Aktenzeichen 1 Sa 391/20
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Erfurt, 26. Juni 2020, 2 Ca 2406/19, Urteil
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 26. Juni 2020 – Az. 2 Ca 2406/19 – teilweise abgeändert und der Tenor zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Unter Klageabweisung im Übrigen wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.01.2018 in Entgeltgruppe 11 Stufe 3 TV-TgDRV, seit dem 01.08.2021 in Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV-TgDRV zu vergüten und die Differenz zur Entgeltgruppe 10 Stufe 3 TV-TgDRV für den Zeitraum vom 01.01.2018 bis zum 31.05.2019 und zur Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TV-TgDRV seit dem 01.06.2019 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 08.01.2020 zu verzinsen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Die Anschlussberufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 1/3 und die Beklagte zu 2/3.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die tarifgerechte Eingruppierung und Vergütung der Klägerin nach dem Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung (TV-TgDRV) und dem Tarifvertrag über die Entgeltordnung der Deutschen Rentenversicherung (TVEntgO-DRV).
Die Klägerin ist seit dem 1. März 2012 bei der Beklagten auf Basis des Arbeitsvertrages vom 12.01.2012 (Bl. 24 ff. d.A) beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung (TV-TgDRV), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-TgDRV) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der jeweils geltenden Fassung. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Regelungen für das Tarifgebiet Ost Anwendung.
Seit dem 01.10.2013 ist die Klägerin als Hauptsachbearbeiterin im Bereich Rechtsbehelfe, Widerspruch und Klage am Dienstort … eingesetzt. Seit diesem Zeitpunkt erhält die Klägerin eine Vergütung der Entgeltgruppe 10 des TVEntgO-DRV, wobei sie nach eigener Darstellung am 01.05.2015 der Stufe 2, seit 01.10.2015 der Stufe 3 und seit 01.06.2019 der Stufe 4 zugeordnet war.
Mit Schreiben vom 26.11.2015 (Bl. 58 d.A.) – nach Darstellung der Klägerin bei der Beklagten per E-Mail noch im November 2015 eingegangen (s. Bl. 247-249 d.A.) – stellte die Klägerin bei der Beklagten einen „Antrag auf Neubewertung der Stelle des Hauptsachbearbeiters Rechtsbehelfe“ und verlangte die Überprüfung ihrer Stellenbewertung sowie ihre rückwirkende Eingruppierung in Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV.
§ 12 des TV-TgDRV bestimmt:„(1) Die Eingruppierung der/des Beschäftigten richtet sich nach dem Tarifvertrag über die Entgeltordnung der Deutschen Rentenversicherung (TVEntgO-DRV). Die/Der Beschäftigte erhält Entgelt nach der Entgeltgruppe, in der sie/er eingruppiert ist.
(2) Die/Der Beschäftigte ist in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr/ihm nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Kann die Erfüllung einer Anforderung in der Regel erst bei der Betrachtung mehrerer Arbeitsvorgänge festgestellt werden (z. B. vielseitige Fachkenntnisse), sind diese Arbeitsvorgänge für die Feststellung, ob diese Anforderung erfüllt ist, insoweit zusammen zu beurteilen. Werden in einem Tätigkeitsmerkmal mehrere Anforderungen gestellt, gilt das in Satz 2 bestimmte Maß, ebenfalls bezogen auf die gesamte auszuübende Tätigkeit, für jede Anforderung. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal ein von Satz 2 oder 4 abweichendes zeitliches Maß bestimmt, gilt dieses. Ist in einem Tätigkeitsmerkmal als Anforderung eine Voraussetzung in der Person der/des Beschäftigten bestimmt, muss auch diese Anforderung erfüllt sein.
(3) Die Entgeltgruppe der/des Beschäftigten ist im Arbeitsvertrag anzugeben.
Protokollerklärungen zu Abs. 2:1. Arbeitsvorgänge sind Arbeitsleistungen (einschließlich Zusammenhangsarbeiten), die, bezogen auf den Aufgabenkreis der/des Beschäftigten, zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen (z.B. unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags, Betreuung bzw. Pflege einer Person oder Personengruppe, Fertigung einer Bauzeichnung, Erstellung eines EKG, Durchführung einer Unterhaltungs- bzw. Instandsetzungsarbeit). Jeder einzelne Arbeitsvorgang ist als solcher zu bewerten und darf dabei hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
2. Eine Anforderung im Sinne der Sätze 2 und 3 ist auch das in einem Tätigkeitsmerkmal geforderte Herausheben der Tätigkeit aus einer niedrigeren Entgeltgruppe.“
Die für die tarifliche Bewertung der Tätigkeit der Klägerin relevanten Entgeltgruppen des TVEntgO-DRV haben folgenden Wortlaut:
„Entgeltgruppe 9bBeschäftigte im Büro-, Buchhalterei-, sonstigen Innendienst und im Außendienst mit abgeschlossener Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Beschäftigte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.
Entgeltgruppe 9cBeschäftigte, deren Tätigkeit sich dadurch aus der Entgeltgruppe 9b heraushebt, dass sie besonders verantwortungsvoll ist.
Entgeltgruppe 10Beschäftigte der Entgeltgruppe 9c, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.
Entgeltgruppe 11Beschäftigte der Entgeltgruppe 9c, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c heraushebt.“
Eine Stellenbeschreibung vom 20.1.2011/28.11.2007, „gültig ab 1.1.2015“ (Bl. 38 d.A.), weist drei Arbeitsvorgänge aus:
1. Bearbeiten von Widersprüchen: 55 %
2. Bearbeiten von Klagen: 30 %
3. Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten: 15 %
Unstreitig erfüllt die Klägerin ab dem 1. Januar 2018 die Aufgaben der als Anlage K13 zur Akte gereichten Stellenbeschreibung „Hauptsachbearbeiter Rechtsbehelfe Widerspruch und Klage“ vom 20.03.2018, gültig ab 01.01.2018 (Bl. 80 ff. d.A.). Auch die dort enthaltene prozentuale Aufteilung der klägerischen Tätigkeit (s. Bl. 82 d.A.) ist zwischen den Parteien für den Zeitraum ab 1. Januar 2018 unstreitig:
1
Bearbeiten von Widersprüchen
30 %
2
Bearbeiten von Klagen
35 %
3
Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren
20 %
4
Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten
15 %
Die Anlage 1b zur vorgenannten Tätigkeitsbeschreibung (Bl. 88 ff d.A.) lautet auszugsweise wie folgt:
2
Bearbeiten von Klagen
…· Fertigen von Entscheidungsvorschlägen zu Vergleichsangeboten und Anerkenntnissen einschließlich Kostengrundentscheidung zur Vorlage an einen anderen Hauptsachbearbeiter gemäß dem 2-Personen-Prinzip nach interner Festlegung zu Anträgen und zu Ansprüchen in allen Renten-, Reha- und Versicherungsfällen eigener Zuständigkeit im Klageverfahren, auch zu schwierigen Sach- und Rechtslagen (insbesondere Fälle mit atypischen Fallgestaltungen bei Aufhebung von Bescheiden und Rückforderung überzahlter Leistungen; Fälle mit Ermessensausübung, z.B. bei Stundung und Niederschlagung; Fälle mit divergierender Rechtsprechung der Sozialgerichte aller Instanzen; Fälle mit Auslandsberührung, insbesondere mit Zeiten/Leistungen in verschiedenen Staaten), Fertigen der zugehörigen unterschriftsreifen Schriftsätze an die Gerichte· Fertigen von Vorlagen an den Teamleiter zur Entscheidung zu prozessualen bzw. sachleitenden Veranlassungen (z.B. Stellen eines Beweisantrages)…
3
Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren
· Prüfen, Entscheiden und Zeichnen von Anerkenntnissen und Vergleichen zu Ansprüchen und Anträgen in allen Renten-, Reha- und Versicherungsfällen im Klageverfahren nach Vorlage durch einen anderen Hauptsachbearbeiter gemäß dem 2-Personen-Prinzip und nach interner Festlegung unter Berücksichtigung ständiger Rechtsprechung, auch zu schwierigen Sach- und Rechtslagen (insbesondere Fälle mit atypischen Fallgestaltungen bei Aufhebung von Bescheiden und Rückforderung überzahlter Leistungen; Fälle mit Ermessensausübung, z.B. bei Stundung und Niederschlagung; Fälle mit divergierender Rechtsprechung der Sozialgerichte aller Instanzen; Fälle mit Auslandsberührung, insbesondere mit Zeiten/Leistungen in verschiedenen Staaten) ggf. Festlegen von weiteren Ermittlungen (z.B. zum Eintritt des Leistungsfalles bei divergierenden Leistungseinschätzungen)…
Die Beklagte bewertet die von ihr gebildeten 4 Arbeitsvorgänge wie folgt:
Arbeitsvorgang
Prozentualer Zeitanteil
Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale
Bearbeiten von Widersprüchen
30 %
besonders verantwortungsvolle Tätigkeit9c
Bearbeiten von Klagen
35 %
besonders verantwortungsvolle Tätigkeit9c
Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren
20 %
besondere Schwierigkeit und Bedeutung11
Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten
15 %
besondere Schwierigkeit und Bedeutung11
Mit ihrer am 20.12.2019 bei Gericht eingegangenen und der Beklagten am 08.01.2020 zugestellten Klage hat die Klägerin ihre Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 des TV-EntgO-DRV ab dem 01.05.2015 sowie die Nachzahlung von Vergütungsdifferenzen ab diesem Zeitpunkt begehrt.
Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, der Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ mit einem prozentualen Zeitanteil von 35 % erfülle das Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ und sei daher ebenfalls der Entgeltgruppe 11 zuzuordnen. Ihre Tätigkeit als „Prozesssachbearbeiterin“ erschöpfte sich nicht in dem Anfertigen von Schriftsätzen. Vielmehr habe die Klägerin die Aufgabe, das Gericht von ihrem Rechtsstandpunkt zu überzeugen. Da die Prozessgegner häufig anwaltlich vertreten sind, seien Kenntnisse und Fähigkeiten des materiellen und des prozessualen Rechts erforderlich, die denen eines Rechtsanwalts vergleichbar seien.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe rechtsfehlerhaft vier getrennte Arbeitsvorgänge gebildet. Die Bearbeitung von Klagen im Rechtskreis der Beklagten stelle einen einheitlichen Arbeitsvorgang im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts dar, der nicht in die Teile „Bearbeiten von Klagen“, „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ sowie „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten“ aufzuteilen sei. Dieser einheitliche Arbeitsvorgang sei insgesamt mit E11 zu bewerten, da er in rechtserheblichem Umfang Tätigkeiten enthalte, die das Tarifmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ erfülle. Arbeitsergebnis sei die abschließende Bearbeitung der sozialgerichtlichen Verfahren, beginnend mit dem Klageeingang über die Fertigung der Schriftsätze und die Terminswahrnehmung bis hin zum Abschluss des sozialgerichtlichen Verfahrens einschließlich der Kostenfrage. Dass die Terminswahrnehmung vor den Sozialgerichten unbestritten auch solche Fälle umfasst, die die Klägerin zuvor nicht zu bearbeiten hatte, sei unerheblich. In diesem Zusammenhang sei von Zusammenhangstätigkeiten im Tarifsinne auszugehen. Auch gebe es keine rechtserhebliche Trennung der Arbeitsschritte „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ durch die von der Beklagten behauptete Zäsur durch das 2-Personen-Prinzip. Dieses führe lediglich dazu, dass letztlich zwei Hauptsachbearbeiter die Entscheidung trügen.
Für den Zeitraum bis 31.12.2017 hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Zeitanteile in der ab 1. Januar 2015 gültigen Stellenbeschreibung entsprächen nicht der tatsächlichen Arbeitsverteilung. Insbesondere habe der Zeitanteil der Widerspruchssachbearbeitung nicht 55 %, sondern lediglich 45 % betragen. Hierzu hat sie sich auf Aufzeichnungen einer Kollegin (Bl. 73 d.A.), auf ein Stellenbewertungsprotokoll der Bewertungskommission aus Juni 2017 (Bl. 63 ff. d.A.) sowie auf eine weitere Stellenbeschreibung vom 24.04.2009 (Bl. 30 ff. d.A.) berufen. Da der zur Erfüllung der Entgeltgruppe 11 maßgebliche einheitliche Arbeitsvorgang der Klagesachbearbeitung nebst Zusammenhangstätigkeiten 55 % ausmache, stehe ihr unter Berücksichtigung der Ausschlussfristen bereits für den Zeitraum ab 01.05.2015 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 zu.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.05.2015 nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 2 TV-TgDRV bzw. seit dem 01.10.2015 nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 3 TV-TgDRV bzw. seit dem 01.06.2019 nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV-TgDRV zu vergüten und die Differenzvergütung zur Entgeltgruppe 10 Stufe 2 TV-TgDRV für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis zum 30.09.2015 und zur Entgeltgruppe 10 Stufe 3 TV-TgDRV für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 31.05.2019 und zur Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TV-TgDRV seit dem 01.06.2019 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Erfüllung der Voraussetzungen der Entgeltgruppe 11 in einem zeitlichen Anteil von mehr als der Hälfte sei für Zeiten vor dem 01.01.2018 ausgeschlossen. Denn das „Bearbeiten von Widersprüchen“ erfülle nicht die Heraushebungsmerkmale der Entgeltgruppe 11, worüber zwischen den Parteien kein Streit herrsche. Die für den Zeitraum ab 01.01.2015 einzig maßgebliche Stellenbeschreibung weise einen Zeitanteil von 55 % für das „Bearbeiten von Widersprüchen“ aus. Auf Selbstaufzeichnungen einer Hauptsachbearbeiterin aus Sachsen könne sich die Klägerin ebenso wenig berufen wie auf ein ersichtlich in seinen Feststellungen noch nicht abschließendes Protokoll einer Stellenbewertungskommission.
Auch für den Zeitraum ab 01.01.2018 könne die Klägerin die begehrte Entgeltgruppe 11 nicht beanspruchen. Die von der Beklagten gebildeten vier Arbeitsvorgänge seien getrennt zu betrachten.
Bis zum 01.01.2018 seien die Teamleiter für die Prüfung und Entscheidung über Anerkenntnisse und Vergleichsangebote im Klageverfahren zuständig gewesen. Danach sei eingeführt worden, dass die Hauptsachbearbeiter über Vorlagen zu einem Anerkenntnis bzw. Vergleichsangebot zu entscheiden haben. Dadurch sei es bei den Hauptsachbearbeitern zu Verschiebungen bei den Zeitanteilen ihrer Arbeitstätigkeit gekommen, so dass die Bearbeitung von Widersprüchen ab 01.01.2018 nur noch einen Zeitanteil von 30 % eingenommen habe. Der Arbeitsvorgang „Entscheiden über Vergleich und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ sei so organisiert, dass jeweils ein Hauptsachbearbeiter einen Entscheidungsvorschlag erarbeite und ein anderer Hauptsachbearbeiter diesen prüfe und über den Vorschlag entscheide. Die Vorlage an den anderen Hauptsachbearbeiter stelle unter Berücksichtigung der maßgeblichen Organisation der Beklagten eine rechtserhebliche Zäsur dar. Arbeitsergebnis des entscheidenden Hauptsachbearbeiters sei nicht lediglich eine Prüfung im Rahmen des 2- Personen-Prinzips, sondern die Entscheidung, ob dem Vorschlag gefolgt werden könne.
Die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertretung vor den Sozialgerichten“ stellten auch keinen einheitlichen Arbeitsvorgang dar. Bei der Bildung von Arbeitsvorgängen sei die vom Arbeitgeber vorgegebene Organisation der Fallbearbeitung zu berücksichtigen. Zu beachten sei, dass die tatsächliche Organisation der Vertretung der Beklagten vor den Sozialgerichten der Region Thüringen ab dem Eingang der Ladung durch eine Servicemitarbeiterin und nicht durch die Hauptsachbearbeiter erfolge. Die Tätigkeit der Servicemitarbeiterin erfasse – insoweit unbestritten – sowohl das Zeichnen der Empfangsbekenntnisse als auch die Bestimmung des konkreten Terminsvertreters. Diese Koordination der Sozialgerichtstermine stelle eine tatsächliche Zäsur dar, die die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertretung vor den Sozialgerichten“ zu abgrenzbaren, eigenständigen Arbeitsvorgängen mache. Bei Eingang einer Terminsrolle prüfe die Servicemitarbeiterin anhand einer Rotationsliste, welcher der 14 Hauptsachbearbeiter des Standorts … zur Prozessvertretung anstehe. Dieser Hauptsachbearbeiter nehme sämtliche an einem Terminstag terminierte Rechtsstreitigkeiten unter Beteiligung der Beklagten wahr. Zwar seien darunter auch zuvor selbst zuständigkeitshalber bearbeitete Klageverfahren, dies erfolge aber zufällig und in geringem Umfang. Auf Basis entsprechender Vereinbarungen mit anderen Rentenversicherungsträgern nehme die Klägerin ebenso wie die anderen Terminsvertreter unbestritten auch die gerichtliche Vertretung in solchen Rechtsstreitigkeiten wahr, die zuvor durch die Deutsche Rentenversicherung Bund oder andere Rentenversicherungsträger bearbeitet worden waren. Die Beklagte hat darauf verwiesen, dass die Klägerin unbestritten im Zeitraum von Juli 2019 bis Februar 2020 insgesamt 17 Fälle vor den Thüringer Sozialgerichten vertreten habe – darunter 3 Fälle der DRV Bund und 14 Fälle der Beklagten. Lediglich zwei Fälle habe die Klägerin zuvor nach der nach dem Geburtstagsprinzip aufgeteilten Zuständigkeit selbst bearbeitet.
Die Beklagte hat ferner angeführt, die Klägerin erfülle mit der Bearbeitung von Klagen nicht das Heraushebungsmerkmal der „besonderen Schwierigkeit und Bedeutung“ der Entgeltgruppe 11. Insbesondere benötige die Klägerin keine Verfahrens- oder prozesstaktischen Kenntnisse, die denen eines Rechtsanwalts vergleichbar sind. Die Verfahrensleitung obliege im sozialgerichtlichen Verfahren aufgrund des Amtsermittlungsprinzips dem Gericht. Etwaige erforderliche Fachkenntnisse seien Gegenstand des Fachhochschulstudiums, das Voraussetzung für die Ausgangsentgeltgruppe sei.
Die Beklagte hat sich zudem auf tarifliche Ausschlussfristen berufen und hierzu ausgeführt, das Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2015 sei erst am 01.12.2015 bei der Beklagten eingegangen, so dass etwaige Ansprüche für Mai 2015 verfallen seien. Hilfsweise hat sie wegen etwaiger Vergütungsansprüche für 2015 die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Urteil vom 26. Juni 2020 (Bl. 253 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Erfurt der Klage für den Zeitraum ab 1. Januar 2018 teilweise stattgegeben.
Es hat im Wesentlichen ausgeführt, dass es sich bei den von der Beklagten gebildeten Arbeitsvorgängen „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ um einen einheitlichen Arbeitsvorgang handele, der zusammengenommen einen Zeitanteil von 55 % ausmache. Einheitliches Arbeitsergebnis sei die Klagebearbeitung vom Eingang der Klage bis zu deren Abschluss. Nach Übertragung der Tätigkeit der Entscheidung über Vergleich und Anerkenntnis von den Teamleitern auf die Hauptsachbearbeiter gehöre auch dieser Teil dem einheitlichen Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ an. Mit der Kontrolle durch einen 2. Hauptsachbearbeiter schaffe die Beklagte eine rechtlich nicht erhebliche künstliche Zäsur, die zu keinem eigenständigen Arbeitsergebnis im Tarifsinne führe.
Da nach den übereinstimmenden Angaben beider Parteien der Arbeitsvorgang „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ die Tätigkeitsmerkmale der besonderen Schwierigkeit und Bedeutung erfüllen, sei der einheitliche Arbeitsvorgang mit seinem Anteil von über 50% insgesamt der Entgeltgruppe 11 zuzuordnen. Es könne daher dahinstehen, ob auch die Prozessvertretung der Beklagten diesem einheitlichen Arbeitsvorgang hinzuzurechnen sei.
Für den Zeitraum bis 31.12.2017 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, nach der insoweit maßgeblichen Stellenbeschreibung für den Zeitraum ab 01.01.2015 hätten die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten“ zusammengenommen nur 45 % betragen. Mit dem Argument, der tatsächliche Zeitanteil des Arbeitsvorgangs „Bearbeiten von Widersprüchen“ habe tatsächlich unter 50 % gelegen, könne die Klägerin nicht gehört werden. Weder könne sie sich auf Aufzeichnungen einer Kollegin berufen, noch sei ersichtlich, inwiefern ein Protokoll aus 2017 Aussagen zu dem Anspruch der Klägerin seit 1. Mai 2015 treffen könne.
Gegen das ihr am 20.10.2020 zugestellte erstinstanzliche Urteil hat die Beklagte mit bei Gericht am 29.10.2020 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 15.01.2021 mit bei Gericht am 15.01.2021 eingegangenem Schriftsatz begründet. Der Berufungsbegründungsschriftsatz ist der Klägerin am 26.01.2021 zugestellt worden. Nach Fristverlängerung bis zum 26.03.2021 hat die Klägerin mit einem am 26.03.2021 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Anschlussberufung eingelegt und diese entsprechend begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag zur Trennung der Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse“.
Sie führt an, unter Beachtung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wonach Einzeltätigkeiten dann nicht zusammengefasst werden können, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vornherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind, hätte es das Arbeitsgericht bei den in der Stellenbeschreibung für Hauptsachbearbeiter Rechtsbehelfe beschriebenen vier Arbeitsvorgängen belassen müssen. Bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge komme es maßgeblich auf die Organisation des Arbeitgebers an, insbesondere dann, wenn in den organisatorischen Ablauf eine Zäsur eingefügt sei.
Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben sei der in der Stellenbeschreibung genannte Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ vom Arbeitsvorgang „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ zu trennen. Arbeitsergebnis der Bearbeitung von Klagen sei die vollständige unterschriftsreife Bearbeitung des Verfahrens inklusive der Erarbeitung eines Vergleichs- bzw. Anerkenntnisvorschlags. Aus der für den Zeitraum ab 01.01.2018 maßgeblichen Tätigkeitsbeschreibung ergebe sich, dass die Klägerin im Rahmen des Arbeitsvorgangs „Bearbeiten von Klagen“ lediglich Entscheidungsvorschläge zu Vergleichsangeboten und Anerkenntnissen zur Vorlage an den zweiten Hauptsachbearbeiter zu fertigen habe. Im Rahmen des Arbeitsvorgangs „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ entscheide der Hauptsachbearbeiter jeweils ausschließlich über den fremden Vergleichs- oder Anerkenntnisvorschlag. Dieser Sachbearbeiterwechsel stelle eine Zäsur in der Organisation der Klagebearbeitung dar. Auch nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln (Urteil vom 8.6.2016 – 11 Sa 16/16, Rn. 18) führe ein Wechsel in der Sachbearbeitung zu unterschiedlichen Arbeitsergebnissen. Die zuständigkeitshalber eigene Bearbeitung von Klagen durch Hauptsachbearbeiter stehe mit den ebenfalls von ihnen zu treffenden Entscheidungen über Vergleiche und Anerkenntnisse in anderen, originär nicht durch sie bearbeiteten Klageverfahren in keinem Zusammenhang. Einem Hauptsachbearbeiter sei bei der Beklagten gerade nicht die einheitliche Fallbearbeitung übertragen.
Wegen der rechtserheblichen Zäsur durch die Tätigkeit der die Gerichtsvertretung organisierenden Servicemitarbeiterin sowie auch durch die unstreitige Vertretung in Klageverfahren anderer Rentenversicherungsträger durch die Hauptsachbearbeiter sei auch der Arbeitsvorgang „Vertreten vor den Sozialgerichten“ getrennt zu betrachten.
Der Arbeitsvorgang „Bearbeiten von Klagen“ erfülle für sich genommen nicht die Anforderungen des Merkmals „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ im Sinne der Entgeltgruppe 11.
Das angegriffene Urteil erweise sich jedenfalls hinsichtlich der ausgeurteilten Stufenzuordnung als rechtsfehlerhaft. Hinsichtlich der Stufenzuordnung bei Höhergruppierungen sei auf § 17 Abs. 4 TV-TgDRV abzustellen. Bei Höhergruppierungen finde danach eine stufengleiche Zuordnung statt, wobei die Stufenlaufzeit in der höheren Entgeltgruppe mit dem Tag der Höhergruppierung beginne. Bei einer Höhergruppierung zum 01.01.2018 sei die Klägerin der Entgeltgruppe 11 Stufe 3 zuzuordnen, wobei die Stufenlaufzeit ab diesem Zeitpunkt neu zu laufen beginne. Insoweit unbestritten habe sich die Klägerin im Zeitraum vom 19.11.2017 bis 31.07.2018 in Elternzeit befunden. Da die Elternzeit gemäß § 17 Abs. 3 TV-TgDRV nicht auf die Stufenlaufzeit angerechnet werde, sei das Erreichen der Stufe 4 um 7 Monate zu verschieben, sodass die Klägerin erst ab dem 01.08.2021 die Stufe 4 erreicht habe.
Mit Blick auf die Anschlussberufung der Klägerin verteidigt die Beklagte das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus, die Klägerin habe für den Zeitraum bis 31.12.2017 keinen ausschlussfristwahrenden Höhergruppierungsantrag im Sinne von § 26 TVÜ-TgDRV gestellt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 26.06.2020 (Aktenzeichen: 2 Ca 2406/19) abzuändern und die Klage vollständig abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Im Wege der Anschlussberufung beantragt die Klägerin,
unter Abänderung des von der Beklagten angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Erfurt vom 26.06.2020 festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, die Klägerin seit dem 01.05.2015 nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 2 TV EntgO-DRV bzw. seit dem 01.10.2015 nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 3 TV EntgO-DRV bzw. seit dem 01.06.2019 nach der Entgeltgruppe 11 Stufe 4 TV EntgO-DRV zu vergüten und die Differenzvergütung zur Entgeltgruppe 10 Stufe 2 TV EntgO-DRV für den Zeitraum vom 01.05.2015 bis zum 30.09.2015 und zu Entgeltgruppe 10 Stufe 3 TV EntgO-DRV für den Zeitraum vom 01.10.2015 bis zum 31.05.2019 und zur Entgeltgruppe 10 Stufe 4 TV EntgO-DRV seit dem 01.06.2019 mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
Die Beklagte beantragt,
die Anschlussberufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das erstinstanzliche Urteil in Hinblick auf den Zeitraum ab 01.01.2018. Eine rechtserhebliche Unterbrechung des einheitlichen Arbeitsvorganges „Bearbeitung von Klagen“ mit den Arbeitsschritten „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ finde durch die Entscheidung über Vergleiche und Anerkenntnisse im 2-Personen-Prinzip nicht statt. Je nach Entscheidung über einen Vergleich oder ein Anerkenntnis käme die Angelegenheit schließlich zurück zum eigentlichen Hauptsachbearbeiter, der im Übrigen auch und neben dem Kollegen über die Frage eines Vergleichs oder eines Anerkenntnisses entscheide.
Wegen des Zeitraums vor dem 01.01.2018 verweist die Klägerin auf Selbstaufzeichnungen ihrer Kollegen im Zeitraum von Februar 2016 bis Februar 2017, die in die Feststellungen der Stellenbewertung 2017 eingeflossen seien. Hieraus ergebe sich, dass die Tätigkeit eines Hauptsachbearbeiters nur zu 50 % die Bearbeitung von Widersprüchen beinhaltet habe. Nach dem Inhalt des Protokolls der Stellenbewertungskommission (Bl. 63 ff. d.A.) sei der ursprüngliche Zeitanteil des Arbeitsvorgangs „Bearbeitung von Widersprüchen“ von 55 % korrigiert worden. Wörtlich heiße es in dem Protokoll: „Der Zeitanteil für den AV 1 wird auf 50 % in Auswertung der PbE korrigiert.“
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 5. Oktober 2021 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nur teilweise begründet. Die zulässige Anschlussberufung der Klägerin bleibt in der Sache ohne Erfolg.
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 520 Abs. 3 ZPO.
II. Die Berufung der Beklagten ist jedoch nur teilweise begründet.
Keinen Erfolg hat sie bezogen auf das klägerische Begehren auf eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV (im Tenor als TV-TgDRV bezeichnet) für den Zeitraum ab dem 01.01.2018. Zu Recht hat das Arbeitsgericht Erfurt festgestellt, dass die Klägerin ab 01.01.2018 eine Vergütung nach Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV beanspruchen kann. Allerdings hat die Berufung der Beklagten bezogen auf die Stufenzuordnung Erfolg. Die Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 kann die Klägerin erst ab dem 01.08.2021 beanspruchen.
1. Die Eingruppierungsklage der Klägerin ist nach § 256 Abs. 1 ZPO als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage (stRspr, s. BAG v. 14.10.2020 – 4 AZR 252/19; BAG v. 27.2.2019 – 4 AZR 562/17 Rn. 14; BAG v. 28.2.2018 – 4 AZR 816/16) zulässig.
2. Für den Zeitraum ab 1. Januar 2018 ist die Eingruppierungsfeststellungsklage begründet. Die Klägerin kann ab 01.01.2018 eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV sowie die Zahlung von Differenzvergütung inklusive Zinsen beanspruchen.
a) Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft arbeitsvertraglicher Inbezugnahme der Tarifvertrag für die Verbandsmitglieder der Tarifgemeinschaft der Deutschen Rentenversicherung (TV-TgDRV) sowie die Entgeltordnung für die Deutsche Rentenversicherung (TVEntgO-DRV) Anwendung.
Nach § 12 Abs. 2 TV-TgDRV ist die Beschäftigte in der Entgeltgruppe eingruppiert, deren Tätigkeitsmerkmalen die gesamte von ihr nicht nur vorübergehend auszuübende Tätigkeit entspricht. Die gesamte auszuübende Tätigkeit entspricht danach den Tätigkeitsmerkmalen einer Entgeltgruppe, wenn zeitlich mindestens zur Hälfte Arbeitsvorgänge anfallen, die für sich genommen die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals oder mehrerer Tätigkeitsmerkmale dieser Entgeltgruppe erfüllen. Gemäß der Protokollerklärung zu § 12 Abs. 2 sind Arbeitsvorgänge Arbeitsleistungen, die zu einem bei natürlicher Betrachtung abgrenzbaren Arbeitsergebnis führen. Nach der Protokollerklärung ist jeder einzelne Arbeitsvorgang als solcher zu bewerten und darf hinsichtlich der Anforderungen zeitlich nicht aufgespalten werden.
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, der sich die erkennende Kammer anschließt, ist für die Bestimmung eines Arbeitsvorgangs im Tarifsinne das Arbeitsergebnis maßgebend (st. Rspr., etwa BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 28; BAG 16.10.2019 – 4 AZR 284/18 – Rn. 17; BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 24; BAG 21.8.2013 – 4 AZR 933/11 – Rn. 13). Erforderlich ist, dass es sich bei der dem Beschäftigten tatsächlich zugewiesenen Tätigkeit um eine einheitliche Aufgabe handelt, die bei natürlicher Betrachtung einem abgrenzbaren Arbeitsergebnis dient (BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 Rn. 27; LAG Schleswig-Holstein 15.8.2019 – 5 Sa 40 öD/19 Rn. 34). Bei der Zuordnung zu einem Arbeitsvorgang können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zusammengefasst werden. Einzeltätigkeiten können jedoch dann nicht zusammengefasst werden, wenn die verschiedenen Arbeitsschritte von vorneherein auseinandergehalten und organisatorisch voneinander getrennt sind. Dafür reicht die theoretische Möglichkeit nicht aus, einzelne Arbeitsschritte oder Einzelaufgaben verwaltungstechnisch isoliert auf andere Beschäftigte übertragen zu können, solange sie nach der tatsächlichen Arbeitsorganisation des Arbeitgebers als einheitliche Arbeitsaufgabe einer Person real übertragen sind (BAG 16.10.2019 – 4 AZR 284/18 – Rn. 17; BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 24). Die tarifliche Wertigkeit der verschiedenen Einzeltätigkeiten oder Arbeitsschritte bleibt bei der Bestimmung der Arbeitsvorgänge außer Betracht. Erst nachdem der Arbeitsvorgang bestimmt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 27; BAG 28.2.2018 – 4 AZR 816/16 – Rn. 25; BAG 18.3.2015 – 4 AZR 59/13 – Rn. 17).
c) Vor diesem Hintergrund hat das Arbeitsgericht Erfurt zu Recht die beiden von der Beklagten als eigenständige Arbeitsvorgänge betrachteten Arbeitsschritte „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ als auf das gleiche Arbeitsergebnis gerichtete Teile eines einheitlichen Arbeitsvorgangs angesehen.
Unstreitig ist für die Tätigkeit der Klägerin ab dem 01.01.2018 die Stellenbeschreibung vom 20.03.2018 (Bl. 80 d.A.) maßgeblich. Hiernach entfallen 35 % der Arbeitszeit der Klägerin auf die Tätigkeit „Bearbeiten von Klagen“ und 20 % auf das „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“.
Maßgebliches Arbeitsergebnis der Arbeitsschritte „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ ist die Betreuung des sozialgerichtlichen Verfahrens bis zu seiner rechtskräftigen Beendigung. Dieses Verfahren kann sowohl durch Anerkenntnis oder Vergleich oder aber durch Urteil oder auf sonstige Weise beendet werden. Die Klägerin ist mit allen auf dieses Arbeitsergebnis gerichteten Arbeitsschritten befasst – sie erstellt die maßgeblichen Schriftsätze, wertet medizinische und berufskundliche Gutachten aus und entscheidet über Vergleiche und Anerkenntnisse. Eine Aufteilung nach der Art der Beendigung sowie nach der Frage, ob das Verfahren noch vor oder nach der mündlichen Verhandlung vor Gericht abgeschlossen wird, käme einer unnatürlichen Aufspaltung gleich. Erst mit rechtskräftiger Beendigung des sozialgerichtlichen Verfahrens ergibt sich bei natürlicher Betrachtung ein für die Beteiligten greifbares Ergebnis.
Gegen eine Zusammenfassung der Arbeitsschritte spricht nicht eine etwaige unterschiedliche tarifliche Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten. Die Beklagte führt an, das Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse habe vor dem 01.01.2018 – insoweit unbestritten – den Teamleitern oblegen. Die Tätigkeit des Entscheidens bewertet die Beklagte als von besonderer Schwierigkeit und Bedeutung und ordnet diese der Entgeltgruppe 11 zu. Nach Auffassung der Beklagten erfüllt der Arbeitsschritt „Bearbeiten von Klagen“ das Heraushebungsmerkmal nicht. Für die Frage der Zusammenfassung zu einem Arbeitsvorgang kann die tarifliche Bewertung der einzelnen Arbeitsschritte allerdings zunächst offenbleiben. Denn ob eine oder mehrere Einzeltätigkeiten zu einem Arbeitsergebnis führen, ist anhand einer natürlichen Betrachtungsweise unter Berücksichtigung der durch den Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation zu beurteilen, nicht jedoch anhand der tariflichen Wertigkeit. Bei der Bestimmung des Arbeitsvorgangs bleibt die tarifliche Wertigkeit der einzelnen Tätigkeiten oder Arbeitsschritte zunächst außer Betracht. Ein Arbeitsvorgang kann daher auch Einzeltätigkeiten enthalten, die bei gesonderter Beurteilung unterschiedlich zu bewerten wären. Erst nachdem die Bestimmung des Arbeitsvorgangs erfolgt ist, ist dieser anhand des in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmals zu bewerten (BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Leitsatz nach Juris).
Für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs ist auch nicht jedes einzelne Klageverfahren zu betrachten. Die Verwendung des „Singular“ im Klammerzusatz der Protokollnotiz zu § 12 Abs. 2 TV-TgDRV („unterschriftsreife Bearbeitung eines Aktenvorgangs, eines Widerspruchs oder eines Antrags“) gebietet dies nicht. Denn nach den oben zitierten Grundsätzen können wiederkehrende und gleichartige Tätigkeiten zu einem Arbeitsvorgang zusammengenommen werden. Und bei der großen Anzahl der von der Klägerin zu bearbeitenden Klageverfahren wäre es widersinnig und der Vermeidung von Atomisierungen zuwiderlaufend, in jedem einzelnen Klageverfahren je einen getrennt zu betrachtenden Arbeitsvorgang zu sehen. Hiervon geht auch Beklagte selbst nicht aus, da sie das „Bearbeiten von Klagen“ als einen Arbeitsvorgang ansieht und nicht die einzelnen Klageverfahren jeweils getrennt betrachtet.
Entgegen der Auffassung der Beklagten findet eine rechtserhebliche Zäsur auch nicht durch den von ihr angeführten Sachbearbeiterwechsel im Zusammenhang mit dem 2-Personen-Prinzip bei der Entscheidung über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren statt. Zwar ist für die Bestimmung des Arbeitsvorgangs und bei der Frage der Zusammenfassung von Einzeltätigkeiten zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang sehr wohl die vom Arbeitgeber vorgegebene Arbeitsorganisation zu beachten. Hierbei geht es nicht darum, die Bildung von Arbeitsvorgängen etwa in das Ermessen des Arbeitgebers zu legen. Vielmehr zeigt der Bezug zu dem „Aufgabenkreis der Beschäftigten“, dass die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit anhand der durch den Arbeitgeber gewählten Organisationsform und die Art der Zuweisung von Tätigkeiten (zB einheitlich oder getrennt) für die Bestimmung der Arbeitsergebnisse zu berücksichtigen sind (vgl. BAG 9.9.2020 – 4 AZR 195/20 – Rn. 29). Der Beklagten ist zuzugeben, dass sie durch das 2-Personen-Prinzip die Erarbeitung des Entscheidungsvorschlags für einen Vergleich oder ein Anerkenntnis in die Hand eines Hauptsachbearbeiters legt und die Entscheidung hierüber einem anderen Hauptsachbearbeiter zuweist. Bezogen auf das einzelne Klageverfahren findet daher tatsächlich der von der Beklagten angeführte Sachbearbeiterwechsel statt. Dieser Sachbearbeiterwechsel führt jedoch entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zu der von ihr angeführten rechtlichen Zäsur. Denn für die Zuordnung zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang ist nicht das einzelne Klageverfahren zu betrachten, sondern die Bearbeitung von Klageverfahren insgesamt. Arbeitsergebnis ist nicht die einzelne Fallbearbeitung, sondern die Bearbeitung der sozialgerichtlichen Verfahren. Bezogen auf die zu bearbeitenden Klageverfahren insgesamt ist die Klägerin unbestritten sowohl für das Anfertigen von Entscheidungsvorschlägen zu Vergleichen und Anerkenntnissen als auch für das Entscheiden hierüber zuständig. Dass sie die eine Tätigkeit in „eigenen“, ihr nach Geburtstagen zugeordneten Klageverfahren, die andere im Rahmen des 2-Personen-Prinzips in „fremden“ Klageverfahren vollbringt, ändert an dem engen sachlichen und inhaltlichen Zusammenhang nichts. Die rechtlichen und tatsächlichen Rahmenbedingungen, anhand derer der Entscheidungsvorschlag entweder erarbeitet oder entschieden wird, sind identisch. Auch die hierarchische Ebene beider Seiten des Entscheidungsprozesses im Rahmen des 2-Personen-Prinzips ist die gleiche. Die Hauptsachbearbeiter entscheiden letztlich gemeinsam über die Frage einer Beendigung des Klageverfahrens durch Vergleich oder Anerkenntnis. Eine rechtserhebliche Zäsur mag bei der vor dem 01.01.2018 gegebenen Organisation einer Entscheidungsbefugnis auf Teamleiter-Ebene vorhanden gewesen sein. Denn dort gab es mit Blick auf sämtliche Klageverfahren eine organisatorische, hierarchische Trennung der Arbeitsaufgaben „Vorschlagen“ auf der einen und „Entscheiden“ auf der anderen Seite. Durch die Verortung der Entscheidungsebene auf der gleichen Stufe im Rahmen des 2-Personen-Prinzips ergibt sich jedoch, dass es nur von der internen Verteilung der Klageverfahren abhängt, ob ein Hauptsachbearbeiter bezogen auf das einzelne Verfahren auf der einen oder auf der anderen Seite des 2-Personen-Prinzips im Entscheidungsprozess tätig wird. Bezogen auf alle Klageverfahren ist jedoch zu verzeichnen, dass jeder Hauptsachbearbeiter sowohl vorschlägt als auch entscheidet.
Auf die von der Beklagten angeführte Entscheidung des LAG Köln (Urteil vom 8.6.2016 – 11 Sa 16/16, Rn. 21) kann sie sich nicht berufen. Zwar hat das LAG Köln ausgeführt, die organisatorische Trennung der unterschiedlichen Arbeitsschritte der Bearbeitung des Widerspruchsverfahrens und der Bearbeitung des sozialgerichtlichen Verfahrens zeige sich auch daran, dass im Normalfall ein Wechsel in der Sachbearbeitung eintritt. Die Beklagte übersieht jedoch, dass das Landesarbeitsgericht in der zitierten Entscheidung auch unabhängig von einem Sachbearbeiterwechsel unterschiedliche Arbeitsergebnisse bei der Bearbeitung von Widersprüchen auf der einen Seite (förmliche Entscheidung der Widerspruchsstelle über den eingelegten Widerspruch) und bei der Bearbeitung sozialgerichtlicher Verfahren auf der anderen Seite (rechtskräftiger Beendigung des jeweiligen Rechtsstreits) angenommen hat. Nach Auffassung des LAG Köln werde die auch organisatorische Trennung der Arbeitsschritte durch den Sachbearbeiterwechsel nur unterstrichen. Diese Aussagen lassen sich aus gleich mehreren Gründen nicht auf die vorliegende Fallgestaltung übertragen: Beide Parteien des hiesigen Rechtsstreits sind sich zunächst darin einig, dass die Arbeitsvorgänge „Bearbeiten von Widersprüchen“ und „Bearbeiten von Klagen“ zu trennen sind. Ein zwischen diesen beiden Arbeitsvorgängen stattfindender Sachbearbeiterwechsel würde diese Trennung nach der vorzitierten Entscheidung des LAG Köln nur noch unterstreichen. Zudem findet der von der Beklagten angeführte Sachbearbeiterwechsel nicht zwischen ohnehin zu trennenden Arbeitsschritten statt, sondern vollzieht sich innerhalb der Bearbeitung sozialgerichtlicher Verfahren. Dazu, ob ein Sachbearbeiterwechsel bei der Bearbeitung einzelner Fälle im Rahmen eines 2-Personen-Prinzips innerhalb eines auf ein einheitliches Arbeitsergebnis gerichteten Arbeitsvorgangs zu einer rechtlichen Trennung der Arbeitsschritte führt, hat das LAG Köln keine Aussage getroffen.
d) Der so gebildete einheitliche Arbeitsvorgang bestehend aus den Arbeitsschritten „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleiche und Anerkenntnisse im Klageverfahren“ macht unbestritten seit dem 01.01.2018 insgesamt 55 % der Tätigkeit der Klägerin aus. Dieser einheitliche Arbeitsvorgang ist der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV zuzuordnen, da Tätigkeiten enthalten sind, die sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Entgeltgruppe 9c herausheben.
Von der Erfüllung der Entgeltgruppe 9c gehen beide Parteien übereinstimmend für die gesamte klägerische Tätigkeit aus. Ist der entsprechende Sachverhalt im Wesentlichen unstreitig und geht der Arbeitgeber – wie hier – selbst von der Erfüllung des Tarifmerkmals aus, genügt eine pauschale Überprüfung durch das Gericht (vgl. BAG 22.4.2009 – 4 AZR 166/08 – Rn. 21; LAG Nürnberg 29.4.2014 – 1 Sa 315/13).
Für die Erfüllung einer qualifizierenden tariflichen Anforderung, hier die „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“, ist es ausreichend, wenn entsprechende Tätigkeiten innerhalb eines Arbeitsvorgangs in einem rechtlich erheblichen Ausmaß anfallen. Nicht erforderlich ist es, dass innerhalb eines Arbeitsvorgangs solche Tätigkeiten ihrerseits in dem nach § 12 Abs. 2 TV-TgDRV bestimmten Maß anfallen (Vgl. BAG 9.9.2020, 4 AZR 195/20 Rn. 65 zu dem insoweit identischen § 12 TV-L; BAG 22.2.2017, 4 AZR 514/16 Rn. 41 jeweils mwN). Für die Tätigkeit „Entscheiden über Vergleich und Anerkenntnis“ gehen die Parteien übereinstimmend von der Erfüllung des tariflichen Heraushebungsmerkmals aus. Auch hier erübrigt sich daher nach den oben dargestellten Grundsätzen eine vertiefte gerichtliche Prüfung. Mit 20 % Tätigkeitsanteil liegt auch ein rechtlich erhebliches Maß vor.
e) Da der mit E11 zu bewertende einheitliche Arbeitsvorgang – gebildet aus „Bearbeiten von Klagen“ und „Entscheiden über Vergleich und Anerkenntnis“ – bereits für sich genommen mit 55 % das nach § 12 Abs. 2 TV-TgDRV erforderliche zeitliche Maß von „mindestens zur Hälfte“ übersteigt, kann dahinstehen, ob zu diesem Arbeitsvorgang noch der weitere von der Beklagten gebildete Arbeitsvorgang „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und anderer Rentenversicherungsträger vor den Sozialgerichten“ mit seinem Anteil von 15 % hinzuzurechnen ist. Nicht zu entscheiden war ferner, ob der Arbeitsschritt „Bearbeiten von Klagen“ für sich genommen das Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“ der Entgeltgruppe 11 erfüllt.
f) Der Anspruch der Klägerin auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV für den Zeitraum nach dem 01.01.2018 ist auch nicht wegen Eingreifens einer tariflichen Ausschlussfrist ausgeschlossen.
Die besondere von der Beklagten angeführte Ausschlussfrist des § 26 Abs. 1 S. 1 TVÜ-TgDRV greift allenfalls für Zeiträume bis zum 31.12.2017. Für den Zeitraum ab dem 1.1.2018 führt auch die Beklagte diese Ausschlussfrist – zu Recht – nicht an. Und die allgemeine Ausschlussfrist des § 37 TV-TgDRV hat die Klägerin mit ihrem auf eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe 11 zielenden Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2015 gewahrt.
g) Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1 BGB.
3. Die Stufe 4 der Entgeltgruppe 11 kann die Klägerin allerdings erst ab dem 01.08.2021 beanspruchen. Die Berufung der Beklagten hat diesbezüglich Erfolg.
Aufgrund Tätigkeitsänderung zum 01.01.2018 erfolgte zu diesem Zeitpunkt eine Höhergruppierung der Klägerin in die Entgeltgruppe 11. Nach § 17 Abs. 4 TV-TgDRV erfolgt bei Höhergruppierungen zwar eine stufengleiche Zuordnung – im Falle der Klägerin zu Stufe 3. Die Stufenlaufzeit begann ab diesem Zeitpunkt allerdings erneut zu laufen (§ 17 Abs. 4 Satz 2 TV-TgDRV). Die bis 31.07.2018 dauernde Elternzeit der Klägerin war nach § 17 Abs. 3 TV-TgDRV nicht auf die Stufenlaufzeit von 3 Jahren (§ 16 Abs. 4 TV-TgDRV) anzurechnen. Das Erreichen der Stufe 4 verschob sich dadurch vom 01.01.2021 auf den 01.08.2021.
III. Die Anschlussberufung der Klägerin ist zulässig.
Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. § 524 Abs. 1 bis 3 ZPO.
IV. Die Anschlussberufung ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage hinsichtlich des Zeitraums 01.05.2015 bis 31.12.2017 abgewiesen. Für diesen Zeitraum hat die darlegungspflichtige Klägerin die Voraussetzungen für einen Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe 11 des TVEntgO-DRV nicht dargelegt.
1. Im Eingruppierungsrechtsstreit obliegt dem klagenden Beschäftigten nach den allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen die Darlegungslast. Vertritt er die Auffassung, seine Tätigkeit erfülle die Anforderungen eines Tätigkeitsmerkmals einer höheren als der vom Arbeitgeber angenommenen Entgeltgruppe, obliegt es ihm, je nach Lage und Erfordernissen des Einzelfalls diejenigen Tatsachen vorzutragen und im Bestreitensfall zu beweisen, die den rechtlichen Schluss zulassen, die tariflichen Anforderungen des beanspruchten Tätigkeitsmerkmals der maßgebenden Entgeltgruppe – unter Einschluss etwaiger darin vorgesehener Qualifizierungen – seien im geforderten zeitlichen Umfang erfüllt (BAG 14.10.2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 30; BAG 18.03.2015 – 4 AZR 702/12 – Rn. 35). Danach obliegt es regelmäßig dem Kläger, die ihm übertragenen Aufgaben im Einzelnen darzustellen (BAG 14.10.2020 – 4 AZR 252/19 – Rn. 32).
2. Diesen Anforderungen genügen die Ausführungen der Klägerin zu den zeitlichen Anteilen ihrer Tätigkeit für den Zeitraum vor dem 01.01.2018 nicht.
a) Die Stellenbeschreibung vom 20.03.2018 ist nach den übereinstimmenden Angaben der Parteien nur für den Zeitraum ab 01.01.2018 zutreffend. Unbestritten haben sich die Aufgaben der Klägerin jedenfalls durch die Verlagerung der Aufgabe der Entscheidung über Vergleich und Anerkenntnis von der Teamleitung auf die Hauptsachbearbeiter zum Jahreswechsel 2017/2018 verändert.
b) Die Stellenbeschreibung vom 20.01.2011/28.11.2017, gültig ab 01.01.2015 (Bl. 38 d.A.), weist für die Tätigkeit der Bearbeitung von Widersprüchen einen Zeitanteil von 55 % der Gesamttätigkeit aus. Die Bearbeitung von Widersprüchen erfüllt nach übereinstimmender Bewertung der Parteien die Voraussetzungen der Entgeltgruppe 9c, nicht jedoch das für die Entgeltgruppe 11 vorausgesetzte Heraushebungsmerkmal „besondere Schwierigkeit und Bedeutung“. Nach Maßgabe dieser Stellenbeschreibung verbleiben für den nach Rechtsauffassung der Klägerin einheitlichen Arbeitsvorgang der „Prozesssachbearbeitung“ zusammengenommen nur 45 %. Der für die Erfüllung des Heraushebungsmerkmals erforderliche Zeitanteil von mindestens 50 % ist hiernach nicht gegeben.
c) Dass die Widerspruchsbearbeitung entgegen der ab 01.01.2015 gültigen Stellenbeschreibung weniger als 55 % oder gar weniger als 50 % der Tätigkeit ausmachte, hat die Klägerin entgegen der sie treffenden Darlegungslast nicht ausreichend dargetan. Von daher kommt es nicht darauf an, ob die für den Zeitraum bis 31.12.2017 gebildeten Vorgänge „Bearbeiten von Klagen“ und „Vertreten der DRV Mitteldeutschland und der DRV Bund vor den Sozialgerichten“ einen einheitlichen, der Entgeltgruppe 11 zuzuordnenden Arbeitsvorgang darstellen.
aa) Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Relevanz fremder Selbstaufzeichnungen verneint. Es ist nicht ersichtlich, dass Aufzeichnungen einer Kollegin aus Sachsen für den Zuschnitt der klägerischen Tätigkeit in … herangezogen werden können. Zwar mögen solche Aufzeichnungen von Kollegen der Klägerin im Zeitraum Februar 2016 bis Februar 2017 in eine Eingruppierungsüberprüfung durch die Stellenbewertungskommission eingeflossen sein. Ein Beleg für den konkreten zeitlichen Zuschnitt der Tätigkeit der Klägerin im streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.05.2015 bis 31.12.2017 sind sie jedoch nicht.
bb) Auch auf das Protokoll der Stellenbewertungskommission vom 19.06.2017 (Bl. 63 ff. d.A.) kann sich die Klägerin nicht mit Erfolg berufen. Mitnichten enthält dieses Protokoll eine verbindliche Festlegung der Tätigkeit sämtlicher Hauptsachbearbeiter Rechtsbehelfe. Unabhängig von der Frage der Rechtsnatur und der Verbindlichkeit eines solchen Protokolls ist festzustellen, dass das Stellenbewertungsprotokoll nicht unterzeichnet ist, worauf die Beklagte zu Recht hinweist. Sodann ergibt sich, dass es sich bei dem von der Klägerin angeführten „Prüfergebnis“ um die Neubewertung von Tätigkeitsbeschreibungen vom 11.7.2017 handeln soll, die „ab 01.09.2017 gelten“ sollen. Eine Aussagekraft für den Zeitraum davor kann dieser Erklärung schon aus diesem Grund nicht beigemessen werden. Zuletzt sind die Festlegungen und Prüfergebnisse im Protokoll auch ersichtlich vorläufiger Natur. An verschiedenen Stellen wird davon gesprochen, dass sich die Zeitanteile der Arbeitsvorgänge „vorläufig“ darstellen bzw. dass Zeitanteile nochmals überprüft werden müssten. Vor diesem Hintergrund davon zu sprechen, dass die Feststellungen der Bewertungskommission für die konkrete Tätigkeit der Klägerin in … im Zeitraum vom 1.5.2015 bis 31.12.2017 eine verbindliche Aussage treffen, wäre daher verfehlt.
cc) Zuletzt kann die Klägerin auch nicht mit Erfolg auf ältere Tätigkeitsbeschreibungen verweisen. Zwar existiert eine Tätigkeitsbeschreibung vom 24.04.2009, gültig ab 01.10.2005 (Bl. 30 d.A.), die den Arbeitsvorgang „Prüfen von Widersprüchen“ mit nur 45 % ansetzt. Aus welchem Grund diese ab 2005 geltende Beschreibung für die Tätigkeit der Klägerin im maßgeblichen Zeitraum vom 01.05.2015 bis 31.12.2017 maßgeblich sein soll, erklärt die Klägerin jedoch nicht. Dies erschließt sich – unabhängig von der Existenz einer für den Zeitraum ab 01.01.2015 existierenden Stellenbeschreibung (s.o.) – auch deshalb nicht ohne weiteres, da die Klägerin erst ab 01.03.2012 bei der Beklagten und zudem erst ab 2013 als Hauptsachbearbeiterin im Bereich Rechtsbehelfe tätig war.
3) Da die Klägerin bereits dem Grunde nach für den Zeitraum bis 31.12.2017 keine Vergütung auf Basis der Entgeltgruppe 11 verlangen kann, kann dahinstehen, ob sie mit ihrem Geltendmachungsschreiben vom 26.11.2015 die von der Beklagten angeführte besondere Ausschlussfrist des § 26 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-TgDRV gewahrt hat.
V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass bezogen auf den Zeitraum Mai 2015 bis Dezember 2017 die Klägerin unterlag. Die ausgesprochene Eingruppierungsfeststellung – das Unterliegen der Beklagten – erfasst zunächst den zurückliegenden Zeitraum ab 2018. Daneben wirkt die Feststellung zusätzlich in die Zukunft, so dass es gerechtfertigt erscheint, der Beklagten 2/3 der Kosten aufzuerlegen. Die abgeänderte Stufenzuordnung – Verschiebung um 7 Monate – fällt nur unwesentlich ins Gewicht.
VI. Anlass für die Zulassung der Revision bestand aus Sicht der Kammer nicht.
1. Der Zulassungsgrund einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG liegt nicht vor.
a) Grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne setzt voraus, dass die entscheidende Rechtsfrage klärungsfähig und klärungsbedürftig ist und die Klärung entweder von allgemeiner Bedeutung für die Rechtsordnung ist oder wegen ihrer tatsächlichen Auswirkungen die Interessen der Allgemeinheit oder eines größeren Teils der Allgemeinheit berührt (BAG 23.6.2016 – 8 AZN 205/16; BAG 17.1.2012 – 5 AZN 1358/11; Schwab/Weth, ArbGG, 5. Auflage 2018, § 72 Rn. 24 mwN). Die aufgeworfene Rechtsfrage muss sich in einer unbestimmten Vielzahl weiterer Fälle stellen können und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berühren (vgl. BAG 5.10.2010 – 5 AZN 666/10).
b) Zwar hat die Beklagte angeführt, es gebe bereits mehrere anhängige Parallelfälle. Der Verweis auf eine Vielzahl betroffener Fälle reicht jedoch für die Annahme einer grundsätzlichen Bedeutung im Sinne von § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG nicht aus. Hinzukommen muss eine klärungsbedürftige Rechtsfrage, die von der bloßen Subsumtion des Sachverhalts zu unterscheiden ist. Eine Rechtsfrage setzt voraus, dass die Wirksamkeit, der Geltungsbereich, die Anwendbarkeit oder der Inhalt einer Norm entscheidungserheblich ist (BAG 23.6.2016 – 8 AZN 205/16; ErfK-Koch, 21. Auflage 2021, § 72 ArbGG Rn. 3a). Die vorliegende Entscheidung beschränkt sich auf die Subsumtion der klägerischen Tätigkeit unter den Begriff des Arbeitsvorgangs im Tarifsinne. Die Auslegung des Begriffs des Arbeitsvorgangs selbst ist höchstrichterlich geklärt. Der erkennenden Kammer ist bewusst, dass die Grenzen fließend sein können – gerade wenn sich wie im vorliegenden Fall abstrahierbare Fragen nach einer Zäsur durch einen Sachbearbeiterwechsel stellen. Dennoch steht aus Sicht der Kammer die Subsumtion des Sachverhalts und damit die bloße Rechtsanwendung im Vordergrund, was eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigt. Zu entscheiden war zudem auch nicht, ob ein Sachbearbeiterwechsel zwischen einzelnen Arbeitsschritten an sich die Zusammenfassung dieser Arbeitsschritte zu einem einheitlichen Arbeitsvorgang ausschließt, sondern nur, ob in der konkreten Ausgestaltung der Tätigkeit der Klägerin ein zu einer Zäsur führender rechtserheblicher Sachbearbeiterwechsel liegt.
c) Die Beklagte kann auch nicht die gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 09.09.2020 (4 AZR 195/20) eingelegte Verfassungsbeschwerde (1 BvR 328/21) als Zulassungsgrund ins Feld führen. Zwar wird mit der Verfassungsbeschwerde ein Verstoß gegen die Tarifautonomie durch die angegriffene Entscheidung des BAG angeführt. Dennoch bleibt es dabei, dass die Bestimmung von Arbeitsvorgängen im Tarifsinne durch eben diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts und die dort in Bezug genommenen weiteren Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts höchstrichterlich geklärt ist.
2. Der Zulassungsgrund der Divergenz im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG ist ebenfalls zu verneinen.
Entgegenstehende Entscheidungen anderer Landesarbeitsgerichte sind nicht bekannt und auch nicht vorgetragen. Eine Divergenz zu der Entscheidung des LAG Köln (Urteil vom 8.6.2016 – 11 Sa 16/16) ist auch nicht gegeben. Wie oben unter Ziffer II. 2. c) ausgeführt, hat das Landesarbeitsgericht einen Rechtssatz dahingehend, ein Sachbearbeiterwechsel führe stets zu einer rechtlichen Trennung einzelner Arbeitsschritte, nicht aufgestellt. Denn in dem dort zugrundeliegenden Fall ging es um aus Sicht des LAG ohnehin zu trennende Arbeitsergebnisse, deren organisatorische Trennung durch einen im Normalfall stattfindenden Sachbearbeiterwechsel nur noch unterstrichen wurde. Dazu, ob ein Sachbearbeiterwechsel bei der Bearbeitung einzelner Fälle innerhalb eines auf ein einheitliches Arbeitsergebnis gerichteten Arbeitsvorgangs zu einer rechtlichen Trennung der Arbeitsschritte führt, hat das Landesarbeitsgericht Köln keine Aussage getroffen.