Arbeitsrecht

Betriebsrentenansprüche – Kapitalisierung – Abzinsungsfaktor

Aktenzeichen  3 AZR 317/20

Datum:
18.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:180521.U.3AZR317.20.0
Spruchkörper:
3. Senat

Leitsatz

Bei der Kapitalisierung von Betriebsrentenansprüchen, die der Pensions-Sicherungs-Verein VVaG als Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung in der Insolvenz des ehemaligen Arbeitgebers aufgrund übergegangenen Rechts geltend macht, ist der gesetzliche Zinssatz anzuwenden, um den Vorteil der sofortigen Fälligkeit auszugleichen.

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Reutlingen, 28. Januar 2020, Az: 7 Ca 251/19, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, 16. Juni 2020, Az: 15 Sa 2/20, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 16. Juni 2020 – 15 Sa 2/20 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 28. Januar 2020 – 7 Ca 251/19 – abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Höhe des Abzinsungszinssatzes bei der Kapitalisierung von Betriebsrentenansprüchen, die der Kläger aus übergegangenem Recht im Insolvenzverfahren geltend macht.
2
Der klagende Pensions-Sicherungs-Verein VVaG ist Träger der gesetzlichen Insolvenzsicherung der betrieblichen Altersversorgung nach § 14 Abs. 1 BetrAVG. Der Beklagte ist der gerichtlich bestellte Insolvenzverwalter in dem am 1. Oktober 2017 beim Amtsgericht Hechingen eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der E GmbH (- 10 IN 111/17 -). Diese hatte ihren Arbeitnehmern Betriebsrentenzusagen als unmittelbare Versorgungszusagen erteilt.
3
Im Insolvenzverfahren meldete der Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2017 gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 BetrAVG auf ihn übergegangene Betriebsrentenansprüche aus diesen Zusagen an und berichtigte diese Anmeldung mit Schreiben vom 10. Januar 2018. Die Summe der angemeldeten Ansprüche bezifferte der Kläger auf der Grundlage eines versicherungsmathematischen Gutachtens mit 287.886,00 Euro. Dieser Summe liegt ein Abzinsungssatz von 3,74 vH zugrunde, was dem handelsbilanzrechtlich nach § 253 Abs. 2 Satz 2 und Satz 4 HGB iVm. § 1 Satz 1 der Rückstellungsabzinsungsverordnung für die Abzinsung von Pensionsrückstellungen – optional anwendbaren – Zinssatz für Oktober 2017 entspricht.
4
Der Beklagte hat die angemeldete Forderung überwiegend anerkannt, iHv. 3.833,00 Euro allerdings bestritten. Die Differenz ergibt sich daraus, dass der Beklagte auf der Basis ebenfalls eines versicherungsmathematischen Gutachtens den gesetzlichen Zinssatz von 4 vH gemäß § 246 BGB als Abzinsungssatz zugrunde legte.
5
Mit seiner Klage hat der Kläger die Feststellung auch des streitigen Differenzbetrags zur Tabelle begehrt. Er hat die Auffassung vertreten, bei der nach § 45 InsO vorzunehmenden Schätzung des Barwerts habe der Ausgleich des Vorteils der sofortigen Fälligkeit der Betriebsrentenansprüche durch Anwendung des Zinssatzes nach § 253 Abs. 2 HGB zu erfolgen. Maßgeblich seien nämlich die Kapitalanlagemöglichkeiten. Der Zinssatz des § 253 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 HGB sei daher im Gegensatz zu dem starren gesetzlichen Zinssatz gemäß § 41 Abs. 2 InsO für die Abzinsung geeignet und angemessen. Der gesetzliche Zinssatz komme auch deshalb nicht in Betracht, weil § 46 Satz 2 InsO für die Wertberechnung bei unbestimmten Leistungen nicht auf § 41 InsO verweise.
6
Der Kläger hat beantragt,
        
über den bereits vom Beklagten festgestellten Betrag von 297.667,99 Euro hinaus weitere 3.833,00 Euro zur Insolvenztabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen der E GmbH zur laufenden Nr. 98 der Insolvenztabelle festzustellen.
7
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, § 46 Satz 1 InsO konkretisiere die Schätzung nach § 45 InsO und verweise auf den gesetzlichen Zinssatz, also auf § 246 BGB. § 46 Satz 2 InsO erweitere diese Berechnungsart lediglich auf die wiederkehrenden Leistungen, deren Dauer unbestimmt sei. Hingegen fehle es an jedem Anhaltspunkt im Gesetz für eine Anwendung des Zinssatzes in § 253 Abs. 2 HGB.
8
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben, das Landesarbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Mit seiner Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben