Arbeitsrecht

Beitragspflichten zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft – Lüftungsbau – “Sowohl-als-auch-Tätigkeiten” – Gewerbefachmann – Montagebau – Abgrenzung einer handwerklichen von einer industriellen Herstellung

Aktenzeichen  10 AZR 34/19

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:280421.U.10AZR34.19.0
Normen:
§ 7 Abs 1a HwO
§ 7b HwO
§ 8 HwO
§ 7 SokaSiG
Anl 26 SokaSiG
§ 1 Abs 1 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 1 Abs 2 Abschn II VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 13 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 1 Abs 2 Abschn V Nr 37 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 1 Abs 2 Abschn VII Nr 12 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 1 Abs 3 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 15 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 16 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 18 VTV-Bau vom 24.11.2015
§ 7 Abs 2 HwO
§ 7 Abs 7 HwO
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Wiesbaden, 19. Oktober 2017, Az: 5 Ca 1874/16, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 13. November 2018, Az: 12 Sa 1642/17, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 13. November 2018 – 12 Sa 1642/17 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft.
2
Der Kläger ist eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Er verlangt von der Beklagten für Januar bis Dezember 2016 Beiträge für gewerbliche Arbeitnehmer und Angestellte auf der Grundlage des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF vom 24. November 2015 (VTV 2015). Der Senat hat die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV 2015 für wirksam befunden (BAG 20. November 2018 – 10 ABR 12/18 -).
3
Die Beklagte unterhält in Frickenhausen einen Betrieb, dessen Arbeitnehmer zu mehr als 50 % der betrieblichen Arbeitszeit Lüftungskanäle montieren. Dem Geschäftsführer der Beklagten W wurde am 4. September 2007 von der Handwerkskammer eine Ausnahmebewilligung zur Eintragung in die Handwerksrolle nach § 8 Handwerksordnung (HwO) für das Installateur- und Heizungsbauerhandwerk erteilt, die auf den Lüftungsbau beschränkt ist. Der Geschäftsführer der Beklagten W kontrolliert die Arbeitnehmer und überwacht sie, wenn sie Aufträge durchführen. Ausgebildete Lüftungsbauer oder Heizungsinstallateure beschäftigt die Beklagte nicht. Die verbauten Lüftungskanäle werden nach Plänen der Beklagten von einem Drittunternehmen für die einzelnen Bauvorhaben individuell hergestellt.
4
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Betrieb der Beklagten sei im Jahr 2016 in den betrieblichen Geltungsbereich des VTV 2015 gefallen. Die in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer führten arbeitszeitlich überwiegend, dh. zu mehr als 50 % ihrer persönlichen Arbeitszeit, die zusammengerechnet auch mehr als 50 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit ausmache, bauliche Tätigkeiten iSv. § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV 2015 aus. Die Voraussetzungen für eine Ausnahme des Betriebs der Beklagten vom betrieblichen Geltungsbereich nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV 2015 seien nicht gegeben. Die Beklagte verrichte sogenannte „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“, die nicht dazu führten, dass ihr Betrieb dem Lüftungsbauergewerbe zuzurechnen sei. Der Geschäftsführer der Beklagten W könne nicht als Fachmann des ausgenommenen Lüftungsbauergewerbes angesehen werden. Die Beklagte beschäftige keine ausgebildeten Lüftungsbauer oder Heizungsinstallateure. Im Übrigen sei der Betrieb auch aufgrund der Rückausnahme in § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV 2015 vom betrieblichen Geltungsbereich erfasst, weil überwiegend Fertigbauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 oder Montagebauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV 2015 versehen würden.
5
Der Kläger hat beantragt,
        
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 92.488,19 Euro zu zahlen.
6
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie führe einen Betrieb des Lüftungsbauergewerbes, der nach § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV 2015 vom betrieblichen Geltungsbereich ausgenommen sei. Für die in ihrem Betrieb ausgeführten „Sowohl-als-auch-Tätigkeiten“ komme es entscheidend darauf an, dass die Arbeiten von einem Fachmann des ausgenommenen Gewerks angeleitet würden. Der Geschäftsführer W sei ein solcher Fachmann. Das ergebe sich aus der Ausnahmebewilligung nach § 8 HwO. Sie führe keine Fertigbau- oder Montagebauarbeiten nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 13 oder 37 VTV 2015 aus, sodass sie nicht unter die Rückausnahme des § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 12 VTV 2015 falle.
7
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.


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