Arbeitsrecht

Nachweis der Fachhochschulreife für einen Studienplatz

Aktenzeichen  Au 8 E 19.1522

Datum:
28.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 31208
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Augsburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 123
BayQualV § 6 Abs. 2, § 24 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die von einem “Schulabbrecher” des gymnasialen Bildungsgangs in Baden-Württemberg erworbene Fachhochschulreife berechtigt in Bayern nicht zum Besuch der Fachhochschule.  (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Da das Schulsystem in Bayern für “Schulabbrecher” keine Fachhochschulreife vorsieht, handelt es sich auch nicht um einen gleichwertigen Abschluss, der zum Besuch der Fachhochschule in Bayern berechtigt. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller begehrt die Zulassung zu einem Studiengang an der Fachhochschule des Antragsgegners.
Der Antragsteller erwarb mit Zeugnis des …-Gymnasiums in, Baden-Württemberg, vom 24. September 2018 die Fachhochschulreife für das Studium an Fachhochschulen in Baden-Württemberg.
Am 6. Mai 2019 beantragte er die Zulassung zum nicht zulassungsbeschränkten Bachelorstudiengang „Game-Produktion und Management“ zum Wintersemester 2019/2020 bei der Hochschule … (im Folgenden: Hochschule). Mit E-Mail vom 28. und 29. Mai 2019 wies die Hochschule den Antragsteller unter Verweis auf die Leitfaden für die gymnasiale Oberstufe, Abitur 2017, vom Land Baden-Württemberg, darauf hin, dass Zeugnisse sogenannter „Schulabbrecher“ in Bayern und Sachsen nicht anerkannt würden.
Mit Bescheid vom 27. September 2019 teilte die Hochschule dem Antragsteller mit, dass er vom Vergabeverfahren für das erste Semester ausgeschlossen sei, weil er kein Zeugnis eingereicht habe, das ihn zum Studium im o.g. Studiengang berechtige.
Dagegen ließ der Antragsteller am 23. Oktober 2019 Klage erheben, über die noch nicht entschieden ist (Au 8 K 19.1519), und beantragte gleichzeitig,
den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller zum Studium Bachelor Game-Produktion und Management gemäß der Sach- und Rechtslage des Wintersemesters 2019/2020 an der Hochschule … (…) vorläufig zuzulassen.
Die Hochschule habe einen Zulassungsanspruch verneint, weil die Art der Fachhochschulreife, die der Antragsteller erworben habe, nicht in Bayern und Sachsen anerkannt werde. Aus Sicht des Antragstellers sei jedoch kein Grund ersichtlich, warum er von der Zulassung ausgeschlossen werde. Eine Begründung der Hochschule dazu fehle. Eine sachliche Begründung, wieso Bayern und Sachsen die Zeugnisse sogenannter „Schulabbrecher“ nicht anerkennen würden, gebe es nicht.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vollumfänglich abzulehnen.
Der Antragsteller habe lediglich die Fachhochschulreife in der gymnasialen Oberstufe nach der Fachhochschulreifeverordnung Gymnasien des Landes Baden-Württemberg erworben. Bei dem eingereichten Zeugnis handle es sich nicht um einen Nachweis entsprechend § 24 Abs. 1 oder Abs. 2 QualV für eine außerhalb Bayerns, aber im Inland erworbene Fachhochschulreife, die zum Studium an einer staatlich anerkannten Hochschule in Bayern berechtigte. Es handle sich nicht um ein Zeugnis einer Fachoberschule oder einer Kollegstufe, sondern um ein Zeugnis eines Gymnasiums. Es liege auch kein besonderer Bildungsweg oder beruflicher Bildungsgang vor. Es handle sich vielmehr um einen regelmäßigen Bildungsgang, der auch nicht durch die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres beim Turnverein zu einem besonderen Bildungsweg oder beruflichen Bildungsgang werde. Eine Gleichwertigkeitsprüfung sei deshalb bereits gar nicht erforderlich. Im Übrigen setze die Feststellung der Gleichwertigkeit voraus, dass das Zeugnis an einer den bayerischen Verhältnissen gleichwertigen Unterrichtseinrichtung, nach Durchlaufen eines gleichwertigen Bildungsgangs und unter gleichwertigen Leistungsanforderungen erworben worden sei. Dies gelte als erfüllt, wenn das Zeugnis einer einschlägigen Vereinbarung der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz) voll entspreche. Eine solche Vereinbarung liege vor, diese schließe aber gerade die Anerkennung des Abschlusses in Bayern aus (vgl. Beschluss der KMK vom 7.7.1972 in der Fassung vom 15.2.2018). Gemäß Ziffer 12 dieser Vereinbarung könnten Schüler der gymnasialen Oberstufe, die die Schule ohne den Erwerb der allgemeinen Hochschulreife verlassen würden, frühestens nach dem Besuch von zwei Schulhalbjahren der Qualifikationsphase den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Fachhochschulreife (schulischer Teil) stellen. Zusätzlich bedürfe es eines fachpraktischen Teils. Die Länder Bayern und Sachsen würden diese Möglichkeit jedoch gerade nicht vorsehen (vgl. Ziffer 13.2 des Beschlusses). Der Antragsgegner habe keine weiteren Unterlagen dazu vorliegen. Es werde davon ausgegangen, dass Bayern solche Zeugnisse nicht anerkenne, da das Schulsystem im Freistaat Bayern für sogenannte Schulabbrecher keine Fachhochschulreife vorsehe und somit auch keine Anerkennung für etwas erfolgen könne, was den eigenen bayerischen „Bürgern“ verweigert werde. Des Weiteren würden alle in § 24 QualV genannten Bildungsnachweise für den Erwerb der Fachhochschulreife eine gesonderte Prüfung in den Fächern Deutsch, einer Pflichtfremdsprache, Mathematik sowie in einem fachrichtungsbezogenen Fach fordern. In der gymnasialen Oberstufe seien keine Prüfungen vorgesehen. Es reiche eine gewisse Mindestpunktzahl.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtssowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der zulässige Antrag ist unbegründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, vorläufig zum Studium Bachelor Game-Produktion und Management an der Hochschule … (…) zugelassen zu werden.
Eine einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO darf nur ergehen, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei hat der Antragsteller sowohl die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).Unabhängig von der Frage, ob ein Anordnungsgrund vorliegt, besteht jedenfalls kein Anordnungsanspruch.
1. Nach § 24 Abs. 1 der Verordnung über die Qualifikation für ein Studium an den Hochschulen des Freistaates Bayern und den staatlich anerkannten nichtstaatlichen Hochschulen (Qualifikationsverordnung – QualV) wird die Fachhochschulreife nachgewiesen durch ein außerhalb des Freistaates Bayern im Inland erworbenes Zeugnis der Fachhochschulreife einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Fachoberschule (Nr. 1), ein Zeugnis der Fachhochschulreife der zuständigen Schulaufsichtsbehörde für Absolventen des Aufbaulehrgangs Verwaltung oder eines Fachhochschulreifelehrgangs der Bundeswehrfachschulen (Nr. 2), ein Zeugnis über die Schulfremdenprüfung zum Erwerb der Fachhochschulreife im Land Baden-Württemberg (Nr. 3) oder ein Zeugnis der Fachhochschulreife einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Kollegschule (Nr. 4). Daneben gelten als Nachweise der Fachhochschulreife auch Zeugnisse der Fachhochschulreife, die über besondere Bildungswege oder berufliche Bildungsgänge außerhalb des Freistaates Bayern im Inland erworben worden sind (§ 24 Abs. 2 QualV).
Das vom Antragsteller vorgelegte Zeugnis der Fachhochschulreife nach Erwerb des schulischen und des berufsbezogenen Teils durch das …-Gymnasium in … vom 24. September 2018 gehört nicht zu den in § 24 Abs. 1 QualV genannten Nachweisen. Es handelt sich vor allem nicht um ein Zeugnis einer Fachoberschule oder einer Kollegstufe. Es ist auch kein Nachweis einer über einen besonderen Bildungsweg oder beruflichen Bildungsgang erworbenen Fachhochschulreife (§ 24 Abs. 2 QualV). Der vom Antragsteller durchlaufene Bildungsgang der gymnasialen Oberstufe ohne Abschluss mit der allgemeinen Hochschulreife ist ein regelmäßiger Bildungsgang und wird auch nicht durch die Absolvierung eines freiwilligen sozialen Jahres beim Turnverein zu einem besonderen Bildungsweg oder beruflichen Bildungsgang zum Erwerb der Fachhochschulreife. Insoweit wurde vom Antragsteller auch nichts Gegenteiliges vorgetragen.
Damit erübrigt sich auch eine Prüfung der Gleichwertigkeit mit einem bayerischen Abschluss, der zur Aufnahme eines Studiums an einer Fachhochschule berechtigt (BayVGH, B.v. 24.3.2016 – 7 ZB 15.2701 – juris).
2. Selbst wenn man jedoch davon ausgehen würde, dass ein entsprechendes Zeugnis im Sinne von § 24 Abs. 1 oder 2 QualV vorgelegt worden wäre, gilt die Fachhochschulreife, die im Inland außerhalb des Hochschulbereichs erworben worden ist, nach § 24 Abs. 3 i.V.m. § 6 Abs. 2 Satz 1 QualV nur als nachgewiesen, wenn die Hochschule im Rahmen des Zulassungs- und/oder Immatrikulationsverfahrens die Gleichwertigkeit mit dem entsprechenden bayerischen Zeugnis festgestellt hat. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 QualV setzt die Feststellung der Gleichwertigkeit voraus, dass das Zeugnis oder der zugrunde liegende Abschluss erstens im Herkunftsland als entsprechende Qualifikation anerkannt ist und zweitens an einer den bayerischen Verhältnissen gleichwertigen Unterrichtseinrichtung, nach Durchlaufen eines gleichwertigen Bildungsgangs und unter gleichwertigen Leistungsanforderungen erworben wurde. Die Voraussetzung des Satzes 2 Nr. 2 gelten als erfüllt, wenn das Zeugnis sowie der diesem zugrunde liegende Bildungsgang einer einschlägigen Vereinbarung der ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (Kultusministerkonferenz) voll entsprechen (§ 6 Abs. 2 Satz 3 QualV).
Zwar können nach Nr. 12 der Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 i.d.F. vom 15. Februar 2018 Schüler der gymnasialen Oberstufe grundsätzlich frühestens nach dem Besuch von zwei Schulhalbjahren der Qualifikationsphase den Antrag auf Feststellung des Erwerbs der Fachhochschulreife (schulischer Teil) stellen. Um ein Studium an einer Fachhochschule aufnehmen zu können, bedarf es zusätzlich eines fachpraktischen Teils. Die Zeugnisse der Fachhochschulreife werden nach Nr. 13.2 dieses Beschlusses auch gegenseitig anerkannt. Dies gilt aber ausdrücklich nicht für die Länder Bayern und Sachsen. Eine Gleichwertigkeit nach § 6 Abs. 2 Satz 3 QualV kommt demnach nicht in Betracht.
Der Antragsgegner hat auch nicht die Gleichwertigkeit nach § 6 Abs. 2 Sätze 1 und 2 QualV festgestellt. Denn die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 QualV, wonach die Feststellung der Gleichwertigkeit voraussetzt, dass das Zeugnis an einer den bayerischen Verhältnissen gleichwertigen Unterrichtseinrichtung, nach Durchlaufen eines gleichwertigen Bildungsgangs und unter gleichwertigen Leistungsanforderungen erworben wurde, ist nicht erfüllt. Das Schulsystem in Bayern sieht für sogenannte Schulabbrecher keine Fachhochschulreife vor. Es ist in Bayern nicht möglich, die Fachhochschulreife über die gymnasiale Oberstufe zu erwerben. Dies steht somit auch bayerischen Schülern nicht offen. Eine unzulässige Ungleichbehandlung liegt damit auch nicht vor. Des Weiteren weist der Antragsgegner zu Recht darauf hin, dass alle in § 24 QualV genannten Bildungsnachweise für den Erwerb der Fachhochschulreife eine gesonderte Prüfung in den Fächern Deutsch, einer Pflichtfremdsprache, Mathematik sowie in einem fachrichtungsbezogenen Fach fordern. In der gymnasialen Oberstufe sind demgegenüber keine (Abschluss-) Prüfungen vorgesehen. Es reicht eine gewisse Mindestpunktzahl (vgl. Nrn. 12.2 und 12.3 des Beschlusses der Kultusministerkonferenz vom 7. Juli 1972 i.d.F. vom 15. Februar 2018).
3. Nach allem war der Antrag mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 52 Abs. 1 und Abs. 2 GKG i.V.m. Ziffer 18.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der Wert von 5.000 € war im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nach Satz 2 der Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht zu halbieren, da die begehrte Regelungsanordnung der Vorwegnahme der Hauptsache gleichkäme.


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