Arbeitsrecht

Kürzung des Versorgungsausgleichs

Aktenzeichen  AN 11 K 16.01380

Datum:
30.11.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NZFam – 2017, 76
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VersAusglG VersAusglG § 34 Abs. 4, § 37, § 38
BeamtVG BeamtVG § 2 Abs. 1, § 16, § 37, § 57 Abs. 1 S. 1
BGB BGB § 1587b Abs. 2
GG GG Art. 6 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Allein der nach § 37 VersAusglG ausgleichspflichtigen Person steht ein Antragsrecht auf Anpassung der Versorgungsbezüge dahingehend zu, dass die Versorgung nicht mehr um den ursprünglich für den Versorgungsausleich gekürzten Betrag reduziert wird. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Regelung des § 37 VersAusglG verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG, da der Gesetzgeber sich innerhalb seines Gestaltungsspielraums entschieden hat. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Vorliegend konnte das Gericht nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, da sowohl die Klägerin als auch die Beklagte ihren Verzicht auf eine mündliche Verhandlung erklärt haben.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Generalzolldirektion Stuttgart vom 6. April 2016, in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Juni 2016, ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die Kürzung der Versorgungsbezüge ist § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG. Dieser ordnet die Kürzung der Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person an, wenn durch die Entscheidung des Familiengerichts Anwartschaften einer gesetzlichen Rentenversicherung nach § 1587b Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der bis zum 31. August 2009 geltenden Fassung rechtskräftig übertragen worden sind. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Zulasten des Verstorbenen sind mit Rechtskraft des Scheidungsurteils am …1996 entsprechende Anwartschaften begründet worden. Die Klägerin ist Hinterbliebene des ausgleichspflichtigen Beamten, weshalb sie einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung hat, § 16 BeamtVG, die gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 BeamtVG ein Versorgungsbezug ist und dementsprechend der Kürzung nach § 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG unterliegt.
§ 37 VersAusglG, der für die ausgleichspflichtige Person – hier den Verstorbenen – eine Kürzung der Versorgungsbezüge nicht länger vorsieht, wenn die ausgleichsberechtigte Person verstorben ist und diese die Versorgung aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht nicht länger als 36 Monate bezogen hat, kann nur auf Antrag der ausgleichspflichtigen Person und nicht durch seine Hinterbliebenen beantragt werden, § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG. So spricht auch § 37 Abs. 1 Satz 1 VersAusglG nur vom „Anrecht der ausgleichspflichtigen Person“, hinsichtlich dessen die Kürzung ausgesetzt werden kann. Hierunter ist allein das Ruhegehalt des verstorbenen Beamten, nicht aber die Hinterbliebenenversorgung der Klägerin zu verstehen (vgl. BSG, Urteil vom 24.4.2014 – B 13 R 25/12). Abgesehen vom Wortlaut ergibt sich dies auch aus einem Fassungsvergleich zu der Vorgängerregelung in § 9 Abs. 2 Satz 1 Versorgungsausgleichs-Härteregelungsgesetz (VAHRG), in dem es heißt „Antragsberechtigt sind der Verpflichtete und, soweit sie belastet sind, seine Hinterbliebenen.“ Die Streichung der Hinterbliebenen als Antragsberechtigte in der jetzigen Regelung war eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers. So heißt es etwa in der Bundestagsdrucksache zum Entwurf eines Gesetzes zur Strukturreform des Versorgungsausgleichs (VAStrRefG) vom 20.8.2008, BT-Drs. 16/10144 S. 76 zu § 38: „( Absatz 1) Satz 2 entspricht teilweise § 9 Abs. 2 VAHRG und regelt die Antragsberechtigung des überlebenden ausgleichspflichtigen Ehegatten. Die Hinterbliebenen sind im Gegensatz zu § 9 Abs. 2 VAHRG nicht mehr antragsberechtigt. Auf die Begründung zu § 37 VersAusglG wird verwiesen“ Dort heißt es: „(Es) ist ein Anpassungsanspruch nicht mehr vorgesehen, wenn nur die Hinterbliebenen der ausgleichspflichtigen Person von der Anpassung profitieren würden. Diese haben kein schutzwürdiges Interesse an der Rückgängigmachung der Versorgungsbezüge. Die Witwe oder der Witwer der ausgleichspflichtigen Person konnte und musste damit rechnen, dass die (Hinterbliebenen-) Versorgung der ausgleichspflichtigen Person um den für den Versorgungsausgleich abgezogenen Betrag reduziert war.“ (BT-Drs. 16/10144, S. 75).
Der oben aufgezeigte Fassungsvergleich belegt gleichzeitig, dass es im Kontext nicht nur geht um das formelle Antragsrecht, sondern zugleich um den materiellen Antragsinhalt, vgl. ergänzend nachfolgend.
Dies muss auch dann gelten, wenn zugunsten des Verstorbenen bereits auf die Kürzung verzichtet worden war. Dieser „begünstigende“ Bescheid betraf ausschließlich den Verstorbenen und die ihm zustehenden Versorgungsbezüge. Dementsprechend erging der Bescheid auch nur an diesen. Die zugunsten des Verstorbenen gemäß § 37 BeamtVG nicht länger vorgenommene Kürzung seiner Versorgungsbezüge hat keinen unmittelbaren Einfluss auf die Versorgungsbezüge der Hinterbliebenen, da diese gesondert berechnet werden. Soweit der verstorbene Beamte zu Lebzeiten den Rückausgleich erfolgreich beantragt hatte, konnte sich dieser Antrag und der daraufhin erfolgte Rückausgleich nur auf sein eigenes Ruhegehalt, nicht jedoch auf die künftige Hinterbliebenenversorgung seiner Angehörigen beziehen (BSG, Urteil vom 20.3.2013 – B 5 R 2/12 R). Auch aus § 34 Abs. 4 VersAusglG, dessen entsprechende Anwendung § 38 Abs. 2 VersAusglG anordnet, ergibt sich nichts Abweichendes. Gemäß § 34 Abs. 4 VersAusglG geht ein Anspruch (des Ausgleichspflichtigen) auf Anpassung auf die Erben über. Diese Vorschrift trifft jedoch allein eine Regelung für den Zeitraum zwischen dem Monatsersten des auf die Antragstellung folgenden Monats (§ 38 Abs. 2 i. V. m. § 34 Abs. 3 VersAusglG) und dem Eintritt des Todesfalls des Ausgleichspflichtigen. Wenn also der Ausgleichspflichtige zu Lebzeiten einen (in der Sache begründeten) Antrag auf Rückausgleich gestellt hatte, so geht der Anspruch auf Anpassung des Ruhegehalts bis zum Todesfall, mithin auf Nachzahlung der zu Unrecht vorgenommenen Kürzung des Ruhegehaltes, auf die Erben über (vgl. Gutdeutsch, Beck´scher Online- Kommentar BGB, § 34 VersAusglG, Rn. 6). Für nach dem Todesfall des Ausgleichspflichtigen liegende Zeiträume schließen §§ 37 Abs. 1 Satz 1, 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG einen Rückausgleich zugunsten der Hinterbliebenen des Ausgleichspflichtigen aus, VG Würzburg, Urteil vom 14.6.2016 – W 1 K 15.871.
Die Regelungen, insb. § 57 BeamtVG, §§ 37, 38 VersAusglG, verstoßen auch nicht gegen Verfassungsrecht. Das System des Versorgungsausgleichs, also des hälftigen Ausgleichs der während der Ehe erworbenen Renten- und Versorgungsanwartschaften, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt, vgl. nur BVerfG, Urteil vom 28.2.1980 – 1 BvL 17/77, BVerfG, Beschluss vom 6.5.2014 – 1 BvL 9/12. Dies gilt auch dann, wenn der ausgleichsberechtigte Ehegatte verstorben ist, ohne Renten- oder Versorgungsleistungen erhalten zu haben. Der Grund hierfür liegt in dem gemäß Art. 6 Abs. 1 GG gewährleisteten Institut der Ehe, das auch nach der Scheidung rechtliche Wirkungen entfaltet. Mit der familiengerichtlichen Entscheidung über den Versorgungsausgleich wird das individuelle Risiko des frühen Versterbens endgültig und dauerhaft auf beide Ehegatten verteilt. Vor diesem Hintergrund besteht kein Bedürfnis für eine Härtefallregelung. Denn die aufgeteilten Renten- bzw. Versorgungsanwartschaften unterliegen mit der Durchführung des Versorgungsausgleichs auch eigentums- bzw. beamtenrechtlich verschiedenen Schicksalen. Der Zweck des Versorgungsausgleichs wird hierdurch nicht verfehlt (BVerfG, Beschluss vom 6.5.2014 – 1 BvL 9/12, 1 BvL 1145/13).
Durch den Versorgungsausgleich werden die einzelnen ehezeitlich erworbenen Rechte zwischen den geschiedenen Ehegatten in zwei Hälften geteilt, die beiden einen eigenen Versicherungsschutz vermitteln. Dabei entstehen zwei voneinander unabhängige Versicherungsverhältnisse, so dass die rentenrechtlichen Schicksale der geschiedenen Ehegatten grundsätzlich selbstständig zu betrachten sind, BVerfG, Beschluss vom 6.5.2015 – 1 BvL 9/12, Rn. 48 ff. Der Wille des Gesetzgebers durch die Regelung in § 37 Abs. 1, § 38 Abs. 1 Satz 2 VersAusglG, gegenüber der ausgleichspflichtigen Person die Möglichkeit zu eröffnen, unter bestimmten Voraussetzungen von einer Kürzung der Versorgungsbezüge abzusehen, stellt eine nicht von Verfassung wegen gebotene Begünstigung gerade und nur des Ausgleichspflichtigen dar. Der Gesetzgeber hat sich innerhalb seines Gestaltungsspielraums entschieden, die Hinterbliebenen nicht mit in diese Begünstigung miteinzubeziehen. Dies ist aufgrund der obigen Ausführungen nicht zu beanstanden, vgl. auch VG Würzburg, Urteil vom 14.6.2016 – W 1 K 15.871.
Die Klage ist nach alledem abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. Nr. 11, 711 ZPO.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich zu beantragen.
Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift:
Ludwigstraße 23, 80539 München;
Postfachanschrift:
Postfach 34 01 48, 80098 München, oder in
in Ansbach:
Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen.
Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn
ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.
Der Antragsschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 3.892,56 EUR festgesetzt, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 10.4 Streitwertkatalog 2013.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200 EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde.
Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach,
Hausanschrift:
Promenade 24 – 28, 91522 Ansbach, oder
Postfachanschrift:
Postfach 616, 91511 Ansbach,
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift sollen vier Abschriften beigefügt werden.

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