Arbeitsrecht

Disziplinarklage, Zurückstufung, Zweifache Verbreitung kinderpornographischer Videos durch Beamten beim Landesamt für Finanzen

Aktenzeichen  M 19L DK 21.3877

Datum:
22.6.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 15189
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayDG Art. 10
StGB § 184b Abs. 1 Nr. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Regierungsinspektors (Besoldungsgruppe A9) erkannt.
Der Zeitraum der Beförderungssperre wird auf drei Jahre verkürzt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Das Gericht konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (Art. 58 Abs. 1 Satz 2 Bayerisches Disziplinargesetz – BayDG).
Gegen den Beklagten wird die Disziplinarmaßnahme der Zurückstufung um eine Stufe in das Amt eines Regierungsinspektors (Besoldungsgruppe A9) ausgesprochen.
1. Das Disziplinarverfahren meist in formeller Hinsicht keine Mängel auf.
2. Das Gericht geht in tatsächlicher Hinsicht von dem im Strafbefehl des Amtsgerichts Augsburg vom 5. Dezember 2016 dargestellten Sachverhalt aus. Danach hat der Beklagte am 3. April und am 18. Juni 2016 über das F.-Sh.-Netzwerk … jeweils ein kinderpornografisches Video, das den schweren sexuellen Missbrauch eines Kindes zeigt, mit anderen Nutzern geteilt. Die tatsächlichen Feststellungen des Strafbefehls sind zwar nicht bindend, können der Entscheidung im Disziplinarverfahren aber ohne nochmalige Prüfung zugrunde gelegt werden (Art. 25 Abs. 2, Art. 55 BayDG). Der Beklagte bestreitet zwar das zweifache öffentliche Zugänglichmachen kinderpornographischer Videos, gesteht aber die Verantwortung für den von ihm innegehabten Internetanschluss ein. Seine Strafbarkeit ergibt sich danach aus § 184b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 2 StGB in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung (Fassung für die Zeit v. 27.1.2015 bis 30.6.2017). Insoweit handelt es sich vorliegend nicht um ein Verbreiten im rechtlichen Sinne, da das Verbreiten im Sinne von § 184b Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 StGB die gegenständliche Weitergabe der Schriften erfordert, wohingegen das Zugänglichmachen für die Öffentlichkeit in der Regel im Wege der Telekommunikation geschieht (OVG Schleswig-Holstein, U.v. 17.12.2020 – 14 LB 1/20 – juris Rn. 46), wie dies hier der Fall war.
3. Durch die dem Beklagten zur Last gelegten Taten hat dieser außerdienstlich ein Dienstvergehen begangen. Außerdienstliches Verhalten liegt vor, weil das Verhalten weder formell in das Amt des Beamten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden war (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 29). Als Dienstvergehen ist außerdienstliches Fehlverhalten von Beamten nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG nur dann zu qualifizieren, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen. Erforderlich ist insoweit, dass das Fehlverhalten des Beamten ein Mindestmaß an Relevanz überschreitet, was bei einer Straftat, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, zu bejahen ist (BVerwG, B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 5.2.0214 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 35). Dies ist hier dargestellt der Fall, weil § 184b Abs. 1 StGB in der zur Tatzeit gültigen Fassung eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren vorsah.
Durch sein Verhalten hat der Beklagte gegen die Pflicht, sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG), und gegen die Pflicht zur Beachtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG, jeweils in der zur Tatzeit geltenden Fassung) verstoßen.
4. Ihm ist dabei Vorsatz zur Last zu legen. Insoweit besteht Indizwirkung aus dem Strafbefehl. Außerdem hat es der Beklagte jedenfalls billigend in Kauf genommen, dass die betreffenden Videodateien einem grundsätzlich unbeschränkten, im Einzelnen nicht überschaubaren Personenkreis zugänglich gemacht wurden, indem er den Nutzern ermöglicht hat, während seines eigenen jeweiligen Downloadvorgangs die betreffenden Videodateien von seiner Festplatte herunterzuladen (OVG Schleswig-Holstein, U.v. 17.12.2020 – 14 LB 1/20 – juris Rn. 51 ff. mit detaillierten Ausführungen zur Funktionsweise des Netzwerks eDonkey2000).
5. Das festgestellte Dienstvergehen wiegt schwer. Im vorliegenden Fall ist unter Würdigung aller zu berücksichtigenden Umstände eine Zurückstufung (Art. 10 BayDG) auszusprechen.
Von dem dargestellten Sachverhalt ausgehend ist die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BayDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale). Zu berücksichtigen sind auch die unmittelbaren Folgen für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 16b D 14.2351 – juris Rn. 73).
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, U.v. 23.2.2012 – 2 C 38.10 – juris Rn. 11). Hat der Beamte kinderpornographische Schriften öffentlich zugänglich gemacht, reicht der Orientierungsrahmen angesichts der in § 184b Abs. 1 StGB (a.F.) vorgesehenen Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 31 f.); in der aktuellen Fassung von § 184b Abs. 1 StGB wurde der Strafrahmen auf Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahren erhöht. Hier ergibt sich im Hinblick auf die konkreten Tatumstände, insbesondere das lediglich zweimalige öffentliche Zugänglichmachen ohne zusätzliche Verwirklichung des Straftatbestandes des Besitzes kinderpornographischer Schriften, ein Orientierungsrahmen bis zur Zurückstufung. Die vorliegenden Erschwerungs- (besondere Belastung der betroffenen Kinder durch Anfertigung von Videoaufnahmen) und Milderungsgründe (keine Vorbelastung, Geständigkeit, lange Verfahrensdauer) erfordern keine Abweichung von dem Orientierungsrahmen nach oben oder unten.
6. Die Beförderungssperre wird auf drei Jahre ab Rechtskraft des Urteils verkürzt (Art. 10 Abs. 3 Satz 2 BayDG). Die Verkürzung war im Hinblick auf die insgesamt mehr als fünfjährige Dauer des Disziplinarverfahrens seit der Einleitung im April 2017 auszusprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.


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