Arbeitsrecht

Arbeitnehmer, Arbeitgeber, Tarifvertrag, Arbeitsvertrag, Manteltarifvertrag, Anspruch, Elternzeit, Urlaubsanspruch, Ausschlussfrist, Leasingvertrag, Fahrzeug, Vertragsschluss, Provision, Sonderausstattung, unangemessene Benachteiligung, nicht ausreichend, kein Anspruch

Aktenzeichen  4 Ca 566/19

Datum:
27.4.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 46475
Gerichtsart:
ArbG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.780,00 € netto zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 26.06.2019.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Widerklage wird abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu 37%, die Beklagte zu 63% zu tragen.
5. Der Streitwert wird festgesetzt auf 11.436,62 €.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist teilweise begründet.
1. Der Antrag zu 1. ist teilweise begründet. Es besteht lediglich der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 3.780,00 € netto nebst Zinsen. Kein Anspruch besteht im Hinblick auf die Provisionen bzw. Prämie.
a) Der Kläger hat einen Anspruch auf Rückzahlung der einbehaltenen 3.780,00 € netto (= Mehrkosten für die Leasingraten). Nach der BAG-Rechtsprechung (BAG NZA 2004, 484) sind die Grenzen unzulässiger Vertragsgestaltung im Rahmen der AGB-Kontrolle überschritten, wenn bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Fahrzeug zurückzugeben ist und dennoch für die restliche Laufzeit des Leasingvertrags die Leasingraten in einem Einmalbetrag zu bezahlen sind seitens des Arbeitnehmers. In der vorliegenden Streitsache liegt diesbezüglich ein vergleichbarer Fall vor.
Zunächst ist festzustellen, dass die AGB-Kontrolle eröffnet ist, da der DienstwagenÜberlassungsvertrag AGBs iSd § 305 ff BGB enthält. Richtig ist zwar, dass der Kläger mit Email v. 11.11.2015 die Zuzahlung bestätigte. Allerdings stand in der vorangegangenen Email der Beklagten v. 11.11.2015 bzw. v. 10.11.2015 (vgl. Anlage D3 = Bl. 109 d.A.) nichts von der Ziff. 7.2 des DienstwagenÜberlassungsvertrags, wonach der Arbeitgeber sich nach Kündigung des Arbeitsvertrags – egal von welcher Seite – vorbehält, das Dienstauto vorzeitig herauszuverlangen, sodass von einem individuellen Ausverhandeln nicht ausgegangen werden kann. Selbst wenn der DienstwagenÜberlassungsvertrag nur zur einmaligen Verwendung beabsichtigt gewesen wäre, lässt dies die AGB-Kontrolle nach § 310 III Nr. 2 BGB nicht entfallen.
Die Klausel würde im Falle einer Kündigung durch den Arbeitgeber zu Ende Febr. 2017 (also bei Einbehalt der letzten Rate durch den Arbeitgeber) dazu führen, dass die Mehrkosten komplett beglichen wären, der Leasingvertrag jedoch noch 2 Jahre weiterlaufen würde, was eine unangemessene Benachteiligung des Klägers iSd § 307 I 1 BGB darstellt. Denn der Kläger hätte in diesem Fall die Mehrkosten zwar komplett bezahlt, er könnte jedoch für 2 Jahre das Kfz und damit die Sonderausstattung nicht nutzen. Zu sehen ist hierbei, dass allein das Stellen unbilliger Vertragsbedingungen von der AGB-Kontrolle sanktioniert wird unter Außerachtlassung, wie sich die Vertragsbedingung im konkreten Fall auswirkt. Folglich führt das Argument der Beklagten, dass der Kläger das Auto in 34 Monaten der 36monatigen Leasinglaufzeit nutzen konnte, nicht zur Angemessenheit der Vertragsbedingungen. Die vom BAG missbilligte Praxis des Arbeitgebers, den Arbeitnehmer für Leasingraten zahlen zu lassen, auch wenn er das Auto nicht mehr benutzen kann, liegt bei der vorliegenden Vertragsgestaltung gleichermaßen vor.
b) Der Anspruch ist nicht wegen einer Ausschlussfrist erloschen.
Die arbeitsvertragliche Ausschlussfrist (vgl. § 10 Arbeitsvertrag) ist als AGB nach § 307 I 1 BGB unwirksam, da sie den vom BAG festgesetzten Zeitraum nicht einhält. Das BAG hat entschieden, dass eine Ausschlussfrist mindestens 3 Monate betragen muss (BAG v. 28.9.2005, 5 AZR 52/05). § 10 Arbeitsvertrag enthält jedoch eine Ausschlussfrist von nur 2 Monaten.
Der Manteltarifvertrag Groß- und Außenhandel Bayern ist nicht einschlägig (und damit auch nicht die darin enthaltene Ausschlussfrist), da bereits der Geltungsbereich des Tarifvertrags nicht eröffnet ist. Denn es ist nicht ersichtlich ist und auch nicht vorgetragen, dass die Beklagte einen Betrieb in Bayern unterhält. Soweit die Beklagte auf das häusliche Büro des Klägers und auf den Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses abstellt, verkennt sie, dass der Manteltarifvertag ausweislich seines Wortlauts in § 1 hinsichtlich seines Geltungsbereich eindeutig lediglich auf Betriebe in Bayern abstellt. Folglich bleibt kein Raum für eine Ausweitung des Anwendungsbereichs auf Fallgestaltungen, in denen der Schwerpunkt des Arbeitsverhältnisses in Bayern liegt – ohne dass es jedoch einen Betrieb in Bayern gibt.
Es liegt auch kein Verfall des Anspruchs vor wegen der Ausschlussfrist des Manteltarifvertrags Groß- und Außenhandel Hessen in § 19. Denn ein solcher Verfall setzt nach § 19 Abs. 3 iVm § 22 den Aushang des Manteltarifvertrags im Betrieb voraus. Ein solcher Aushang wurde beklagtenseits nicht vorgetragen, sodass bereits aus diesem Grund ein Verfall nach hessischem Manteltarifvertrag nicht ersichtlich ist. Es wäre Sache der Beklagten gewesen, sämtliche Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der Ausschlussfrist vorzutragen (vgl. Natter/Gross, ArbGG Kommentar, 2. Aufl., § 58 ArbGG, Rn. 92).
c) Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 291 BGB.
2. Es besteht kein Anspruch des Klägers auf die Provisionen bzw. auf die Prämie.
a) Der Kläger beruft sich bezüglich der Provision hinsichtlich des Geräts S.S. darauf, dass dieses Gerät durch seine Tätigkeit an eine Firma in Österreich geliefert wurde und er neben Bayern auch Gebietsverkaufsleiter für Österreich sei, so dass ein Anspruch aus der Provisionsregelung 2018 bestehe. Die Klage ist insoweit unschlüssig, als dass die Provisionsregelung 2018 nur Bayern (und davon auch nur bestimmte Postleitzahlen) erfasst. Es ist nicht ersichtlich, warum allein aufgrund der Bezeichnung des Klägers als Verkaufsleiter Österreich die für Bayern geltende Provisionsregelung 2018 analog gelten sollte. Auch wenn – wie der Kläger behauptet – andere Verkäufe nach Österreich in der Vergangenheit verprovisioniert werden sollten, fehlt es an ausreichend substantiiertem Vortrag, warum eine konkludente Provisionsabrede (mit welchen genauen Bedingungen) für sämtliche Verkäufe nach Österreich (ungeachtet der räumlichen Reichweite der Vertriebsrechte der Beklagten) geschlossen wurde. Folglich ist es auch nicht widersprüchlich, dass die Beklagte im Zusammenhang mit dem Gerät S.S. die Lieferung eines Geräts nach Österreich alleine nicht für die Verprovisionierung ausreichen lassen möchte. Denn es ist bereits dem Grunde nach nicht ersichtlich, auf welche Anspruchsgrundlage der Kläger sich stützen möchte, soweit es um nach Österreich gelieferte Produkte geht, da die Provisionsregelung 2018 nicht einschlägig ist, da sich diese nur auf Bayern (und davon nur bestimmte Postleitzahlen) bezieht.
b) Der Kläger beruft sich hinsichtlich der Provision hinsichtlich des Geräts I.I. darauf, dass er alleine den Kunden R.R. Bayern Kreisverband Würzburg bei Vertragsschluss betreut habe und sich der Provisionsanspruch aus der Provisionsregelung 2018 ergebe. Die Postleitzahl von Würzburg (97070) findet sich jedoch nicht auf der Provisionsregelung 2018, da sich diese lediglich auf die Postleitzahlen 80000-87999 und 90000-94999 bezieht. Folglich besteht kein Provisionsanspruch. Auch besteht kein Anspruch unter dem Aspekt der Regelung innerhalb der Provisionsregelung 2018 (vgl. Ziffer 8 der Provisionsregelung), wonach bei Wechsel des Kunden in ein anderes Verkaufsgebiet eine Provision nach Unterstützungsgrad gezahlt werden kann, wenn der zuständige Kollege erheblich unterstützt wurde. Es ist hierbei weder vorgetragen noch ersichtlich, wie der für Würzburg zuständige Kollege Herrn P.P. vom Kläger unterstützt worden ist. Der bloße Hinweis, dass die Regelung unklar sei und dass dies zu Lasten des Arbeitgebers gehe, führt nicht zur Bejahung eines diesbezüglichen Anspruchs, da Rechtsfolge des § 307 I 2 BGB lediglich die Unwirksamkeit der Regelung wäre – deren Intransparenz zu Gunsten des Klägers unterstellt.
c) Auch im Übrigen bestehen keine Provisionen im Hinblick auf die klägerseits geltend gemachten Abzugsposten (490,48 €, 145,63 €, 60,61 € und 40,21 €). Denn es ist bereits nicht nachvollziehbar, welche Posten der Kläger genau einklagen möchte, da die Summe dieser Posten nicht 585,24 € beträgt, sondern 736,93 €. Zudem fehlt es an einem schlüssigen Vortrag, welche genauen Geschäfte von welchem Datum mit welcher Firma aufgrund welcher Berechnung verprovisioniert werden sollen.
d) Es besteht kein Anspruch auf die Prämie. Da die vorstehenden Provisionsansprüche nicht bestehen, scheidet auch eine Jahresendzielerreichung iSd § 9.2 der Provisionsregelung 2018 aus. Denn selbst nach Vortrag des Klägers ist es für die Zielerreichung erforderlich, dass zumindest eine der vorstehenden Provisionen geschuldet ist. Dies ist jedoch nicht der Fall.
II.
Die Widerklage ist zulässig, jedoch unbegründet. Der Vortrag der Beklagten enthält keine Tatsachenbehauptungen, warum die einschlägige Ausschlussfrist (vgl. § 10 des Arbeitsvertrags) gewahrt sein soll. Dies gehört jedoch zum unverzichtbaren Vortrag, der zur Schlüssigkeit der Klage gehört (BAG BeckRS 2006, 42741). Die Klausel ist zwar AGBrechtlich unwirksam, da sie lediglich einen Zeitraum von 2 Monaten vorgibt und damit den Mindestzeitraum nach der BAG-Rechtsprechung von 3 Monaten nicht einhält (vgl. BAG v. 28.09.2005, 5 AZR 52/05). Auf die Unwirksamkeit kann sich der Arbeitgeber jedoch nicht berufen, da er selbst die Klausel gestellt hat und folglich die Berufung auf die Unwirksamkeit der Klausel widersprüchlich und treuwidrig wäre (BAG NZA 2006, 257).
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 II ArbGG, 92 I 1 ZPO.
IV.
Die Streitwertfestsetzung erfolgte nach § 61 I ArbGG, §§ 3 ff. ZPO.


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