Arbeitsrecht

Betriebsübergang – Verwirkung des Widerspruchsrechts

Aktenzeichen  8 AZR 982/07

Datum:
22.4.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 613a Abs 1 BGB
§ 613a Abs 2 BGB
§ 613a Abs 5 BGB
§ 613a Abs 6 S 1 BGB
§ 242 BGB
§ 425 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
8. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG München, 17. Januar 2007, Az: 31 Ca 1709/06, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht München, 31. Juli 2007, Az: 8 Sa 220/07, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 31. Juli 2007 – 8 Sa 220/07 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten in der Revisionsinstanz darüber, ob zwischen ihnen über den 1. November 2004 hinaus ein Arbeitsverhältnis fortbesteht und ob demzufolge die Beklagte dem Kläger für die Zeit danach Verdienstausfall zu ersetzen hat.
2
Der Kläger war seit dem 1. September 1978 bei der Beklagten, zuletzt als Analyst im Bereich C I(CI) beschäftigt. Sein letztes Bruttomonatsgehalt belief sich auf 3.789,29 Euro.
3
Dieser Geschäftsbereich verzeichnete seit mehreren Jahren Umsatzrückgänge, welche die Beklagte zu Personalabbaumaßnahmen veranlassten. Am 14. Oktober 2004 vereinbarte die Beklagte mit ihrem Betriebsrat einen Interessenausgleich. Dieser regelte ua., dass Mitarbeiter, die von dem geplanten Personalabbau betroffen sein würden, Abfindungszahlungen erhalten sollten.
4
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2004 informierte die Beklagte den Kläger über die beabsichtigte Übertragung des Geschäftsbereichs CI auf die A GmbH. In diesem Schreiben heißt es ua.:
        
„…
        
die A-G AG plant, den Geschäftsbereich C I (CI) mit Wirkung zum 1. November 2004 auf die A GmbH zu übertragen.
        
Für die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter, die dem Geschäftsbereich CI zugeordnet sind, führt diese Übertragung zu einem automatischen Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse. Dies ist in § 613 a BGB geregelt, dessen Bestimmungen auf den Übergang zwingend anwendbar sind. § 613 a Absatz 5 BGB sieht eine schriftliche Information des von einem solchen Übergang betroffenen Arbeitnehmers vor, der nach § 613 a Absatz 6 BGB dem Übergang auch widersprechen kann.
        
Diese Bestimmungen lauten:
        
        
‚Der bisherige Arbeitgeber oder der neue Inhaber hat die von einem Übergang betroffenen Arbeitnehmer vor dem Übergang in Textform zu unterrichten über:
        
        
1.   
den Zeitpunkt oder den geplanten Zeitpunkt des Übergangs,
        
        
2.   
den Grund für den Übergang,
        
        
3.   
die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer und
        
        
4.   
die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.
        
        
Der Arbeitnehmer kann dem Übergang des Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5 schriftlich widersprechen. Der Widerspruch kann gegenüber dem bisherigen Arbeitgeber oder dem neuen Inhaber erklärt werden.’
        
Ihr Arbeitsverhältnis ist dem Geschäftsbereich CI zugeordnet und würde deshalb mit dem 1. November 2004 auf A GmbH übergehen.
        

        
1.       
Zum geplanten Zeitpunkt des Übergangs:
        
        
Das Datum des geplanten Übergangs ist der 1. November 2004.
        
2.       
Zum Grund für den Übergang:
        
        
Grund des Übergangs ist die rechtliche Verselbständigung des Geschäftsbereichs CI in der A GmbH und deren anschließende Veräußerung an N GmbH.
        
        
A GmbH mit Sitz in L umfasst das gesamte bisherige CI-Geschäft der A-G AG, also die Geschäftsfelder Film, Finishing und Laborgeräte. A GmbH übernimmt das Vermögen von CI. Hierzu gehören insbesondere Produktionsanlagen, Markenzeichen, Patente und technologisches Know-how, Vorräte und Forderungen.
        
        

        
        
Das Unternehmen wird mit einem guten Eigenkapital ausgestattet und verfügt über hohe Liquidität, um unerwartet auftretende Risiken bewältigen, in neue Geschäfte investieren und Marktchancen besser nutzen zu können.
        
3.       
Zu den rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs für die Arbeitnehmer:
        
        
Mit dem Übergang des Geschäftsbereichs CI tritt A GmbH in die bestehenden, unveränderten Arbeitsverhältnisse ein. Zur Klärung und Regelung der Einzelheiten haben A-G AG, A GmbH, Gesamtbetriebsrat der A-G AG sowie die örtlichen Betriebsräte am 24. September 2004 eine Überleitungsvereinbarung ‚zur Klärung der rechtlichen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse betroffener Arbeitnehmer, auf die kollektiv-rechtlichen Regelungen sowie auf die betriebsverfassungsrechtlichen Strukturen’ abgeschlossen, die davon geprägt ist, so weit wie möglich Kontinuität zu wahren:
        
        
–       
Die bei der A-G AG verbrachten und/ oder von ihr anerkannten Dienstjahre werden als Dienstzeit bei A GmbH anerkannt.
        
        
–       
Die Zugehörigkeit zu den Arbeitgeberverbänden der Chemischen Industrie wird auch bei A GmbH bestehen, d.h. es bleibt bei den Chemie-Tarifen.
        
        

        
5.       
Zu Ihrer persönlichen Situation:
        
        
Ihr Arbeitsverhältnis wird von dem geplanten Personalabbau gemäß Ziffer 4 nicht betroffen sein.
        
6.       
Zum Widerspruchsrecht:
        
        
Sie haben das Recht, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH binnen einer Frist von einem Monat ab Zugang dieses Schreibens schriftlich zu widersprechen.
        
        
Die Erklärung kann nicht einseitig zurückgenommen oder widerrufen werden. Sie kann auch nicht an eventuelle Bedingungen geknüpft werden.
        
        
Sollten Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses widersprechen wollen, müsste das schriftlich mit einer von Ihnen unterschriebenen Erklärung innerhalb dieser Frist erfolgen. Eventuelle Widerspruchsschreiben richten Sie bitte ausschließlich an:
        
        

        
7.       
Zu den Folgen eines Widerspruchs:
        
        
Im Falle eines fristgerechten Widerspruchs bleibt Ihr Arbeitsverhältnis bei der A-G AG und geht nicht auf die A GmbH über.
        
        
Da nach dem Übergang des vollständigen Geschäftsbereichs CI auf A GmbH Ihr bisheriger Arbeitsplatz bei A-G AG nicht mehr vorhanden sein wird und eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit nicht besteht, müssen Sie daher im Falle der Ausübung Ihres Widerspruchsrechts mit der Kündigung Ihres Arbeitsverhältnisses durch A-G AG rechnen.
        
        
Wir weisen Sie ausdrücklich darauf hin, dass nach der eindeutigen Regelung in der mit dem Gesamtbetriebsrat der A-G AG und den örtlichen Betriebsräten vereinbarten Überleitungsvereinbarung in diesem Fall kein Anspruch auf eine Abfindung besteht, weder gegenüber der A-G AG, noch gegenüber A GmbH.
        
        
Im Falle eines Widerspruchs müssen Sie deshalb damit rechnen, Ihren Arbeitsplatz ohne jede finanzielle Leistung zu verlieren. Außerdem sind bei einer eventuellen Arbeitslosigkeit nach einem Widerspruch Ihre Ansprüche auf Leistungen der Agentur für Arbeit in Frage gestellt.
        
        
Wir empfehlen Ihnen daher dringend, von einem Widerspruch abzusehen.
        
        
…“
5
Mit Wirkung zum 1. November 2004 wurde der Geschäftsbereich CI ausgegliedert und auf die neu gegründete A GmbH übertragen. Der Kläger widersprach dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses zunächst nicht und erbrachte seine Arbeitsleistung bei der A GmbH.
6
Im Mai 2005 stellte die A GmbH Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens, welches am 1. August 2005 eröffnet wurde.
7
Mit Formschreiben vom 13. Juli 2005 rügte der Kläger, das Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004 sei offensichtlich unzutreffend und daher nicht geeignet gewesen, den Lauf der Widerspruchsfrist auszulösen. Der Kläger forderte eine vollständige und wahrheitsgemäße Information gemäß dem Gesetz, nach deren Eingang er die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses treffen werde.
8
Unter dem 27. August 2005 kündigte die A GmbH das Arbeitsverhältnis zum Kläger aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum 30. November 2005. Gegen diese Kündigung erhob der Kläger keine Kündigungsschutzklage.
9
Mit Schreiben vom 25. Januar 2006 widersprach er gegenüber der Beklagten dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH. Zum 1. Mai 2006 hat der Kläger ein neues Arbeitsverhältnis bei einem anderen Arbeitgeber begründen können. Seinen Verdienstausfall für die Zeit ab Anfang August 2005 bis 30. April 2006 beziffert er auf 12.737,74 Euro.
10
Der Kläger meint, er habe dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die A GmbH noch im Januar 2006 wirksam widersprechen können, weil er bis dahin nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über den Betriebsübergang unterrichtet worden sei.
11
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
        
1.   
festzustellen, dass sein Arbeitsverhältnis mit der Funktion System-Analyst in der Niederlassung der Beklagten, M, über den 31. Oktober 2004 hinaus fortbesteht;
        
2.   
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 12.737,74 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
12
Die Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt und sich dabei darauf berufen, ihr Informationsschreiben vom 22. Oktober 2004 habe den gesetzlichen Erfordernissen genügt. Infolgedessen sei der Widerspruch des Klägers verspätet, jedenfalls aber verwirkt.
13
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb vor dem Landesarbeitsgericht ohne Erfolg. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine Anträge weiter.


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