Arbeitsrecht

Fortwirken des Wohnsitzverstoßes bei Ausstellung eines weiteren Führerscheins

Aktenzeichen  11 C 20.610

Datum:
31.7.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 20536
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV § 7 Abs. 1, § 28 Abs. 4 S. 1 Nr. 2, Abs. 4 S. 2

 

Leitsatz

Ein offensichtlicher Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes rechtfertigt auch die Nichtanerkennung späterer Führerscheine, die auf der Grundlage dieses Führerscheins ausgestellt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich die Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung aus dem später ausgestellten Führerschein selbst nicht mehr ergibt. Dies gilt sowohl für die bei der Neuausstellung hinzugekommenen Fahrerlaubnisklassen als auch hinsichtlich der im neuen Führerschein dokumentierten vormals erworbenen Fahrerlaubnisklasse (vgl. EuGH BeckRS 2012, 80121 Rn. 52). (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 26 K 18.6312 2020-02-25 Bes VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Gründe

I.
Gegenstand der Beschwerde ist die Ablehnung eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Bescheid der Beklagten, mit dem sie feststellte, dass die dem Kläger zuletzt erteilte tschechische Fahrerlaubnis ihn nicht dazu berechtige, im Bundesgebiet ein Kraftfahrzeug zu führen.
Die deutsche Fahrerlaubnis des Klägers wurde mit unanfechtbarem Verwaltungsakt vom 2. August 1990 entzogen. Am 29. Oktober 2004 erteilte ihm eine tschechische Behörde eine Fahrerlaubnis der Klasse B. In dem Führerschein ist ein Wohnsitz in München eingetragen, der den amtlichen Meldeverhältnissen entspricht. Der Kläger ist seit dem 1. November 1994 mit Hauptwohnsitz durchgehend in der Bundesrepublik Deutschland gemeldet. Nachdem ihn die Beklagte mehrmals vergeblich aufgefordert hatte, den tschechischen Führerschein zur Kenntlichmachung der fehlenden Fahrberechtigung im Bundesgebiet vorzulegen, zeigte der Kläger mit Schreiben vom 16. März 2009 dessen Verlust an.
Am 7. April 2010 stellte ihm eine Behörde in Cesky Krumlov einen bis 7. April 2020 gültigen Führerschein der Klassen B und BE aus. In dem Führerschein ist ein Wohnsitz in Tschechien eingetragen und auf der Rückseite vermerkt, dass die Klasse B am 25. Oktober 2004 und die Klasse BE am 7. April 2010 erworben wurden. Am 17. November 2017 bat der damalige Bevollmächtigte des Klägers die Beklagte um Mitteilung, ob von dieser Fahrerlaubnis in Deutschland Gebrauch gemacht werden dürfe. Die Beklagte teilte daraufhin mit, bis zum Vorliegen gegenteiliger Erkenntnisse sei davon auszugehen, dass der Kläger mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis die Fahrberechtigung besitze.
Am 25. Juni 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er nach erneuter Prüfung des Sachverhalts mit dem tschechischen Führerschein im Inland nicht fahrberechtigt sei und forderte ihn auf, diesen zur Kenntlichmachung der fehlenden Fahrberechtigung im Bundesgebiet vorzulegen. Hiergegen wandte sich der Kläger sowohl schriftlich als auch im Rahmen einer Vorsprache.
Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22. November 2018 gestützt auf § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV fest, dass für die am 7. April 2010 erteilte tschechische Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland keine Fahrberechtigung bestehe und forderte den Kläger unter Androhung eines Zwangsgelds auf, den Führerschein unverzüglich zur Eintragung der fehlenden Fahrberechtigung vorzulegen.
Am 21. Dezember 2018 ließ der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht München erheben und gleichzeitig beantragen, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten zu bewilligen. Zur Begründung wurde ausgeführt, der tschechische Führerschein weise einen Wohnort in der Tschechischen Republik aus. Die Beklagte sei deshalb nicht befugt, über die Gültigkeit der tschechischen Fahrerlaubnis zu befinden oder sie für unwirksam zu erklären. Ihr Prüfungsrecht erschöpfe sich in der Rücksprache mit der tschechischen Fahrerlaubnisbehörde. Die von der Beklagten hergeleitete Konstruktion, dass die gültige Fahrerlaubnis aufgrund einer früheren Fahrerlaubnis erteilt worden sei, welche München als Wohnsitz ausweise, gehe über die Prüfungskompetenz weit hinaus. Der Kläger verfüge allerdings seit dem Jahr 2004 über einen Wohnsitz in der Tschechischen Republik. Der Wohnsitz in München sei versehentlich in den Führerschein aus dem Jahr 2004 eingetragen worden. Dieser Fehler sei in dem neuen Dokument aus dem Jahr 2010 korrigiert worden. Der Kläger verfüge über eine entsprechende Aufenthaltsbestätigung. Da die Beklagte sich bereits mehr als ein Jahrzehnt erfolglos um die Beseitigung seiner tschechischen Fahrerlaubnis bemühe und zwei staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eingestellt worden seien, genieße die Fahrerlaubnis Bestandsschutz.
Mit Beschluss vom 25. Februar 2020 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen fehlender Erfolgsaussichten ab. Bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage, namentlich der Wohnsitzfrage, komme es maßgeblich nicht auf den am 7. April 2010 ausgestellten Führerschein mit Eintragung eines tschechischen Wohnsitzes an, weil er nicht die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis der Klasse B dokumentiere. Vielmehr werde in Spalte 10 als Zeitpunkt für die Erteilung der Fahrerlaubnisklasse B das Jahr 2004 angegeben. Damit wirke sich der bei der erstmaligen Erteilung dieser Fahrerlaubnisklasse am 29. Oktober 2004 begangene Wohnsitzverstoß auch auf den Führerschein vom 7. April 2010 aus. Das Bundesverwaltungsgericht folge der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach ein offensichtlicher Wohnsitzverstoß fortwirke und zwar sowohl hinsichtlich neu hinzugekommener Fahrerlaubnisklassen als auch hinsichtlich der in einem neuen Führerschein dokumentierten Fahrerlaubnis der bereits erteilten Klasse B. Der Aufnahmemitgliedstaat sei insgesamt zur Nichtanerkennung berechtigt, auch wenn sich die Nichtbeachtung des Wohnsitzerfordernisses aus dem neuen Führerschein selbst nicht mehr ergebe. Nach ständiger Rechtsprechung werde auch durch einen ausländischen Führerschein, in dem wie hier ein nicht im Ausstellerstaat liegender Ort als Wohnsitz eingetragen sei, nach deutschem Verwaltungsprozessrecht der volle Beweis im Sinne von § 418 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 98 VwGO erbracht, dass das Wohnsitzerfordernis nicht beachtet worden sei. Sofern sich nicht die Unrichtigkeit der Wohnsitzeintragung nachgerade aufdränge, seien Ermittlungen von Amts wegen über einen Wohnsitzverstoß durch den Ausstellerstaat nicht veranlasst. Das Vorbringen, dass es trotz der Eintragung eines deutschen Wohnsitzes in dem am 20. Oktober 2004 ausgestellten Führerschein nicht zu einem Wohnsitzverstoß gekommen sei, genüge den Anforderungen an einen Gegenbeweis im Sinne von § 418 Abs. 2 ZPO nicht. Die Beklagte habe ihre Befugnis aus § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV auch nicht verwirkt, da jedenfalls aufgrund ihrer jahrelangen Bemühungen, dem Kläger die Fahrberechtigung abzusprechen, kein schutzwürdiges Vertrauen auf ein Nichteinschreiten habe entstehen können.
Gegen diesen Beschluss ließ der Kläger durch seinen vormaligen Bevollmächtigten am 11. März 2020 Beschwerde einlegen. Nachfolgend beantragte er persönlich, das Verfahren wegen eines Anwaltswechsels bis zum Ende des Jahres zu verschieben, und begründete mit am 5. April 2020 eingegangenem Schreiben seine Beschwerde damit, dass er den Führerschein in Tschechien gemacht habe, weil er damals dort eine Freundin gehabt habe und der Führerschein dort günstig gewesen sei. Er suche gerade nach dieser Freundin, um sie als Zeugin zu benennen. Zu dieser Zeit habe es keine Informationen gegeben. Ihm sei gesagt worden, dass eine 185-Tage-Regelung gelte, die von der tschechischen Regierung nicht umgesetzt worden sei. Dies sei nicht seine Schuld. Er fahre seit 2004 unfallfrei, habe keinerlei Punkte in Flensburg und keinerlei Trunkenheitsfahrten. Von einer Staatsanwältin in München sei ihm bestätigt worden, dass sein Führerschein in Deutschland gültig sei. Er habe diesen in Tschechien legal und mit allen Prüfungen bestanden. 2009 habe er noch den Hängerschein gemacht. Aus diesem Anlass sei auch der Wohnsitz berichtigt worden. Die wirkliche Hexenjagd habe vor zwei bis drei Jahren begonnen, als ihm eine Reichsbürgerschaft unterstellt worden sei. Zweimal sei ihm unter fadenscheinigen Begründungen die Haustür eingetreten worden. Beim zweiten Mal sei gesagt worden, die SEK-Einsätze würden aufhören, wenn er nichts mehr in den sozialen Medien posten würde. Dies erinnere stark an Stasi-Methoden oder an die SS. Er habe wegen des Vorwurfs der Reichsbürgerschaft auch seine Wohnung verloren, obwohl sich dieser Vorwurf durch die Durchsuchung seines Computers in Luft aufgelöst habe. Er werde jedoch weiterhin verfolgt. Aus der höheren Sicht der Luxemburger Richter sei eine Ausnutzung der Differenziertheit der nationalen Rechtssysteme nicht einem Missbrauch gleichzusetzen. Ein in einem EU-Mitgliedstaat nach Ablauf der Sperrfrist erworbener Führerschein müsse von deutschen Behörden anerkannt werden. Die Anerkennung dürfe nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der Inhaber habe in einem anderen EU-Mitgliedstaat, in dem er nie einen Wohnsitz gehabt habe, einen Führerschein erworben. Die Überprüfung der 185-Tage-Wohnsitzregelung sei alleinige Sache des Ausstellerstaats. Mehrere Wohnsitze seien erlaubt. Es liege kein Wohnsitzverstoß vor, wenn während des betreffenden Zeitraums ein Wohnsitz in Deutschland beibehalten worden sei. Die Staatsanwaltschaft bzw. die Verwaltungsbehörde müsse aufgrund unbestreitbarer Tatsachen aus dem Ausstellerstaat den Nachweis erbringen, dass der Wohnsitz nicht im Ausstellerstaat bestanden habe. Der Verstoß müsse sich entweder aus dem Führerschein selbst ergeben oder aus anderen vom Ausstellermitgliedstaat herrührenden unbestreitbaren Information. Er könne nicht für Fehler des Ausstellerstaats zur Rechenschaft gezogen werden, wenn dieser entweder selbst davon nichts gewusst oder Gesetze nicht umgesetzt habe. Zudem sei auch das Gewohnheitsrecht auf ihn anzuwenden, da er seit 2004 nie wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis „angemahnt“ worden sei und die entsprechenden Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft eingestellt worden sein. Er sei schwerbehindert mit Merkzeichen „G“ und benötige das Auto, da er nur weniger als 100 m laufen könne, seine Einkaufsmöglichkeit 1 km weiter liege und es keine öffentlichen Verkehrsmittel gebe. Er habe bewiesen, dass die Trunkenheitsfahrten aus seiner Jugend nicht mehr stattfänden. Aus diesem Grund bitte er auch gleich um die Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis in eine deutsche.
Gegen die Mitteilung des Senats vom 2. April 2020, dass eine „Aussetzung“ des Verfahrens bis zum Jahresende nicht in Betracht komme, legte der Kläger „Beschwerde“ ein. Er wolle einen kompetenten Fachanwalt zurate ziehen und bekomme vorher keine Termine.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Senat ist durch die Mandatsniederlegung der vormaligen Bevollmächtigten des Klägers nicht daran gehindert, über die Beschwerde zu entscheiden. Zwar war die Mandatsniederlegung wirksam, weil im Prozesskostenhilfeverfahren nach § 67 Abs. 4 Satz 1 VwGO kein Vertretungszwang besteht und deshalb die Regelung der § 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Hs. 2 ZPO (vgl. BVerwG, B.v. 20.11.2012 – 4 AV 2.12 – juris Rn. 9 m.w.N.) nicht gilt. Jedoch hat der Kläger nicht ansatzweise dargetan, weshalb es ihm seit 11. März 2020 nicht gelungen ist, einen zur Vertretung bereiten Bevollmächtigten zu finden und welche Bemühungen er hierzu entfaltet hat. Abgesehen davon erfordert die Beschwerde eines nicht anwaltlich vertretenen Beteiligten gegen einen ablehnenden Prozesskostenhilfebeschluss keine Begründung (vgl. Olbertz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juli 2019 § 166 Rn. 17 ff.), sodass eine anwaltliche Vertretung zur Wahrung der Rechte des unbemittelten Beteiligten auch nicht erforderlich erscheint.
Die zulässige Beschwerde, mit der der Kläger seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage gegen den angefochtenen Feststellungsbescheid weiterverfolgt, ist unbegründet.
Das Verwaltungsgericht hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung aus den in dem angegriffenen Beschluss zutreffend dargelegten Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO). Auf die wirtschaftliche Bedürftigkeit des Klägers kommt es daher nicht an. Offenbleiben kann weiter, ob sich der Rechtsstreit durch den Ablauf der Geltungsdauer des streitgegenständlichen Führerscheins während des Beschwerdeverfahrens erledigt hat und eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe schon deshalb nicht mehr in Betracht kommt.
Für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe genügt es regelmäßig, dass die Erfolgsaussichten offen sind oder es entscheidungserheblich auf schwierige Rechtsfragen ankommt, die höchstrichterlich noch nicht geklärt sind (BVerfG, B.v. 13.3.1990 – 2 BvR 94/88 – BVerfGE 81, 347 = juris 2. Ls.). Hinreichende Erfolgsaussichten liegen allerdings dann nicht vor, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen ist, die Erfolgschance aber nur eine entfernte ist oder konkrete und nachvollziehbare Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine Beweisaufnahme mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Antragstellers ausgehen wird (vgl. BVerfG, B.v. 20.2.2002 – 1 BvR 1450/00 – NJW-RR 2002, 1069 = juris Rn. 12; B.v. 29.9.2004 – 1 BvR 1281/04 – NJW-RR 2005, 140 = juris Rn. 14).
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass der sich unmittelbar aus dem am 29. Oktober 2004 erteilten tschechischen Führerschein ergebende Verstoß gegen das unionsrechtliche Wohnsitzerfordernis in dem am 7. April 2010 ausgestellten Führerschein fortwirkt und die Beklagte eine aus diesem hergeleitete Inlandsfahrberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen B und BE deshalb nicht anerkennen musste.
Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), zuletzt geändert durch Verordnung vom 5. Dezember 2019 (BGBl I S. 2008), dürfen Inhaber einer gültigen EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ihren ordentlichen Wohnsitz im Sinne des § 7 Abs. 1 oder 2 FeV in der Bundesrepublik Deutschland haben, vorbehaltlich der Einschränkungen nach den Absätzen 2 bis 4 im Umfang ihrer Berechtigung Kraftfahrzeuge im Inland führen. Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV gilt die Berechtigung nach Absatz 1 nicht für Inhaber einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, die ausweislich des Führerscheins oder vom Ausstellungsmitgliedstaat herrührender unbestreitbarer Informationen zum Zeitpunkt der Erteilung ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland hatten, es sei denn, dass sie – was hier unstreitig nicht der Fall war – als Studierende oder Schüler im Sinne des § 7 Abs. 2 FeV die Fahrerlaubnis während eines mindestens sechsmonatigen Aufenthalts erworben haben. Ein ordentlicher Wohnsitz im Inland wird nach § 7 Abs. 1 Satz 2 FeV angenommen, wenn der Betroffene wegen persönlicher und beruflicher Bindungen oder – bei fehlenden beruflichen Bindungen – wegen persönlicher Bindungen, die enge Beziehungen zwischen ihm und dem Wohnort erkennen lassen, gewöhnlich, d.h. während mindestens 185 Tagen im Jahr, im Inland wohnt. Eine Person, deren persönliche Bindungen im Inland liegen, die sich aber aus beruflichen Gründen in einem oder mehreren anderen Mitgliedstaaten der EU (oder EWR) aufhält, hat ihren ordentlichen Wohnsitz im Inland, sofern sie regelmäßig dorthin zurückkehrt (§ 7 Abs. 1 Satz 3 FeV). Die Voraussetzung entfällt, wenn sie sich zur Ausführung eines Auftrags von bestimmter Dauer in einem solchen Staat aufhält (§ 7 Abs. 1 Satz 4 FeV).
Da der Kläger ausweislich des tschechischen Führerscheins vom 7. April 2010 die Fahrerlaubnis der Klasse B am 25. Oktober 2004 erworben hat und ausweislich des tschechischen Führerscheins vom 29. Oktober 2004 zu diesem Zeitpunkt seinen ordentlichen Wohnsitz nicht im Ausstellungsmitgliedstaat Tschechien, sondern in Deutschland hatte, vermochte ihm dieser Führerschein keine Inlandsfahrberechtigung zu vermitteln. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, bezeugt der Führerschein, bei dem es sich um eine ausländische öffentliche Urkunde im Sinne von § 98 VwGO i.V.m. § 418 Abs. 1 ZPO handelt, den vollen Beweis des darin eingetragenen Wohnsitzes. Es gibt keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger den Beweis der Unrichtigkeit dieser Tatsache (§ 418 Abs. 2 ZPO) erbringen kann. Nicht belegte Behauptungen wie die, der Ausstellungsstaat habe einen Fehler gemacht, er habe im fraglichen Zeitraum mehrere Wohnsitze gehabt und suche nach seiner damaligen (namentlich nicht benannten) Freundin als Zeugin, genügen hierfür nicht (BayVGH, U.v. 13.2.2013 – 11 B 11.2798 – juris Rn. 56 ff.), zumal sich aus dem Vortrag schon nicht ergibt, dass der Kläger seinerzeit seinen Hauptwohnsitz in Tschechien hatte. Dasselbe gilt für eine tschechische Aufenthaltsbescheinigung, die zu Beginn des Aufenthalts ausgestellt wird und lediglich eine Aufenthaltsberechtigung dokumentiert, nicht jedoch den tatsächlichen Aufenthalt (vgl. BayVGH, B.v. 10.7.2020 – 11 ZB 20.88 – juris Rn. 19 m.w.N.).
Nicht entscheidungserheblich ist, ob er seinen Wohnsitz am 7. April 2010, als er die Fahrerlaubnis der Klasse BE erworben hat und ihm ein tschechischer Führerschein für die Klassen B und BE ausgestellt worden ist, in Tschechien hatte. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wirkt der Wohnsitzmangel bei Erteilung des ersten tschechischen Führerscheins in entsprechender Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 FeV fort, was auch in Einklang mit dem unionsrechtlichen Anerkennungsgrundsatz des Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (ABl L 403 S. 18) steht (BVerwG, U.v. 12.9.2019 – 3 C 26.17 – NJW 2020, 1609 Rn. 15 ff.; U.v. 5.7.2018 – 3 C 9.17 – BVerwGE 162, 308 Rn. 20 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 27.1.2020 – 11 C 19.1674 – juris Rn. 24; OVG Bln-Bbg, B.v. 19.6.2019 – 1 N 12.19 – juris Rn. 5). In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist geklärt, dass ein offensichtlicher Verstoß gegen das Erfordernis eines ordentlichen Wohnsitzes auch die Nichtanerkennung späterer Führerscheine rechtfertigt, die auf der Grundlage dieses Führerscheins ausgestellt worden sind, und zwar auch dann, wenn sich – wie hier – die Nichtbeachtung der Wohnsitzvoraussetzung aus dem später ausgestellten Führerschein selbst nicht mehr ergibt. Dies gilt sowohl für die bei der Neuausstellung hinzugekommenen Fahrerlaubnisklassen als auch hinsichtlich der im neuen Führerschein dokumentierten vormals erworbenen Fahrerlaubnisklasse (EuGH, U.v. 13.10.2011 – C-224/10, Apelt – ABl EU 2011, Nr. C 355, 6-7, Rn. 47; B.v. 22.11.2011 – C-590/10, Köppl – NJW 2012, 2018 Rn. 52).
Ein „Gewohnheitsrecht“ dergestalt, dass eine langjährige straffreie Verkehrsteilnahme oder eine Einstellung der strafrechtlichen Ermittlungsverfahren wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Anerkennungspflicht führen könnte, gibt es nicht. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine Verwirkung ihrer behördlichen Befugnisse bei der Beklagten jedenfalls nicht vorliegen, sodass offenbleiben kann, ob eine Verwirkung in diesem sicherheitsrechtlichen Bereich überhaupt in Betracht kommen kann. Auch die Angewiesenheit des Klägers auf das Fahrzeug befreit die Fahrerlaubnisbehörde nicht von der Pflicht zur Anwendung geltenden Rechts. Im Übrigen steht es dem Kläger frei, eine deutsche Fahrerlaubnis zu erwerben.
Abgesehen davon, dass die Umschreibung der tschechischen Fahrerlaubnis nach § 30 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 FeV nicht im Beschwerdeverfahren wegen der Versagung von Prozesskostenhilfe zum Gegenstand des in erster Instanz anhängigen Klageverfahrens gemacht werden kann, sondern bei der Beklagten zu beantragen ist, wäre ein solcher Antrag wegen der fehlenden Pflicht zur Anerkennung der tschechischen Fahrerlaubnisse des Klägers auch nicht zielführend.
Damit war die Beschwerde mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Im Beschwerdeverfahren gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe fallen – anders als im Prozesskostenhilfeverfahren erster Instanz – Gerichtskosten an, wobei eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 166 VwGO, § 127 Abs. 4 ZPO). Eine Streitwertfestsetzung ist im Hinblick auf die nach § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zum GKG anfallende Festgebühr von 60,- EUR jedoch entbehrlich.
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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