Arbeitsrecht

Freigestelltes Betriebsratsmitglied – Arbeitszeitverlagerung von Schichtdienst zu Tagdienst – Wegfall von Zuschlägen

Aktenzeichen  4 Sa 265/20

Datum:
9.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 4. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0209.4SA265.20.00
Normen:
§ 37 Abs 2 BetrVG
§ 37 Abs 4 BetrVG
§ 38 BetrVG
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Nordhausen, 24. Juni 2020, 5 Ca 106/20, Urteil

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 24.6.2020 – 5 Ca 106/20 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Frage, ob dem Kläger als freigestelltes Betriebsratsmitglied die Schicht-, Nacht-, Sonntags-, und Feiertagszuschläge weiter zu zahlen sind.
Der Kläger war seit dem 20.01.2006 zuletzt zu einem monatlichen Bruttoentgelt in Höhe von 2.295,00 € bei 42 Stunden wöchentlich tätig. Im zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag vom 20.01.2006 heißt es in § 3 zur Arbeitszeit, die regelmäßige Arbeitszeit betrage 42 Stunden wöchentlich und der Arbeitnehmer sei zur Leistung von Mehr-, Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagsarbeit im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften verpflichtet, wenn sie vorher von der Geschäftsleitung oder den zuständigen Verantwortlichen angeordnet sei. Wegen weiterer Einzelheiten des Inhaltes dieses Arbeitsvertrages und der darin auch geregelten Schriftform für Änderungen oder Ergänzungen wird auf die zu den Akten gereichte Kopie hiervon (Bl. 7 – 10 der Akte) Bezug genommen.
Die Beklagte praktizierte ihren Betrieb ein sogenanntes „rollendes“ Schichtsystem. Die einzelnen Schichtabläufe ergeben sich für das gesamte Kalenderjahr aus einem zuvor erstellten Schichtplan. Wegen der regelmäßigen Schichtfolgen ist für jeden Arbeitnehmer für das gesamte Jahr ersichtlich, an welchen Tagen er zu welchen Zeiten zu arbeiten hat. Für das Jahr 2019 sah dieser Schichtplan eine Einordnung des Klägers in die Schicht “eins” vor. Wegen der Einzelheiten hierzu wird Bezug genommen auf den in Kopie zur Akte gereichten Schichtplan (Bl. 54 der Akte).
Im Mai 2018 wurde der Kläger in den Betriebsrat der Beklagten gewählt. Im Monatsgespräch am 11.12.2018 informierte der Betriebsrat die Geschäftsführung darüber, dass der Kläger ab dem 01.01.2019 freigestellt sei und “dieser regelmäßig die Arbeitszeit so legen wird, dass er möglichst viele Arbeitnehmer/innen erreicht, also von sieben Uhr bis 15:00 Uhr arbeitstäglich.”
Seit dem 1.1.2019 übte der Kläger seine Betriebsratsarbeit von Montag bis Freitag 7:00 bis 15:50 Uhr aus.
Die Beklagte versuchte mehrfach, eine schriftliche Vereinbarung über die Festschreibung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag von 7:00 bis 15:50 Uhr abzuschließen, was der Kläger ablehnte.
Wegen des weiteren unstreitigen und streitigen Sachvortrags der Parteien, der von Ihnen vertretenen Rechtsansichten und gestellten Anträge im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (S. 2 bis 6 des Entscheidungsabdrucks – Blatt 69 Rückseite bis 71 Rückseite der Akte) Bezug genommen.
Mit Urteil vom 24.06.2020 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Zwar gehörten Zuschläge für Mehr-, Über-, Nacht-, Sonn-und Feiertagsarbeiten grundsätzlich zu der einem Betriebsratsmitglied weiter zu zahlenden Vergütung für Zeiten der Betriebsratstätigkeit, auch wenn diese nicht zu den zuschlagspflichtigen Zeiten stattgefunden hätte. Dies gelte allerdings nur, wenn diese Arbeitszeit wegen der Betriebsratstätigkeit ausgefallen sei. Bei einer einvernehmlichen Verschiebung der Arbeitszeitzeit in Zeiten, die nicht zuschlagspflichtig seien, beruhe der Verlust der Zuschläge nicht auf der Freistellung, sondern auf der Verschiebung der Arbeitszeit. In dem Falle seien die genannten Zuschläge nicht zu zahlen. Die Parteien hätten konkludent eine Einigung über die Verlagerung der Arbeitszeit getroffen. Das mehrfache Angebot der Beklagten zur Verlagerung der Arbeitszeit von Montag bis Freitag 07:00 – 15:50 Uhr habe der Kläger zwar nicht schriftlich angenommen, aber er habe entsprechend widerspruchslos weiter gearbeitet, womit durch schlüssiges Verhalten eine entsprechende Einigung zustande gekommen sei. Dem stehe die in § 11 Abs. 1 des Arbeitsvertrages enthaltene Schriftformklausel deshalb nicht entgegen, weil für die Verlagerung der Arbeitszeit eine Änderung des Arbeitsvertrages nicht notwendig sei und die Schriftform auch durch konkludentes Verhalten jederzeit formlos aufgehoben werden könne. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die S. 6 bis 10 des Entscheidungsabdrucks (Bl. 71 Rückseite bis 73 Rückseite der Akte) Bezug genommen.
Gegen dieses ihm am 10.07.2020 zugestellte Urteil hat der Kläger mit am 07.08.2020 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Nachdem das Gericht auf den am 08.09.2020 eingegangenen Antrag hin mit Beschluss vom nächsten Tage die Berufungsbegründungsfrist bis zum 10.10.2020 verlängert hatte, ist diese am Montag, 12.10.2020 beim Thüringer Landesarbeitsgericht eingegangen.
Das Arbeitsgericht habe seine, des Klägers, Äußerung und sein Verhalten fehlerhaft bewertet. Die Mitteilung, dass er nunmehr montags bis freitags von 07:00 – 15:50 Uhr arbeiten werde, sei lediglich die Mitteilung gewesen, zu welchen Zeiten er erreichbar sei und zu welchen Zeiten er beabsichtige Betriebsratstätigkeit durchzuführen. Das entspräche der Mitteilung an den Arbeitgeber im Organisationsinteresse vor der Aufnahme von Betriebsratstätigkeit, wie sich üblicherweise Betriebsratsmitglieder bei ihren Vorgesetzten abzumelden hätten. Es habe sich dabei erkennbar nicht um das Angebot zur Verlagerung der Arbeitszeit gehandelt, sondern lediglich um eine Ankündigung, zu welchen Zeiten Betriebsratstätigkeit ausgeübt werde. Dies habe die Beklagte auch erkannt, was dadurch
deutlich werde, dass Sie mehrfach versucht habe, eine entsprechende schriftliche Vereinbarung zustande zu bringen. Mit der Ablehnung einer solchen Vereinbarung habe er, der Kläger, deutlich gemacht, dass er mit einer entsprechenden Verlagerung der Arbeitszeiten nicht einverstanden gewesen sei. Vor dem Hintergrund sei nicht nachvollziehbar, weshalb angenommen werde, dass durch das tatsächliche Verhalten, nämlich der Durchführung von Betriebsratstätigkeit ausschließlich von montags bis freitags in der Zeit von 07:00 – 15:50 Uhr, eine schlüssig getroffene Vereinbarung zustande gekommen sein solle.
Der Kläger beantragt,
I. das Urteil des Arbeitsgerichts Nordhausen vom 24.06.2020 zu Az. 5 Ca 106/20 wird abgeändert und1. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Januar 2019 Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto) und Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.03.2019 zu zahlen;2. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Februar 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto) sowie Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.04.2019 zu zahlen;3. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat März 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 201,76 € (brutto) sowie Nachtschichtprämien i.H.v. 222,50 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.05.2019 zu zahlen;4. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat April 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto), Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) sowie Feiertagsprämien i.H.v. 100,88 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.05.2019 zu zahlen;5. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Mai 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto), Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) sowie Feiertagsprämien i.H.v. 201,76 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.06.2019 zu zahlen;6. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juni 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto), Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) sowie Feiertagsprämien i.H.v. 201,76 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.07.2019 zu zahlen;7. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Juli 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto) sowie Nachtschichtprämien i.H.v. 200,25 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.08.2019 zu zahlen;8. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat August 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto) sowie Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.09.2019 zu zahlen;9. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat September 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 201,76 € (brutto), Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) sowie Feiertagsprämien i.H.v. 100,88 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.10.2019 zu zahlen;10. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Oktober 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto), Nachtschichtprämien i.H.v. 200,25 € (brutto) sowie Feiertagsprämien i.H.v. 201,76 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.11.2019 zu zahlen;11. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat November 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto) sowie Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.12.2019 zu zahlen;12. die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für den Monat Dezember 2019 eine Schichtzulage i.H.v. 229,50 € (brutto), Sonntagszuschläge i.H.v. 151,32 € (brutto), Nachtschichtprämien i.H.v. 155,75 € (brutto) sowie Feiertagsprämien i.H.v. 201,76 € (brutto) zzgl. Zinsen i.H.v. 5%-Punkten über dem Basiszins der EZB seit dem 01.01.2020 zu zahlen;
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vorbringens als zutreffend. Sie habe nicht erkennen können, dass der Kläger nicht mit einer Verschiebung seiner Arbeitszeiten einverstanden gewesen sei. Vielmehr sei sie, nachdem der Kläger tatsächlich seine Arbeitszeit in die Zeit von Montag bis Freitag von 07:00 – 15:50 Uhr verlegt habe, davon ausgegangen, dass er mit dieser Verlegung auch einverstanden sei. Dies sei nicht lediglich eine Bekanntgabe gewesen, wann Betriebsratstätigkeit durchgeführte werde, wie bei einer Abmeldung vom Arbeitsplatz. Unerheblich sei, weshalb der Kläger seine Arbeitszeit aus Sicht der Beklagten verlegt habe; im Übrigen treffe sein Vorbringen zur Anzahl erreichbarer Arbeitnehmer in der Nachtschicht nicht zu.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist unbegründet.
Die Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zuschläge für den Zeitraum 01.01.2019 bis 31.12.2019. Einzig in Betracht kommende Anspruchsgrundlage ist § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit dem Arbeitsvertrag in weiterer Verbindung mit § 37 Abs. 2 und Abs. 4 BetrVG. Danach ist – kurz gefasst – einem freigestellten Betriebsratsmitglied das Arbeitsentgelt weiterzuzahlen, wie wenn es nicht freigestellt wäre und normal weitergearbeitet hätte. Dabei begründet § 37 Abs. 2 BetrVG keinen eigenständigen Vergütungsanspruch, sondern sichert lediglich die Fortzahlung des Entgeltes des Betriebsratsmitglieds. § 37 Abs. 4 BetrVG sichert ab, dass durch die Betriebsratstätigkeit kein Entgeltverlust eintritt. Zu dem weiter zu zahlenden Entgelt gehören grundsätzlich auch die Zuschläge für Arbeiten zu besonderen Zeiten wie Nacht-, Sonn- und Feiertagszuschläge, auch wenn die konkrete Betriebsratstätigkeit nicht zu diesen zuschlagspflichtigen Zeiten geleistet wurde. Das gilt allerdings nur dann, wenn die Betriebsratstätigkeit der Grund für die Arbeit außerhalb zuschlagpflichtiger Zeiten war. Mit anderen Worten: Zuschläge sind weiter zu zahlen, wenn,
denkt man sich die Betriebsratsarbeit hinweg, zu den zuschlagspflichtigen Zeiten gearbeitet worden wäre.
Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, weil die Parteien mit Beginn der Freistellung des Klägers zur Durchführung von Betriebsratsarbeit gemäß § 38 BetrVG die Arbeitszeit einvernehmlich auf einen nicht zuschlagspflichtigen Zeitraum verlegt haben. Verlagern und die Parteien anlässlich der Betriebsratsarbeit die Arbeitszeit einvernehmlich auf einen Zeitraum außerhalb zuschlagspflichtiger Zeiten, so besteht kein Anspruch auf Zahlung der Zuschläge. Der Verlust der Zuschläge beruht dann nicht auf der Freistellung, sondern auf der im Einvernehmen vorgenommenen Verschiebung der Arbeitszeit (BAG 18.05.2016, 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212).
Eine solche einvernehmliche Verlagerung der Arbeitszeiten wurde hier vorgenommen. Das ergibt die Auslegung der in diesem Zusammenhang vom Kläger selbst abgegebenen und vorgetragenen Erklärungen. In der Berufungsbegründung auf S. 3 im letzten Druckabschnitt trägt der Kläger vor, dass im Rahmen des Monatsgesprächs der Geschäftsleitung am 11.12.2018 mitgeteilt worden sei, dass er, der Kläger, ab dem 01.01.2019 vollständig als Betriebsrat die Freistellung gemäß § 38 BetrVG in Anspruch nehme und dass er “regelmäßig die Arbeitszeit so legen wird, dass er möglichst viele Arbeitnehmer/innen erreicht, also von 7:00 – 15:00 Uhr arbeitstäglich.” Diese Erklärung ist aus Sicht des Erklärungsempfängers, d. h. der Beklagten, auszulegen nach §§ 133, 157 BGB. Dabei ist zunächst vom Wortlaut auszugehen, aber bei diesem nicht stehen zu bleiben. Es der wahre Wille anhand aller erkennbarer Begleitumstände zu ermitteln. Allerdings ist hierbei die Perspektive des Erklärungsempfängers, wie dieser die Erklärung verstehen konnte und musste, maßgeblich.
Danach ergibt sich hier, vom Wortlaut ausgehend eine Ankündigung des Klägers, seine Arbeitszeit in die Zeit von 7 bis 15 Uhr arbeitstäglich zu legen. Die Verwendung des Wortes “legen” im Zusammenhang mit dem Begriff “Arbeitszeit“ und der Bezeichnung „regelmäßig“ sowie die Verknüpfung mit dem Beginn der Freistellung ab dem 01.01.2019 muss vor dem Hintergrund der bisherigen Arbeitszeit betrachtet werden. Diese war eine andere, nämlich die Einbindung in den Schichtdienst nach Plan. Damit enthält die Ankündigung nicht die Bekanntgabe von Zeiten der Betriebsratstätigkeit und von Erreichbarkeit, denn sie bezieht sich auf Arbeitszeit. Diese wird anders als bisher gelegt. Die Ankündigung, Arbeitszeit anders zu „legen“ als bisher, stellt die Ankündigung einer Verlegung dar. Die Verwendung des Attributs „regelmäßig“ signalisiert, dass es kein Einzelfall sein soll, sondern, dass die Regelarbeitszeit anders sein soll als bislang. Aus Sicht der Beklagten musste dies so aufgefasst werden, dass der Kläger aus dem alten Arbeitszeitregime ausscheiden und jetzt regelmäßig im Tagdienst arbeiten will.
Umstände außerhalb dieser Erklärung, die einen anderen Erklärungswillen auch nur nahelegen, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Soweit der Kläger meint, die Erklärung komme lediglich eine Abmeldung vom Arbeitsplatz zur Durchführung von Betriebsratstätigkeiten gleich, musste dies aus Sicht der Erklärungsempfänger so nicht verstanden werden. Der Unterschied eines nach § 38 BetrVG freigestellten Betriebsratsmitglieds zum nicht freigestellten Betriebsratsmitglied ist eben, dass das eine Betriebsratsmitglied, das freigestellte, sich nicht jedes Mal abmelden muss, wohingegen das andere Betriebsratsmitglied, das nicht freigestellte, im Organisationsinteresse eine Abmeldungsobliegenheit hat.
Da der Kläger am 11.12.2018 gerade mitgeteilt hatte, vollständig freigestellt zu sein, kann seine entsprechende Erklärung nicht als Abmeldung von der Arbeit angesehen werden.
Die Beklagte war mit dieser aus ihrer Sicht angetragenen Verlegung der Arbeitszeit einverstanden und die Parteien haben dies ab dem 1.1.2019 exakt so, wie vom Kläger angekündigt, praktiziert. Das ist von der Beklagten noch im Berufungsrechtszug behauptet und vom Kläger nicht bestritten. Damit ist Einvernehmen über die Verlagerung der Arbeitszeit erreicht. Nach der oben bereits zitierten Rechtsprechung des BAG (18.05.2016, 7 AZR 401/14, NZA 2016, 1212) reicht eine einvernehmliche Arbeitszeitverlagerung aus, um die Kausalität der Betriebsratsarbeit für den Arbeitsausfall zu zuschlagspflichtigen Zeiten zu verdrängen. Eine irgendwie geartete formbedürftige arbeitsvertragliche Änderung wäre nur notwendig, wenn der Arbeitsvertrag bestimmte Arbeitszeiten festgeschrieben hätte. Das ist nicht der Fall. § 3 des Arbeitsvertrages regelt lediglich die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit und nicht deren Lage. Die Regelung enthält auch nur die Verpflichtung des Klägers, zu Über-, Mehr-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit, für den Fall der entsprechenden Ausübung des Weisungsrechts durch die Beklagte, nicht aber eine Festschreibung der Arbeitszeitlage.
Damit war die einvernehmliche Verlagerung der Arbeitszeit bereits vorgenommen. Es ist deshalb nicht erheblich, dass die Beklagte möglicherweise rechtsirrig meinte, eine schriftliche Arbeitsvertragsänderung abschließen zu müssen. Vielleicht wollte sie auch nur eine Dokumentation, um Rechtsstreitigkeiten wie diese zu vermeiden.
Die Weigerung des Klägers, trotz Umsetzung der einvernehmlichen Verlagerung der Arbeitszeit, diese schriftlich zu fixieren, ist daher unerheblich. Sie ist als nachträglich eingetretener Umstand nicht geeignet, der mündlichen Erklärung des Klägers eine andere Bedeutung im Zeitpunkt ihrer Abgabe zu geben, und hat deshalb keinen Einfluss auf die Auslegung der Erklärung vom 11.12.2018. Die mündlich abgegebene Erklärung ist aus Sicht der Erklärungsempfänger auszulegen anhand des Wortlautes und der Umstände, die im Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung erkennbar waren. Die Beklagte konnte nicht wissen,
dass der Kläger sich später einer schriftlichen Fixierung der Verlagerung der Arbeitszeit verweigern wird.
Davon abgesehen ist dieses Verhalten des Klägers, die Ablehnung der schriftlichen Fixierung der Verlagerung der Arbeitszeit, widersprüchlich, denn er hat entsprechend der Verlagerung gearbeitet und ist damit faktisch aus dem Schichtsystem ausgestiegen. Es kann offen bleiben, ob dieses Verhalten treuwidrig ist oder gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstößt und welche Folgen das haben kann. Jedenfalls ist widersprüchliches Verhalten nicht geeignet, aus Sicht der Erklärungsempfänger einer Erklärung von ihrem Wortlaut abweichenden eindeutigen Inhalt zu geben.
Die weiteren Rechtsausführungen des Klägers im Berufungsrechtszug hat die Kammer zur Kenntnis genommen und erwogen, folgt ihnen aber nicht.
Selbst wenn hier eine Arbeitsvertragsänderung notwendig gewesen wäre, wäre diese mit der Einigung vom 11.12.2018 und dem nachfolgenden schlüssigen Verhalten formwirksam. Insoweit nimmt die Kammer Bezug auf die ausführlichen und sehr überzeugenden Gründe des Arbeitsgerichts und macht sich diese zu Eigen.
Die Sache war entscheidungsreif. Einen anderen Inhalt der Erklärung vom 11.12.2018 konnte der Kläger nicht vortragen und die Nachfrage der Kammer, ob es dazu einen Betriebsratsbeschluss gäbe, der vorgelegt werden könne, wurde letztlich verneint, nachdem die Existenz eines solchen zunächst bejaht worden war.
Der Kläger trägt die Kosten seiner erfolglosen Berufung (§ 97 Abs. 1 ZPO).
Gründe für die Zulassung der Revision waren nicht ersichtlich, weil die Entscheidung auf der Auslegung der Erklärung des Klägers und der Subsumtion des Ergebnisses unter die vom Bundesarbeitsgericht im zitierten Urteil entschiedenen abstrakten Rechtssätze beruht.


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