Arbeitsrecht

Keine Gewährung höherer Versorgungsleistungen als Dienstbeschädigter

Aktenzeichen  S 10 VS 6/16

Datum:
15.12.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 127043
Gerichtsart:
SG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Sozialgerichtsbarkeit
Normen:
BVG § 30 Abs. 2, Abs. 3, § 31
DbAG § 1, § 2
SGB § 48 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Zum Anspruchsinhalt des Dienstbeschädigungsausgleichs gehört weder ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich noch ein Ausgleichsanspruch iSd § 32 BVG. In § 2 Abs. 1a S. 1 DbAG ist nur vom Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens die Rede. Zudem wird nur auf die Grundrente des § 31 BVG verwiesen. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
2 Auch die besondere berufliche Betroffenheit des § 30 Abs. 2 BVG kann nicht im Rahmen von § 2 Abs. 1a DbAG Berücksichtigung finden. Der Gesetzgeber verfolgte mit dessen Einfügung keine Regelungsabsicht, völlig neue und den Versorgungsordnungen der Sonderversorgungssysteme fremde Beurteilungsmaßstäbe einzuführen. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Neuregelung ist vielmehr aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung geschaffen worden, um Körper- und Gesundheitsschäden nach dem medizinischen Kenntnisstand und den regelmäßig aktualisierten Grundsätzen des BVG zu bemessen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

Die fristgerecht erhobene und auch im Übrigen zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 24.03.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.05.2016 ist rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung höherer bzw. weiterer Versorgungsleistungen.
Gemäß § 48 Abs. 1 S. 1 SGB Xist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll nach § 48 Abs. 1 S. 2 SGB Xmit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
1.die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt,
2.der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist,
3.nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder
4.der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
Entgegen der Auffassung der Klägerseite liegt – abgesehen von der im Bescheid vom 24.03.2016 aber bereits berücksichtigten Erhöhung des GdS auf 40 – keine wesentliche Änderung gegenüber der Situation bei Erlass des früheren Bescheides vom 08.08.1997 vor:
Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger zu den durch § 1 DbAG näher bezeichneten Anspruchsberechtigten auf einen Dienstbeschädigungsausgleich gehört.
Zur Höhe des Dienstbeschädigungsausgleichs bestimmt § 2 DbAG Folgendes:
(1) Der Dienstbeschädigungsausgleich wird bei einem Körper- oder Gesundheitsschaden, der nach den Regelungen der Sonderversorgungssysteme zu einem Anspruch auf eine Dienstbeschädigungsrente geführt hat oder führen würde, in Höhe der Grundrente nach § 31 des Bundesversorgungsgesetzes geleistet. Dabei gilt der Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens als Grad der Schädigungsfolgen; bei einem Grad der Schädigungsfolgen von 20 sind zwei Drittel der Mindestgrundrente zugrunde zu legen. Für den Dienstbeschädigungsausgleich, der wegen einer in die gesetzliche Rentenversicherung überführten Dienstbeschädigungsvollrente zu leisten ist, wird der Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens neu festgestellt; bis zu dieser Feststellung können die Versorgungsträger auf Antrag einen Dienstbeschädigungsausgleich auf der Grundlage eines Grades des Körper- oder Gesundheitsschadens von 70 vom Hundert unter dem Vorbehalt einer rückwirkenden Neufeststellung leisten. Wurde die Dienstbeschädigungsteilrente wegen § 11 Abs. 5 Satz 2 oder 4 des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes nicht gezahlt, kann von dem zuletzt festgestellten Grad Körper- oder Gesundheitsschadens ausgegangen werden.
(1a) Ist nach dem 2. August 2001 der Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens erstmals oder neu festzustellen, gelten die Grundsätze, die für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen nach § 30 des Bundesversorgungsgesetzes anzuwenden sind. Vorbehaltlich einer Anwendung des § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch verbleibt es bei dem nach Absatz 1 festgestellten Grad der Schädigungsfolgen, wenn die Anwendung der Grundsätze des § 30 des Bundesversorgungsgesetzes keinen höheren Grad der Schädigungsfolgen ergibt. Ergibt sich infolge einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ein niedrigerer Grad der Schädigungsfolgen, ist bei der Neufeststellung von dem Grad der Schädigungsfolgen auszugehen, der sich ursprünglich aus Absatz 1 ergeben hatte. Ergibt sich infolge einer wesentlichen Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen ein höherer Grad der Schädigungsfolgen, darf der neu festzusetzende Grad nicht höher festgesetzt werden, als der Grad, der sich bei Anwendung der Grundsätze des § 30 des Bundesversorgungsgesetzes ergeben hätte.
(2) Bestand für den Monat vor Beginn des Anspruchs auf Dienstbeschädigungsausgleich ein Anspruch auf Dienstbeschädigungsteilrente, wird der Dienstbeschädigungsausgleich bis zum Bezug einer Rente wegen Alters, längstens jedoch bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch, abweichend von Absatz 1 mindestens in der Höhe erbracht, in der ein Anspruch auf Dienstbeschädigungsteilrente nach dem Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz bestanden hätte; dem Bezug einer Rente wegen Alters steht der Bezug einer ähnlichen Leistung öffentlich-rechtlicher Art gleich. Dies gilt nicht für die Dauer des Bezugs einer Rente wegen Minderung der Erwerbsfähigkeit oder einer ähnlichen Leistung öffentlich-rechtlicher Art.
(3) Ein Dienstbeschädigungsausgleich nach diesem Gesetz bleibt als Einkommen unberücksichtigt, wenn bei Sozialleistungen aufgrund von Rechtsvorschriften die Gewährung oder die Höhe dieser Leistungen von anderen Einkommen abhängt.
§ 2 Abs. 1a S. 1 DbAG ist zu entnehmen, dass im Falle von Neufeststellungsanträgen hinsichtlich des Grades des Körper- oder Gesundheitsschadens die Grundsätze gelten, die für die Feststellung des GdS nach § 30 BVG anzuwenden sind.
Nachdem in § 2 Abs. 1a S. 1 DbAG nur vom Grad des Körper- oder Gesundheitsschadens die Rede ist, nicht aber von anderen Aspekten, hinsichtlich derer § 30 BVG maßgeblich sein soll, und außerdem § 2 Abs. 1 S. 1 DbAG nur auf die Grundrente nach § 31 BVG verweist, ist klar, dass zum Anspruchsinhalt des Dienstbeschädigungsausgleichs weder ein Anspruch auf Berufsschadensausgleich (§ 30 Abs. 3 BVG) noch ein Ausgleichsanspruch (§ 32 BVG) gehören können Was die besondere berufliche Betroffenheit (§ 30 Abs. 2 BVG) angeht, die im Falle ihres Vorliegens nach der gerichtlichen Praxis zu einer Erhöhung des festzustellenden GdS um 10 oder in besonders gelagerten Ausnahmefällen auch um 20 führt, kann auch diese nicht im Rahmen von § 2 Abs. 1a DbAG Berücksichtigung finden.
Insoweit schließt sich das Gericht der überzeugenden Argumentation der Beklagten in deren Schriftsatz vom 22.07.2016 an, wonach der Gesetzgeber mit der Einfügung von § 2 Abs. 1a in das DbAG zum 01.01.2002 keine Regelungsabsicht dergestalt verfolgt habe, völlig neue und den Versorgungsordnungen der Sonderversorgungssysteme fremde Beurteilungsmaßstäbe einzuführen.
Stattdessen ging es dem Gesetzgeber ausweislich der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 14/5640, Seite 18) um etwas anderes. So stellte er u.a. fest, dass die in den Versorgungsordnungen der jeweiligen Sonderversorgungssysteme enthaltenen Bewertungsgrundsätze, die nach bisherigem Recht bei der Bemessung des von einem Anspruch auf Dienstbeschädigungsausgleich vorausgesetzten Körper- oder Gesundheitsschadens anzuwenden seien, wegen der fehlenden medizinischen Fortschreibung in der Begutachtungspraxis zunehmend zu Feststellungsschwierigkeiten führen würden. Die Neuregelung würde deshalb aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vorsehen, diese Körper- und Gesundheitsschäden in Zukunft unter Zugrundelegung der nach dem medizinischen Kenntnisstand regelmäßig aktualisierten Grundsätze des BVG zu bemessen und damit zugleich einen bundeseinheitlich geltenden Bewertungsmaßstab festzulegen.
Für das Ergebnis einer Nichtberücksichtigung von § 30 Abs. 2 BVG spricht zusätzlich, dass – soweit erkennbar – bislang weder in Rechtsprechung noch in der Literatur eine Anwendbarkeit von § 30 Abs. 2 BVG im Rahmen des DbAG jemals vertreten worden ist. Im Gegenteil: im Urteil des SG Potsdam vom 15.02.2005, Az.: S 9 VS 28/03, Seite 6 (Bl. 59 der hiesigen Gerichtsakte), wird ausdrücklich die Auffassung vertreten, dass das DbAG nur auf § 31 Abs. 1 BVG verweisen würde, nicht jedoch auf § 30 Abs. 2 BVG. Zu einer anderen Regelung sei der Gesetzgeber weder durch den Einigungsvertrag noch durch das Grundgesetz verpflichtet.
Dass der GdS unabhängig von der Frage nach einer entsprechenden Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 BVG höher anzusetzen wäre, wurde vom Kläger zu keinem Zeitpunkt im Verfahren behauptet und ist auch sonst nicht erkennbar, so dass insoweit keine weiteren Ermittlungen angezeigt waren.
Aus den genannten Gründen war die Klage somit abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 S. 1 SGG.

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