Arbeitsrecht

Keine Gewährung eines Eingliederungszuschusses

Aktenzeichen  S 5 AL 404/13

Datum:
19.9.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
SGB III SGB III § 88 S. 1, § 89 S. 1, § 131
SGB X SGB X § 34 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Minderleistung liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer zu Beginn der Beschäftigung wegen in ihrer/seiner Person liegender Gründe in ihrer oder seiner Leistungsfähigkeit den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht entspricht.  (redaktioneller Leitsatz)
2 Zur Feststellung der Minderleistung bedarf es eines Vergleichs zwischen den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers, für dessen Beschäftigung die Förderung begehrt wird, und denjenigen eines in seinem Leistungsvermögen nicht eingeschränkten Angehörigen derselben oder einer vergleichbaren Berufsgruppe.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 19. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 2013 und den Bescheid vom 21. August 2015 wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die gemäß §§ 87, 90, 92 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht erhobene Klage zum sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht Augsburg (§§ 8, 51 Abs. 1 Nr. 4, 57 SGG) ist zwar zulässig.
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 19.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2013 und der Bescheid vom 21.08.2015 sind rechtlich nicht zu beanstanden. Zutreffend hat es die Beklagte abgelehnt, der Klägerin einen Eingliederungszuschuss für die Arbeitnehmerin A. W. zu gewähren.
Zunächst ist festzustellen, dass die Klägerin keinen Leistungsanspruch aufgrund einer Zusicherung hat. Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bedarf eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Da nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte eine schriftliche Zusage über die Gewährung eines Eingliederungszuschusses erteilt hat, liegt keine wirksame Zusicherung vor.
Gemäß § 88 SGB III können Arbeitgeber zur Eingliederung von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, deren Vermittlung wegen in ihrer Person liegender Gründe erschwert ist, einen Zuschuss zum Arbeitsentgelt zum Ausgleich einer Minderleistung erhalten (Eingliederungszuschuss).
Die Förderhöhe und die Förderdauer richten sich nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes (Minderleistung). Der Eingliederungszuschuss kann bis zu 50 Prozent des zu berücksichtigenden Arbeitsentgelts und die Förderdauer bis zu zwölf Monate betragen. Bei Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die das 50. Lebensjahr vollendet haben, kann die Förderdauer bis zu 36 Monate betragen, wenn die Förderung bis zum 31. Dezember 2019 begonnen hat, § 89 SGB III. Für behinderte und schwerbehinderte Menschen kann nach § 90 SGB III ein umfassenderer Eingliederungszuschuss in Betracht kommen.
Nach § 88 SGB III ist die Minderleistung Tatbestandsvoraussetzung, nachdem bei den Beratungen des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt empfohlen wurde, in § 88 Satz 1 SGB III die Worte „zum Ausgleich einer Minderleistung“ hinzuzufügen (BT-Drucks. 17/7065 S. 18). Das Bundessozialgericht (BSG) hatte zu § 217 SGB III a.F. i.V.m. § 281 Abs. 1 Nr. 3 SGB III (in der Fassung des 2. SGB III-Änderungsgesetzes vom 21.07.1999) gemeint, der Begriff der Minderleistung bringe lediglich eine allgemeine Zielsetzung der Eingliederungszuschüsse zum Ausdruck, die im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen sei. Das Erfordernis der Minderleistung sei keine echte Anspruchsvoraussetzung (so noch zu § 49 Arbeitsförderungsgesetz – AFG -), bei deren Umsetzung den Arbeitsagenturen u.U. sogar ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum zukäme. Zwar nimmt die Begründung des Änderungsvorschlages des federführenden Ausschusses Arbeit und Soziales des Bundestages Bezug auf die vorangestellte Rechtsprechung des BSG, die gerade nicht die Minderleistung als Tatbestandsmerkmal vorsah. Der Intention der weiteren Begründung lässt sich aber entnehmen, dass die Minderleistung Tatbestandsvoraussetzung werden sollte und schließlich wurde (Kuhnke in jurisPK-SGB III, Stand: 01.12.2013 Rdnr. 29; Voelzke in Hauck/Noftz, Stand 05/12, SGB III Rdnr. 24, Heinz in Mutschler, SGB III, 5. Aufl., § 88 Rdnr. 63).
Die Minderleistung liegt vor, wenn eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer zu Beginn der Beschäftigung wegen in ihrer/seiner Person liegender Gründe in ihrer oder seiner Leistungsfähigkeit den Anforderungen des jeweiligen Arbeitsplatzes nicht entspricht (vgl. § 89 Satz 1 SGB III; Bundessozialgericht – BSG -, Urteil vom 06.04.2006, B 7a AL 20/05 R). Das ist der Fall, wenn der Arbeitgeber eine der Arbeitsleistung noch nicht angemessene, also objektiv überhöhte Lohnzahlung zahlen müsste. Ob bzw. in welchem Umfang eine Minderleistung zu erwarten ist, ist nach den beruflichen Fähigkeiten, Kenntnissen, Erfahrungen und Stärken der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und den konkreten stellenbezogenen Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes zu beurteilen. Der Wert der Arbeitsleistung ist ins Verhältnis zum konkret erzielbaren Arbeitsentgelt zu setzen (BSG, Urteil vom 28.03.1990, 9b/11 RAr 67/88). Es liegt deshalb keine Minderleistung vor, wenn bereits die Vereinbarung des Arbeitsentgelts unter Berücksichtigung des Umstandes erfolgt, dass der Arbeitnehmer (zunächst) in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. In derartigen Fällen kann eine anspruchsbegründende Minderleistung nur dann anerkannt werden, wenn der Wert der Arbeitsleistung noch geringer ist als das herabgesetzte Arbeitsentgelt. Der Zusammenhang von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt für die Feststellung der Minderleistung wird durch die Regelung über den Förderungsumfang verdeutlicht. Nach § 89 Satz 1 SGB III richten sich Höhe und Dauer der Förderung unter anderem nach dem Umfang der Einschränkung der Arbeitsleistung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers und nach den Anforderungen des Arbeitsplatzes (Minderleistung).
Zur Feststellung der Minderleistung bedarf es also eines Vergleichs zwischen den Kenntnissen und Fähigkeiten des Arbeitnehmers, für dessen Beschäftigung die Förderung begehrt wird, und denjenigen eines in seinem Leistungsvermögen nicht eingeschränkten Angehörigen derselben oder einer vergleichbaren Berufsgruppe (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.1992, 9b RAr 12/91). In seiner Leistungsfähigkeit gemindert ist daher ein Arbeitnehmer, dem es an Kenntnissen und Fähigkeiten mangelt, um eine Arbeit verrichten zu können, wie sie von einem uneingeschränkt einsatzfähigen Beschäftigten derselben oder einer vergleichbaren Berufsgruppe durchschnittlich erbracht wird. Anknüpfungspunkte bilden dabei die Anforderungen, die tarifvertraglich oder branchenüblich an die Arbeitsdauer und Arbeitsleistung gestellt und von einem durchschnittlich arbeitenden Arbeitnehmer erwartet werden. Die Minderleistung darf nicht durch berufsspezifische Umstände bedingt sein. Berufsspezifische Defizite, die auf strukturellen Unzulänglichkeiten einer Berufsausbildung basieren, sind nicht zu berücksichtigen. Auch die für Berufsanfänger typische fehlende Berufspraxis stellt keine Minderleistung dar. In derartigen Fällen fehlt es bereits an der Erforderlichkeit der Eingliederung mittels Lohnsubventionen, da die Arbeitgeber derartige Leistungen im Allgemeinen im eigenen wirtschaftlichen Interesse erbringen, damit ihnen geeignete Arbeitskräfte zur Verfügung stehen (Heinz in Mutschler, SGB III, 5. Aufl., § 89 Rdnr. 10).
Die Minderleistung ergibt sich aus dem Verhältnis von Arbeitsleistung und Arbeitsentgelt. Sie liegt vor, wenn der Wert der Arbeitsleistung geringer ist als das tatsächlich bezogene Arbeitsentgelt (vgl. BSG, Urteil vom 28.03.1990, 9b/11 RAr 67/88). Die beschränkte Einsatzfähigkeit der Arbeitnehmer darf sich deshalb nicht in der Höhe der Arbeitsvergütung niederschlagen. Eingliederungszuschüsse sollen nicht zu einem Wettbewerbsvorteil führen. Ihr Zweck ist es nicht, bestimmte Arbeitgeber durch Subventionierung der Lohnkosten zu entlasten. Ihnen kommt vielmehr eine kompensatorische Funktion zu. Sie stellen einen Ausgleich für eine der Arbeitsleistung noch nicht angemessene, objektiv überhöhte Arbeitsvergütung dar. Für diese Kompensation besteht kein Bedürfnis, wenn die Leistungseinschränkung bei der Bemessung des Arbeitsentgelts Berücksichtigung gefunden hat (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.1992, 9b RAr 12/91).
Ob die Leistungsfähigkeit eines Arbeitnehmers tatsächlich gemindert ist, lässt sich häufig nicht mit Sicherheit feststellen. Aus diesem Grund werden bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit Vermittlungshemmnissen im Sinne des § 88 SGB III, den behinderten, schwerbehinderten und besonders betroffenen schwerbehinderten Menschen im Sinne des § 90 Abs. 1 und 2 Satz 1 SGB III sowie den älteren Arbeitnehmern im Sinne des § 131 SGB III Leistungsdefizite regelmäßig unterstellt. Dies gilt jedoch nicht ausnahmslos.
Unter Berücksichtigung dieser Maßgaben bestehen bereits Zweifel, ob überhaupt ein Förderbedarf bestand, der die Gewährung eines Gründungszuschusses rechtfertigt. Zwar wurden die letzten drei Arbeitsstellen von Frau W. vor Aufnahme der Beschäftigung bei der Klägerin mittels Eingliederungszuschuss gefördert. Doch waren die Anforderungen an die berufliche Tätigkeit bei der Klägerin als Bürokraft mit Verkaufstalent, Betreuung und Beratung von Kunden am Telefon, Empfang von Lieferanten, Büro und Verwaltungsarbeiten überschaubar. Die Tätigkeit entsprach – abgesehen der branchenbedingten Besonderheiten – auch den zuletzt ausgeübten beruflichen Tätigkeiten von Frau W … Eine Minderleistung könnte sich daher allenfalls durch ihr Alter ergeben. Dass sie nicht über branchenbezogene Kenntnisse verfügte, rechtfertigt einen Eingliederungszuschuss jedenfalls nicht.
Das Gericht kann aber letztlich die Frage offenlassen, ob im gegebenen Fall eine Minderleistung im Sinne von §§ 88, 89 SGB III vorliegt. Denn der Eingliederungszuschuss ist verspätet gestellt worden bzw. es liegt ein Förderungsausschluss nach § 92 SGB III vor.
Nach § 324 Abs. 1 SGB III werden Leistungen der Arbeitsförderung, wie der Eingliederungszuschuss (vgl. § 3 Abs. 1 SGB III), nur erbracht, wenn sie vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses beantragt worden sind. Zur Vermeidung unbilliger Härten kann die Agentur für Arbeit eine verspätete Antragstellung zulassen.
Der Antrag muss grundsätzlich vor Eintritt des leistungsbegründenden Ereignisses gestellt werden, damit Leistungen der Arbeitsförderung überhaupt erbracht werden dürfen. Ausreichend ist insoweit auch ein gemäß § 323 Abs. 1 Satz 3 und 4 SGB III fingierter Antrag. Der Begriff des leistungsbegründenden Ereignisses ist im Gesetz nicht näher erläutert. Gemeint ist das für die Leistungspflicht der Arbeitsagentur wesentliche Ereignis. Welches dies ist, ergibt sich aus den für die jeweilige Leistungsart geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften. Leistungsbegründendes Ereignis ist damit in der Regel, aber nicht zwingend das zuletzt eintretende Ereignis, das den Leistungsfall auslöst. Maßgeblich ist vielmehr das Ereignis, das der Gesetzgeber in den Mittelpunkt der jeweiligen Regelung gestellt hat, also ein bestimmtes Verhalten oder ein bestimmter Vorgang, der nach der Zielsetzung der jeweiligen Vorschrift durch die Leistungsgewährung gefördert werden soll (Radüge in Hauck/Noftz SGB III, § 324 Rdnr. 10 f.).
Das erste Arbeitsverhältnis zwischen Frau W. und der Klägerin wurde entgegen deren Angaben nicht erst am 20.03.2013, sondern bereits am 18.03.2013 – und damit vor der Antragstellung am 20.03.2013 – aufgenommen. Dies ergibt sich nicht nur aus den Gesprächsvermerken von Frau W. mit der Beklagten. Auch die Klägerin räumte zuletzt ein, dass das Arbeitsverhältnis bereits am 18.03.2013 begonnen wurde. Dass die Arbeitsvertragsparteien keinen schriftlichen Arbeitsvertrag geschlossen haben, ist dabei unbeachtlich.
Eine Leistungsgewährung aufgrund einer unbilligen Härte kommt nicht in Betracht. Das Gericht vermag nicht zu erkennen, dass die Beklagte ihr Ermessen nach § 324 Abs. 1 Satz 2 SGB III fehlerhaft ausgeübt hat.
Die Arbeitsagentur kann zur Vermeidung unbilliger Härten eine verspätete Antragstellung zulassen. Die Vorschrift betrifft lediglich die Frage, ob bei verspäteter Antragstellung überhaupt Leistungen zu gewähren sind. Der Zeitpunkt des Leistungsbeginns ist dagegen ausschließlich in § 325 SGB III geregelt. Der Begriff der unbilligen Härte ist im Gesetz nicht näher definiert. Er stellt mithin einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 09.02.1995, 7 RAr 2/94; BSG, Urteil vom 29.01.1997, 11 RAr 59/96; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.11.2001, L 9 AL 51/01). Die Vorschrift dient dem Schutz vor einem Anspruchsverlust auf Grund verspäteter Antragstellung, der im Hinblick auf die besonderen Umstände des Einzelfalles unbillig erscheint. Abzustellen ist dabei insbesondere auf die Gründe, die zu der verspäteten Antragstellung geführt haben. Die Anwendbarkeit der Vorschrift über die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 27 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch – SGB X -) ist gemäß § 27 Abs. 5 SGB X ausgeschlossen, da § 324 Abs. 1 Satz 2 eine Spezialregelung darstellt (BSG, Urteil vom 08.02.2007, B 7a AL 22/06 R).
Bei der Frage, ob die jeweiligen Umstände eine unbillige Härte begründen, ist ausgehend vom jeweiligen Leistungsziel eine Güterabwägung zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft und den Interessen des Antragstellers vorzunehmen. Bei dieser Güterabwägung ist zu berücksichtigen, dass die Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen mit vorrangigem Verfassungsrecht, insbesondere mit Grundrechten und der in ihnen zum Ausdruck kommenden Werteordnung vereinbar sein muss. Dabei ist das Individualinteresse mit dem Interesse der Solidargemeinschaft an einer funktionsfähigen Arbeitslosenversicherung abzuwägen und auch dem Gebot der Gleichbehandlung aller Versicherten Rechnung zu tragen (vgl. BSG, Urteil vom 18.02.1987, 7 RAr 72/85). Von einer unbilligen Härte ist daher auszugehen, wenn den Antragsteller ein geringes Verschulden trifft, die Folgen des Anspruchsverlusts für ihn aber erheblich sind. Das kann z.B. der Fall sein, wenn die verspätete Antragstellung Folge einer fehlerhaften Beratung durch die Arbeitsagentur oder einer anderen beteiligten Behörde ist. Wie bei der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand genügt die bloße Rechtsunkenntnis darüber, dass ein Leistungsanspruch bei rechtzeitiger Antragstellung bestanden hätte, jedoch nicht (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2007, B 7a AL 22/06 R). Bei Leistungen, bei denen ein Mitnahmeeffekt zu befürchten ist, ist eine enge Auslegung des Begriffs der unbilligen Härte geboten (vgl. Scholz in Mutschler u.a., SGB III, Arbeitsförderung, 5 Auf., § 324, Rdnr. 9).
Ausgehend von dem Ziel des Eingliederungszuschusses, Arbeitsuchende mit Vermittlungshemmnissen in ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis zu vermitteln oder wenigstens deren Vermittlungschancen zu verbessern, ist unter Abwägung zwischen den Interessen der Versichertengemeinschaft und den Interessen der Klägerin im gegebenen Fall nicht festzustellen, dass eine unbillige Härte hinsichtlich der Leistungsversagung wegen verspäteter Antragstellung vorliegt. Bei der Güterabwägung ist insbesondere zu berücksichtigen, dass die Klägerin bereits im Jahr 2010 einen Eingliederungszuschuss für einen anderen Arbeitnehmer gestellt hat. Insoweit musste ihr klar sein, dass sie den Antrag rechtzeitig zu stellen hat, um in den Genuss des Eingliederungszuschusses zu kommen. Eine existentielle Bedrohung des Betriebes durch die ausbleibende Leistungsgewährung ist weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Trotz des Vortrages der Klägerin, dass sie solche Schwierigkeiten mit der Einarbeitung von Frau W. hatte, erwies sich diese offensichtlich als die geeignetste Bewerberin, nachdem – so die Behauptung der Klägerin – das zweite Arbeitsverhältnis begründet wurde, nachdem Frau R. und Frau F. ein Vorstellungsgespräch hatten und als weniger geeignet befunden wurden. Wie bereits dargelegt schätzt das Gericht im Übrigen die altersbedingte Minderleistung von Frau W. als gering ein.
Einer Förderung mittels Eingliederungszuschuss hinsichtlich des zweiten Arbeitsverhältnisses, welches ab 02.04.2013 begründet wurde, steht der Leistungsausschluss des § 92 Abs. 1 Nr. 1 SGB III entgegen.
Nach § 92 Abs. 1 SGB III ist eine Förderung ausgeschlossen, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um einen Eingliederungszuschuss zu erhalten (Nr. 1), oder die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer bei einem früheren Arbeitgeber eingestellt wird, bei dem sie oder er während der letzten vier Jahre vor Förderungsbeginn mehr als drei Monate versicherungspflichtig beschäftigt war; dies gilt nicht, wenn es sich um die befristete Beschäftigung besonders betroffener schwerbehinderter Menschen handelt (Nr. 2).
Ein zur Versagung des Lohnkostenzuschusses führender Missbrauch der Inanspruchnahme von Eingliederungszuschüssen liegt vor, wenn zu vermuten ist, dass der Arbeitgeber die Beendigung eines Beschäftigungsverhältnisses veranlasst hat, um einen Eingliederungszuschuss zu erhalten. Diese Regelung soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers verhindern, dass Arbeitgeber einen Eingliederungszuschuss für einen neu eingestellten Arbeitnehmer erhalten, wenn zuvor deshalb ein anderer Arbeitnehmer, der nicht gefördert werden kann, entlassen wird (BT-Drucks. 13/4941 S. 193 zu § 221). Entsprechendes gilt auch dann, wenn einem Arbeitnehmer gekündigt wird, um für ihn eine Förderung zu erhalten. Nicht allein ausreichend für die Erfüllung des Ausschlusstatbestandes ist, dass ein Beendigungstatbestand hinsichtlich des Arbeitsverhältnisses des bisher beschäftigten Arbeitnehmers vorliegt, der in einem zeitlichen Zusammenhang zur Einstellung des Arbeitnehmers steht, für den ein Zuschuss beantragt wird. Vielmehr müssen Anhaltspunkte dafür hinzukommen, dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses und der Einstellung gegeben ist, der von der Absicht des Arbeitgebers getragen wird, einen Eingliederungszuschuss zu erlangen.
Im gegebenen Fall hat das Gericht keinerlei Zweifel, dass die Auflösung des ersten Arbeitsverhältnisses durch die Kündigung der Klägerin nur deshalb erfolgt ist, um einen Eingliederungszuschuss zu erhalten. Sie selbst räumt ein, dass dieses Arbeitsverhältnis nur deshalb beendet worden ist, weil es die Beklagte mündlich abgelehnt hat, einen Eingliederungszuschuss wegen der verspäteten Antragstellung zu gewähren. Dabei hat sie sogar die maßgebende Kündigungsfrist des § 622 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) außer Acht gelassen; eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund einer auflösenden Bedingung (Nichtgewährung des Eingliederungszuschusses) war rechtlich nicht zulässig, §§ 21, 14 Abs. 1 und 4 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Im zeitlichen Zusammenhang mit der Kündigung des ersten Arbeitsverhältnisses stand der Abschluss des zweiten Arbeitsvertrages am 02.04.2013. Denn die Klägerin teilte bereits am 27.03.2015 und damit zwei Tage nach Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses der Beklagten mit, dass erneut ein Arbeitsverhältnis mit Frau W. begründet wird. Für das Gericht ist daher der ursächliche Zusammenhang zwischen der Beendigung des ersten Arbeitsverhältnisses und der Einstellung von Frau W., der von der Absicht der Klägerin getragen wird, einen Eingliederungszuschuss zu erlangen, gegeben.
Im Übrigen macht sich das Gericht die zutreffenden Ausführungen der Beklagten in dem Bescheid vom 19.04.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.10.2013 und dem Bescheid vom 21.08.2015 zu eigen, § 136 Abs. 3 SGG.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben und war deshalb mit der Kostenfolge des § 193 SGG abzuweisen.

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