektiv zu erkennen gewesen sei, dass sie an der Betriebsratswahl mittels Briefwahl teilnehmen können. Und dass sie als wahlberechtigte Arbeitnehmer Wahlvorschläge einreichen können. Gerade auch die tatsächliche Beteiligung der Arbeitnehmer aus Y an der Betriebsratswahl und das Leisten von Stützunterschriften durch diese Arbeitnehmer spreche gegen die Auffassung des Arbeitsgerichts. Zudem hätte das Arbeitsgericht aufgrund des von ihm umfassend ausgelegten Amtsermittlungsgrundsatzes die tatsächlichen Auswirkungen durch Anhörung der lediglich elf betroffenen Arbeitnehmer aus Y aufklären können und müssen. Das Arbeitsgericht habe die Reichweite des Amtsermittlungsgrundsatzes verkannt. Der Amtsermittlungsgrundsatz gehe nicht so weit, dass vom Arbeitsgericht auch solche Anfechtungsgründe berücksichtigt werden dürfen, die von den Beteiligten nicht zum Gegenstand des Verfahrens gemacht worden sind.
Auch der Betriebsrat rügt eine Verkennung des Umfangs des Amtsermittlungsgrundsatzes durch das Arbeitsgericht. Der Wahlvorstand sei von Anfang an von einem Fall des § 24 Abs. 3 WO ausgegangen. Der Wahlvorstand habe es lediglich versäumt, den faktisch gefassten Beschluss im Sitzungsprotokoll niederzulegen und im Wahlausschreiben aufzunehmen.
Die Arbeitnehmer in Y seien durch das Wahlausschreiben über die grundsätzliche Möglichkeit der schriftlichen Stimmabgabe informiert gewesen. Sie hätten stets davon ausgehen können, über die schriftliche Stimmabgabe an der Wahl teilnehmen zu können. Es erschließe sich nicht, weshalb das Wahlausschreiben den Eindruck erwecke, die Arbeitnehmer am Standort Y könnten nicht im Zeitraum zur Einreichung von Wahlvorschlägen die Wahl aktiv mitgestalten. Die Arbeitnehmer seien auf der Wählerliste verzeichnet gewesen. Das Wahlausschreiben sei aufgrund des Beschlusses des Wahlvorstandes einschließlich Wählerlisten und Wahlordnung per E-Mail nach Y sowohl an die dortigen Arbeitnehmer als auch zum Aushang im dortigen Büro gesandt worden. Zudem hätten zwei in Y tätige Arbeitnehmer auf zwei Vorschlagslisten kandidiert. Von den elf in Y tätigen Arbeitnehmern hätten neun durch Briefwahl an der Wahl teilgenommen.
Die Beteiligten zu 2) und 3) beantragen,
Der Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 10.01.2019, Az. 24 BV 24/18 wird geändert.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin beantragt,
die Rechtsbeschwerden der Beteiligten zu 2) und 3) zurückzuweisen.
Die Antragstellerin verteidigt den Beschluss des Arbeitsgerichts, soweit er die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl wegen des Fehlens eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO festgestellt hat. Sie beruft sich weiter darauf, dass die Zurückweisung der Liste „Für dich & E.“ in unzulässiger Weise die Rechte der Antragstellerin beschnitten habe. Sofern der Wahlvorstand Abstand davon nehme, ein Dienstzeitenende zu bestimmen, habe er dafür Sorge zu tragen, dass ihm die Vorschlagslisten bis zum Ablauf der Frist am 18.07.2019 um 24.00 Uhr zugehen könnten. Dies umso mehr als hier noch mit der Einreichung einer Vorschlagsliste zu rechnen gewesen sei.
Der Betriebsrat sei auch unter offensichtlicher Verkennung des Betriebsbegriffes gewählt worden. Am Standort Y. hätte eine eigenständige Wahl durchgeführt werden müssen.
Das Arbeitsgericht habe den Amtsermittlungsgrundsatz nicht verkannt. Im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren sei das Gericht „Herr der Sachverhaltsaufklärung“ und für diese verantwortlich. Der Antragsteller müsse nur so viele Tatsachen vortragen, dass das Gericht einen Ausgangspunkt für das von Amts wegen weiter durchzuführende Verfahren habe. § 83 Abs. 2 ArbGG bestimme zudem ausdrücklich, dass zur Aufklärung des Sachverhaltes Urkunden eingesehen werden könnten. Der Sach- und Rechtsvortrag der Beteiligten zu 2) und 3) könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass von einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung des Wahlvorstandes nach § 24 Abs. 3 WO nicht auszugehen sei. Die Antragstellerin erkläre sich mit Nichtwissen bezüglich ordnungsgemäßer Ladung zu den Sitzungen des Wahlvorstandes sowie zu einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung nach § 24 Abs. 3 WO. Schließlich sei unstreitig, dass eine Veröffentlichung eines Beschlusses gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 11 WO unterblieben sei.
Durch die Ausführungen unter Ziffer 18. des Wahlausschreibens würde das vom Arbeitsgericht aufgeworfene Problem nicht gelöst. Denn das Bindeglied, die Bekanntmachung der Beschlussfassung über die Briefwahl für die Arbeitnehmer in Y fehle dem Wahlausschreiben. Es sei so geeignet gewesen, Missverständnisse bei den Wahlberechtigten hervorzurufen. Unstreitig hätten nicht sämtlichen Wahlberechtigten von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht, so dass es jedenfalls im Bereich des Möglichen liege und nicht gänzlich unwahrscheinlich erscheine, dass ohne den Verstoß das Wahlergebnis anders aussehen würde. Auch die Argumentation des Arbeitsgerichts bezüglich der Möglichkeit einer Unterlassung der Einreichung von Vorschlagslisten zur Wahl sei folgerichtig.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten im Beschwerdeverfahren wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze vom 08.04.2019 (Bl. 272 – 278 d.A.), 16.04.2019 (Bl. 279 – 292 d.A.) und vom 12.06.2019 (Bl. 314 – 324 d.A.) samt ihren Anlagen verwiesen.
II.
1. Gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestehen keine Bedenken. Sie ist nach § 87, 64 Abs. 2, ArbGG statthaft sowie frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 89 Abs. 2, 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 ZPO).
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Die Betriebsratswahl ist nicht unwirksam. Die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl folgt, wie das Arbeitsgericht sorgfältig und zutreffend ausgeführt hat, weder aus der unberechtigten Zurückweisung eines Wahlvorschlags noch aus der Verkennung des Betriebsbegriffs. Die Wahl ist auch wegen einer Verletzung der §§ 23 Abs. 3, 3 Nr. 11 WO nicht anfechtbar, da durch diesen Verstoß das Wahlergebnis nicht beeinflusst werden konnte.
2.1. Die Betriebsratswahl ist nicht unwirksam wegen einer unberechtigten Zurückweisung des Wahlvorschlags „Für dich & E.“. Der Wahlvorschlag war nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 WO verfristet, da er dem Wahlvorstand nicht rechtzeitig am 18.07.2018 zugegangen ist.
Die Frist für die Einreichung von Wahlvorschlägen endete – zwischen den Beteiligten unstreitig – am 18.07.2018. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin endete die Frist jedoch nicht am 18.07.2018 um 24.00 Uhr, sondern zu der Zeit zu der unter Zugrundelegung der gewöhnlichen Verhältnisse für den Wahlvorstand keine Möglichkeit zu einer Kenntnisnahme noch am 18.07.2018 mehr bestand.
Auf den Zugang von Wahlvorschlägen beim Wahlvorstand finden die allgemeinen Grundsätze für den Zugang von Willenserklärungen Anwendung. Wird ein Wahlvorschlag an der angegebenen Adresse des Wahlvorstands einem Wahlvorstandsmitglied übergeben, geht er dem Wahlvorstand im Zeitpunkt der Übergabe zu. Wird der Wahlvorschlag an der Betriebsadresse des Wahlvorstands in dessen Briefkasten oder sonstige Zugangsvorrichtung eingeworfen, geht er nicht ohne weiteres im Zeitpunkt des Einwurfs zu, sondern erst dann, wenn unter Zugrundelegung gewöhnlicher Verhältnisse für den Wahlvorstand die Möglichkeit besteht, von dem Wahlvorschlag Kenntnis zu nehmen (BAG, Beschluss vom 16. Januar 2018 – 7 ABR 11/16, Rn. 25).
Vorliegend war bei Zugrundelegung der gewöhnlichen Verhältnisse nicht damit zu rechnen, dass der Wahlvorschlag dem Wahlvorstand am 18.07.2018 nach 19.00 Uhr noch zugehen würde. Üblicherweise befinden sich nach 19.00 Uhr keine Arbeitnehmer mehr im Betrieb. Nach 19.00 Uhr war deshalb weder damit zu rechnen, dass das Büro des Wahlvorstands noch besetzt ist, noch damit, dass ein in den Briefkasten eingeworfener Wahlvorschlag dem Wahlvorstand noch zugehen würde. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Wahlvorstand keinen eigenen Briefkasten hatte oder darauf, dass für den Wahlvorstand keine Zimmernummer im Wahlausschreiben angegeben war. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der Zugang des Wahlvorschlags beim Wahlvorstand durch diese Umstände verzögert hätte. Dies lag vorliegend allein daran, dass erstmals um 21.00 Uhr des 18.07.2018 versucht wurde, den Wahlvorschlag einzureichen.
Die Antragstellerin kann auch nicht damit gehört werden, dass die Entscheidung des BAG vom 16.01.2018 nicht einschlägig sei, da sich hieraus nur die Möglichkeit eines Fristendes vor 24.00 Uhr ergebe, wenn dies im Wahlausschreiben bekannt gemacht werde. Gerade dies kann dem Beschluss des BAG vom 16.01.2018 aber nicht entnommen werden. Das BAG führt hier vielmehr aus, dass es dem Wahlvorstand gerade nicht möglich ist, die Frist zu verlängern oder zu verkürzen, und dass mit der Angabe einer Uhrzeit lediglich eine Bekanntgabe des Zeitpunkts, bis zu welchem die Einreichung von Wahlvorschlägen möglich ist, erfolgen kann (vgl. BAG, a.a.O., Rn. 23 f.). Die Bekanntgabe einer Uhrzeit wirkt deshalb nicht konstitutiv, sondern nur deklaratorisch. Das Ende der Frist ergibt sich unabhängig von der Angabe der Uhrzeit aus der Wahlordnung und den Regeln für den Zugang von Willenserklärungen.
2.2. Die Unwirksamkeit der Wahl ergibt sich auch nicht aus einer Verkennung des Betriebsbegriffs. Für den Standort Y war keine eigenständige Wahl durchzuführen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd. BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden. Ein Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt. Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt. Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb (BAG, Beschluss vom 17. Mai 2017 – 7 ABR 21/15, Rn. 17). Die in dem Betriebsteil vorhandenen Vertreter müssen in der Lage sein, die Arbeitgeberfunktion in den wesentlichen Bereichen der betrieblichen Mitbestimmung wahrzunehmen. Andernfalls hätte ein im Betriebsteil gewählter Betriebsrat keinen Ansprechpartner für die Regelung mitbestimmungspflichtiger Angelegenheiten (Hessisches LAG, 30.08.2012 – 9 TaBV 108/12, Rn. 23).
Die nach diesen Grundsätzen erforderliche relative Selbständigkeit des Standorts Y ist nicht gegeben. Selbst wenn man zugunsten der Antragstellerin unterstellt, es gebe im Standort Y noch eine Projektleitung, so hat diese auch nach dem Vortrag der Antragstellerin lediglich Befugnisse bzgl. vier in diesem Projekt mitarbeitender Arbeitnehmer. Hinsichtlich der Mehrzahl der Arbeitnehmer werden somit am Standort Y keinerlei mitbestimmungspflichtige Entscheidungen getroffen. In einem solchen Fall fehlt es an dem nach § 4 Abs. 1 S. 1 BetrVG erforderliche Mindestmaß organisatorischer Selbständigkeit. Der Betriebsbegriff wurde deshalb nicht verkannt.
2.3. Die Betriebsratswahl ist auch nicht unwirksam wegen des Fehlens eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO und des Unterbleibens einer Veröffentlichung eines derartigen Beschlusses im Wahlausschreiben (§ 3 Nr. 11 WO).
Unstreitig wurden Vorschriften des Wahlverfahrens verletzt, da der Wahlvorstand es unterlassen hat, vor Erlass des Wahlausschreibens einen ausdrücklichen Beschluss über die schriftliche Stimmabgabe der Arbeitnehmer am Standort Y zu fassen (§ 24 Abs. 3 WO), und diesen in der Folge auch nicht veröffentlicht hat.
Nach § 19 Abs. 1 letzter Halbs. BetrVG berechtigen Verstöße gegen wesentliche Wahlvorschriften nur dann nicht zur Anfechtung der Wahl, wenn sie das Wahlergebnis objektiv weder ändern noch beeinflussen konnten. Dafür ist entscheidend, ob eine Wahl ohne den Verstoß unter Berücksichtigung der konkreten Umstände bei einer hypothetischen Betrachtung zwingend zu demselben Ergebnis geführt hätte. Eine verfahrensfehlerhafte Betriebsratswahl muss nur dann nicht wiederholt werden, wenn sich konkret feststellen lässt, dass auch bei der Einhaltung der Wahlvorschriften kein anderes Wahlergebnis erzielt worden wäre. Kann diese Feststellung nicht getroffen werden, bleibt es bei der Unwirksamkeit der Wahl (BAG, Beschluss vom 13. 3. 2013 – 7 ABR 67/11, Rn. 15).
Vorliegend hatte nach Auffassung der Kammer die unterbliebene Veröffentlichung des Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO keine Auswirkungen auf den Ausgang der Wahl. Da allen Arbeitnehmern am Standort Y die Briefwahlunterlagen deutlich vor der Wahl übersandt wurden, kann sich die fehlende Veröffentlichung eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO im Wahlausschreiben nicht auf die Wahlbeteiligung ausgewirkt haben.
Die unterbliebene Veröffentlichung eines Beschlusses nach § 24 Abs. 3 WO kann sich vorliegend auch nicht auf die Motivation der Y Mitarbeiter bzgl. des Aufstellens eigener Wahlvorschläge ausgewirkt haben, da die Y Mitarbeiter mit Erhalt des Wahlausschreibens wussten, dass sie unproblematisch und ohne großen Aufwand ihre Stimme abgeben können. Das Wahlausschreiben wurde nicht nur am Standort in Y ausgehängt, sondern es wurden auch alle Mitarbeiter in Y mittels E-Mail auf das Wahlausschreiben aufmerksam gemacht und sie erhielten über den Aushang hinaus die Möglichkeit durch Anklicken eines mitübersandten Links vom Inhalt des Wahlausschreibens Kenntnis zu nehmen.
Im Wahlausschreiben wurden die Arbeitnehmer am Standort Y darüber informiert, dass es die Möglichkeit der Briefwahl gibt, und dass Arbeitnehmer, die nach der Eigenart ihres Beschäftigungsverhältnisses am Tag der Wahl nicht im Betrieb anwesend sind und Arbeitnehmer, in unselbständigen Betriebsteilen, die nach Beschluss des Wahlvorstands zur Briefwahl zugelassen sind, die Briefwahlunterlagen ohne Anforderung zugesandt erhalten. Weiter erfuhren die Arbeitnehmer am Standort Y, dass Arbeitnehmer, die aus anderen Gründen verhindert sind, ihre Stimme im betrieblichen Wahlraum abzugeben, die Briefwahlunterlagen unter Angabe des Grundes der Abwesenheit vom betrieblichen Wahlraum beim Wahlvorstand beantragen können.
Hierdurch war den Arbeitnehmern am Standort Y bekannt, dass für Arbeitnehmer, die wie sie in einem unselbständigen Betriebsteil arbeiten, die Möglichkeit besteht, dass sie die Briefwahlunterlagen automatisch zugesandt erhalten. Sie wussten auch, dass sie als Arbeitnehmer, die wegen ihrer Beschäftigung in Y verhindert sind, ihre Stimme in C-Stadt abzugeben, jedenfalls die Möglichkeit haben, die Briefwahlunterlagen beim Wahlvorstand anzufordern.
Die Arbeitnehmer in Y wussten lediglich nicht, ob ein Beschluss nach § 24 Abs. 3 WO, d.h. die generelle Zulassung zur Briefwahl für die Arbeitnehmer am Standort Y vorlag. Eine eventuelle Unsicherheit der Arbeitnehmer am Standort Y bezog sich danach aber nicht auf die Frage, ob es für sie eine Möglichkeit gibt, ohne unverhältnismäßigen Aufwand an der Wahl teilzunehmen, sondern allenfalls darauf, ob sie zu der Gruppe der Arbeitnehmer gehören, denen die Briefwahlunterlagen unaufgefordert übersandt werden, oder ob sie die Briefwahlunterlagen individuell beantragen müssen.
Das individuelle Anfordern von Briefwahlunterlagen ist in anderen demokratischen Wahlen (Bundestags-, Landtags- oder Kommunalwahlen) das übliche Vorgehen. Es stellt keinen unverhältnismäßigen Aufwand und keine Erschwernis für die Teilnahme an einer Wahl dar. Die Arbeitnehmer am Standort Y wussten deshalb mit Bekanntgabe des Wahlausschreibens, dass sie unproblematisch an der Wahl teilnehmen können, auch wenn sie hierfür u.U. einen Antrag auf Übersendung der Briefwahlunterlagen stellen müssen. Es kann deshalb nicht festgestellt werden, dass die Arbeitnehmer am Standort Y durch die Unsicherheit, ob sie die Briefwahlunterlagen automatisch übersandt bekommen oder individuell beantragen müssen, möglicherweise davon abgehalten wurden, eigene Wahlvorschläge einzureichen.
3. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§§ 92 Abs. 1, 72 Abs. 2 ArbGG) sind nicht gegeben.

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