Aktenzeichen M 17 K 15.4764
BayKiBiG BayKiBiG Art. 22
Leitsatz
Da § 17 Abs. 4 AVBayKiBiG, der die Förderkürzung regelt, explizit auf § 17 Abs. 2 AVBayKiBiG und damit auf den dort festgeschriebenen Qualifikationsschlüssel Bezug nimmt, ist bereits dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift zu entnehmen, dass die Einhaltung des Qualifikationsschlüssels des § 17 Abs. 2 AVBayKiBiG Fördervoraussetzung ist. (redaktioneller Leitsatz)
Der Einsatz von besonders qualifizierten Mitarbeitern in ausreichender Anzahl ist Fördervoraussetzung für Kindertagesstätten, da die Qualifikation der Mitarbeiter eine essentielle Voraussetzung für den ordnungsgemäßen Betrieb der Einrichtung, vor allem aber für die Wahrung des Kindeswohls ist. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der Bescheid vom 17. Dezember 2013 und der Widerspruchsbescheid vom 25. September 2015 rechtmäßig sind und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzen (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Dieser hat keinen Anspruch auf die Bewilligung weiterer Fördermittel bzw. auf Neuverbescheidung seines Antrags vom 22. Oktober 2013 (vgl. § 113 Abs. 5 VwGO).
I. Die Beklagte hat die Endabrechnung der kindbezogenen Förderung für das Betriebsjahr 2012/2013 zu Recht auf 14.018,11 € festgesetzt.
1. Träger von Kindertageseinrichtungen haben nach Art. 18 des Bayerischen Gesetzes zur Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindergärten, anderen Kindertageseinrichtungen und in Tagespflege (Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz – BayKiBiG) unter den Voraussetzungen des Art. 19 BayKiBiG und nach Maßgabe von Art. 22 BayKiBiG einen kindbezogenen Förderanspruch gegenüber den Gemeinden, in denen die Kinder ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Sinn des § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I haben (Aufenthaltsgemeinden). Gemäß Art. 19 Nr. 5 BayKiBiG in der bis 31. Dezember 2012 geltenden Fassung bzw. Art. 19 Nr. 10 BayKiBiG in der ab 1. Januar 2013 anzuwendenden Fassung setzt der Förderanspruch unter anderem voraus, dass der Träger der Einrichtung die Vorschriften des BayKiBiG und die aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschriften beachtet.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerseite gehört auch die Einhaltung des sogenannten Qualifikationsschlüssels des § 17 Abs. 2 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes (AVBayKiBiG) in der vom 1. September 2012 bis 31. August 2013 geltenden und damit hier anzuwendenden Fassung zu den vom Träger einzuhaltenden Fördervoraussetzungen des Art. 19 Nr. 5 bzw. 10 BayKiBiG.
2.1 Gemäß § 17 AVBayKiBiG ist zur Absicherung des Einsatzes ausreichenden pädagogischen Personals für je 11,0 Buchungszeitstunden der angemeldeten Kinder jeweils mindestens eine Arbeitsstunde des pädagogischen Personals anzusetzen (Anstellungsschlüssel von 1:11,0); empfohlen wird ein Anstellungsschlüssel von 1:10 (Abs. 1 Satz 1). Mindestens 50 v. H. der danach erforderlichen Arbeitszeit des pädagogischen Personals ist von pädagogischen Fachkräften zu leisten (Abs. 2 Satz 1). Ein Abweichen der tatsächlichen Beschäftigung von der nach den Abs. 1 bis 3 erforderlichen Arbeitszeit des pädagogischen Personals ist im Krankheitsfall, bei Ausscheiden von pädagogischem Personal oder bei sonstigen Fehlzeiten für die Dauer eines Kalendermonats förderunschädlich. Eine längere Fehlzeit führt – unabhängig von der tatsächlichen Anwesenheit der Kinder – für jeden weiteren begonnenen Kalendermonat zu einem Abzug in Höhe des auf den jeweiligen Kalendermonat entfallenden Förderbetrags der Einrichtung. In Härtefällen kann mit Zustimmung des Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen ganz oder teilweise von der Förderkürzung abgesehen werden (Abs. 4).
2.2 Da § 17 Abs. 4 AVBayKiBiG, der die Förderkürzung regelt, explizit auf § 17 Abs. 2 AVBayKiBiG und damit auf den dort festgeschriebenen Qualifikationsschlüssel Bezug nimmt, ist bereits dem eindeutigen Wortlaut dieser Vorschrift zu entnehmen, dass die Einhaltung des Qualifikationsschlüssels des § 17 Abs. 2 AVBayKiBiG Fördervoraussetzung ist (vgl. a. Dunkl/Eirich, Bayerisches Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz, 3. Aufl. 2013, § 17 AVBayKiBiG Anm. 4.1; Jung/Lehner, BayKiBiG, 2. Aufl. 2009, § 17 AVBayKiBiG Anm. 6.a).
Dies ergibt sich aber auch aus dem Sinn und Zweck der Art. 18, 19 BayKiBiG, wonach nur diejenigen Träger von Kindertageseinrichtungen einen Förderanspruch haben sollen, die bestimmten Qualitätsanforderungen genügen. Die Qualifikation der Mitarbeiter und damit auch der Qualifikationsschlüssel ist aber gerade eine essentielle Voraussetzung für den ordnungsgemäßen Betrieb der Einrichtung, vor allem aber für die Wahrung des Kindeswohls (vgl. Art. 10ff. BayKiBiG).
Bestätigt wird dieses Ergebnis im Übrigen auch durch die amtliche Begründung zum BayKiBiG-Entwurf (LT-Drs. 15/2479, S. 22), in dem zu Art. 19 BayKiBiG unter anderem Folgendes ausgeführt wird:
„Besonders hervorzuheben ist hierbei die Einhaltung des durch Ausführungsverordnung (Art. 30) festzulegenden Anstellungsschlüssels. Der Anstellungsschlüssel sichert im Interesse der Bildungs- und Erziehungsarbeit in Kindertageseinrichtungen einen ausreichenden und einen qualifizierten Personaleinsatz ab.“
Auch dem ist letztendlich zu entnehmen, dass der Einsatz von besonders qualifizierten Mitarbeitern in ausreichender Anzahl Fördervoraussetzung sein soll.
2.3 Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Schreiben der Beklagten vom 5. Oktober 2012, insbesondere kann der Ansicht der Klägerseite, es handele sich insoweit um eine Genehmigung des Unterschreitens des Qualifikationsschlüssels bzw. um eine Zusicherung, dass das Unterschreiten förderunschädlich sei, nicht gefolgt werden.
In diesem Schreiben hat die Beklagte lediglich ausgeführt, dass der Kläger derzeit den Anstellungsschlüssel von 1:11,0 nicht einhalte und zur Sicherung des Anstellungsschlüssels der Einstellung einer Kinderpflegerin anstelle einer Erzieherin zugestimmt werde. Aus dem Hinweis auf den Schlüssel von 1:11,0 ist eindeutig zu entnehmen, dass sich das Schreiben nur auf den Schlüssel des § 17 Abs. 1 AVBayKiBiG, nicht jedoch auf den (Qualifikations-)Schlüssel des § 17 Abs. 2 AVBayKiBiG bezieht.
Dies gilt umso mehr, als die Beklagte den Träger bereits mit E-Mail vom 13. September 2012 ausdrücklich darauf hingewiesen hat, dass eine Kinderpflegerin eine Erzieherinnen-Planstelle nur dann besetzen kann, wenn der Qualifikationsschlüssel eingehalten wird. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass dem entgegenstehend das knapp drei Wochen später verfasste Schreiben vom 5. Oktober 2012 so gemeint sein könnte, dass der Qualifikationsschlüssel unterschritten werden dürfte. Auch der Kläger, der als Träger einer Kinderbetreuungseinrichtung über Fachwissen – insbesondere zu den zentralen Vorschriften des Art. 19 BayKiBiG und des § 17 AVBayKiBiG – verfügen muss, konnte und durfte dieses Schreiben so nicht verstehen.
Nach alledem kann auch nicht von einem treuwidrigen Verhalten der Beklagten ausgegangen werden, wenn diese – den Vorschriften des BayKiBiG und AVBayKiBiG entsprechend – die Förderung wegen Nicht-Einhaltens des Qualifikationsschlüssels kürzt.
2.4 Schließlich ist auch zwischen den Parteien unstrittig, dass der Qualifikationsschlüssel ab Oktober 2012 tatsächlich nicht eingehalten wurde. Dieser Verstoß ist gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 AVBayKiBiG im ersten Kalendermonat, das heißt im Oktober 2012, förderunschädlich. Damit soll dem Träger Gelegenheit und Zeit gegeben werden, auf unvorhersehbare Ereignisse, wie vorliegend die Kündigung einer Erzieherin, innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch entsprechende Personalmaßnahmen zu reagieren. Ab dem zweiten Kalendermonat, hier also November 2012, erfolgt dagegen grundsätzlich ein kompletter Abzug der Fördermittel für den jeweiligen Monat, wobei es aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 17 Abs. 4 Satz 3 AVBayKiBiG weder auf ein Verschulden des Klägers ankommt noch sonst von der Beklagten Ermessenserwägungen zu berücksichtigen sind. Insbesondere spielt auch der (geringe) Umfang der Unterschreitung des Qualifikationsschlüssels insoweit keine Rolle.
2.5 Lediglich wenn ein Härtefall vorliegt, kann die Beklagte von dem ihr in § 17 Abs. 4 Satz 4 AVBayKiBiG eingeräumten Ermessen Gebrauch machen und ganz oder teilweise von der Förderkürzung absehen. Ein derartiger Härtefall liegt jedoch unstreitig nicht vor. Insbesondere hat der Kläger ab Juni 2013 ein weiteres Kind aufgenommen sowie im Oktober und November 2012 bzw. Mai 2013 die Buchungszeiten erhöht, so dass er Einfluss auf die damit verbundene Unterschreitung des Qualifikationsschlüssels hatte bzw. er auch nicht alles Erforderliche unternommen hat, um diese Unterschreitung rechtzeitig wieder aufzuheben.
2.6 Schließlich kann der Kläger seinen geltend gemachten Anspruch auch nicht auf den zwischen ihm und der Beklagten geschlossenen Vertrag vom 13. Juli 2005 stützen.
a) Dieser Vertrag bzw. etwaige daraus abzuleitende Ansprüche sind nicht Gegenstand des hier anhängigen Klageverfahrens:
Die Bescheide vom 17. Dezember 2013 und 25. September 2015, deren Aufhebung der Kläger begehrt, betreffen – entsprechend dem Antrag vom 22. Oktober 2013 – allein die Endabrechnung der kindbezogenen Förderung nach dem BayKiBiG und nicht die Tragung eines etwaigen Betriebsdefizits nach dem Vertrag vom 13. Juli 2005.
Aber auch bei der begehrten Verpflichtung der Beklagten, die Endabrechnung wie vom Kläger beantragt zu bewilligen bzw. (hilfsweise) über den Antrag des Klägers auf Endabrechnung vom 22. Oktober 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, geht es nach dem eindeutigen Wortlaut der Klageanträge allein um die Förderung nach dem BayKiBiG.
b) Eine etwaige Aufrechnung mit einem Anspruch aus dem Vertrag vom 13. Juli 2005 kommt aber ebenfalls nicht in Betracht.
Zum einen hat die Klägerseite eine derartige Aufrechnung nicht erklärt (vgl. § 388 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB), sondern lediglich den Vertrag als zweite Anspruchsgrundlage neben dem BayKiBiG für die Gewährung der beantragten Fördermittel herangezogen. Hinzukommt, dass das Betriebsdefizit, das nicht zwangsläufig mit den entgangenen BayKiBiG-Fördermitteln identisch sein muss, vom Kläger nicht konkret beziffert, geschweige denn belegt wurde.
Zum anderen setzt § 1 Abs. 3 des Vertrags vom 13. Juli 2005 unter anderem voraus, dass der Kläger alle einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen beachtet. Dies kann nach Sinn und Zweck des Vertrags nur so zu verstehen sein, dass nicht die zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses anwendbaren Vorschriften, sondern die jeweils geltenden Bestimmungen zu beachten sind. Dass das BayKiBiG und die AVBayKiBiG erst nach Abschluss des Vertrages in Kraft traten, ist daher irrelevant. Zudem sind gemäß § 4 Abs. 2 des Vertrags in ausreichender Zahl Fachkräfte zu beschäftigen. Wie bereits ausgeführt (s.o. 2.1 – 2.4), hat der Kläger aber die Qualifikationsquote unterschritten und somit letztendlich Art. 19 Nr. 5 bzw. 10 BayKiBiG i. V. m. § 17 Abs. 2 AVBayKiBiG nicht beachtet.
Nicht zuletzt ist zu berücksichtigen, dass der Anspruch aus dem Vertrag nur subsidiär greift. Dies ergibt sich bereits aus § 3 Abs. 5 des Vertrages, wonach Zuschüsse von anderer Seite geltend zu machen sind und mögliche und nicht in Anspruch genommene Kostenbeiträge von Dritten zulasten des Klägers gehen. Es ist gerade Sinn und Zweck der Vereinbarung, dass der Kläger vorrangig alle ihm sonst zustehenden Fördermittel auszuschöpfen hat. Nur in diesem Sinne kann auch die Formulierung „Kostenbeiträge von Dritten“ in § 3 Abs. 5 des Vertrags vom 13. Juli 20115 verstanden werden. Erst wenn trotz aller dementsprechenden Bemühungen des Klägers ein Betriebsdefizit verbleibt, hat die Beklagte dieses gegebenenfalls zu übernehmen (vgl. § 3 Abs. 2 des Vertrags). Dagegen war mit dem Vertrag offenkundig nicht gewollt, dass ein Träger Fördermittel, wie z. B. die kindbezogene Betriebskostenförderung nach dem BayKiBiG, bewusst oder aufgrund der Nichtbeachtung der erforderlichen Sorgfalt nicht in Anspruch nimmt bzw. nehmen kann, dann aber von der Beklagten, die diesen Umstand nicht zu vertreten hat, eine Kostenübernahme beanspruchen könnte.
II.
Auch der hilfsweise geltend gemachte Anspruch, über den Antrag des Klägers auf Endabrechnung vom 22. Oktober 2013 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden, hat aus den oben unter I. geschilderten Gründen keinen Erfolg, da die Beklagte die Endabrechnung nach dem BayKiBiG für das Betriebsjahr 2012/2013 zutreffend festgesetzt hat.
Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Das Verfahren ist gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.