Arbeitsrecht

Anspruch auf Beschäftigung

Aktenzeichen  5 Ca 357/22

Datum:
1.6.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Erfurt 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:ARBGERF:2022:0601.5CA357.22.00
Spruchkörper:
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Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.703,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger ist unter Berücksichtigung seiner Vorbeschäftigungszeit bei der …. seit dem 01.07.2008 bei der Beklagten zu einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38 Stunden als Montierer zu einem durchschnittlichen Monatsentgelt in Höhe von 2.703,00 € brutto beschäftigt. Was Inhalt der Tätigkeit ist, ist der Beklagten bekannt.
Das Gericht unterstellt, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.03.2015 auf die Beklagte übergegangen, die Parteien jedenfalls bis dahin ein Arbeitsverhältnis eingegangen sind. Auf dieses findet nach übereinstimmenden Angaben der Parteien der Manteltarifvertrag für die Metall- und Elektroindustrie in Thüringen sowie der Überleitungstarifvertrag zwischen der Beklagten, dem Verband der Metall- und Elektroindustrie in Thüringen e.V. sowie der Industriegewerkschaft Metall vom 31.03.2014 Anwendung.
Mit Wirkung zum 01. Mai 2014 erklärte die Beklagte ihren Beitritt zum Verband der Metall- und Elektroindustrie in Thüringen e.V., die während der Laufzeit des Überleitungstarifvertrages vom 31. März 2014 nicht gekündigt werden durfte.
Im Überleitungstarifvertrag regelten die Tarifvertragsparteien die abweichende Geltung der einschlägigen Flächentarifverträge für das Land Thüringen.
§ 9 des Überleitungstarifvertrages enthält unter der Überschrift „Beschäftigung“ eine Absichtserklärung/Zielsetzung von „…“ bezüglich der Reglerfertigung bei der Beklagten. Befristet bis 31.12.2022 wurde im Überleitungstarifvertrag für die ehemaligen Beschäftigten der …, die bis zum 31.03.2015 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingingen, Verpflichtungen der Beklagten aufgenommen, die sie zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen eingehen muss. Soweit Kündigungen nicht vermeidbar waren, durften betriebsbedingte Kündigungen frühestens mit Wirkung zum 31.12.2017 ausgesprochen werden. Auch über diesen Zeitpunkt hinaus ist die Beklagte verpflichtet, alles wirtschaftlich Vertretbare zu unternehmen, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. In jedem Fall werden vor Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen folgende Maßnahmen – in abgestufter Reihenfolge mit dem Betriebsrat vereinbart. Bezüglich dieser Maßnahmen wird auf § 9 Abs. 2 Unterabs. 2 des Überleitungstarifvertrages, Bl. 30 d.A., verwiesen. Eine solche Vereinbarung mit dem Betriebsrat erfolgte (wohl) nicht.
Die Beklagte, die … sowie der bei ihr gebildete Betriebsrat schlossen am 04.04.2014 eine Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Personalüberleitung zur Beklagten. Gemäß § 3 dieser Betriebsvereinbarung sind die Grundsätze zur Entwicklung des Standortes … und einer wirksamen Beteiligung des Wirtschaftsausschusses in der Anlage 10 beschrieben. Die Anlage 10 hat u.a. zum Inhalt, dass die Beklagte den Wirtschaftsausschuss mindestens quartalsweise umfassend über die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Unternehmens unter Vorlage von erforderlichen Unterlagen unterrichtet und die Auswirkungen auf die Personalplanungen darstellt.
Einmal jährlich soll eine Sonderwirtschaftsausschusssitzung durchgeführt werden. In der Anlage 10 ist festgelegt, über welche Punkte im Rahmen der Sonderwirtschaftsausschusssitzung informiert wird. Darüber hinaus soll über weitere Maßnahmen zur nachhaltigen Standort- und Beschäftigungssicherung berichtet werden. Zielsetzung entsprechender Maßnahmen kann sein, weitere innovative zukunftssichere Produkte für … zu gewinnen.
Die Betriebsvereinbarung regelte auch finanzielle Folgen des Wechsels von Beschäftigten der …. zur Beklagten. Es wurde geregelt, welche durch den Wechsel des Beschäftigungsverhältnisses zur Beklagten entstandenen Nachteile wie kompensiert werden sollten. Dies betraf sowohl finanzielle Nachteile durch eine andere Eingruppierung als auch den finanziellen Ausgleich von angeordneter Kurzarbeit.
Im Rahmen einer Betriebsversammlung am 09.11.2021 informierte die Beklagte darüber, dass die Produktion eingestellt werden soll. Die Beklagte, eine 100%ige Tochtergesellschaft der … (im Weiteren …) wurde 2014 gegründet und unterhält als einzigen Standort den in …. Sie fertigte ausschließlich Regler für Generatoren, die in Kfz mit Verbrennungsmotoren verbaut werden. Hierzu nutzte sie speziell für die Reglerfertigung angepasste Anlagen und Maschinen, die noch auf einem technisch aktuellen Stand sind und sich nach wie vor am Standort der Beklagten befinden.
Seit Januar 2018 fertigte die Beklagte ausschließlich für die …. (im Weiteren …) Regler. Die Produktionskosten je Regler lagen bei ca. 6,00 Euro. Sie wurden im Auftrag der … produziert, wobei die Beklagte diese Regler an … zuzüglich einer auskömmlichen Marche verkaufte. … wiederum veräußerte die Regler an die … zu einem Stückpreis von rund 4,00 Euro. Grundlage hierfür war ein zwischen … und der … geschlossener bis 2021 befristeter Liefervertrag. …, nicht die Beklagte, war Vertragspartner. Die Beklagte wurde durch … als Subunternehmer eingesetzt.
Durch den Verkauf der Regler an … wurde die ansonsten nicht gewährleistete Finanzierung der Beklagten gesichert. Bei … schlug das Reglergeschäft mit Verlusten in Höhe von jährlich ca. 6 Mill. Euro im Jahr zu Buche.
Auf eine Verlängerung des Liefervertrages zwischen … und der … kam es nicht. Ob sich die Vertragsparteien über die Bedingungen der Lieferung nicht verständigen konnten oder ob die Belieferung mit Reglern auf Betreiben der Beklagten eingestellt wurde, ist zwischen den Parteien streitig. Damit entfiel der Bedarf der Reglerfertigung bei der Beklagten im Auftrag von …. Die letzte Reglercharge produzierte die Beklagte am 01. Dezember 2021. Sie stellte danach die Produktion ein. Die Maschinen und Anlagen beließ sie im Werk, um die Fertigung im Fall etwaiger neuer Aufträge wieder aufnehmen zu können.
Mit Schreiben vom 25.11.2021 wies die Beklagte einen durch den Kläger geltend gemachten allgemeinen Beschäftigungsanspruch zurück und stellte ihn sowie alle anderen Beschäftigten ab 02.12.2021 von ihrer Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung zunächst bis zum 31.12.2022 unter Fortzahlung der Vergütung widerruflich frei. Eine Beschäftigung durch die Beklagte erfolgte seit dem 02.12.2021 nicht mehr, die Produktion wurde nicht wieder aufgenommen.
Der Kläger ist der Auffassung, dass er einen Anspruch auf Beschäftigung zu den bisherigen Arbeitsbedingungen habe. Der Antrag sei zulässig, insbesondere sei er hinreichend bestimmt genug.
Der Anspruch ergebe sich bereits aus § 9 des Überleitungstarifvertrages, nachdem die Beklagte zur nachhaltigen Sicherung der Arbeitsplätze in … verpflichtet sei. Der Überleitungstarifvertrag sei frühestens zum 31.12.2022 kündbar. Die Beklagte habe nach dieser Regelung einen Punkteplan abarbeiten müssen, um überhaupt über betriebsbedingte Kündigungen nachdenken zu können. Dies sei nicht erfolgt. Die widerrufliche Freistellung sei als Mittel zur Vermeidung von Kündigungen im Überleitungstarifvertrag nicht aufgeführt. Daher verhalte sich die Beklagte tarifwidrig. Es habe eine Produktivitätsverbesserung im Sinne des § 9 des Überleitungstarifvertrages gegeben, die Qualität sei ständig gestiegen. Das Werk sei auf einem modernen Stand, es mache betriebswirtschaftlich keinen Sinn, es zu schließen. Es arbeite nicht defizitär.
Unabhängig von der Regelung des Überleitungstarifvertrages stehe dem Kläger ein Anspruch auf tatsächliche Beschäftigung im ungekündigten Arbeitsverhältnis zu. Mit der Nichtbeschäftigung würde sein Persönlichkeitsrecht verletzt, schutzwürdige Interessen der Beklagten würden seiner Weiterbeschäftigung nicht entgegenstehen. Andererseits führe die Freistellung zu großen Nachteilen beim Kläger. Diese seien sowohl gesundheitlicher als auch sozialer und beruflicher Art. Es sei wichtig, sich aus einer Tätigkeit heraus ggf. bei anderen Arbeitgebern zu bewerben. Die Einstellung des Betriebes sei thüringenweit bekannt. Dies würde zu großen Nachteilen für die berufliche Entwicklung führen.
Eine längere Freistellung sei im Zeugnis zu benennen, was die Bewerberchancen verschlechtere.
Durch die Nichtbeschäftigung trete eine Vereinsamung wegen der fehlenden Kommunikation ein. Aufgrund der Coronasituation seien bereits viele Familienmitglieder zu Hause, was zu erheblichem Konfliktpotential führe.
Die Beklagte habe die Entscheidung zur Werksschließung getroffen und bereite die Voraussetzungen für den Ausspruch der Kündigung vor. Dies führe zu einer erhöhten psychischen Belastung wegen der drohenden Arbeitslosigkeit.
Die Beklagte habe lediglich den Wegfall des Auftrages hinsichtlich der Nichtbeschäftigung berücksichtigt, nicht soziale, gesundheitliche und berufliche Belange der Mitarbeiter/innen. Ein überwiegendes schutzwürdiges Interesse der Beklagten an der Nichtbeschäftigung sei nicht gegeben. Auftragsmangel sei zwar zu berücksichtigen, jedoch nicht nur.
Die Interessen der Beklagten müssten wegen der Regelungen im Überleitungstarifvertrag zurücktreten.
Die Nichtbeschäftigung beeinträchtige das Persönlichkeitsrecht, was zu einem Schmerzensgeldanspruch führe.
Die fehlende Beschäftigungsmöglichkeit sei nur ein Aspekt bei der Interessenabwägung. Die Unternehmerentscheidung sei ein wichtiger, jedoch nicht alleiniger Abwägungsfaktor. Im Einzelfall könnten besonders schwerwiegende insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange der Nichtbeschäftigung entgegenstehen. Gerechtfertigte Interessen könnten im Einzelfall einer Nichtbeschäftigung entgegenstehen.
Die Unternehmerentscheidung zur Einstellung der Produktion sei willkürlich und habe die Interessen der Beschäftigten unberücksichtigt gelassen. Insbesondere würde das Werk … nicht nur als verlängerte Werkbank taugen, eine Umgestaltung zu einem Zulieferungswerk durch Investitionen sei möglich. Hierzu sei die Beklagte gemäß § 9 des Überleitungstarifvertrages verpflichtet. Zu berücksichtigen sei auch der Inhalt der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Personalüberleitung zur Beklagten.
Gemäß der Betriebsvereinbarung über einen Interessenausgleich und Personalüberleitung sei die Beklagte verpflichtet gewesen, nach zukünftigen Produkten zu suchen. Hierfür habe sie keinen Handlungsdruck gesehen. Es seien keine Alternativprodukte gesucht worden, obwohl die tarifvertragliche Verpflichtung hierzu bestehe. Die Weigerung, Nachfolgeprodukte zu suchen, habe dazu geführt, betriebsbedingte Kündigungen zu ermöglichen.
Die Beklagte wirtschafte nicht defizitär, sie erwirtschafte Gewinn. Die Beklagte sei ihrer Verpflichtung aus der Betriebsvereinbarung, zukunftssichere Produkte, Beschäftigungsfelder zu erschließen, nicht nachgekommen. Dies habe der gesellschaftliche Wandel nicht verhindert. Im Gegensatz, der Trend zur Produktion in Deutschland sei gegeben. … hätte auch Regler auf dem freien Markt verkaufen können.
Die Freistellung habe nur mit Zustimmung des Betriebsrates erfolgen können. Sie sei willkürlich gewesen.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn als Montierer in … zu den bisherigen Arbeitsbedingungen zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Auffassung, dass der Klageantrag bereits unzulässig sei. Er sei zu unbestimmt und habe keinen vollstreckbaren Inhalt.
Darüber hinaus sei die Klage auch unbegründet.
Ein Beschäftigungsanspruch ergebe sich nicht aus § 9 des Überleitungstarifvertrages. Dieser regele keinen Beschäftigungsanspruch, lediglich einen befristeten Kündigungsverzicht und Kündigungsvoraussetzungen.
Soweit …die Zielsetzung verfolgt habe, die Arbeitsplätze nachhaltig zu sichern, sei dies eine Zielsetzung von …, nicht von ihr.
Grund für die widerrufliche Freistellung aller Beschäftigten sei, dass die Fertigung der Regler bei ihr eingestellt worden sei. Mangels alternativer Verwendungsmöglichkeiten des Standorts habe sie sich entschieden, die Geschäftsaktivitäten spätestens zum 31.12.2021 einzustellen, was erfolgt sei. Die Belegschaft sei erstmalig am 08.07.2021 informiert worden.
Es bestehe ein überwiegendes Interesse an der Nichtbeschäftigung. Es gebe keine Einsatzmöglichkeit wegen des Auftragsmangels. Dies führe zwangsläufig zu einer zu ihren Gunsten ausgehenden Interessenabwägung. Der Überleitungstarifvertrag stehe der Nichtbeschäftigung nicht entgegen.
Grund für die Nichtbeschäftigung sei die Entscheidung, die Produktion in … einzustellen. Es sei geprüft worden, ob alternative Erzeugnisse hergestellt werden können. Die Prüfung sei ergebnislos erfolgt. Auch eine alternative Verwendung des Werkes scheide aus. Hierzu hätte u.a. erheblich investiert werden müssen.
Richtig sei zwar, dass sie nicht defizitär arbeite, jedoch mache Bosch mit der Produktion bei ihr einen jährlichen Verlust von ca. 6 Millionen Euro.
Durch die Einstellung der Produktion würde keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit bestehen, erst Recht keine sinnvolle Weiterbeschäftigungsmöglichkeit. Es bestehe keinerlei Bedarf an der Beschäftigung des Klägers.
Die Unternehmerentscheidung zur Stilllegung der Produktion sei nicht willkürlich, sie sei geboten gewesen. Soweit überhaupt eine Interessenabwägung durchzuführen sei, würde ihr Interesse an der Nichtbeschäftigung dem Beschäftigungsinteresse des Klägers überwiegen. Soweit die Unternehmerentscheidung zur Einstellung der Produktion nicht willkürlich oder rechtsmissbräuchlich, sondern rechtmäßig sei, würde es keiner Interessenabwägung bedürfen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.
Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift die bestimmte Angabe des Gegenstands und des Grundes des erhobenen Anspruchs sowie einen bestimmten Antrag enthalten. Der Kläger muss eindeutig festlegen, welche Entscheidung er begehrt. Er hat den Streitgegenstand so genau zu bezeichnen, dass der Rahmen der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis (§ 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO) keinem Zweifel unterliegt und über die eigentliche Streitfrage mit Rechtskraftwirkung (§ 322 Abs. 1 ZPO) zwischen den Parteien entschieden werden kann (vgl. BAG 19. Oktober 2011 – 7 AZR 743/10 – Rn. 18; 18. Mai 2011 – 5 AZR 181/10 – Rn. 10 m.w.N., EzA BGB 2002 § 611 Mehrarbeit Nr. 4), BAG, Urteil vom 13. Juni 2012 – 10 AZR 313/11 –, Rn. 18, juris).
Gemessen an diesen Grundsätzen sind Klageziel und Streitgegenstand hinsichtlich des Beschäftigungsantrags hinreichend umschrieben. Die Beschreibung muss nicht so genau sein, dass der Antrag auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Darauf hat der Arbeitnehmer nämlich regelmäßig keinen Anspruch, weil dem Arbeitgeber das Weisungsrecht nach § 106 GewO zusteht (BAG 15. April 2009 – 3 AZB 93/08 – Rn. 19, BAGE 130, 195).
Wird mit einer Klage ein vertraglicher Beschäftigungsanspruch geltend gemacht, muss der Antrag verdeutlichen, um welche Art von Beschäftigung es geht. Für den Schuldner muss aus rechtsstaatlichen Gründen erkennbar sein, in welchen Fällen er bei einer entsprechenden Verurteilung mit einem Zwangsmittel zu rechnen hat (vgl. BAG 28. Februar 2003 – 1 AZB 53/02 – zu B II 1 der Gründe, BAGE 105, 195). Andererseits erfordern das Rechtsstaatsprinzip und das daraus folgende Gebot effektiven Rechtsschutzes (BVerfG 12. Februar 1992 – 1 BvL 1/89 – zu C I der Gründe, BVerfGE 85, 337), dass materiell-rechtliche Ansprüche effektiv durchgesetzt werden können. Bei im Arbeitsvertrag nur rahmenmäßig umschriebener Arbeitspflicht kann der Klageantrag aus materiell-rechtlichen Gründen nicht so genau sein, dass er auf eine ganz bestimmte im Einzelnen beschriebene Tätigkeit oder Stelle zugeschnitten ist. Vor diesem Hintergrund ist es jedenfalls erforderlich, dass die Art der begehrten Beschäftigung des Arbeitnehmers aus dem Antrag ersichtlich ist. Einzelheiten hinsichtlich der Art der Beschäftigung oder der sonstigen Arbeitsbedingungen muss der Antrag demgegenüber nicht enthalten. Vielmehr reicht es aus, wenn sich aus dem Antrag und einem entsprechenden Titel das Berufsbild, mit dem der Arbeitnehmer beschäftigt werden soll, ergibt oder diesem zu entnehmen ist, worin die ihm zuzuweisende Tätigkeit bestehen soll (BAG 27. Mai 2015 – 5 AZR 88/14 – Rn. 44, BAGE 152, 1; 6. Juli 2011 – 4 AZR 568/09 – Rn. 25; 15. April 2009 – 3 AZB 93/08 – Rn. 19, BAGE 130, 195; 10. Mai 1989 –    4 AZR 79/89 -).
Daran gemessen ist der Antrag hinreichend bestimmt. Das Berufsbild ist vorliegend durch die Formulierung „Montierer“ und den Verweis auf die bisherigen Arbeitsbedingungen in ausreichender Weise umschrieben. Für die Beklagte ist erkennbar, welche Art von Beschäftigung erstrebt wird, ihr ist der Inhalt der Tätigkeit bekannt.
Die Klage ist jedoch unbegründet, dem Kläger steht kein Beschäftigungsanspruch zu.
Der Anspruch ergibt sich nicht aus § 9 des Überleitungstarifvertrages.
Auch wenn dieser Paragraph mit „Beschäftigung“ überschrieben ist, regelt er inhaltlich keinen Beschäftigungsanspruch. Er hat lediglich für eine bestimmte Gruppe von Arbeitnehmern, die ehemals bei der … beschäftigt waren und bis zum 31.03.2015 ein Arbeitsverhältnis mit der Beklagten eingegangen sind, Regelungen für betriebsbedingte Kündigungen zum Inhalt. Zum einen, dass diese frühestens mit Wirkung zum 31.12.2017 ausgesprochen werden dürfen und die Beklagte bis zum 31.12.2022 alles wirtschaftlich Vertretbare zu unternehmen hat, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Es sind im Weiteren Maßnahmen aufgelistet, die mit dem Betriebsrat zu vereinbaren sind und vor Ausspruch von betriebsbedingten Kündigungen durchzuführen sind. § 9 des Überleitungstarifvertrages ist weder sinngemäß noch analog dahingehend anzuwenden, dass diese Maßnahmen vor einer etwaigen Nichtbeschäftigung zu ergreifen sind.
Die Tarifvertragsparteien haben den § 9 des Überleitungstarifvertrages zwar mit Beschäftigung überschrieben, trafen jedoch ausschließlich Regelungen hinsichtlich der Kündigung. Mit der Überschrift „Beschäftigung“ meinten sie nicht den individuellen Beschäftigungsanspruch, sondern die Sicherung von Arbeitsplätzen (Beschäftigungssicherung).
Im Übrigen enthält § 9 des Überleitungstarifvertrages keine Regelung zum Schicksal einer betriebsbedingten Kündigung, die ausgesprochen wurde, ohne die Maßnahmen ergriffen zu haben. Aus ihm ergibt sich weder ein individueller Beschäftigungsanspruch, noch führt er zur Unwirksamkeit einer (widerruflichen) Freistellung.
Grundsätzlich steht einem Arbeitnehmer gemäß §§ 611 a, 613, 242 BGB ein Anspruch auf Beschäftigung im bestehenden Arbeitsverhältnis zu.
§ 611a BGB nennt als vertragstypische Pflichten u. a. für den Arbeitsvertrag, die Leistung der versprochenen Dienste und die Gewährung der vereinbarten Vergütung. Obwohl von einem Recht auf Beschäftigung, das mit einer entsprechenden Verpflichtung des Arbeitgebers korrespondiert, keine Rede ist, leiten die Gerichte für Arbeitssachen die Beschäftigungspflicht aus dem Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers ab, Art. 1, 12 Grundgesetz.
Der Anspruch beruht vertragsrechtlich unmittelbar auf der sich aus § 242 BGB ergebenden Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers. Der Beschäftigungsanspruch ist eine nicht nur mit der Hauptleistungspflicht der Erbringung der Arbeitsleistung in engem Zusammenhang stehende arbeitnehmerseitige Verpflichtung. Die Beschäftigungspflicht ist die Kehrseite der Arbeitspflicht.
Eine Beschäftigungsgarantie gewähren weder Artikel 1, 12 Grundgesetz noch die §§ 611 a, 613, 242 BGB. Der Beschäftigungsanspruch lässt die unternehmerische Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Organisation des Betriebs unberührt, die Beklagte ist nicht gehindert, eine Organisationsentscheidung zu treffen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes, des Beschäftigungsbedarfs führt.
Eine solche Entscheidung hat die Beklagte unstreitig getroffen und umgesetzt. Sie hat am 01. Dezember 2021 die letzten Regler produziert, nachdem sie die Entscheidung getroffen hat, die Reglerproduktion spätestens zum 31.12.2021 einzustellen. Die Beklagte stellte ausschließlich diese Regler her, so dass der Beschäftigungsbedarf für alle Arbeitnehmer entfallen ist. Dahingestellt bleiben kann, ob sie sich dazu entschieden hat, Regler nicht mehr zu produzieren oder sie ab dem 01.01.2022 nicht mehr mit der Produktion von Reglern durch … oder die … beauftragt wurde. Die Entscheidung zur Einstellung der Produktion obliegt dem Arbeitgeber, der Beklagten. Die Entscheidung ist lediglich auf Willkür bzw. Missbrauch hin zu kontrollieren. Anhaltspunkte dafür, dass die Entscheidung willkürlich bzw. missbräuchlich getroffen wurde, sind ebenso nicht erkennbar, wie eine gesetzeswidrige Zielsetzung dieser Entscheidung.
Dass der Beschäftigungsanspruch ausgeschlossen sein kann, bestätigt die Rechtsprechung der Gerichte für Arbeitssachen, insbesondere in den Fällen, in denen eine Beschäftigung wegen Auftragsmangels oder einer Umorganisation, die auf einer rechtmäßigen unternehmerischen Entscheidung beruht, nicht mehr (sinnvoll) möglich ist. Dies ist der Fall.
Der Arbeitgeber ist nicht gehindert, eine Organisationsentscheidung zu treffen, die zum Wegfall des Arbeitsplatzes führt. Ist eine vertragsgemäße Beschäftigung auf dem bisherigen oder einem freien Arbeitsplatz nicht möglich, ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, für den von der Organisationsmaßnahme betroffenen Arbeitnehmer einen zusätzlichen Arbeitsplatz einzurichten, vgl. BAG Urteil vom 16. Mai 2019 – 6 AZR 329/18 – Rn. 36.
Vom Arbeitgeber kann weder verlangt werden, auf die beschlossene Organisationsmaßnahme zu verzichten, wenn diese rechtlich nicht zu beanstanden ist, noch kann er gezwungen werden, seine Organisationsentscheidung mit dem Ziel „zu modifizieren“ eine Beschäftigungsmöglichkeit zu erhalten. Hierdurch würde die unternehmerische Entscheidung nicht nur kontrolliert, sondern ihr ggf. eine andere Gestalt gegeben, vgl. BAG Urteil vom 24. September 2015 – 2 AZR 562/14 – Rn. 34.
Anerkannt ist jedoch, dass, soweit die Nichtbeschäftigung auf einer unternehmerischen Entscheidung beruht, dies nicht dazu führt, dass die Abwägung mit Interessen des Arbeitnehmers von vornherein ausgeschlossen ist. Die unternehmerische Entscheidung ist zwar ein wichtiger, aber nicht der alleinige Abwägungsgesichtspunkt. Im Einzelfall können besonders schwerwiegende, insbesondere verfassungsrechtlich geschützte Belange des Arbeitnehmers der Nichtbeschäftigung entgegenstehen. Es kommt darauf an, ob das Interesse des Arbeitgebers an der Durchsetzung seiner Organisationsentscheidung auch im Einzelfall die Nichtbeschäftigung rechtfertigt, vgl. BAG Urteil vom 30. November 2016 – 10 AZR 11/16 – Rn. 30. Dies kann der Fall sein, wenn ein die Beschäftigungsmöglichkeit ausschließender Rückgang des Arbeitskräftebedarfs aus einer organisatorischen Maßnahme des Arbeitgebers folgt, die ökonomisch nicht zwingend geboten war. Auch eine solche unternehmerische Entscheidung ist gerichtlich nicht auf ihre sachliche Rechtfertigung oder ihre Zweckmäßigkeit hin zu überprüfen, sondern nur darauf hin, ob sie offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich ist. Für eine offensichtlich unsachliche, unvernünftige oder willkürliche Entscheidung spricht nichts. Insbesondere spricht der Umstand, dass die Beklagte keine finanziellen Defizite erwirtschaftete, nicht dafür, da sie für die Regler von ihrer Muttergesellschaft einen Stückpreis erhielt, den diese gegenüber der Auftraggeberin nicht realisieren konnte, der unter dem Herstellungspreis lag.
Hinsichtlich der unternehmerischen Entscheidung ist nachzuprüfen, ob diese getroffen und faktisch umgesetzt wurde, ob dadurch das Beschäftigungsbedürfnis für einzelne Arbeitnehmer entfallen ist, oder ob auch auf der Basis der – nicht missbräuchlich oder willkürlich – getroffenen unternehmerischen Entscheidung noch eine Möglichkeit besteht, den Arbeitnehmer vertragsgemäß sinnvoll zu beschäftigen, vgl. BAG Urteil vom 16. Mai 2019 a.a.O.
Die Entscheidung, die Produktion einzustellen, ist faktisch umgesetzt worden. Seit dem 02.12.2021 produziert die Beklagte nicht mehr. Dadurch ist der Beschäftigungsbedarf für alle Beschäftigten entfallen, somit auch für den Kläger. Auf der Basis dieser Entscheidung und deren Umsetzung besteht keine Möglichkeit, den Kläger vertragsgemäß sinnvoll zu beschäftigen. Dies wäre nur möglich, wenn überhaupt noch Beschäftigungsbedarf bestehen würde.
Der Kläger beruft sich hinsichtlich seines Beschäftigungsanspruchs lediglich auf die allgemeinen Gründe, die diesen stützen. Erkennbar sind keine individuellen Gründe, die einen solchen Antrag stützen könnten.
Da aufgrund der unternehmerischen Entscheidung keine Beschäftigung von Arbeitnehmern mehr erfolgt, stellt sich die Frage, ob eine Interessenabwägung hinsichtlich der Beschäftigung bzw. Nichtbeschäftigung erfolgen muss. Dies ist zu verneinen. Eine solche ist nur möglich, wenn nach Umsetzung der Unternehmerentscheidung überhaupt noch Beschäftigungsbedarf besteht. Unabhängig hiervon würde unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Aspekte, der beruflichen Alternativen, der sozialen Isolation, der Vereinsamung sowie der sozialversicherungsrechtlichen Konsequenzen für den Kläger nicht dessen Beschäftigungsinteresse überwiegen. Eine Beschäftigungsmöglichkeit ist nicht mehr gegeben. Die Beklagte war nicht gehalten, eine unternehmerische Entscheidung zu treffen, die dem Kläger einen Beschäftigungsanspruch gewährt.
Es besteht seit der Umsetzung der Unternehmerentscheidung zur Einstellung der Produktion kein Arbeitsplatz mehr. Der Kläger kann (im beantragten Umfang) nicht beschäftigt werden. Die Entscheidung hat die Beschäftigung des Klägers entfallen lassen.
Der Anspruch des Klägers auf Beschäftigung ergibt sich auch nicht aus der Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats.
Die Beklagte hat den Kläger von seiner vertraglich geschuldeten Arbeitspflicht befreit. Dies unter Fortzahlung der Vergütung. Daraus ergibt sich kein Mitbestimmungsrecht im Sinne des § 87 BetrVG.
Als unterliegende Partei hat der Kläger die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, §§ 46 Abs. 2 ArbGG, 91 Abs. 1 ZPO.
Der Wert des Streitgegenstandes ist im Urteil festzusetzen, § 61 Abs. 1 ArbGG. Er entspricht dem Wert eines Bruttomonatsverdienstes des Klägers.


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