Arbeitsrecht

Feststellung der Unwirksamkeit einer Kündigung eines Datenschutzbeauftragten

Aktenzeichen  2 Sa 274/19

Datum:
19.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
RDV – 2020, 208
Gerichtsart:
LArbG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Arbeitsgerichtsbarkeit
Normen:
AEUV Art. 153
DS-GVO Art. 38 Abs. 3
BDSG § 6 Abs. 4 S. 2, § 38 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

Die nationalen Regelungen, wonach ein interner Datenschutzbeauftragter nur aus wichtigem Grund gekündigt und nur aus wichtigem Grund von seinem Amt abberufen werden kann (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 4 BDSG), sind mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO vereinbar. (Rn. 59 und 65)
1. Die Umdeutung einer ordentlichen Kündigung gemäß § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung ggf. mit Auslauffrist ist nicht möglich. (Rn. 63) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein wichtiger Grund für die Abberufung eines Datenschutzbeauftragten liegt insbesondere nicht darin, einen internen Datenschutzbeauftragten durch einen externen Datenschutzbeauftragten aus organisatorischen, finanziellen oder personalpolitischen Gründen zu ersetzen. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

3 Ca 4080/18 2019-07-22 Endurteil ARBGNUERNBERG ArbG Nürnberg

Tenor

1. Die Berufungen der Beklagten gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 22.07.2019, Az. 3 Ca 4080/18, werden zurückgewiesen.
2. Die Beklagten zu 2) – 5) tragen je 10%, die Beklagte zu 1) trägt 60% der Kosten des Berufungsverfahrens.
3. Die Revision wird für die Beklagte zu 1) hinsichtlich der Klageanträge zu 1. (Kündigungsschutzklage) und 2. (Widerruf der Bestellung als Datenschutzbeauftragte) zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.

Gründe

A.
Die Berufungen der Beklagten sind zulässig.
Sie sind statthaft, § 64 Abs. 1, 2 b ArbGG, und auch in der gesetzlichen Form und Frist ein-gelegt und begründet worden, §§ 66 Abs. 1, 64 Abs. 6 Satz 1 ArbGG, 519, 520 ZPO.
B.
Die Berufungen sind jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat mit ausführlicher und zutreffender Begründung festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Klägerin zur Beklagten zu 1) nicht durch die Kündigung vom 13.07.2018 mit Ablauf des 15.08.2018 beendet wurde, und dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 1) nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1) vom 13.07.2018 beendet wurde. Ebenso ausführlich und zutreffend hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Beauftragte für den Datenschutz der Beklagten zu 2) bis 5) nicht durch den Widerruf der Beklagten zu 1) vom 13.07.2018 beendet wurde. Das Arbeitsgericht hat daher die Beklagte zu 1) zu Recht zur Weiterbeschäftigung der Klägerin als Teamleiterin Recht verurteilt. Nicht Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die erstinstanzliche Abweisung der Klage bezüglich der Weiterbeschäftigung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht die Widerklage mit zutreffender und ausführlicher Begründung abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht nimmt daher auf die Entscheidungsgründe im Urteil des Arbeitsgerichts vollumfänglich Bezug und macht sie sich zu eigen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).
Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen sind lediglich noch folgende ergänzenden Ausführungen veranlasst:
I.
Die Klägerin genoss zum Zeitpunkt der Kündigung den besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte nach §§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 2 BDSG. Danach ist die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, die den Arbeitgeber zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen. Nach einer wirksamen Abberufung als Datenschutzbeauftragter gilt dies noch für ein Jahr weiter (§§ 38 Abs. 2, 6 Abs. 4 Satz 3 BDSG).
1. Die Klägerin war wirksam schriftlich zur Datenschutzbeauftragten nach § 4f Abs. 1 BDSG in der bis 24.05.2018 geltenden Fassung (BDSG aF) bestellt worden. Zum Zeitpunkt der Kündigung war die Beklagte zu 1) unstreitig verpflichtet, einen Datenschutzbeauftragten zu bestellen (§ 38 Abs. 1 und 2, 2. HS BDSG in der vom 25.05.2018 – 25.11.2019 geltenden Fassung). Dieser Sonderkündigungsschutz gilt auch bereits in der Probezeit (KR-Treber, 12. Aufl., 2019, § 13 KSchG Rn 84; ErfK-Franzen, 20. Aufl., 2020, § 38 BDSG, Rn 10; Schaub ArbR-Hdb/Linck § 145 Rn 5).
2. Dieser besondere Kündigungsschutz auf nationaler Ebene verstößt nicht gegen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO. Nach dieser Vorschrift darf der Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden. Zwar ist davon auszugehen, dass die DS-GVO als EU-Verordnung unmittelbar und zwingend im Sinne einer Vollharmonisierung (EuArbRK/Franzen, 3. Aufl., 2020, DS-GVO Art. 88, Rn 10 mwN) gilt und nicht lediglich Mindeststandards setzt („Mindestharmonisierung“). Die Mitgliedstaaten dürfen somit von ausdrücklichen Vorgaben der DS-GVO nur insoweit abweichen, wie dies die DS-GVO ausdrücklich oder durch Auslegung ermittelbar zulässt, und im Übrigen die Vorgaben der DS-GVO lediglich konkretisieren (EuArbRK/Franzen a.a.O mwN).
Eine ausdrückliche Öffnungsklausel für den nationalen Gesetzgeber, einen besonderen Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte zu regeln, findet sich in der DS-GVO nicht. Allerdings ergibt die Auslegung, dass die DS-GVO spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen für den Datenschutzbeauftragten zulässt, soweit der Schutz nicht hinter des DS-GVO zurückbleibt. Die DS-GVO regelt den Datenschutz als Querschnittsmaterie mit Art. 16 Abs. 2 AEUV als Kompetenzgrundlage. Die Kompetenznorm für spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen findet sich hingegen in Art. 153 AEUV und hier insbesondere für Arbeitsbedingungen in Abs. 1 lit. b und für den Schutz der Arbeitnehmer bei Beendigung des Arbeitsvertrags in Abs. 1 lit. d. Nach Abs. 2 der Vorschrift handelt die EU in diesem Bereich durch Richtlinien, nicht durch Verordnung. Dies spricht dafür, dass die DS-GVO keine genuinen abschließenden arbeitsrechtlichen Regelungen trifft (EuArbRK/Franzen, 3. Aufl. 2020, AEUV Art. 153, Rn 76), jedenfalls nicht für das Arbeitsverhältnis, das der Tätigkeit als Datenschutzbeauftragtem zu Grunde liegt. So regelt Art. 38 DS-GVO die Stellung sowohl des intern als auch des extern bestellten Datenschutzbeauftragten allgemein. Im Bereich des Arbeitsrechts sind die Mitgliedstaaten nicht gehindert, strengere Schutzmaßnahmen beizubehalten oder zu treffen, die mit den EU-Verträgen vereinbar sind (Art. 153 Abs. 4, 2. Spiegelstrich AEUV). Dem nationalen Gesetzgeber ist es daher nicht verwehrt, spezifisch arbeitsrechtliche Regelungen für den Datenschutzbeauftragten, der auf Grund eines Arbeitsvertrages als solcher tätig ist („interner Datenschutzbeauftragter“) zu erlassen, soweit sie den in Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO gewährleisteten Abberufungs- und Benachteiligungsschutz nicht beeinträchtigen.
Hierfür spricht auch der Wortlaut des Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO. Der Datenschutzbeauftragte darf wegen der Erfüllung seiner Aufgaben nicht abberufen oder benachteiligt werden. Er darf deshalb also nicht gekündigt werden. Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO enthält aber keine spezifischen Regeln des Kündigungsschutzes für Datenschutzbeauftragte und verbietet somit auch vom Wortlaut her keinen darüber hinaus gehenden Kündigungsschutz, um die Unabhängigkeit des im Übrigen abhängig beschäftigten Arbeitnehmers von der Einflussnahme seines Arbeitgebers auf die Arbeit als Datenschutzbeauftragten zu gewährleisten. Dies dient dem in Erwägungsgrund 97 der DS-GVO niedergelegten Ziel, dass der Datenschutzbeauftragte unabhängig davon, ob es sich bei ihnen um Beschäftigte des Verantwortlichen handelt oder nicht, ihre Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben können.
Der Ausschluss der ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Datenschutzbeauftragten während seiner Bestellung und ein Jahr danach steht daher mit der DS-GVO in Einklang (so auch Jaspers/Reif RDV 2016, 61 (64); in Ehmann/Seelmayr/Heberlein DS-GVO 2. Aufl., 2018, Art. 38, Rn 28; Paal in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl., 2018, Art. 38 DS-GVO Rn 10; BeckOK DatenschutzR/Moos DS-GVO Art. 38 Rn 23; EuArbRK/Franzen 3. Aufl., 2020, DS-GVO Art. 38, Rn 1; Kühling/Buchner/Bergt, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 38 Rn 33; Gola DS-GVO/Klug, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 38 Rn. 15).
3. Da die Beklagte zu 1) keine außerordentliche, sondern eine ordentliche Kündigung ausgesprochen hat, ist die Kündigung schon deshalb gem. § 38 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 4 Satz 2 bzw. Satz 3 BDSG unwirksam. Eine Umdeutung gem. § 140 BGB in eine außerordentliche Kündigung ggf. mit Auslauffrist ist nicht möglich (KR-Rachor, 10. Aufl., 2019, § 1 KSchG Rn 175 mwN). Auch wurde der Betriebsrat nicht zu einer außerordentlichen Kündigung angehört.
4. Darüber hinaus hat das Arbeitsgericht zu Recht und überzeugend unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 – 10 AZR 562/09 – begründet, dass ein wichtiger Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht vorlag. Dem schließt sich das erkennende Gericht unter Bezugnahme auf das Urteil des Arbeitsgerichts an. Weiterer Ausführungen hierzu waren nicht veranlasst.
II.
Die Beklagte zu 1) bedurfte auch für die Abberufung der Klägerin als ihre interne Datenschutzbeauftragte eines wichtigen Grundes. Diese nunmehr in §§ 38 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG enthaltene nationale Regelung verstößt nicht gegen Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO.
1. Auch die Abberufung des Datenschutzbeauftragten ist in der DS-GVO nicht abschließend geregelt. Nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO darf der Datenschutzbeauftragte zwar nicht wegen der Erfüllung seiner Aufgaben abberufen oder benachteiligt werden. Damit ist aber nicht geregelt, unter welchen weitergehenden Voraussetzungen eine Abberufung des Datenschutzbeauftragten tatsächlich erfolgen kann. Mit der Bestellung zum Datenschutzbeauftragten überträgt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die entsprechenden Aufgaben als Teil seiner arbeitsvertraglichen Pflichten. Der Arbeitsvertragsinhalt ändert sich (BAG 23.03.2011 – 10 AZR 652/09 – Rn 30; 13.03.2007 – 9 AZR 612/05 – Rn 23). Die Abberufung als interner Datenschutzbeauftragter zielt damit im Umkehrschluss ebenfalls auf eine Änderung der arbeitsvertraglichen Pflichten. Damit handelt es sich auch beim besonderen nationalen Abberufungsschutz nach § 38 Abs. 2 iVm § 6 Abs. 4 Satz 1 BDSG im Kern um eine arbeitsrechtliche Regelung. Es bedurfte daher auch bezüglich der arbeitsrechtlichen Regeln über die Abberufung keiner ausdrücklichen Öffnungsklausel (a.A. Kühling/Buchner/Kühling/Sackmann, 2. Aufl., 2018, BDSG § 38 Rn 20; Ehmann/Sehmayr/Heberlein, 2.Aufl., 2018, DS-GVO Art. 38 Rn 28), da die europarechtliche Kompetenznorm sich insoweit in Art. 153 Abs. 1 lit. b AEUV („Arbeitsbedingungen“) findet. In diesem Bereich wird die EU jedoch nicht durch Verordnung, sondern durch Richtlinien tätig und hindert strengere Schutzmaßnahmen der Mitgliedstaaten nicht (Art. 153 Abs. 4, 2. Spiegelstrich). Ebenso wie der Kündigungsschutz dient auch verstärkte nationale Abberufungsschutz gerade dem Ziel, dass der als Arbeitnehmer abhängig beschäftigte interne Datenschutzbeauftragte seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben kann (s. Erwägungsgrund 97 der DS-GVO). Der externe Datenschutzbeauftrage steht hingegen nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Verantwortlichen und ist somit gerade nicht abhängig beschäftigt. Dies alles spricht dafür, dass die DS-GVO bezogen auf interne Datenschutzbeauftragte einen national verstärkten Abberufungsschutz nicht ausschließen wollte.
Mit dem Bundesgesetzgeber (BT-Drs. 18/11326, 82) vertritt die Berufungskammer daher die Auffassung, dass es sich auch bei dem besonderen Abberufungsschutz eines internen Datenschutzbeauftragten um eine arbeitsrechtliche Regelung handelt, die ergänzend zu den Vorgaben der DS-GVO auch im BDSG n. F. beibehalten werden kann (LAG Sachsen 19.08.2019 – 9 Sa 268/18 Rn 49; ErfK/Franzen, 20. Aufl., 2020, BDSG § 38 Rn 7; BeckOK DatenschutzR/Moos BDSG § 38 Rn 18; Pauly in Paal/Pauly, DS-GVO BDSG, 2. Aufl. 2018, § 38 BDSG Rn 17; Körffer in Paal/Pauly, a.a.O § 6 BDSG, Rn 3).
2. Ein wichtiger Grund für die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte lag nicht vor. Dies hat das Arbeitsgericht überzeugend unter Bezugnahme auf die Entscheidung des BAG vom 23.03.2011 – 10 AZR 562/09 herausgearbeitet. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere nicht darin, einen internen Datenschutzbeauftragten durch einen externen Datenschutzbeauftragten aus organisatorischen, finanziellen oder personalpolitischen Gründen zu ersetzen. Weitere Ausführungen seitens des Berufungsgerichts sind hierzu nicht veranlasst.
3. Unabhängig davon folgt nach Überzeugung des erkennenden Gerichts auch aus dem Vortrag der Beklagten zu 1), dass die Abberufung jedenfalls auch wegen der Erfüllung der Aufgaben der Klägerin als Datenschutzbeauftragte erfolgte und damit nicht in Einklang mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO stand. Die Beklagte zu 1) beruft sich darauf, dass die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte wegen des relativ hohen Risiko- und Haftungspotenzials für Anwendungs- und Ausführungsfehler im Bereich Datenschutz und der daraus resultierenden Notwendigkeit der dringend notwendigen Professionalisierung für den Aufgabenbereich des Datenschutzbeauftragten erfolgt sei.
Diese Risiken und Notwendigkeiten lagen jedoch bereits bei der Einstellung der Klägerin zum 15.01.2018 vor. Die DS-GVO stammt vom 27.04.2016. Das diese ergänzende BDSG wurde am 30.06.2017 verkündet. In beiden Regelungswerken ist als Datum des Inkrafttretens von Anfang an der 25.05.2018 bestimmt gewesen. Die Klägerin wurde praktisch unmittelbar nach Beginn des Arbeitsverhältnisses mit Datum vom 15.01./31.01.2018 zur Datenschutzbeauftragten gem. § 4f BDSG aF bestellt. Die Bestellung zur Datenschutzbeauftragten war Teil der Aufgabenbeschreibung 9155, aus der sich gem. § 3 Abs. 1 des Arbeitsvertrages die Arbeitsaufgaben der Klägerin ergaben. Wenn die Beklagte zu 1) nunmehr anführt, die Verlagerung der Aufgaben auf einen externen Datenschutzbeauftragten sei aus Gründen der Professionalisierung notwendig, die Klägerin andererseits aber von Anfang an mit der Aufgabe der Datenschutzbeauftragten betraut wurde, so heißt das, dass die Klägerin ihre Aufgaben insoweit nicht ausreichend professionell wahrgenommen hat, um die von Anfang an absehbaren Risiken zu beherrschen.
Dies steht im Widerspruch zu der Behauptung, die Abberufung der Klägerin als Datenschutzbeauftragte sei nicht im Zusammenhang damit erfolgt, wie die Klägerin ihre Aufgaben als Datenschutzbeauftragte erfüllt habe. Die Beklagte zu 1) hat keinerlei Gründe vorgetragen, warum eine ausreichende Professionalisierung nicht durch Einräumung von mehr Zeit für die Klägerin für den Datenschutz hätte erreicht werden können. Dies gilt erst recht vor dem Hintergrund des behaupteten Wegfalls anderer Arbeitsaufgaben auf Grund der unternehmerischen Entscheidung. Werden jedoch nach Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO nicht explizit verbotene Gründe für die Abberufung nur vorgeschoben, ist die Abberufung unwirksam (Kühling/Buchner/Bergt, 2. Aufl., 2018, DS-GVO Art. 38 Rn 30).
Im Übrigen wird der europarechtlich gewährte Abberufungsschutz weit auszulegen sein, um zu gewährleisten, dass der Datenschutzbeauftragte seine Pflichten und Aufgaben in vollständiger Unabhängigkeit ausüben kann, wie in Erwägungsgrund 97 des DS-GVO festgehalten ist (vgl. hierzu EuArbRK/Franzen 3. Aufl., 2020, DS-GVO Art. 38, Rn 4).
III.
Die Abberufungen der Klägerin als externe Datenschutzbeauftragte für die Beklagten zu 2) – 5) vom 13.07.2018 sind gem. § 174 BGB unwirksam. Dies hat das Arbeitsgericht zutreffend und ausführlich herausgearbeitet. Es ist nicht ersichtlich auf Grund welcher der Klägerin bekannt gegebener Vertretungsregelung die Vorstände der Beklagten zu 1) rechtsgeschäftlich die nicht personenidentischen Geschäftsführer der Beklagten zu 2) – 5) vertreten durften. Ebenso wenig folgt eine solche Vertretungsbefugnis für Herrn G… bezogen auf das behauptete Gespräch vom 04.07.2018. Zwar ist Herr G… Prokurist aller fünf Beklagten. Ihm war jedoch nur Gesamtprokura mit einem anderen Prokuristen oder Vorstand bzw. Geschäftsführer eingeräumt. Die Beklagten sind dieser Behauptung der Klägerin, die sie aus dem Handelsregister abgeleitet hat, nicht entgegengetreten.
IV.
Die Klägerin hat sich weder mit der Beklagten zu 1) noch mit den Beklagten zu 2) – 5) auf die Abberufung als Datenschutzbeauftragte geeinigt. Auch dies hat das Arbeitsgericht überzeugend herausgearbeitet. Die behauptete Einigung am 04.07.2018 auf die Übergabe des Datenschutzes am 05.07.2018 bedeutet nicht die Einigung auf die Abberufung und den damit verbundenen arbeitsrechtlichen Schutz. Weitergehende Ausführungen seitens des Berufungsgerichts sind nicht veranlasst.
V.
Da die Kündigung des Arbeitsverhältnisses unwirksam ist, hat das Arbeitsgericht die Beklagte zu 1) zu Recht zur vorläufigen Weiterbeschäftigung als Teamleiterin Recht verurteilt.
VI.
Auch die Widerklage hat das Arbeitsgericht zu Recht abgewiesen. Auch das Berufungsgericht vermag eine Pflichtverletzung der Klägerin nicht zu erkennen.
Insbesondere war der Klägervertreter am 17.07.2018 nicht verpflichtet, die Arbeitsunfähigkeit erneut bei der Vertreterin von Frau M… anzuzeigen. Es war Aufgabe der Beklagten zu 1) für die interne Weiterleitung der E-Mail Sorge zu tragen. Der Arbeitgeber kann diese Aufgabe nach erfolgtem Zugang nicht wieder zurückverlagern auf den Arbeitnehmer, damit dieser einen erneuten Versuch der Mitteilung startet.
Ebenso ist nicht ersichtlich, warum die Übergabe des Datenschutzes an den externen Dienstleister nach Scheitern des Termins vom 18.07.2018 während des Urlaubs der Klägerin am 23.07.2018 stattfinden musste. Nach Ende des Urlaubs der Klägerin hätten noch zwei Wochen im laufenden Arbeitsverhältnis zur Verfügung gestanden. Eine Interimsdatenschutzbeauftragte war bestellt.
Im Übrigen haben die Beklagten der Klägerin das Amt der Datenschutzbeauftragten nicht wirksam entzogen. Auch das Arbeitsverhältnis bestand fort. Die Klägerin war daher auch nicht verpflichtet, ihre Aufgaben als Datenschutzbeauftragte auf den eingeschalteten Dienstleister zu übertragen. Denn die Datenschutzbeauftragte unterliegt als solche keinen Weisungen (Art. 38 Abs. 3 Satz 1 DS-GVO).
C.
Die Beklagten haben die Kosten der von ihnen eingelegten Berufungen jeweils anteilmäßig zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO. Dabei ging das Gericht für die Klägerin von einem Streitwert von 64.388,65 € aus, für die Beklagte zu 1) von einem Streitwert von 39.149,25 € und für die Beklagten zur 2) – 5) von jeweils einem Streitwert von 6.309,85 €.
Die Revision war für die Beklagte zu 1) hinsichtlich der Kündigungsschutzklage und der Klage bezüglich des Abberufungsschutzes der Klägerin als Datenschutzbeauftragte nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Soweit ersichtlich ist insbesondere die Frage, ob § 6 Abs. 4 Satz 1 iVm § 38 Abs. 2 BDSG nF mit Art. 38 Abs. 3 Satz 2 DS-GVO vereinbar ist, höchstrichterlich noch ungeklärt. Im Übrigen liegt ein Grund für die Zulassung der Revision nicht vor.


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