Arbeitsrecht

Auslegung des Haustarifvertrags – Weitergabe dynamischer Entgelterhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD

Aktenzeichen  5 AZR 180/18

Datum:
19.2.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2020:190220.U.5AZR180.18.0
Normen:
§ 1 TVG
§ 259 ZPO
Spruchkörper:
5. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Magdeburg, 8. August 2016, Az: 2 Ca 184/16 HBS, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt, 23. Oktober 2017, Az: 4 Sa 298/16, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt vom 23. Oktober 2017 – 4 Sa 298/16 – teilweise aufgehoben. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 8. August 2016 – 2 Ca 184/16 HBS – teilweise abgeändert. Die Klage wird bezüglich des Klageantrags zu 2. abgewiesen. Im Übrigen werden die Berufung und die Revision der Beklagten zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat 68 % und die Beklagte 32 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe des Arbeitsentgelts und in diesem Zusammenhang über die Frage, ob die Beklagte nach dem zwischen ihr und der Gewerkschaft ver.di am 31. Januar 2006 abgeschlossenen und auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren Haustarifvertrag für die Beschäftigten des A Klinikums (iF HausTV) oder aufgrund betrieblicher Übung verpflichtet ist, an die Klägerin dynamische Entgeltsteigerungen entsprechend den Entgelttabellen des TVöD weiterzugeben.
2
Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Zahlung der Entgelterhöhung für die Zeit von März 2014 bis Dezember 2015 sowie eine Verurteilung der Beklagten zur künftigen Zahlung von Entgelt entsprechend dem TVöD-VKA gefordert. Sie hat die Auffassung vertreten, der HausTV enthalte eine dynamische Bezugnahme auf die Entgeltregelungen des TVöD. Die Beklagte sei daher verpflichtet, die entsprechenden Tariferhöhungen weiterzugeben. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch aus betrieblicher Übung.
3
Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
        
1.    
die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.179,69 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz in näher bestimmter Staffel zu zahlen,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, an sie über den 1. Januar 2016 hinaus ein Gehalt nach 97 % der Entgeltgruppe 3 Stufe 6 TVöD-VKA anteilig für eine 35-Stunden-Woche in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen.
4
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
5
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

6
Der Revision ist teilweise begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zu Unrecht vollständig zurückgewiesen. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der tariflichen Entgelterhöhung aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen iVm. dem HausTV iHv. 2.179,69 Euro brutto nebst Zinsen. Die Klage auf künftige Leistung ist jedoch unzulässig. Das Berufungsurteil ist daher teilweise aufzuheben, auf die Berufung der Beklagten das erstinstanzliche Urteil diesbezüglich abzuändern und die Klage insoweit abzuweisen.
7
I. Die Klägerin hat Anspruch auf Zahlung der Entgelterhöhung iHv. insgesamt 2.179,69 Euro brutto aus den arbeitsvertraglichen Vereinbarungen iVm. § 2 Abs. 1 Buchst. a iVm. § 3 Abs. 1 Buchst. c, Abs. 4 HausTV. Dies folgt aus der Auslegung der tariflichen Bestimmungen (im Einzelnen BAG 19. Februar 2020 – 5 AZR 179/18 – Rn. 17 ff.). Der Anspruch ist der Höhe nach vollständig begründet. Der Forderungsbetrag ist zwischen den Parteien unstreitig.
8
II. Der Zinsanspruch beruht auf § 288 Abs. 1, § 286 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB. Der Klägerin stehen nach § 187 Abs. 1 BGB Verzugszinsen ab dem Tag nach Eintritt der Fälligkeit zu. Die Fälligkeit bestimmt sich nach § 2 Abs. 1 Buchst. a HausTV iVm. § 24 Abs. 1 Sätze 2 und 3 TVöD.
9
III. Der Revision der Beklagten ist in Bezug auf den Antrag auf künftige Leistung stattzugeben und das Urteil des Landesarbeitsgerichts insoweit aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Klage auf künftige Leistung ist unzulässig.
10
1. Ein auf die Vornahme einer künftigen Handlung gerichteter Antrag ist nach § 259 ZPO nur zulässig, wenn den Umständen nach die Besorgnis gerechtfertigt ist, der Schuldner werde sich der rechtzeitigen Leistung entziehen. § 259 ZPO ermöglicht aber nicht die Verfolgung eines erst in der Zukunft entstehenden Anspruchs. Er setzt vielmehr voraus, dass der geltend gemachte Anspruch bereits entstanden ist (vgl. BAG 27. Oktober 2010 – 7 ABR 36/09 – Rn. 13; BGH 12. Juli 2006 – VIII ZR 235/04 – Rn. 11).
11
2. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Es fehlt bereits an der Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin. Allein das Bestreiten der vom Arbeitnehmer beanspruchten Forderungen durch den Arbeitgeber reicht hierfür nicht aus. Nur weil die Beklagte aufgrund ihrer Auslegung des HausTV bisher Zahlungen ablehnte, kann nicht davon ausgegangen werden, sie werde sich, trotz einer Verurteilung zur Zahlung bereits fälliger Forderungen, künftig der rechtzeitigen Leistung entziehen (vgl. BAG 30. Januar 2019 – 5 AZR 450/17 – Rn. 38 mwN, BAGE 165, 168). Weitere Anhaltspunkte, die eine Besorgnis der Leistungsverweigerung zum Fälligkeitstermin begründen könnten, hat die Klägerin nicht dargelegt. Darüber hinaus waren die von der Klägerin geltend gemachten künftigen Ansprüche im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz am 23. Oktober 2017 bereits teilweise entstanden. In diesem Umfang hätte die Klägerin ihre Ansprüche entweder konkret beziffern oder auf Feststellung der Zahlungspflicht klagen müssen (zur Zulässigkeit einer Feststellungsklage insoweit BAG 14. März 2019 – 6 AZR 339/18 – Rn. 20; 19. Februar 2019 – 3 AZR 219/18 – Rn. 15). Für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht waren Vergütungsansprüche der Klägerin noch nicht entstanden. Diese entstehen erst mit Erbringung der Arbeitsleistung, weil der Vertrag durch Kündigung beendet werden kann oder der Arbeitnehmer die ihm obliegende Leistung, ohne Vorliegen der Voraussetzungen, unter denen ein Anspruch auf Vergütung ohne Arbeitsleistung gegeben wäre, verweigern kann. Der Abschluss des Arbeitsvertrags reicht für die Entstehung des Anspruchs nicht aus. Für die Zeit nach Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht hätte die Klägerin daher auf Feststellung der Zahlungspflicht klagen müssen. Der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage steht dem nicht entgegen. Dieser gilt nicht, wenn eine Leistungsklage nur nach § 259 ZPO als Klage auf zukünftige Leistung möglich wäre (vgl. BAG 6. Mai 2009 – 10 AZR 313/08 – Rn. 27).
12
IV. Nach § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die Klägerin 68 % und die Beklagte 32 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
        
    Linck    
        
    Berger    
        
    Volk    
        
        
        
    Dombrowsky    
        
    Mattausch    
        
        


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