Arbeitsrecht

Kündigungsschutz – Anwendungsbereich – Darlegungs- und Beweislast

Aktenzeichen  2 Ca 62/21

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
ArbG Gera 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 KSchG
§ 23 Abs 1 KSchG
Spruchkörper:
undefined

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
3. Der Wert des Streitgegenstands wird auf 15.010,41 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis zur Beklagten nicht durch deren Kündigung beendet wurde.
Der Kläger ist seit dem 01.09.2015 bei der Beklagten beschäftigt als Außendienstmitarbeiter, sein Gehalt betrug zuletzt 5.003,47 € brutto im Monat. Die Kündigung erfolgte durch Beklagtenschreiben vom 08.07.2021, dem Kläger zugegangen am 09.07.2021, und wurde ausgesprochen zum 30.09.2021.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt, nämlich insgesamt 10 Vollzeitarbeitnehmer und 5 Teilzeitarbeitnehmer. Es handele sich dabei nach seiner Kenntnis bei den Vollzeitarbeitnehmern um die Herren T., W., N., D., P., Fr., Frau., Sch. und eine weitere namentlich nicht bekannte Person als Leiharbeiter. Bei den Teilzeitarbeitnehmern handele es sich um Frau S. und Frau T. sowie eine Reinigungskraft und einen Gärtner mit jeweils mindestens 15 Wochenstunden und Frau R. mit mindestens 8 Wochenstunden. Daher finde das Kündigungsschutzgesetz Anwendung. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt.
Der Kläger beantragt,
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung vom 08.07.2021 nicht beendet wurde, sondern über den 30.09.2021 hinaus fortbesteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie behauptet, ein Gärtner und eine Reinigungskraft seien bei ihr nicht beschäftigt. Die Arbeitnehmer W. und Fre. seien seit 2020 bzw. 2017 nicht mehr bei ihr beschäftigt, ebenso beschäftige die Beklagte seit Mai 2021 keinen Leiharbeitnehmer mehr. Herr Sch. sei kein Arbeitnehmer, sondern ein selbstständiger Lieferant der Beklagten. Die Beklagte habe am 08.07.2021 und 09.07.2021 die folgenden Arbeitnehmer beschäftigt: Die Herren T., N., F., P., D. und den Kläger selbst (jeweils 40 Wochenstunden) sowie Frau Sch., Frau S. und Frau T. (6 Wochenstunden) und Frau R. (4 Wochenstunden). Demzufolge könne das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung finden.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber nicht begründet.
Der Kläger kann die begehrte Feststellung nicht verlangen, denn sein Arbeitsvertrag mit der Beklagten wurde durch deren Kündigung zum 30.09.2021 gem. §§ 620 Abs. 1, 2, 622 Abs. 2 Nr. 2, 623 BGB beendet. Einer sozialen Rechtfertigung gem. § 1 KSchG bedurfte es vorliegend nicht, da der Anwendungsbereich des § 1 KSchG gem. § 23 Abs. 1 S. 2-4 KSchG nicht eröffnet ist. Darlegungs- und beweisbelastet hierfür ist nach allgemeinen Grundsätzen der Kläger(BAG 4.7.1957, BAGE 203, 207; HLK Rn. 28; APS/Moll Rn. 48; Schaub ArbR-HdB § 128 Rn. 12; ErfK/Kiel, § 23 KSchG Rn. 13, Aufl. 22). Wegen der hohen Bedeutung des objektiven Gehalts des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG auch im Verfahrensrecht (BVerfG 27.1.1998, NZA 1998, 470) dürfen für die Darlegung und den Beweis der betrieblichen Anwendungs-voraussetzungen des KSchG keine unzumutbar strengen Anforderungen erhoben werden. Einer größeren Sachnähe des Arbeitgebers und etwaigen Beweisschwierigkeiten des Arbeitnehmers ist durch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast Rechnung zu tragen. Der Arbeitnehmer genügt seiner primären Darlegungslast, wenn er die nach seiner Kenntnis zum Kündigungszeitpunkt Beschäftigten und deren Tätigkeiten konkret benennt. Ist er dazu mangels eigener Kenntnismöglichkeiten nicht in der Lage, genügt er seiner Darlegungspflicht durch die bloße Behauptung, der Arbeitgeber beschäftige mehr als 10 Arbeitnehmer. Der Arbeitgeber muss dann nach § 138 Abs. 2 ZPO zum Umfang und zur Struktur des Betriebs sowie zu den konkret beschäftigten Personen und dem Beschäftigungsumfang substantiierte Angaben machen und z.B. Vertragsunterlagen, Auszüge aus der Lohnbuchhaltung etc. vorlegen oder Zeugen benennen. Hierauf hat dann der Arbeitnehmer entsprechend substantiiert zu erwidern (ErfK/Kiel aaO). Vorliegend hat der Kläger seiner primären Darlegungslast zunächst genügt, da er vorgetragen hat, welche Arbeitnehmer nach seiner Kenntnis bei der Beklagten beschäftigt sind. Diesen Vortrag als zutreffend unterstellt, hätte die Beklagte mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt. Jedoch hat die Beklagte hierauf im Rahmen ihrer sekundären Darlegungslast erwidert und darlegen können, dass ein Teil der benannten Personen bei ihr entweder gar nicht oder nicht mehr beschäftigt war im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Ebenso hat die Beklagte eine Liste der im Kündigungszeitpunkt bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer mit Angabe des Beschäftigungsumfangs vorgelegt, hierzu eine Bestätigung des Steuerberaters vorgelegt und den Steuerberater als Zeugen angeboten. Hiermit hat die Beklagte wiederum ihrer sekundären Darlegungslast genügt. Denn nach diesem substantiierten Vortrag, dem der Kläger nicht mehr entgegengetreten ist, ergibt sich im Sinne des § 23 Abs. 1 S. 4 KSchG eine Zahl von lediglich 8 Arbeitnehmern. Somit bleibt es dabei, dass der Kläger für die Anwendbarkeit des § 1 KSchG darlegungs- und beweisfällig geblieben ist.
Sonstige Unwirksamkeitsgründe für die Kündigung sind weder vorgetragen noch ersichtlich, insbesondere genügt das Schreiben vom 08.07.2021 den Anforderungen des § 623 BGB und wahrte auch die gem. § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB zutreffende Kündigungsfrist.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 46 Abs. 2 ArbGG.
Der gem. § 61 Abs. 1 ArbGG im Urteil festzusetzende Streitwert wurde gem. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG bestimmt.


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