Arbeitsrecht

Kündigung Probezeit – Zustimmungsverweigerung Personalrat

Aktenzeichen  5 Sa 62/22

Datum:
8.3.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 5. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0308.5SA65.22.00
Normen:
§ 78 Abs 1 PersVG TH
§ 69a Abs 2 S 9 PersVG TH
§ 102 BetrVG
§ 78 Abs 1 PersVG TH
§ 69a Abs 2 S 9 PersVG TH
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Spruchkörper:
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Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 17. Juni 2020, 8 Ca 2449/19, Urteil

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 17.06.2020 – 8 Ca 2449/19 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses. Dabei geht es um die Frage, ob die der Klägerin gegenüber mit Schreiben vom 16.12.2019 erklärte Kündigung in der Probezeit wirksam ist.
Die am 09.06.1964 geborene Klägerin wurde vom Beklagten ab dem 01.07.2019 als Dipl.-Bibliothekarin mit einer Bruttomonatsvergütung von 4000,09 € in der Fachhochschule Erfurt beschäftigt. Eine Probezeit bis zum 31.12.2019 war vereinbart. Mit Schreiben des Kanzlers vom 25.11.2019 wurde der Personalrat der Fachhochschule … um Zustimmung zur Kündigung gebeten. Hinsichtlich des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage 2 (Bl. 23 f. d. A.) verwiesen. In Vorbereitung einer Erörterung bat der Personalrat um schriftliche Konkretisierung. Auf das Schreiben vom 05.12.2019 (Anlage 4, Bl. 26 d. A.) wird insoweit Bezug genommen. Am 10.12.2019 fand ein Erörterungsgespräch statt. Hier teilte der Kanzler u.a. mit, dass die Klägerin einen Tag nicht zur Arbeit erschienen sei und dabei weder Urlaub noch Zeitausgleich beantragt hatte und auch die Vorgesetzte nicht vom Fernbleiben unterrichtet hatte. Mit Schreiben vom 11.12.2019 teilte der Personalrat dem Kanzler der Fachhochschule die Ablehnung der Zustimmung mit. Hinsichtlich der Begründung wird auf die Anlage 5 (Bl. 27 ff. d. A.) verwiesen. Unter dem 16.12.2019 teilte der Kanzler dem Personalrat mit, dass er die Einwendungen des Personalrats als rechtlich unerheblich erachte. Mit Schreiben vom 16.12.2019, welches der Klägerin am selben Tag zugegangen ist, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 31.12.2019.
Mit ihrer am 30.12.2019 beim Arbeitsgericht Erfurt eingegangenen Klage wendet sich die Klägerin gegen die Kündigung in der Probezeit.
Die Klägerin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Personalratsanhörung vom 25.11.2019 sei fehlerhaft und der Personalrat habe die Zustimmung gemäß § 78 ThürPersVG verweigern dürfen. Die Einschätzung, die Klägerin habe sich nicht bewährt, beruhe auf einer konkreten Leistungsbeurteilung, welche insbesondere fachliche Aspekte berücksichtige. Die Beklagte habe dem Personalrat eine unvollständige Leistungsbeurteilung mitgeteilt, welche auf objektiven Tatsachen beruhe.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.12.2019 nicht beendet wird.
2. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1) wird die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahren zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Dipl.-Bibliothekarin weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte hat
Klageabweisung beantragt.
Er hat erstinstanzlich ausgeführt, der Personalrat sei mit Anhörungsschreiben vom 25.11.2019 ordnungsgemäß beteiligt worden. Mit der Klarstellung, dass sich die Klägerin in der Probezeit nicht bewährt hätte und der Unterlegung dieses Urteils mit einer beispielhaften Aufzählung von Gegebenheiten, die zu dem Schluss der mangelnden Eignung geführt hätten, hätte der Beklagte den Personalrat hinreichend substantiiert informiert. Eine weitere Substantiierung sei bei einer auf einem subjektiven Werturteil beruhenden Kündigung nicht erforderlich gewesen. Die Zustimmungsverweigerung sei unbeachtlich und die Zustimmung gelte als gegeben, wenn die verweigerte Zustimmung auf Gründen außerhalb des Mitbestimmungsrechts des Personalrats beruhen würde.
Mit Urteil vom 17.06.2020, Az. 8 Ca 2449/19, (Bl. 54 ff. d. A.) hat das Arbeitsgericht Erfurt die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Probezeitkündigung sei wirksam. Die Zustimmungsverweigerung des Personalrats sei unbeachtlich. Der Personalrat sei ordnungsgemäß angehört worden. Der Beklagte stelle mehr auf Bewertungen als auf konkrete Tatsachen ab. Die Sachverhalte seien keine abschließende Aufzählung sondern würden die subjektive Einschätzung plausibilisieren. Eine weitere Substantiierungspflicht bestehe daher nicht, auch wenn dem subjektiven Werturteil des Arbeitgebers konkretisierbare Tatsachenelemente zugrunde lägen. Gründe für die Zustimmungsverweigerung seien nur beachtlich, wenn sie es als möglich erscheinen lassen, dass die Probezeitkündigung unwirksam ist. Die Zustimmungsverweigerung des Personalrats lasse jedoch keine Anhaltspunkte erkennen, die einen Unwirksamkeitsgrund außerhalb des Kündigungsschutzgesetzes als möglich erscheinen lassen. Die benannten Verweigerungsgründe seien demnach unbeachtlich, weshalb die verweigerte Zustimmung als erteilt gelte.
Mit der Berufung meint die Klägerin, dass der Beklagte das Mitbestimmungsverfahren gemäß § 69a ThürPersVG nicht einseitig hätte abbrechen dürfen. Der Beklagte hätte ihrer Meinung nach die Stufenvertretung anrufen müssen. Aus der Anhörung ergebe sich, dass die Kündigung offensichtlich auf substantiierbare Tatsachen gestützt worden sei. Der Personalrat hätte im Detail über die konkreten Sachverhalte informiert werden müssen. Weiter meint die Klägerin, die Personalratsanhörung sei unwirksam, weil der Beklagte vorträgt, die Klägerin habe gegen Anwesenheitszeiten verstoßen, obwohl sie diese immer eingehalten habe. Letztlich ist die Klägerin der Auffassung, dass auch bei Kündigungen in der Probezeit die Verweigerungsgründe des § 78 Abs. 1 ThürPersVG greifen, da dieser einen abschließenden Katalog der Verweigerungsgründe enthalte.
Die Klägerin beantragt,
1. Das Urteil das Arbeitsgericht Erfurt vom 17.06.2020, 8 Ca 2449/19, wird abgeändert.
2. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 16.12.2019 nicht beendet worden ist.
3. Im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 2 wird der Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Diplombibliothekarin weiter zu beschäftigen.
Der Beklagte beantragt:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Er meint, es habe keine Verpflichtung bestanden, die Stufenvertretung anzurufen und ggf. die Einigungsstelle anzurufen. § 78 ThürPersVG sei eine spezielle für Kündigungssachverhalte gedachte Vorschrift, die dem allgemeinen Mitbestimmungsrecht vorgehe. Die Aufzählung in § 78 Abs. 1 ThürPersVG bedeute, dass der Personalrat in allen anderen Fällen die Zustimmung nicht verweigern dürfe. Eine unbeachtliche Zustimmungsverweigerung führe dazu, dass die Maßnahme nach Ablauf der Äußerungsfrist als gebilligt gelte. Die im Schreiben vom 11.12.2019 benannten Gründe lägen außerhalb der Mitbestimmung und würden daher nicht zur Zustimmungsverweigerung berechtigen.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, dass dem Personalrat die Gründe für die beabsichtige Kündigung in hinreichender Art und Weise mitgeteilt wurden. Bei der Probezeitkündigung handele es sich um eine solche, die ausschließlich auf ein durch den Beklagten gefundenes Werturteil gestützt werde. Wenn der Beklagte nicht nur das Werturteil mitteilt, sondern auch zusätzliche aus seiner Sicht für das Werturteil maßgebliche Umstände darlegt, sei er nicht gehalten gewesen, diese in den Blick genommenen Sachverhalte weiter nach Ort, Zeit und weiteren Umständen zu bezeichnen. Schließlich bestreitet der Beklagte, den Personalrat bewusst unrichtig oder irreführend informiert zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, §§ 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG,64 Abs. 6 ArbGG i.V.m. 520 Abs. 3 ZPO.
II.
Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und die Probezeitkündigung für wirksam erachtet. Die Kündigung ist wirksam, da die Zustimmungsverweigerung des Personalrates unbeachtlich ist.
1. Die fehlende Zustimmung des Personalrats gilt hier als erteilt, wenn der Personalrat vor der Kündigung ordnungsgemäß angehört worden war.
Der Personalrat hat der Kündigung nicht zugestimmt. Nach der in § 69a Abs.2 S. 9 ThürPersVG geregelten Zustimmungsfiktion gilt eine beantragte Maßnahme auch dann als gebilligt, wenn die Personalvertretung die Zustimmung nicht innerhalb der Fristen des § 69 Abs. 2 S. 6 oder S. 8 unter Angabe von Gründen ausdrücklich und schriftlich verweigert.
Eine ausdrückliche Zustimmungsverweigerung ohne Angabe von Gründen ist unbeachtlich. Die Rechtsprechung stellt an die begründete Zustimmungsverweigerung keine hohen inhaltlichen Anforderungen. Die Begründung des Personalrats muss es zumindest als möglich erscheinen lassen, dass ein Mitbestimmungstatbestand gegeben ist. Gründe, die ganz offensichtlich außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes liegen, sind unbeachtlich (Seidel-Gliech/Schwill/Seidel, Thüringer Personalvertretungsgesetz, 7. Auflage 2020, § 69a Rn. 20 m.w.N.).
So liegt der Fall hier. Die Verweigerung der Zustimmung erfolgte mit Schreiben vom 11.12.2019 fristgemäß schriftlich und wurde vom Personalrat begründet. Allerdings ist die Zustimmungsverweigerung trotzdem unbeachtlich, da lediglich Gründe außerhalb des Mitbestimmungstatbestandes benannt wurden.
Ob die vom Personalrat angeführten Gründe für die Nichtzustimmung „nicht rechtserheblich” sind und die Kündigung als gem. § 69a Abs. 2 Satz 9 ThürPersVG durch den Personalrat „gebilligt … gilt” oder ob, wie die Klägerin meint, das Stufenverfahren nach § 69a ThürPersVG hätte eingeleitet werden müssen, hängt davon ab, wie sich die Mitbestimmtheit der Probezeitkündigung auswirkt.
Die ordentliche Kündigung einer Arbeitnehmerin bzw. eines Arbeitnehmers während der Probezeit ist ebenfalls mitbestimmungspflichtig. In § 78 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 5 ThürPersVG sind Gründe genannt, auf die der Personalrat seinen Widerspruch gegen die Kündigung stützen kann. Die dort genannten Einwendungen entsprechen im Wesentlichen den in § 1 Abs. 3 und Abs. 2 S. 2 Nr. 2 und S. 3 KSchG aufgeführten Gründen. Sie stellen keinen abschließenden Katalog dar. Der Personalrat kann darüber hinausgehende Bedenken geltend machen (Seidel, a.a.O., § 78 Rn. 5).
Der Auffassung des BAG folgend bedeutet Mitbestimmung bei allen ordentlichen Kündigungen nicht zugleich, dass den Arbeitnehmern, die noch keinen Kündigungsschutz i. S. d. Kündigungsschutzgesetzes haben, dieser ihnen indirekt über die Mitbestimmtheit der ordentlichen Kündigung zuwächst. Vielmehr bleibt es dabei, dass sich die Mitbestimmtheit nur auf solche Gründe beschränkt, die im Rahmen der Probezeitkündigung eine Rolle spielen. Die Darlegung einer Rechtsauffassung oder der Vortrag von Tatsachen, aus denen sich ersichtlich kein Verweigerungsgrund ergibt, kann rechtlich nicht anders behandelt werden als das Fehlen einer Begründung (BVerwG 4. April 1985 – 6 P 37.82 – PersV 1987, 155). So führt das BAG im Urteil vom 27.10.2005, Az.: 6 AZR 27/05, zutreffend aus: „Auf die Mitbestimmtheit der Probezeitkündigung übertragen bedeutet dies, dass nur solche Einwendungen beachtlich sind, die die Unwirksamkeit der Probezeitkündigung immerhin als möglich erscheinen lassen – „Möglichkeitstheorie” (BVerwG 17. August 1998 – 6 PB 4.98 -) –, also etwa ein Verstoß gegen § 242 BGB, § 138 BGB, Vorschriften besonderen Kündigungsschutzes wie SGB IX usw.“
Der Personalrat führt in seinem Schreiben vom 11.12.2019 aus, dass nach § 78 Abs.1 Nr. 3 und 4 ThürPersVG der Kündigung nicht zugestimmt wird. Diese Einwendungen sind auch in § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 2b und in Abs. 2 S. 3 des KSchG angeführt. Sie gehören somit in den Bereich des Kündigungsschutzgesetzes. Im Rahmen der Probezeit können sie keine Rolle spielen. Auch die angesprochene Möglichkeit der Weiterbeschäftigung an einem anderen Arbeitsplatz betrifft das Argument der Ultima Ratio im Rahmen des Kündigungsschutzgesetzes und ist deshalb, wie bereits das Arbeitsgericht zutreffend ausführte, unbeachtlich. Soweit der Personalrat den Werdegang der Klägerin beschreibt und darlegt, dass ihn zutiefst erstaunt, dass die Arbeitsweise und die Arbeitsergebnisse der Klägerin in der Hochschulbibliothek der Fachhochschule Erfurt bei diesen Arbeitszeugnissen und den vorhandenen Vorerfahrungen nicht den Erwartungen entsprechen, hegt er Zweifel an der Eignungsprognose des Dienstherrn. Die Entscheidung darüber, ob sich ein Angestellter in der Probezeit bewährt hat, ist jedoch ausschließlich dem Dienstherrn vorbehalten. Zweifel an der Eignungsprognose sind daher ebenfalls unbeachtlich (vgl. auch Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 Sa 447/17 –, juris).
Gründe, die es als möglich erscheinen lassen, dass die Probezeitkündigung unwirksam ist, wurden vom Personalrat nicht angeführt. Weder Sonderkündigungsschutz noch Anhaltspunkte für Rechtsmissbräuchlichkeit, Willkür, Sittenwidrigkeit oder Maßreglungen wurden vorgetragen. Diese ergeben sich auch nicht aus der Einschätzung der Klägerin durch den Personalrat als unbequeme Mitarbeiterin.
2. Der Personalrat wurde ordnungsgemäß über die Kündigungsgründe unterrichtet.
Nach einhelliger Auffassung ist der Personalrat umfassend zu informieren. Der Dienststellenleiter hat dem Personalrat die Person des Arbeitnehmers, die Art der Kündigung, den Kündigungstermin sowie die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen. Für den Umfang der Unterrichtungspflicht gelten hierbei die Grundsätze, die die Rechtsprechung im Rahmen von § 102 BetrVG entwickelt hat.
Mit dem Schreiben vom 25.11.2019 hat der Beklagte den Personalrat ausreichend informiert, insbesondere zum Grund wurde ausreichend vorgebracht. Der Beklagte hat die Kündigung nicht auf konkrete Tatsachen, wie die Klägerin meint, sondern auf ein subjektives Werturteil gestützt. Das Schreiben an den Personalrat wird hinsichtlich der Kündigungsgründe eingeleitet mit der Einschätzung, dass die Probezeit nicht erfolgreich verläuft und die Arbeitsweise nicht den Erwartungen an die Stelle entspricht. Auch abschließend wird in dem Schreiben ausgeführt, dass Arbeitsweise und Arbeitsergebnisse nicht den Erwartungen an die Stelle entsprechen und die Probezeit nicht erfolgreich war. Hiermit wurde eindeutig ein von dem Beklagten gefälltes personenbezogenes Werturteil dem Personalrat mitgeteilt.
Der Beklagte hätte sich auf die Mitteilung dieses Werturteils beschränken können, und zwar selbst dann, wenn die dem Urteil zugrunde liegenden Erwägungen und Ansatzpunkte einen substantiierbaren Tatsachenkern aufweisen.
Liegen dem subjektiven Werturteil des Arbeitgebers, das Arbeitsverhältnis nicht über die Wartezeit hinaus fortsetzen zu wollen, nach Zeit, Ort und Umständen konkretisierbare Tatsachenelemente zugrunde, muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über diesen Tatsachenkern bzw. die Ansatzpunkte seines subjektiven Werturteils nicht informieren. Es genügt für eine ordnungsgemäße Anhörung, wenn er allein das Werturteil selbst als das Ergebnis seines Entscheidungsprozesses mitteilt (BAG, Urteil vom 12. September 2013 – 6 AZR 121/12 –, juris). Begründend führt das BAG in der genannten Entscheidung weiter aus:
„Diese Auslegung der Pflichten des Arbeitgebers im Anhörungsverfahren nach § 102 BetrVG bei Kündigungen innerhalb der Wartezeit, die auf subjektive Werturteile gestützt werden, ist Konsequenz des Grundsatzes der subjektiven Determination. Sie koordiniert den formellen Kündigungsschutz nach § 102 BetrVG mit dem materiellen Kündigungsschutz des Arbeitnehmers während der Wartezeit in einer Weise, die sowohl den (Grund-)Rechten des Arbeitnehmers als auch des Arbeitgebers sowie dem Zweck des Anhörungsverfahrens Rechnung trägt und diese wechselseitigen Rechte und Interessen zum Ausgleich bringt.
aa) Die Wartezeit dient der beiderseitigen Überprüfung der Arbeitsvertragsparteien, ob sie das Arbeitsverhältnis über die Wartezeit hinaus fortsetzen wollen (BAG 22. April 2010 – 6 AZR 828/08 – Rn. 26). In der Wartezeit besteht Kündigungsfreiheit auch des Arbeitgebers. Diese Freiheit ist durch Art. 12 Abs. 1 GG bzw. durch die wirtschaftliche Betätigungsfreiheit iSv. Art. 2 Abs. 1 GG geschützt. Die grundrechtliche Gewährleistung erstreckt sich auch auf das Interesse des Arbeitgebers, in seinem Unternehmen nur Mitarbeiter zu beschäftigen, die seinen Vorstellungen entsprechen (BVerfG 27. Januar 1998 – 1 BvL 15/87 – zu B I 3 a der Gründe, BVerfGE 97, 169; vgl. auch 21. Juni 2006 – 1 BvR 1659/04 – Rn. 13, BVerfGK 8, 244). In der gesetzlichen Wartezeit unterliegt die Bildung der Meinung des Arbeitgebers, ob ein Arbeitnehmer seinen Vorstellungen entspricht, von Missbrauchsfällen abgesehen keiner Überprüfung nach objektiven Maßstäben. Kommt der Arbeitgeber bei dieser Prüfung zu einem negativen Ergebnis, kann er das Arbeitsverhältnis grundsätzlich frei kündigen, ohne auf entgegenstehende Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen zu müssen (BAG 23. April 2009 – 6 AZR 516/08 – Rn. 23, BAGE 130, 369). Die während der Wartezeit grundsätzlich bestehende Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers ist das Gegengewicht zu dem im Geltungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes entstehenden materiellen Kündigungsschutz, der die Kündigungsfreiheit des Arbeitgebers nicht unerheblich beschneidet.(1) Insoweit ist die kündigungsrechtliche Ausgangssituation vergleichbar mit der freien unternehmerischen Entscheidung, die einer betriebsbedingten Kündigung zugrunde liegt. Kündigungsgrund ist die getroffene unternehmerische Entscheidung und sind nicht die dieser Entscheidung zugrunde liegenden Erwägungen (vgl. HaKo/Nägele 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 105). Beruht diese Entscheidung auf innerbetrieblichen Gründen, müssen dem Betriebsrat nur die nach dieser freien unternehmerischen Entscheidung beabsichtigten organisatorischen Maßnahmen als der eigentliche Kündigungsgrund sowie deren Auswirkungen auf das Beschäftigungsbedürfnis dargestellt werden (vgl. KR/Etzel 10. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 62d). Die Erläuterung der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Hintergründe, Motive oder Vorüberlegungen ist dagegen nicht erforderlich (vgl. BAG 21. September 2000 – 2 AZR 385/99 – zu B II 3 b der Gründe; APS/Koch 4. Aufl. § 102 BetrVG Rn. 109a).
(2) Der erst nach Ablauf der Wartezeit eintretende Kündigungsschutz darf durch die Anforderungen, die an eine Anhörung nach § 102 BetrVG gestellt werden, nicht vorverlagert werden. Eine Vermengung der formellen Wirksamkeitsvoraussetzungen der Anhörung mit der Überprüfung der Kündigungsgründe aufgrund der Prozesssituation bezweckt § 102 BetrVG nicht (BAG 26. Januar 1995 – 2 AZR 386/94 – zu II 2 a der Gründe). Die formellen Anforderungen an die Unterrichtung des Betriebsrats sind deshalb an dem Schutzniveau des materiell-rechtlichen Kündigungsschutzes des Arbeitnehmers in der Wartezeit zu messen (vgl. BAG 22. April 2010 – 6 AZR 828/08 – Rn. 26).“Wenn im vorliegenden Fall über das Werturteil hinaus von dem Beklagten eine nicht abschließende Aufzählung verschiedener pauschaler Sachverhalte zur Plausibilisierung seiner subjektiven Einschätzung aufgegriffen wird, folgt hieraus keine Erweiterung der Informationspflicht.Die angesprochenen Sachverhalte stellen keine konkreten Verhaltensweisen oder Tatsachen dar, die den eigentlichen Kündigungsgrund bilden würden. Vielmehr untermauern sie lediglich die subjektive Wertung des Beklagten. Die Einleitung „So bestehen beispielsweise“ deutet auf eine nicht abschließende Aufzählung hin. Floskeln wie „nicht kontinuierlich“, „entsprechen nicht den Erwartungen“, „keine wesentlichen neuen Impulse gesetzt“, „Dieses Ziel konnte nicht erreicht werden“ oder „nicht verlässlich“ beinhalten ihrerseits wieder Wertungen.Nähere Informationen zu den angerissenen Sachverhalten waren daher, da sie letztlich nur das Werturteil untermauern sollten, nicht zu leisten. Eine weitere Substantiierungspflicht bestand nicht. Es bestand insoweit auch keine Pflicht zur Vorlage von Unterlagen, auf die der Arbeitgeber seine subjektive Einschätzung von der Eignung des betroffenen Arbeitnehmers stützt.Eine bewusste Fehlinformation des Personalrates hinsichtlich der Einhaltung der Anwesenheitszeiten ist im Hinblick auf die Ausführungen des Kanzlers im Erörterungstermin am 10.12.2019 nicht ersichtlich.
3. Da die Zustimmungsverweigerung unbeachtlich ist, galt die beabsichtigte Maßnahme nach Ablauf von 10 Arbeitstagen als gebilligt, § 69a Abs. 2 S. 9 ThürPersVG. Die Frist lief nach Zugang des Anhörungsschreibens am 29.11.2019, wie das Empfangsbekenntnis ausweist, am 13.12.2019 ab, so dass die Kündigung am 16.12.2019 nach Ablauf der Frist erfolgte.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Anlass für die Zulassung der Revision bestand nicht, weil keiner der Gründe des § 72 Abs.2 ArbGG vorliegt.


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