Arbeitsrecht

AnwZ (Brfg) 11/21

Aktenzeichen  AnwZ (Brfg) 11/21

Datum:
9.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:090721BANWZ.BRFG.11.21.0
Normen:
§ 112c Abs 1 S 1 BRAO
§ 112e S 2 BRAO
§ 67 Abs 2 S 1 VwGO
§ 67 Abs 4 S 1 VwGO
§ 67 Abs 4 S 2 VwGO
§ 67 Abs 4 S 3 VwGO
§ 125 Abs 1 S 1 VwGO
§ 173 S 1 VwGO
§ 78b ZPO
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen

Verfahrensgang

vorgehend Anwaltsgerichtshof München, 27. Januar 2021, Az: BayAGH I – 1 – 16/20

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das am 27. Januar 2021 verkündete Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs wird als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt die Klägerin.
Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um die Zulassung der Klägerin als Rechtsanwältin im Bezirk der Beklagten. Mit Bescheid vom 4. August 2020 versagte die Beklagte der Klägerin die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft.
2
Hiergegen hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten Avocat definitiv P.     , Klage zum Bayerischen Anwaltsgerichtshof erhoben. Der Bayerische Anwaltsgerichtshof hat die Klage mit Urteil vom 27. Januar 2021, der Klägerin zugestellt am 3. März 2021, als unzulässig abgewiesen. Er hat seine Entscheidung insbesondere damit begründet, dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin – wie im Übrigen auch ihr selbst – fehle die erforderliche Postulationsfähigkeit.
3
Mit Schriftsatz vom 12. Februar 2021, eingegangen beim Anwaltsgerichtshof am selben Tag, hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten u.a. “sonstige zulässige Rechtsmittel/-behelfe” erhoben und beantragt, das Urteil des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs aufzuheben. Insbesondere macht sie geltend, sie sei während offener Statusfragen im Zusammenhang mit ihrer Anwaltszulassung wie eine zugelassene Rechtsanwältin zu behandeln. Die Klägerin rügt darüber hinaus die Beteiligung von Anwaltsrichtern am Verfahren.
4
Mit Verfügung vom 12. April 2020 ist die Klägerin auf Bedenken gegen die Zulässigkeit ihres Rechtsmittels hingewiesen worden. Es fehle sowohl ihr als auch ihrem Prozessbevollmächtigten die notwendige Postulationsfähigkeit.
5
Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2021 hat die Klägerin durch ihren Prozessbevollmächtigten zum Hinweis Stellung genommen. Sie führt aus, ihr Prozessbevollmächtigter sei nach “Grund-, EU- und Menschenrechten” als gewählter Vertreter der Klägerin zugelassen. Das Gericht, das eine Zwangsvertretung fordere, könne ohne ihr Zutun einen Zwangsanwalt einteilen. Die Befähigung zum Richteramt, die sowohl sie als auch ihr Prozessbevollmächtigter besäßen, schließe nach dem römischrechtlichen Grundsatz “in eo quod plus sit semper inest et minus” die Anwaltsbefähigung ein. Die Klägerin bittet um einen Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht und den Europäischen Gerichtshof.
II.
6
1. Der Antrag auf Zulassung der Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg. Er ist bereits unzulässig, da er unter Verstoß gegen § 112e Satz 2 BRAO, § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 67 Abs. 2 Satz 1, Abs. 4 Satz 1-3 VwGO eingelegt worden ist. Danach müssen sich Beteiligte vor dem Senat für Anwaltssachen des Bundesgerichtshofs durch einen Rechtsanwalt oder einen in der Norm näher bezeichneten Rechtslehrer an einer europäischen Hochschule vertreten lassen, wobei das Vertretungserfordernis auch bereits für die Prozesshandlung geboten ist, durch die ein Verfahren vor dem Senat für Anwaltssachen eingeleitet wird. Weder der Prozessbevollmächtigte der Klägerin noch sie selbst erfüllen diese Voraussetzungen.
7
a) Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin ist insbesondere nicht Rechtsanwalt im Sinne der Vorschrift. Rechtsanwalt im Sinne dieser Vorschrift ist grundsätzlich nur der vor einem deutschen Gericht zugelassene Rechtsanwalt (BVerwG, NJW 1998, 2991; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 67 Rn. 7). Die Zulassung vor einem deutschen Gericht hat der Prozessbevollmächtigte nicht behauptet; sie ist auch sonst nicht ersichtlich; so wird er auch nicht im amtlichen Anwaltsverzeichnis (https://www.bea-brak.de/bravsearch/search.brak, abgerufen am 24. Juni 2021) geführt.
8
b) Auch nach Unionsrecht ist der Prozessbevollmächtigte der Klägerin kein vertretungsberechtigter Rechtsanwalt. Zwar wird nach §§ 25 ff. EuRAG die Vertretungsbefugnis im europäischen Ausland tätiger Rechtsanwälte erweitert. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erfüllt aber die dort aufgestellten Voraussetzungen nicht, weder als niedergelassener (§§ 2 ff. EuRAG) noch als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt (§§ 25 ff. EuRAG).
9
Geht man zugunsten des Prozessbevollmächtigten der Klägerin davon aus, dass er die – offenbar rumänische – Berufsbezeichnung eines “Avocat definitiv” zu Recht führt, so ist zwar eine Tätigkeit als dienstleistender europäischer Rechtsanwalt denkbar. Jedoch ist dort, wo ein Mandant sich – wie hier – nicht selbst vertreten kann, die Bestellung eines vertretungsberechtigten Einvernehmensanwalts erforderlich (§ 28 Abs. 1, 2 EuRAG). Ein solcher hat sich nicht bestellt.
10
c) Der Vertretungszwang als solcher ist verfassungskonform. Der Gesetzgeber darf im Interesse einer geordneten und konzentrierten Verfahrensführung den Anwaltszwang einführen; dies ist bereits durch das Bundesverfassungsgericht geklärt (NJW 1987, 2569, 2570). Der klägerseits geforderten Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG bedurfte es daher nicht.
11
Der Situation, dass ein dem Vertretungszwang unterliegender Beteiligter keinen Rechtsanwalt findet, der bereit ist, für ihn aufzutreten, hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass sich der Beteiligte nach § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO, § 78b ZPO auf Antrag einen Notanwalt beiordnen lassen kann, wenn die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Dies setzt allerdings voraus, dass der Beteiligte zumutbare eigene Anstrengungen unternommen hat, einen vertretungsbereiten und -berechtigten Prozessbevollmächtigten zu finden (vgl. Hartung/Schramm in BeckOK VwGO, 57. Edition, § 67 Rn. 44). Die Klägerin hat aber weder einen solchen Antrag gestellt noch eigene Anstrengungen, einen vertretungsberechtigten Prozessbevollmächtigten zu finden, dargetan.
12
d) Der Vertretungszwang ist auch europarechtskonform. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 47 GRCh vor; dies ist bereits durch den Europäischen Gerichtshof geklärt (EuGH, Beschluss vom 6. April 2017 – C-464/16 – juris Rn. 22 ff.), weswegen eine Vorlage im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV nicht geboten ist.
13
e) Soweit die Klägerin auf einen römischrechtlichen Grundsatz Bezug nimmt, ist klarzustellen, dass die Befähigung zum Richteramt tatsächlich die Befähigung zum Beruf des Rechtsanwalts einschließt (vgl. § 4 Satz 1 Nr. 1 BRAO). Das Gesetz stellt aber zulässigerweise weitere Anforderungen auf, die über den reinen Befähigungsnachweis hinausgehen und die der spezifischen Ausgestaltung des Anwaltsberufs – insbesondere als unabhängiges Organ der Rechtspflege – Rechnung tragen.
14
2. Ob das statthafte Rechtsmittel des Antrags auf Zulassung der Berufung im Schriftsatz vom 12. Februar 2021 mit der Wendung “sonstige Rechtsmittel” überhaupt hinreichend bezeichnet worden ist (vgl. hierzu die Rechtsprechung des Senats, wonach eine “Revision” durch einen Rechtsanwalt im Regelfall nicht in einen Antrag auf Zulassung der Berufung umgedeutet werden kann, Beschluss vom 2. Juni 2017 – AnwZ (Brfg) 26/16, AnwBl 2017, 1115 Rn. 14), kann angesichts der Ausführungen zu 1. dahinstehen.
15
3. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wäre indes auch unbegründet. Die Klägerin macht der Sache nach den Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils und eines Verfahrensmangels geltend (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1, 5 VwGO).
16
a) Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen nicht. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage zu Recht als unzulässig abgewiesen, weil die Klage unter Verstoß gegen den auch vor dem Anwaltsgerichtshof bestehenden Vertretungszwang erhoben wurde (§ 112c Abs. 1 Satz 2 BRAO, § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO). Wegen der weiteren Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen unter II.1 Bezug genommen.
17
b) Soweit die Klägerin die Beteiligung von Anwaltsrichtern an der Entscheidung rügt und damit der Sache nach einen Verfahrensmangel geltend macht, geht auch dies fehl. Das Gesetz sieht die Beteiligung der Anwaltsrichter an der Rechtsprechung der Anwaltsgerichtshöfe ausdrücklich vor (§ 100 Abs. 3, § 104 BRAO). Zweifel an der Verfassungskonformität der Beteiligung von Anwaltsrichtern an der Anwaltsgerichtsbarkeit bestehen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht (vgl. nur BVerfG, NJW 1978, 1795 mwN).
18
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung aus § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Limperg     
        
Remmert     
        
Grüneberg
        
Schäfer      
        
Lauer      
        


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben