Arbeitsrecht

Eingruppierung – Tarifvertragsauslegung

Aktenzeichen  2 Sa 376/18

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2021:0812.2SA376.18.00
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Gera, 12. Juli 2018, 3 Ca 333/17, Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 12.07.2018 – 3 Ca 333/17 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers.
Die Beklagte stellt Kältetrockner und Gebläse her. Der Kläger absolvierte eine dreijährige Berufsausbildung zum Industriemechaniker. Er ist seit September 1996 bei der Beklagten beschäftigt. Die Parteien vereinbarten mit Änderungsvertrag vom 09.10.2003 (Bl. 13 d. A.) eine Beschäftigung des Klägers ab 01.09.2003 als Prüfstandtechniker nach Lohngruppe Z7. Der Kläger schloss am 14.06.2006 einen zweijährigen Lehrgang zum staatlich geprüften Techniker, Fachrichtung Maschinentechnik, Schwerpunkt Konstruktion erfolgreich ab (Bl. 12 d. A.).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit das Entgeltrahmenabkommen für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen vom 15.01.2004 (fortan: TV ERA TH) Anwendung. Der Kläger wurde mit Änderungsvertrag vom 02.01.2008 (Bl. 14 d. A.) zum 01.01.2008 in Entgeltgruppe E 8 TV ERA TH eingruppiert.
Die für die Eingruppierung maßgebenden Vorschriften aus dem TV ERA TH haben – soweit für den Rechtstreit vom Bedeutung – folgenden Wortlaut:

                  „ § 3
                Eingruppierung
1. Die Beschäftigten werden entsprechend der Anforderungen ihrer Tätigkeit in eine der 12 Entgeltgruppen E 1 bis E 12 eingruppiert.
  … 
2. Die Eingruppierung des Beschäftigten richtet sich nach den Anforderungsmerkmalen des Entgeltrahmenabkommens (§ 4).
  …     
4. Der Beschäftigte ist entsprechend derjenigen Tätigkeit einzugruppieren, die das Niveau der Gesamttätigkeit prägt, auch wenn regelmäßig oder gelegentlich Tätigkeiten mit unterschiedlichen Anforderungsniveaus ausgeübt werden.
Wenn sich durch die Ausführung unterschiedlicher Tätigkeiten und/oder den Einsatz an unterschiedlichen Arbeitsplätzen ein höheres Anforderungsniveau ergibt, ist dies bei der Eingruppierung entsprechend zu berücksichtigen.
Für die Bewertung des Niveaus der Tätigkeiten ist eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen erforderlich. Dabei ist der zeitliche Umfang einzelner Tätigkeiten nicht maßgebend.
5. Für die Eingruppierung des Beschäftigten in eine Entgeltgruppe ist allein die Tätigkeit maßgebend, nicht seine Ausbildung.
 Die in den Anforderungsmerkmalen enthaltenen erforderlichen Qualifikationen können auch auf anderem Weg erworben worden sein.
6. Die tariflichen Niveaubeispiele bieten Anhaltspunkte für die Eingruppierung.
Sie sind nur in Übereinstimmung mit den jeweils gültigen Anforderungsmerkmalen anwendbar, weil Art und Wertigkeit des einzelnen Beispiels von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich sein können.
 …   

§ 4     
Definitionen der Entgeltgruppen
…       
E 8     
Ein Aufgabengebiet, das im Rahmen von bestimmten Richtlinien erledigt wird, oder hochwertigste Facharbeiten, die hohes Dispositionsvermögen und umfassende Verantwortung erfordern.
Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine abgeschlossene mindestens 3-jährige fachspezifische Berufsausbildung und eine mindestens 2-jährige Fachausbildung
 oder 
durch eine abgeschlossene 3-jährige Hochschulausbildung (z. B. Bachelor) erworben werden.
                  Z 8
 Es werden Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 8 ausgeführt.
Dem Beschäftigten werden zusätzlich Aufgaben der Anleitung und Führung von Beschäftigten dauerhaft übertragen
 oder 
   Dem Beschäftigten werden zusätzliche Tätigkeiten dauerhaft übertragen, die wesent-
   lich über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 8 hinausgehen und deshalb eine
   zusätzliche Qualifikation erfordern.
E 9     
Ein erweitertes Aufgabengebiet, das überwiegend im Rahmen von bestimmten Richtlinien erledigt wird.
Erforderlich sind Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel durch eine mindestens 3-jährige Berufsausbildung, eine mindestens zweijährige Fachausbildung und langjährige Berufserfahrungen
 oder 
durch eine abgeschlossene 3-jährige Hochschulausbildung (z. B. Bachelor) und langjährige Berufserfahrungen erworben werden.“

Nach der maßgebenden Arbeitsbeschreibung der Beklagten “Prototypenmessungen und – tests 2“ (Bl. 15/76 d. A.) führt der Kläger Messungen und Tests an Prototypen durch.
Der Kläger hat folgende Aufgaben:
– Prototypen und Versuchsanlagen aus verschiedenen KAESER-Produktbereichen erstmalig aufbauen und schwierige Montagetätigkeiten durchführen
– Prototypenteile anfertigen, modifizieren und anpassen
– Prototypen und Versuchsanlagen umbauen
– Inbetriebnahme von Prototypen vorbereiten, vornehmen, Fehlersuche durchführen und dokumentieren
– Montage- und Servicefreundlichkeit von Prototypen bewerten und auf erkennbare Mängel hinweisen und diese abstellen
– Koordinierung von Versuchsabläufen unter Beachtung von Versuchskapazitäten und Kosten
– Prozess- und Montageabläufe hinsichtlich Serienmontage optimieren
– Änderungen am Prototyp dokumentieren, Bauzustände erfassen und Fertigungsfehler dokumentieren und diese bei Bedarf umarbeiten
– komplizierte Prüfstände nach allgemeinen Vorgaben Versuchsingenieure aufbauen, warten und bedienen
– umfassende neue Versuchsanordnungen nach allgemeinen Vorgaben aufbauen und in Betrieb nehmen, Versuche durchführen und Versuchsergebnisse protokollieren
– Dauerlaufversuche überwachen und betreuen, Bauteile und Anlagen nach Versuchsende zerlegen und Bauteilfehler feststellen und auflösen
– Demontage und Montage von Wettbewerbsprodukten inklusive Anfertigung hierfür gegebenenfalls erforderlicher Sonderwerkzeuge durchführen
– Wartung und Überprüfung von Arbeits- und Messmitteln durchführen
– selbstständige Organisation (Raumbelegung) von Abnahmen Kundenanlagen, diese aufbauen, messen und protokollieren
– Messemaschinen (Prototypen zu Ausstellungszwecken) aufbauen und Inbetriebnahme durchführen
– Bauteile externer Hersteller im Beisein des Herstellers und TB-Konstrukteurs erproben und Versuche durchführen
– etwa zweimal jährlich Unterstützung der Produktionsabteilung bei der Einführung neuer Serienprodukte, Hilfestellung und Anleitung der Monteure
– etwa sechsmal jährlich Unterstützung der Reparaturabteilung bei Fehleranalyse
– Betreuung mehrerer unterschiedlicher Projekte gleichzeitig
– etwa alle drei Jahre Inbetriebnahme neuartiger Messmittel (Streit besteht zwischen den Parteien darüber, ob die neuartigen Messmittel vom Kläger zusammen mit dem Versuchsingenieur erstmalig aufgebaut und ausprobiert werden oder ob diese Tätigkeit auch vom Kläger allein ausgeführt wird)
– Betreuung der Gebäudetechnik Forschungs- und Entwicklungszentrum Gera (keine allgemeine Gebäudetechnik, sondern Wartung und Überprüfung von Arbeits- und Messmitteln).
Der Kläger hat mit der am 16.11.2017 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage sowie der Klageerweiterungen die monatlichen Bruttodifferenzbeträge zwischen Entgeltgruppe E 8 und E 9 TV ERA TH für den Zeitraum von August 2017 bis einschließlich Mai 2018 und mit unbestimmter Leistungsklage Vergütung nach Entgeltgruppe E 9 TV ERA TH geltend gemacht. Er hat sich unter Bezugnahme auf die von ihm gefertigte Arbeitsplatzbeschreibung (Bl. 16 d.A.) insbesondere darauf berufen, sein Aufgabengebiet habe sich im Laufe der Jahre erweitert, ihm seien zusätzlich zu den ursprünglichen Aufgaben weitere Aufgaben übertragen worden, z.B. Organisation der Abnahme von Kundenanlagen sowie der Aufbau derselben, die Messung und das Protokollieren, der Aufbau und die Inbetriebnahme von Messemaschinen, die Erprobung von Bauteilen externer Hersteller im Beisein des Herstellers und TB-Konstrukteurs und die Durchführung von Versuchen der Bauteile, die Unterstützung der Produktionsabteilung bei der Einführung neuer Serienprodukte, das Anlernen und Einweisen von Monteuren, die Unterstützung der Reparaturabteilung bei Fehleranalysen, die Betreuung mehrerer unterschiedlicher Projekte gleichzeitig, die eigenständige Inbetriebnahme neuartiger Messmittel und Betreuung der Gebäudetechnik …….
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 95 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, der Kläger habe keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergäbe, dass und aus welchen Gründen seine Tätigkeit unter ganzheitlicher Betrachtung dem Niveau der Entgeltgruppe 9 entspräche. Ein erweitertes Aufgabengebiet könne nicht festgestellt werden. Es sei auch nicht ersichtlich, weshalb für die Tätigkeit nicht nur eine dreijährige Berufsausbildung sowie eine weitere zweijährige Fachausbildung, sondern auch noch langjährige Berufserfahrungen oder eine dreijährige Hochschulausbildung und langjährige Berufserfahrungen erforderlich seien. Außerdem seien die Aufgaben des Prüftechnikers durch Richtlinien bestimmt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 99 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 28.09.2018 zugestellte Urteil am 23.10.2018 Berufung eingelegt und die Berufung am 20.12.2018 begründet, nachdem die Berufungsbegründungsfrist
auf den am 13.11.2018 eingegangenen Antrag bis zum 28.12.2018 verlängert worden war.
Der Kläger ist der Auffassung, das Arbeitsgericht habe die Abgrenzung zwischen Aufgabengebiet und erweitertem Aufgabengebiet nicht beachtet. Bei den ihm übertragenen Aufgaben handle sich um ein erweitertes Aufgabengebiet, da eine Vielzahl seiner Tätigkeiten nicht zu den Kerntätigkeiten eines Prüfstandtechnikers gehörten.
Der Kläger behauptet, er erledige seine Aufgaben überwiegend im Rahmen von bestimmten Richtlinien. Nicht alles, z.B. das Anlernen von Monteuren, werde nach Richtlinien gemacht.
Der Kläger geht davon aus, er habe auch langjährige Berufserfahrung, die für die Erledigung seiner Aufgaben erforderlich sei. Das ihm ursprünglich nach Entgeltgruppe E 8 übertragene Aufgabengebiet sei aufgrund seiner steigenden Erfahrung so erweitert worden, dass es spätestens seit dem Jahr 2016 nicht mehr von einem entsprechend ausgebildeten Arbeitnehmer, der keine langjährige Berufserfahrung habe, erledigt werden könne. Ohne langjährige Erfahrung seien die ihm übertragenen Aufgaben nicht bzw. nicht in der von der Beklagten vorgegebenen Arbeitszeit und Qualität zu erledigen. Die Messungen, die ihm von Konstrukteuren und Vorgesetzten zugewiesen würden, müsse er selbst in ihrem Aufbau, Ablauf und der Reihenfolge festlegen. Die Vorgesetzten gäben lediglich den Rahmen vor. Nur durch langjährige Erfahrung könne er die hierzu notwendigen Prognosen treffen, um die Abläufe so zu gestalten, dass sie effektiv, kostengünstig und mit einem hohen Maß an Zeitersparnis durchgeführt würden. Sowohl die verbrauchte Energie, als auch die zeitliche Blockierung der Messräume solle nach den Vorgaben der Beklagten auf ein Minimum reduziert werden. Ein einfaches Drauflosarbeiten oder kleinteiliges Vorabrecherchieren, wie es einem Mitarbeiter ohne Erfahrung allein möglich sei, akzeptiere die Beklagte bei ihm nicht. Besonders wichtig sei die zeitlich effektive Arbeit bei Kundenmessungen, um die Termine einhalten zu können und den Aufenthalt des Kunden so kurz wie möglich zu gestalten. Die Beklagte akzeptiere hier nur geringe zeitliche Abweichungen. Sie weise dies keinen Kollegen zu, die nicht bereits eine mehrjährige Erfahrung hätten. Der Kläger trägt vor, er müsse zur Erfüllung seiner Aufgaben alle bei der Beklagten vorhandenen Produktgruppen und Baureihen ohne Zeit für eine detaillierte Einarbeitung montieren, messen und demontieren können. Ein Arbeitnehmer ohne langjährige Berufserfahrung könne das nicht, da er die vielen verschiedenen Gebläsetypen nicht kenne, nicht wisse, wie sie aufgebaut seien, welche Werkzeuge und welche Einstellung (z.B. Drehmoment) zu verwenden seien und die Montagereihenfolge nicht innehabe. Die verschiedenen Gebläsetypen wiesen sich durch unterschiedliche Bedienkonzepte aus. Dies reiche von Drehkolbengebläsen ohne Steuerung zu Drehkolbengebläsen, Schraubengebläsen und Turbogebläsen mit komplizierten Steuerungen. Auch er habe mehrere Jahre gebraucht, sich die entsprechenden Kenntnisse anzueignen. Er könne aufgrund seiner langjährigen Erfahrung am Aufbau neuer Gebläsetypen erkennen, ob die Montage so funktioniere, wie sie vom Konstrukteur erdacht sei. Er könne anhand der Messungen beurteilen, ob die Maschine den Anforderungen entspräche. Er könne aus seiner Erfahrung heraus schon ohne Messungen, durch visuelle, akustische und optische Wahrnehmung, die zu erwartenden Merkmale einer Maschine erahnen, was eine schnelle Beurteilung der Maschine zulasse. All dies sei für die vorgabemäßige Ausführung aller Aufgaben auch nötig. Anderenfalls brauche er ein Vielfaches der zur Verfügung stehenden Zeit. Er könne die vorgegebene Arbeitsgeschwindigkeit nur einhalten, weil er die betrieblichen Strukturen/Abläufe in der Produktion und im FEZ kenne und wisse, wie er z.B. schnell an Material aus dem Lager komme. Auch der notwendige Umgang mit der umfangreichen und komplizierten Haus- und Messtechnik im FEZ bedürfe langjähriger Erfahrung, um sie mit der vorgegebenen Effizienz bedienen zu können. Beispielsweise seien, um Maschinen im Prüfraum in Betrieb zu nehmen, vorher Einstellung und Parameter für den Prüfraum und die Maschine vorzunehmen, damit diese ohne Probleme und Fehler den Messbetrieb durchliefen. Eine Warnung oder Störung der Prüfraumtechnik könne nur mit ausreichendem Erfahrungswissen behoben werden. Einem Mitarbeiter, der die Technik und den Aufbau des Prüfraums nicht bereits Jahre kenne, sei dies allenfalls in einer vielfach längeren Zeit möglich, die aber nicht zur Verfügung stehe. Die Beklagte habe, um ihn auf das heutige Niveau zu bringen, mehrere Jahre umfangreich geschult. Er habe auch langjährig lernen müssen, Hilfestellung für das Produktionszentrum Gebläse sowie die Reparaturabteilung zu geben und die Monteure im Produktionszentrum bei neuen Serien einzuarbeiten. All das könne ein Mitarbeiter nicht, der keine langjährige Erfahrung habe. Schließlich könne er die Aufgaben, um die sein Aufgabengebiet aus dem Jahr 2008 erweitert worden sei, nur erledigen, weil er neben der dreijährigen fachspezifischen Berufsausbildung und zweijährigen Fachausbildung zusätzlich über langjährige Berufserfahrungen verfüge. Die Erweiterung des Aufgabengebietes sei nicht dem technischen Fortschritt geschuldet, sondern dem Umstand, dass die Beklagte einem langjährig erfahrenen Mitarbeiter verantwortungsvollere Aufgaben übertragen habe.
Der Kläger macht zudem geltend, er habe zumindest Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe Z 8 und meint, dieser sei von den Anträgen als Minus umfasst.
Der Kläger beantragt:
1. Das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 28.08.2018, Az: 3 Ca 333/17 wird abgeändert.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.077,00 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 2. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger das Entgelt nach der Entgeltgruppe E 9 des Entgeltrahmentarifvertrages für die Metall- und Elektroindustrie des Landes Thüringen zu vergüten.
4. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag i.H.v. 359,00 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
5. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag i.H.v. 718,00 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
6. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag i.H.v. 718,00 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
7. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen weiteren Betrag i.H.v. 748,00 EUR brutto nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Sie ist der Auffassung, die Tätigkeiten des Klägers seien Kerntätigkeiten eines Prüfstandtechnikers. Insofern liege kein erweitertes Aufgabengebiet vor. Außerdem erledige der Kläger seine Aufgaben im Rahmen und nicht überwiegend im Rahmen von bestimmten Richtlinien. Alles sei vorgegeben. Es gäbe Aufbau- und Montageanleitungen, Prüfvorschriften, aus denen ersichtlich sei, wann und an welchen Messpunkten zu prüfen sei, es gäbe konkrete Arbeitsaufträge, Vorgaben von Ingenieuren und Konstrukteuren, detaillierte Prüfpläne in Form von Checklisten, usw.. Überdies sei für die Tätigkeit des Klägers keine langjährige Berufserfahrung erforderlich. Die ihm von Konstrukteuren und Vorgesetzten zugewiesen Messungen würden vom Versuchsingenieur vorgegeben. Seine Aufgabe sei, die vorgegebenen Messungen in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Das sei ihm aufgrund seiner Berufs- und Technikerausbildung möglich. Der Kläger habe zudem bei neuen Produktgruppen ausreichend Zeit und Dokumentationsmaterial zur Einarbeitung zur Verfügung.
Die Beklagte geht schließlich davon aus, der Kläger habe keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe Z 8 TV ERA TH. Er erfülle die tariflichen Anforderungsmerkmale nicht.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten Schriftsätze und die in der Verhandlung am 12.08.2021 zu Protokoll gegebenen Erklärungen der Parteien Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach dem Beschwerdewert an sich statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung ist unbegründet und daher zurückzuweisen. Das Arbeitsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.
I. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe E 9 TV ERA TH.
1. Die den Eingruppierungsregelungen des TV ERA TH zu Grunde liegende Arbeitsbewertung ist in einem summarischen Verfahren vorzunehmen.
a) Nach § 3 Ziff. 4 S. 1 TV ERA TH ist die zu bewertende maßgebende Tätigkeit eines Arbeitnehmers diejenige, die das “Niveau der Gesamttätigkeit“ prägt. Für die Bewertung des Niveaus der Tätigkeiten ist nach § 3 Ziff. 4 S. 3 TV ERA TH eine ganzheitliche Betrachtung der Anforderungen erforderlich, wobei der zeitliche Umfang einzelner Tätigkeiten nicht maßgebend ist.
b) Das Entgeltgruppenschema des TV ERA TH ist in den E-Gruppen gekennzeichnet durch die jeweils steigenden Anforderungen hinsichtlich der Kriterien Komplexität der zu erfüllenden Aufgabe, Grad an Vorgaben/Selbstständigkeit bei ihrer Erfüllung und für ihre Erledigung erforderliche Aus- und Vorbildung. Diese drei Kriterien kennzeichnen das Niveau der Tätigkeit insgesamt und werden für eine ganzheitliche Betrachtung des Schwierigkeitsgrades nicht jeweils einzeln, sondern in einer Gesamtschau herangezogen. Ob und wie sich Minderanforderungen bei einem der maßgebenden Kriterien und Überanforderungen bei einem anderen Kriterium ausgleichen können, ist der Gesamtschau übertragen. Im Rahmen der Gesamtschau sind sämtliche Einzeltätigkeiten zu berücksichtigen. Bei der Feststellung, welche Tätigkeit das “Niveau der Gesamttätigkeit“ prägt sind die Einzeltätigkeiten schon im ersten Schritt der Bestimmung der zu bewertenden Arbeitseinheit zu beurteilen (BAG 16. März 2016 – 4 ABR 32/14 – juris). Nicht jede Einzeltätigkeit muss dabei alle drei Kriterien erfüllen. Eine im Rahmen der tariflich vorgesehenen Gesamtschau mögliche Kompensation eines knapp verfehlten Anforderungskriteriums durch eine ggfs. weit überobligationsmäßige Erfüllung einer oder gar beider weiterer Kriterien ist nicht ausgeschlossen. Im Ergebnis der Gesamtschau müssen jedoch alle drei Kriterien erfüllt sein, auch wenn sie nicht alle kumulativ bei jeder Einzeltätigkeit gegeben sein müssen. Liegt zumindest ein und dasselbe Kriterium bei keiner Einzeltätigkeit vor, fällt es also überhaupt nicht an, kann die Gesamttätigkeit im Ergebnis der Gesamtschau nicht nach der entsprechenden Entgeltgruppe bewertet werden. Auf die Bedeutung der Einzeltätigkeiten innerhalb der Gesamttätigkeit, kommt es daher in diesen Fällen nicht an.
2. Das ist hier der Fall. Keine der dem Kläger übertragenen Einzeltätigkeiten erfüllt das Kriterium der für ihre Erledigung erforderlichen Aus- und Vorbildung.
a) Die Tätigkeiten nach Entgeltgruppe E 9 TV ERA TH erfordern gegenüber den Tätigkeiten nach Entgeltgruppe E 8 TV ERA TH ein „erweitertes“ Aufgabengebiet, das „überwiegend“ im Rahmen von bestimmten Richtlinien erledigt wird und hierfür nicht nur Kenntnisse und Fertigkeiten erforderlich sind, wie sie in der Regel durch eine mindestens 3-jährige Berufsausbildung und mindestens 2-jährige Fachausbildung, sondern zusätzlich durch „langjährige Berufserfahrungen“ erworben werden.
b) An Letztgenanntem fehlt es. Der für das Vorliegen dieser Voraussetzungen darlegungs- und beweispflichtige Kläger hat keine Tatsachen vorgetragen, aus denen sich ergibt, zumindest eine seiner Aufgaben erfordere Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie in der Regel nicht nur durch eine mindestens 3-jährige Berufsausbildung und eine mindestens 2-jährige Fachausbildung, sondern darüber hinaus, durch langjährige Berufserfahrungen erworben werden. Aufgabe des Klägers sind Messungen und Tests von Gebläseprototypen und Kundenanlagen inkl. Aufbau/Montage, Fehlersuche, Dokumentation, Demontage, Anfertigung von Prototypenteilen, Umbau von Prototypen und Versuchsanlagen, Anpassungen, Änderungen sowie Aufbau, Wartung, Bedienung von Prüfständen, unter Verrichtung der im Tatbestand (S. 4, 5) aufgeführten Einzeltätigkeiten. Keine dieser Einzeltätigkeiten, selbst zu Gunsten des Klägers unterstellt, er nehme neuartige Messmittel allein in Betrieb, erfordern Kenntnisse und Fertigkeiten, wie sie durch langjährige Berufserfahrungen erworben werden. Der Kläger hat hierzu keinen substantiierten Vortrag gehalten. Soweit er sich darauf beruft, er müsse die Messungen in ihrem Aufbau, Ablauf und Reihenfolge festlegen und könne nur durch langjährige Erfahrung die hierzu notwendigen Prognosen treffen, um die Abläufe effektiv, kostengünstig und zeitsparend durchzuführen, erschließt sich nicht, welche Kenntnisse und Fertigkeiten hierfür erforderlich sind und inwiefern diese aus einer mindestens 3-jährigen Berufserfahrung resultieren. Das trifft auch auf die Tätigkeit des Montierens, Messens und Demontierens aller bei der Beklagten vorhandenen Produktgruppen und Baureihen zu. Auch der Vortrag des Klägers, ein Arbeitnehmer ohne langjährige Berufserfahrung könne das nicht, da er die vielen verschiedenen Gebläsetypen nicht kenne, nicht wisse, wie sie aufgebaut seien, welche Werkzeuge und welche Einstellung zu verwenden seien, die Montagereihenfolge nicht innehabe, lässt nicht den Schluss zu, für diese Tätigkeit genüge eine 3-jährige Berufsausbildung und 2-jährige Fachausbildung nicht, zumal der Inhalt dieser Ausbildungen an keiner Stelle dargelegt wurde. Außerdem ist nicht ersichtlich, aus welchen Gründen eine 2-jährige Berufserfahrung nicht ausreicht. So ist auch nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Umgang mit der umfangreichen und komplizierten Haustechnik im FEZ sowie insbesondere die im Prüfraum und an der Maschine vorzunehmenden Einstellungen und Parameter langjähriger Erfahrungen bedürfe und aus welchen Gründen eine Störung/Warnung der Prüfraumtechnik nur mit ausreichend Erfahrungswissen behoben werden könne. Darauf, der Kläger habe mehrere Jahre gebraucht, sich die entsprechenden Kenntnisse anzueignen und darauf, er könne aufgrund seiner langjährigen Erfahrung am Aufbau neuer Gebläsetypen erkennen, ob die Montage so funktioniere, wie sie vom Konstrukteur erdacht sei, kommt es ebenso wenig an wie darauf, er könne aus seiner Erfahrung heraus schon ohne Messungen, durch visuelle, akustische und optische Wahrnehmung, die zu erwartenden Merkmale einer Maschine erahnen. Es spielt keine Rolle, welche Erfahrungen der Kläger hat, die ihm ein zügigeres Arbeiten ermöglichen. Entscheidend ist vielmehr, welche Kenntnisse und Fertigkeiten er für die Erledigung seiner Aufgaben benötigt. Das hat der Kläger zu keiner der von ihm ausgeführten Einzeltätigkeiten substantiiert dargelegt
II. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Vergütung nach Entgeltgruppe Z 8 TV ERA TH.
1. Entgeltgruppe Z 8 TV ERA TH verlangt neben Tätigkeiten der Entgeltgruppe E 8 zusätzlich Aufgaben der Anleitung und Führung von Beschäftigten oder zusätzliche Tätigkeiten, die wesentlich über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 8 hinausgehen und deshalb eine zusätzliche Qualifikation erfordern.
2. Keine der beiden Alternativen liegt vor. Der Kläger hat weder Führungsaufgaben, noch sind ihm zusätzliche Tätigkeiten übertragen, die wesentlich über die Anforderungen der Entgeltgruppe E 8 hinausgehen und deshalb eine zusätzliche Qualifikation (welche?) erfordern.
Der Kläger hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels gem. § 97 Abs. 1 ZPO zu tragen.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


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