Arbeitsrecht

Ordentliche verhaltensbedingte Kündigung – Arbeitszeitmanipulation – Raucherpause

Aktenzeichen  1 Sa 18/21

Datum:
3.5.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 1. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0503.1SA18.21.00
Normen:
§ 1 Abs 2 S 1 KSchG
§ 626 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Suhl, 29. Juli 2020, 6 Ca 248/19, Urteilanhängig BAG, kein Datum verfügbar, 2 AZR 202/22

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl vom 29.07.2020 – Az. 6 Ca 248/19 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung der Beklagten vom 05.02.2019 sowie um Weiterbeschäftigung, wobei in der Berufungsinstanz nur noch die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung im Streit steht.
Die am 21.02.1962 geborene, geschiedene Klägerin war zunächst ab 05.02.1986 beim Rat des Kreises A… beschäftigt. Mit Wirkung ab dem 14.05.1990 nahm die Klägerin auf Basis des Überleitungsvertrags vom 14./15.05.1990 (Bl. 7/8 d.A.) ihre Tätigkeit in den Diensten der Beklagten als Mitarbeiterin im Arbeitsamt auf. Mit Schreiben der Beklagten vom 28.08.2015 (Bl. 16/17 d.A.) wurde die Klägerin mit Wirkung ab dem 01.01.2016 gemäß § 44g SGB II auf Dauer als Arbeitsvermittlerin dem Jobcenter des Landkreises B… zugewiesen. Das Schreiben enthält den Hinweis, dass die Rechtsstellung der Klägerin als Arbeitnehmerin der Beklagten von dieser Zuweisung unberührt bleibe. Die Klägerin erhielt zuletzt ein monatliches Festgehalt von 4.297,21 € brutto.
Zwischen dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C… und dem dortigen Personalrat wurde am 23.04.2010 eine Dienstvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit in der Agentur für Arbeit C… (Bl. 139 ff. d.A.) abgeschlossen, die unter Ziffer 8 auszugsweise die nachfolgenden Regelungen enthält:
„Es werden grundsätzlich für alle Mitarbeiter Arbeitszeitkonten geführt, in denen alle für die Arbeitszeitaufzeichnung notwendigen Daten für den Abrechnungsabschnitt unter Beachtung des personenbezogenen Datenschutzes erfasst werden.
Die Arbeitszeit ist bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude zu erfassen. Dies gilt ferner für das Erfassen der Pausen (Raucherpausen, Pausen in der Kantine sowie in den Sozialräumen oder am Arbeitsplatz).“
Im Jobcenter des Landkreises B… gilt eine zwischen dem Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung und dem Personalrat des Jobcenters abgeschlossene Dienstvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit vom 18.01.2012 (Bl. 160 ff. d.A.). Diese Dienstvereinbarung regelt in § 9 zur Zeiterfassung auszugsweise:
„(2) Es werden für alle Mitarbeiter Arbeitszeitkonten geführt, in denen alle für die Arbeitszeitaufzeichnung notwendigen Buchungen und Daten für den Abrechnungsabschnitt unter Beachtung des personenbezogenen Datenschutzes erfasst werden.
(3) Die Arbeitszeit ist bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude zu erfassen. Dies gilt ebenso für das Erfassen der Pausen (Raucherpausen, Pausen in der Kantine sowie in den Sozialräumen oder am Arbeitsplatz).“
Bei der Beklagten gibt es ein „Handbuch Personalrecht/Gremien“, das sich mit der Delegation von dienst- und arbeitsrechtlichen Vertretungsbefugnissen des Vorstands der Beklagten befasst (Bl. 69-76 d.A.). In diesem Handbuch wird in Ziffer 1 Abs. 1 Satz 1 hinsichtlich der Zuständigkeit für Entscheidungen in Personalangelegenheiten auf die Anlage A verwiesen, in dessen Abschnitt I Ziffer 1 die Zuständigkeit zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Mitarbeiter der Tätigkeitsebene III oder niedriger dem „VG der AA“ (Laut Legende Vorsitzende/Vorsitzender der Geschäftsführung einer Agentur für Arbeit oder alleiniger Geschäftsführer der Agentur für Arbeit) zugewiesen ist. Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C… war im hier interessierenden Zeitraum Herr D….
Anfang Januar 2019 stellte die Vorgesetzte der Klägerin Unregelmäßigkeiten bei den Arbeitszeitbuchungen der Klägerin fest. Die Feststellungen betrafen folgende Raucherpausen:
09.01.2019
09:20 Uhr
10.01.2019
08:50 Uhr
09:55 Uhr – 10:09 Uhr
10:25 Uhr
13:55 Uhr
14.01.2019
07:50 Uhr
09:55 Uhr
10:27 Uhr
15:00 Uhr
16.01.2019
09:50 Uhr
Ausweislich des Buchungsjournals aus dem Arbeitszeitkonto der Klägerin für den Zeitraum 01.01.2019 – 21.01.2019 (Bl. 61 d.A.) hatte die Klägerin die obigen Pausenzeiten nicht gebucht.
Aus Anlass einer weitergehenden Überprüfung wurde anhand der Buchungen am Personaleingang (Bl. 62/62 d.A.) ermittelt, dass die Klägerin ihre digitale Dienstkarte zu folgenden Zeiten benutzt hatte, um das Dienstgebäude über den Personaleingang zu betreten:
17.01.2019
08:01 Uhr
09:04 Uhr
11:33 Uhr
13:54 Uhr
15:00 Uhr
15:52 Uhr
16:27 Uhr
18.01.2019
08:24 Uhr
09:45 Uhr
10:38 Uhr
11:25 Uhr
13:05 Uhr
21.01.2019
07:59 Uhr
09:00 Uhr
10:29 Uhr
12:12 Uhr
13:51 Uhr
16:13 Uhr
Ein Abgleich mit dem betreffenden Buchungsjournal der Arbeitszeiterfassung (Bl. 61 d.A.) ergab, dass die Klägerin an den vorgenannten 3 Tagen keine einzige Pause, sondern lediglich Beginn und Ende ihrer Arbeitszeit gebucht hatte.
Mit Schreiben vom 22.01.2019 (Bl. 18 d.A.) forderte die Beklagte die Klägerin auf, zu den unterlassenen Arbeitszeitbuchungen Stellung zu nehmen. Es entstehe der Eindruck der Arbeitszeitmanipulation. Schließlich habe die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt, dass sie am 26.02.2018 durch ihre Teamleiterin zur Erfassung der Arbeitszeit bei Dienstreisen und der Buchung von Pausenzeiten belehrt worden sei. Die Pflicht zur Buchung von Raucherpausen ergebe sich ferner aus § 9 Abs. 3 der Dienstvereinbarung vom 18.01.2012 des Jobcenters B…. Mit E-Mail vom 28.01.2019 (Bl. 87 d.A.) sowie mit nahezu inhaltsgleichem Schreiben vom 29.01.2019 (Bl. 20 d.A.) nahm die Klägerin Stellung. Sie führte aus, die genannten Zeiten zwischen dem 09.01. und 16.01.2019 könnten richtig sein. Als Raucherin benötige sie die entsprechenden Zigarettenpausen. Auch die Zeiten vom 17. bis 21.01.2019 würden nicht in Abrede gestellt. Wörtlich schrieb die Klägerin: „Ich möchte ausdrücklich betonen, dass es mir sehr leid tut, dass ein solcher nachlässiger „Schludrian“ bei mir eingerissen ist. Ich habe Ihre Mitteilung deshalb sehr ernst genommen und seither jede einzelne Raucherpause ganz genau und minutiös aufgezeichnet. Ein derartiges Verhalten wird sich mit Sicherheit nicht mehr wiederholen, hiervon können Sie ausgehen.“
Der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C… D… wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 31.01.2019 nebst Anlage I (Bl. 89 u. 77-79 d.A.) an den Personalrat der Agentur für Arbeit C… und teilte unter Mitteilung des Sachverhalts die Absicht zum Ausspruch einer fristlosen hilfsweise fristgerechten Kündigung mit. Das Schreiben enthält bei den Daten zur Person unter anderem die folgende Informationen:
Familienstand:
verheiratet
Kinder:
zwei, erwachsen
beschäftigt seit:
14.05.1990
Mit Schreiben vom 04.02.2019 (Bl. 89 d.A.) erklärte der Personalrat seine Zustimmung zu der außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung des klägerischen Arbeitsverhältnisses.
Die Gleichstellungsbeauftragte ließ mit Schreiben vom 01.02.2019 (Bl. 90 d.A.) mitteilen, keine Einwände gegen die streitgegenständlichen Maßnahmen zu erheben. Der Personalrat des Jobcenters Landkreis B… stimmte erst mit Schreiben vom 14.02.2019 (Bl. 91 d.A.) den Maßnahmen zu.
Mit einem von Herrn D… unterzeichneten Schreiben vom 05.02.2019 (Bl. 21-23 d.A.) sprach die Beklagte die streitgegenständliche fristlose Kündigung, hilfsweise fristgerechte Kündigung zum 30.09.2019 aus. Das Kündigungsschreiben wurde der Klägerin noch am 05.02.2019 überreicht.
Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 11.02.2019 (Bl. 27 d.A.) ließ die Klägerin die Kündigung nach § 174 BGB zurückweisen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Kündigung lediglich vom Vorsitzenden der Geschäftsführung D… unterschrieben sei, nicht jedoch vom weiteren Mitglied E…. Auch der Leiter des Jobcenters habe die Kündigung nicht unterzeichnet.
Mit ihrer am 26.02.2019 beim Arbeitsgericht Suhl eingegangenen und der Beklagten am 11.03.2019 zugestellten Klage hat die Klägerin Kündigungsschutzklage erhoben.
Die Klägerin hat erstinstanzlich angeführt, sie sei bereits seit Jahrzehnten Raucherin. Ursprünglich sei es auch nicht üblich gewesen, bei Pausen ein- und wieder auszustempeln. Diese Praxis habe sich erst in den letzten zwei Jahren entwickelt. Ihrer Auffassung nach sei mit der Duldung „wilder Raucherpausen“ eine betriebliche Übung zugunsten der Mitarbeiter entstanden. Die Klägerin hat ferner bestritten, dass der Personalrat hinsichtlich der Verpflichtung zum Ein- und Ausstempeln bei jeder Abwesenheit vom Arbeitsplatz wirksam beteiligt worden sei.
Die Klägerin hat weiter angeführt, dass sie bei der Dienstberatung zur Belehrung über die Erfassung von Arbeitszeiten und der Buchung von Pausenzeiten am 21.02.2018 – insoweit unbestritten – nicht anwesend gewesen sei. Am 26.02.2018 sei ihr nur die „Belehrung“ (Bl. 60 d.A.) vorgelegt worden mit dem Hinweis, sie müsse ihre Unterschrift leisten. Mit ihr persönlich sei die Pausenproblematik nicht besprochen worden. Ferner hat die Klägerin darauf verwiesen, es sei bekannt gewesen, dass sie nie alleine, sondern stets in kleineren Grüppchen Raucherpausen gemacht habe. Alleine die Klägerin sei sanktioniert worden. Die Beklagte messe mit zweierlei Maß. Die Klägerin habe allenfalls nachlässig gehandelt.
Die Klägerin hat die Kündigung für unverhältnismäßig gehalten. Sie hat angeführt, kein einziges Mal abgemahnt worden zu sein. Vor dem Hintergrund der bestehenden Nikotinsucht habe allenfalls eine krankheitsbedingte, nicht jedoch eine verhaltensbedingte Kündigung in Betracht kommen können.
Ferner hat sie die Ordnungsgemäßheit der Personalratsbeteiligung gerügt. Hierzu hat sie angeführt, einzelne Daten zur Person der Klägerin seien unzutreffend mitgeteilt worden. So sei wegen der Anerkennung der Vorbeschäftigungszeit beim Rat des Kreises A… eine falsche Beschäftigungsdauer mitgeteilt worden. Der Umstand, dass die Klägerin ihrer studierenden Tochter Unterhalt zahle, sei auch nicht erwähnt worden. Zur Akte gereicht worden sei ferner lediglich ein „Entwurf“ der Anhörung. Der genaue Inhalt der Mitteilungen an den Personalrat und der zeitliche Ablauf der Zustimmungserteilungen seien nicht klar erkennbar. Und der Personalrat des Jobcenters habe erst nach Ausspruch der Kündigung zugestimmt.
Die Klägerin hat erstinstanzlich beantragt:
1. festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 05.02.2019 nicht aufgelöst worden ist und auch nicht aufgelöst werden wird;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Arbeitsvermittlerin im Bereich SGB II zu den bisherigen Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat erstinstanzlich angeführt, der Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C… sei aufgrund interner Delegation für die Kündigung zuständig gewesen. Durch die schwerwiegenden Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten sei das Vertrauensverhältnis zu der Klägerin unwiederbringlich zerstört. Die Beklagte hat in diesem Zusammenhang behauptet, der Klägerin sei die Verpflichtung zur Erfassung der Raucherpausen aus der mit dem Personalrat der Arbeitsagentur abgeschlossenen Dienstvereinbarung vom 23.04.2010 durch verschiedene Rundbriefe und Dienstbesprechungen bekannt gewesen. Die für das Jobcenter des Landkreises B… abgeschlossene eigene Dienstvereinbarung vom 18.01.2012 enthalte an der entscheidenden Stelle eine inhaltsgleiche Regelung zur Erfassung der Raucherpausen. Zwar sei es richtig, dass die Klägerin, wie einige andere Mitarbeiter, zu der Dienstbesprechung am 21.02.2018 nicht anwesend gewesen sei. Allerdings sei das Protokoll der Besprechung an die Mitarbeiter versandt worden. Mit ihrer Unterschrift auf dem Belehrungsbogen zur Erfassung der Arbeitszeiten habe die Klägerin dann auch bestätigt, dass ihr die Verpflichtung zur Buchung sämtlicher Raucherpausen bekannt war.
Mit Urteil vom 29.07.2020 (Bl. 278 ff. d.A.) hat das Arbeitsgericht Suhl dem Kündigungsschutzantrag mit Blick auf die außerordentliche Kündigung stattgegeben und die Klage im Übrigen abgewiesen.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die außerordentliche Kündigung sei wegen der von der Klägerin gezeigten Einsicht in ihre Verfehlungen deshalb unwirksam, weil es der Beklagten nicht unzumutbar gewesen sei, die Kündigungsfrist einzuhalten. Das Arbeitsverhältnis sei jedoch durch die hilfsweise ausgesprochene ordentliche Kündigung beendet worden. Der Unterzeichner des Kündigungsschreibens Herr D… habe mit entsprechender Vertretungsmacht gehandelt. Eine ordnungsgemäße Zurückweisung des Kündigungsschreibens mangels Vollmachtsurkunde könne im anwaltlichen Schreiben der Klägerin vom 11.02.2019 nicht erblickt werden. Dort sei nicht die fehlende Vorlage einer Originalvollmacht, sondern einzig die alleinige Unterzeichnung des Kündigungsschreibens gerügt worden. Auch die Personalratsbeteiligung müsse als ordnungsgemäß angesehen werden. Der entsprechende Vortrag der Beklagten werde als zugestanden angesehen. Die Beschäftigungszeiten der Klägerin stelle kein Sozialdatum dar, das im Rahmen der Personalratsbeteiligung hätte Bedeutung erlangen können. Auch die behauptete Unterhaltspflicht der Klägerin gegenüber ihrer Tochter sei nicht zwingend mitzuteilen gewesen. Es sei nicht erkennbar, dass der Beklagten eine solche Unterhaltspflicht bekannt war. Die ordentliche Kündigung rechtfertige sich wegen der beharrlichen Verletzung von Dokumentationspflichten und des sich dadurch verschafften Arbeitsentgelts für Zeiten, für die keine Entgeltpflichtigkeit bestand. Ein Verstoß gegen Gleichbehandlungsgrundsätze oder der Gesichtspunkt einer betrieblichen Übung stehe der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen. Auch der Verweis der Klägerin auf den Krankheitswert ihres Nikotinkonsums helfe ihr nicht weiter. Denn Kündigungsgrund sei der Verstoß gegen Dokumentationspflichten. Dass die Klägerin wegen ihres Nikotingenusses nicht in der Lage gewesen wäre, die Pausen ordnungsgemäß zu stempeln, sei nicht ersichtlich. Die die Klägerin treffende Dokumentationspflicht ergebe sich unmittelbar aus der Dienstvereinbarung. Gegen die ihr obliegende Dokumentationspflicht habe die Klägerin mit großer Beharrlichkeit verstoßen und sich dadurch in nennenswerter Weise Vermögensvorteile verschafft. Einer vorherigen Abmahnung habe es nicht bedurft. Wie die eigenen Stellungnahmen der Klägerin zeigten, sei es der Klägerin durchaus bewusst gewesen, dass sie Unrecht begeht. Mit Blick auf die Beharrlichkeit der Pflichtverletzungen und den nicht geringen Vermögensschaden habe sie auch nicht damit rechnen können, dass die Beklagte nicht sogleich kündigen werde. Da das Arbeitsverhältnis durch die ordentliche Kündigung beendet worden sei, sei für eine Weiterbeschäftigung kein Raum.
Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin per Telefax-EB am 23.12.2020 zugesandt. Das Empfangsbekenntnis wurde vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 28.12.2020 unterschrieben (Bl. 290 d.A.).
Mit beim Landesarbeitsgericht am 28.01.2021 eingegangenen Schriftsatz hat die Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Suhl Berufung eingelegt und diese nach Fristverlängerung bis zum 28.03.2021 mit am 29.03.2021 (einem Montag) eingegangenem Schriftsatz begründet.
Mit ihrer Berufung begehrt die Klägerin die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.02.2019 aufgelöst worden ist. Ferner verfolgt sie ihren Weiterbeschäftigungsantrag weiter. Sie rügt, es sei sehr wohl bestritten gewesen, dass der Personalrat ordnungsgemäß und rechtzeitig unterrichtet worden sei. Anhaltspunkte für ein prozessuales Zugeständnis gemäß § 138 Abs. 3 ZPO hätten nicht bestanden. Erneut weist sie auf objektiv falsche Angaben in der Personalrat Anhörung hin. Insbesondere der aktuelle Familienstand der Klägerin „geschieden“ sei wegen der Steuerklasse bekannt gewesen. Nach wie vor seien die zeitlichen Abläufe der Personalratsbeteiligung und der Einbindung der Gleichstellungsbeauftragten nicht transparent. Die Rüge nach § 174 BGB sei sehr wohl rechtlich bedeutsam. Im Zurückweisungsschreiben sei die Gesetzesnorm ausdrücklich genannt gewesen verbunden mit dem Hinweis, dass ein weiteres Mitglied der Geschäftsführung hätte unterschreiben müssen. Vor Ausspruch der Kündigung hätte eine Abmahnung ausgesprochen werden müssen. Die Beklagte habe Pflichtverletzungen „gesammelt“, anstatt frühzeitig einzugreifen. Die Klägerin beruft sich zur Begründung der Unverhältnismäßigkeit der Kündigung auf eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17. März 2011, Az. 8 Sa 1854/10. Die Nikotinsucht sei jedenfalls im Rahmen der Verhältnismäßigkeit zu berücksichtigen. Zu Unrecht habe das Erstgericht den Umstand unberücksichtigt gelassen, dass auch andere Kollegen „wilde Raucherpausen“ gemacht hätten.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
1. unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Suhl vom 29.07.2020, Az. 6 Ca 248/19, festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis auch nicht durch die hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.02.2019 aufgelöst worden ist;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin als Arbeitsvermittlerin im Bereich SGB II zu den bisherigen Bedingungen bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte rügt die Unzulässigkeit der Berufung. Eine Zustellung des Urteils an die Klägerseite sei bereits mit Übersendung an den Bevollmächtigten der Klägerin per Telefax am 23.12.2020 erfolgt. Die Berufungseinlegung erst am 28.01.2021 sei daher verfristet.
Im Übrigen verteidigt die Beklagte das erstinstanzliche Urteil.
Die Personalratsbeteiligung sei ordnungsgemäß erfolgt. Zwar sei dem Personalrat eine etwas zu geringe Betriebszugehörigkeit mitgeteilt worden. Dies fiele bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Kündigung jedoch nicht entscheidend ins Gewicht. Gleiches gelte für den Familienstand der Klägerin. Die Rüge der Klägerin, die Beklagte habe den Personalrat insoweit falsch informiert, als dass sie die Fehlzeiten der Klägerin mit Einkaufspausen begründet hätte, sei unzutreffend. Eine solche Aussage sei im Rahmen der Personalratsanhörung ausweislich der zur Gerichtsakte gereichten Unterlagen nicht gemacht worden.
Der wesentliche Vorwurf gegenüber der Klägerin, sich in Summe pro Woche durch Nichterfassung von Pausenzeiten mehrere Stunden bezahlte Freizeit erschlichen zu haben, rechtfertige jedenfalls eine ordentliche Kündigung. Die von der Klägerin angeführte Entscheidung des LAG Hamm vom 17.03.2021 sei als Einzelfallentscheidung auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar. Dort sei es um 11 Fälle unterlassener Ausbuchungen in einem Zeitraum von 6 Wochen gegangen. Demgegenüber habe die Klägerin bereits in einem Zeitraum von 3 Arbeitstagen bei mindestens 7 Gelegenheiten Raucherpausen nicht erfasst. Zudem sei der Klägerin die sie treffende Verpflichtung zur Erfassung von Raucherpausen bewusst gewesen. Dies habe sie auch durch ihre Unterschrift bestätigt. Der Klägerin sei daher stets bewusst gewesen, dass sie die Beklagte über ihre tatsächlich erbrachten Arbeitsleistungen täuscht und so rein formal einen strafbaren Arbeitszeitbetrug begeht. Vor diesem Hintergrund habe die Klägerin nicht erwarten können, dass die Beklagte sie vor Ausspruch einer Kündigung noch einmal verwarnt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Protokoll der zweitinstanzlichen mündlichen Verhandlung vom 08.02.2022 (Bl. 385 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I. Die Berufung der Klägerin ist zulässig.
Insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet worden, § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG, § 64 Abs. 6 ArbGG iVm § 520 Abs. 3 ZPO.
Die Rüge der Beklagten zur nicht fristgerechten Berufungseinlegung greift nicht. Die Berufungseinlegung am 28.01.2021 erfolgte innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils. Zugestellt war das Urteil nicht bereits mit Eingang des Telefaxes bei dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 23.12.2020, sondern ausweislich des Empfangsbekenntnisses erst am 28.12.2020. Denn bei einer Zustellung durch Telekopie gegen Empfangsbekenntnis ist die Zustellung erst mit Unterzeichnung des Empfangsbekenntnisses nachgewiesen (§ 174 Abs. 2 und 4 ZPO in der bis 31.12.2021 geltenden Fassung). Das Empfangsbekenntnis erbringt grundsätzlich Beweis nicht nur für die Entgegennahme des darin bezeichneten Schriftstücks als zugestellt, sondern auch für den Zeitpunkt der Entgegennahme durch den Unterzeichner und damit der Zustellung (BGH 24.04.2001 – VI 258/00, Rn. 10). Zustellungsdatum bei der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis ist nicht das Datum des Eingangs der (elektronischen) Nachricht in der Kanzlei – hier am 23.12.2021 per Fax -, sondern der Zeitpunkt, zu dem der Anwalt als Zustellungsadressat vom Zugang des übermittelten Schriftstücks Kenntnis erlangt und es empfangsbereit entgegengenommen hat (BGH 27.05.2003 – VI ZB 77/02, Rn 6; Zöller-Schultzky, ZPO, 34. Auflage 2022, § 173 Rn. 15; § 175 Rn. 8). Dies war erst am 28.12.2020.
II. Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet.
Zu befinden war nur noch über die Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung, da das Arbeitsgericht – mittlerweile rechtskräftig – die Rechtsunwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung festgestellt hat.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht die ordentliche Kündigung der Beklagten vom 05.02.2019 zum 30.09.2019 als wirksam erachtet.
1. Die Kündigung ist nicht mangels Vertretungsmacht des Erklärenden unwirksam.
Entgegen der Darstellung der Klägerin in der Berufungsbegründung zur „Vollmachtsrüge“ hat das Erstgericht sehr wohl Ausführungen zur Alleinvertretungsberechtigung des die Kündigung unterzeichnenden Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit C… gemacht. Unter Ziffer I. 2. a) der Entscheidungsgründe führt das Arbeitsgericht zutreffend aus, dass der Unterzeichner der Kündigungserklärung D… kraft Delegation der Vertretungsbefugnis im Handbuch Personal/Gremien zur Unterzeichnung der streitgegenständlichen Kündigung befugt war, die Kündigungserklärung einer Unterschrift durch ein weiteres Mitglied der Geschäftsführung nicht bedurfte und die Zuständigkeit zur Entscheidung über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit der Klägerin nach § 44d Abs. 4 SGB II trotz Zuweisung der Klägerin zum Jobcenter B… bei der Beklagten – und damit bei der Agentur für Arbeit C… – verblieben war.
Diesen überzeugenden Ausführungen, gegen die mit der Berufung keine Einwände vorgebracht wurden, schließt sich die erkennende Kammer an.
2. Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt die Unwirksamkeit der Kündigung auch nicht aus § 174 BGB. Denn eine rechtzeitige Zurückweisung der Kündigung wegen fehlender Vollmachtsurkunde liegt nach Auffassung der Kammer nicht vor.
a) Nach § 174 BGB ist ein einseitiges Rechtsgeschäft, das ein Bevollmächtigter einem anderen gegenüber vornimmt, unwirksam, wenn der Bevollmächtigte eine Vollmachtsurkunde nicht vorlegt und der andere das Rechtsgeschäft aus diesem Grund unverzüglich zurückweist. Die Zurückweisung muss gerade „wegen“ der fehlenden Vollmachtsurkunde erklärt werden (BAG 18.02.1993 – 2 AZR 482/92, Rn. 14; BAG 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, Leitsatz 3; ErfK-Müller-Glöge, 22. Auflage 2022, § 620 Rn. 23a).
b) Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar hat die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben vom 11.02.2019 (Bl. 27 d.A.) die Kündigungserklärung zurückgewiesen. Wie die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung ausführt, ist in dem Rügeschreiben § 174 BGB auch ausdrücklich genannt. Dennoch hat sie mit ihrem Schreiben die Kündigung nicht „wegen“ der fehlenden Vollmachtsurkunde zurückgewiesen.
Dass die Zurückweisung gerade auf die Nichtvorlage der Vollmachtsurkunde gestützt wird, kann sich zwar auch im Wege der Auslegung ergeben (vgl. BAG 18.02.1993 – 2 AZR 482/92, Rn. 14; BAG 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, Leitsatz 3; Maier-Reimer/Finkenauer in Erman, BGB, 16. Auflage 2020, § 174 Rn. 10). Dies muss sich aber aus der Begründung oder aus anderen Umständen eindeutig und für den Kündigenden zweifelsfrei erkennbar ergeben (BAG 18.02.1993 – 2 AZR 482/92, Rn. 14; BAG 18.12.1980 – 2 AZR 980/78, Leitsatz 3). Macht der Arbeitnehmer geltend, dem Unterzeichner der Kündigung fehle die Kündigungsberechtigung, liegt allein hierin keine Zurückweisung nach § 174 BGB wegen Nichtvorlage einer Originalvollmacht (vgl. BAG 19.04.2007 – 2 AZR 180/06, Rn. 38; BAG 18.02.1993 – 2 AZR 482/92, Rn. 15; ErfK-Müller-Glöge, 22. Auflage 2022, § 620 BGB Rn. 26).
Das Schreiben der Klägerin enthält den ausdrücklichen Hinweis darauf, dass die Zurückweisung nach § 174 BGB gerade deshalb erfolge, weil die Kündigung lediglich vom Vorsitzenden der Geschäftsführung D… unterschrieben worden sei und nicht vom weiteren Mitglied E…. Auch wird im Schreiben vom 11.02.2019 unter Verweis auf die „Überleitung“ der Klägerin zum Jobcenter die fehlende Unterschrift des Leiters des Jobcenters gerügt. Dies zeigt, dass ausschließlich die Kündigungsberechtigung, nicht jedoch die fehlende Vollmachtsurkunde gerügt werden sollte. Ein fehlender Nachweis wird mit keinem Wort erwähnt. Auch die Tatsache, dass die Zurückweisung durch einen Rechtsanwalt erfolgte, bei dem zu erwarten ist, dass er den Unterschied zwischen § 174 Satz 1 BGB und § 180 Satz 1 BGB kennt, verwehrt den Rückschluss, hier habe nicht – wie ausdrücklich erklärt – nur die (alleinige) Kündigungsbefugnis des Vorsitzenden der Geschäftsführung bestritten (§ 180 Satz 1 BGB), sondern auch die fehlende Vollmachtsvorlage (§ 174 Satz 1 BGB) gerügt werden sollen (so im Ergebnis auch BAG 18.02.1993 – 2 AZR 482/92, Rn. 15).
3. Die Wirksamkeit der angegriffenen ordentlichen Kündigung scheitert auch nicht an ihrer fehlenden sozialen Rechtfertigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG.
a) Vielmehr ist die Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung wegen beharrlicher Verstöße gegen Dokumentationspflichten und daraus folgenden Arbeitszeitbetrugs gerechtfertigt.
aa) Ein Arbeitszeitbetrug, bei dem ein Mitarbeiter vortäuscht, für einen näher genannten Zeitraum seine Arbeitsleistung erbracht zu haben, obwohl dies tatsächlich nicht oder nicht in vollem Umfang der Fall ist, stellt eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung dar und erfüllt an sich den Tatbestand des wichtigen Grundes im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB (LAG Niedersachsen 09.06.2008 – 8 TaBV 10/08, Rn 38; KR-Fischermeier, 13. Auflage 2022, § 626 Rn. 461). Dasselbe gilt für den Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete, vom Arbeitgeber sonst kaum sinnvoll kontrollierbare Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren (vgl. BAG 09.06.2011 – 2 AZR 381/10, Rn. 16; BAG 24.11.2005 – 2 AZR 39/05, Rn. 18; LAG RP 15.11.2012 – 10 Sa 270/12; LAG Niedersachsen 09.06.2008 – 8 TaBV 10/08, Rn. 39; ErfK-Niemann, 22. Auflage 2022, § 626 Rn.116 mwN; KR-Fischermeier, 13. Auflage 2022, § 626 Rn. 461). Dabei kommt es nicht entscheidend auf die strafrechtliche Würdigung, sondern auf den mit der Pflichtverletzung verbundenen schweren Vertrauensbruch an. Der Arbeitgeber muss auf eine korrekte Dokumentation der Arbeitszeit von am Gleitzeitmodell teilnehmenden Arbeitnehmern vertrauen können (BAG 09.06.2011 – 2 AZR 381/10, Rn. 14; ErfK-Niemann, 22. Auflage 2022, § 626 BGB Rn. 116). Auch dann, wenn der Arbeitnehmer wiederholt Pausen erheblich überzieht und seine Arbeitszeit falsch dokumentiert, ist wegen des damit verbundenen Vertrauensverlusts ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 BGB an sich gegeben (HessLAG 24.11.2010 – 8 Sa 491/10, Rn. 48). Ebenso ist die hartnäckige Missachtung der Anweisung, bei Raucherpausen auszustempeln, geeignet, eine außerordentliche Kündigung zu begründen (KR-Fischermeier, 13. Auflage 2022, § 626 BGB Rn. 461).
Pflichtverletzungen, die an sich einen Grund für eine außerordentliche Kündigung darstellen, sind erst recht geeignet, eine ordentliche Kündigung als verhaltensbedingte Kündigung im Sinne des § 1 Abs. 2 KSchG sozial zu rechtfertigen (vgl. ErfK-Oetker, 22. Auflage 2022, § 1 KSchG Rn. 204).
bb) Die Klägerin hat unstreitig zu den genannten Zeiten im Januar 2019 Arbeitszeitbuchungen mittels Zeiterfassungskarte entgegen der sie treffenden Pflicht unterlassen. Durch die unterlassenen Buchungen sind täglich bis zu sieben Raucherpausen als bezahlte Arbeitszeit erfasst worden.
Neben den Daten aus der Arbeitszeiterfassung sind auch die Daten aus dem Buchungssystem am Personaleingang verwertbar. Die Beklagte verweist hierzu auf ein aus § 8 der Dienstvereinbarung vom 11.09.2015 (Bl. 226 d.A.) ergebendes Verwertungsrecht. Ob diese Dienstvereinbarung die Verwertung im konkreten Fall erlaubt, kann allerdings dahinstehen. Denn es kann sich aus einem etwaigen Verstoß gegen personalvertretungsrechtliche Beteiligungsrechte bereits deshalb kein Beweisverwertungsverbot ergeben, weil die Personalratsseite der auf die Datenauswertung gestützten Kündigung ausdrücklich zugestimmt hat. Zuletzt sind die im Raum stehenden Zeiten auch unstreitig.
cc) Das Unterlassen der Buchung ist deshalb rechtserheblich, weil für die Klägerin eine Dokumentationspflicht aus der Dienstvereinbarung zur Flexibilisierung der Arbeitszeit im Jobcenter Landkreis B… vom 18.01.2012 (Bl. 164 d.A.) bestand. In § 9 Abs. 3 der Dienstvereinbarung ist niedergelegt, dass die Arbeitszeit bei jedem Betreten oder Verlassen der Dienstgebäude zu erfassen ist und dies auch für das Erfassen der Pausen inklusive Raucherpausen gilt.
Die vorgenannte, mit dem Personalrat des Jobcenters B… abgeschlossene Dienstvereinbarung vom 18.01.2012 galt auch für das Arbeitsverhältnis der Klägerin. Die Geschäftsführung des Jobcenters B… war nach § 44d Abs. 4 SGB II und der Personalrat des Jobcenters B… nach § 44h Abs. 3 SGB II iVm § 75 Abs. 3 Nr.1 BPersVG a.F. (Fassung bis 14.06.2021) für den Abschluss dieser die Arbeitszeit regelnden Dienstvereinbarung zuständig.
dd) Es liegt auch ein vorsätzlicher Verstoß gegen die Dokumentationspflichten vor.
Entgegen der Auffassung des Erstgerichts ist in diesem Zusammenhang nicht nur das bloß objektive Bestehen einer Dokumentationspflicht entscheidend. Für die Frage eines bewussten Pflichtenverstoßes und damit für die Frage des Vorsatzes ist auch entscheidend, ob der Klägerin die sie treffende Dokumentationspflicht bekannt war.
Zwar ist eine Kenntnis der Klägerin vom konkreten Inhalt der Dienstvereinbarung nicht belegt. Mit ihrer am 26.02.2018 geleisteten Unterschrift unter die Belehrung zur Erfassung der Arbeitszeit bei Dienstreisen und der Buchung von Pausenzeiten (Bl. 60 d.A.) hat die Klägerin jedoch bestätigt, über die Pflicht zur Buchung von Pausenzeiten belehrt worden zu sein. Dabei kommt es aus Sicht der Kammer nicht entscheidend darauf an, dass die Klägerin an der Dienstberatung am 21.02.2018 unstreitig nicht zugegen war. Denn in dem Belehrungspapier, das die Klägerin mit ihrer Unterschrift bestätigt hat, ist der Belehrungsinhalt wie folgt explizit noch einmal aufgeführt: „Alle Pausenzeiten sind zu buchen (auch der Besuch in der Kantine sowie Raucherpausen)“. Spätestens nach Unterzeichnung des Papiers am 26.02.2018 war die Klägerin daher – auch ohne eine individuelle Belehrung – über die Pflicht zur Buchung von Raucherpausen informiert.
Da die Klägerin Kenntnis von der Pflicht zur Buchung von Raucherpausen hatte, kann dahinstehen, ob sie diese Kenntnis auch im Zusammenhang mit der Dienstvereinbarung vom 23.04.2010 zur Flexibilisierung der Arbeitszeit – abgeschlossen zwischen der Geschäftsführung und dem Personalrat der Agentur für Arbeit C… (Bl. 139-148 d.A.) – hatte. Die Klägerin war am 17.05.2010 ausweislich des Besprechungsprotokolls (Bl. 205 ff. d.A.) in einer Besprechung unter anderem zu dieser Dienstvereinbarung anwesend. Und die Dienstvereinbarung vom 23.04.2010 sieht in Ziffer 8 Abs. 4 (Bl. 145 d.A.) eine mit § 9 Abs. 3 der Dienstvereinbarung vom 18.01.2012 (Jobcenter B…) inhaltsgleiche Regelung auf: Auch nach Ziffer 8 Abs. 4 der Dienstvereinbarung vom 23.04.2010 sind Raucherpausen zu erfassen. Die Klägerin hat behauptet, die Erfassung der Raucherpausen sei in den Besprechungen zur Dienstvereinbarung vom 23.04.2010 nicht gesondert thematisiert worden. Angesichts der oben dargestellten Kenntnis der Klägerin von ihren Dokumentationspflichten jedenfalls ab Februar 2018 muss nicht entschieden werden, ob die Dienstvereinbarung vom 23.04.2010 nach den zuvor zitierten Zuständigkeitsvorschriften der §§ 44g und 44h SGB II auf das Arbeitsverhältnis der Klägerin Anwendung fand und die Klägerin daher die Pflicht gehabt hätte, sich über den konkreten Besprechungsinhalt hinaus mit dem Inhalt der Dienstvereinbarung vertraut zu machen.
Dass der Klägerin ihre Pflicht zur Buchung von Pausenzeiten bekannt war, lässt sich letztlich auch aus ihrer Stellungnahme im Rahmen der Anhörung folgern. In ihrer Stellungnahme vom 29.01.2019 (Bl. 20 d.A.) räumt die Klägerin selbst ein, dass ein „nachlässiger Schlendrian“ bei ihr eingerissen sei.
ee) Erfolglos verweist die Klägerin darauf, die Beklagte messe mit zweierlei Maß. Zwar führt die Klägerin an, nur sie habe eine Kündigung erhalten, obwohl sie die Raucherpausen bekanntermaßen stets in einer Gruppe gemacht habe.
Der Gleichbehandlungsgrundsatz kann im Rahmen der Interessenabwägung trotz der individuellen Ausgestaltung des Kündigungsschutzes dann zu Gunsten eines Arbeitnehmers zu berücksichtigen sein, wenn der Arbeitgeber in der Vergangenheit bei bestimmten Pflichtverletzungen stets und nicht nur wegen der Besonderheiten des Einzelfalls keine kündigungsrechtlichen Konsequenzen gezogen hat oder wenn der Arbeitgeber bei gleichgelagerten Pflichtverletzungen willkürlich einen von mehreren vergleichbar beteiligten Arbeitnehmern herausgreift (dazu KR-Rachor, 13. Auflage 2022, § 1 KSchG Rn. 247).
Aus dem Vortrag der Klägerin ist jedoch schon nicht erkennbar, dass die anderen Mitarbeiter die Raucherpausen nicht erfasst und daher gleichgelagerte und auch nach der Anzahl vergleichbare Pflichtverletzungen begangen hätten. Ohne konkrete Darstellung gleichgelagerter Pflichtverletzungen, die von der Beklagten trotz Kenntnis nicht zur Grundlage kündigungsrechtlicher Konsequenzen gegenüber den übrigen Mitarbeitern gemacht wurden, ist der Kammer eine Berücksichtigung dieses Umstands zugunsten der Klägerin nicht möglich. Darauf, dass hierzu konkreter Vortrag der Klägerin fehlt, hat das Erstgericht bereits unter Ziffer I.2.d)aa)(1) der Entscheidungsgründe (Bl. 285 d.A.) hingewiesen. Gleichwohl hat die Klägerin hierzu keinen ergänzenden Vortrag gehalten.
ff) Zuzustimmen ist dem Erstgericht in seiner Bewertung, dass die Klägerin sich zur Begründung des Nichtbestehens von Dokumentationspflichten nicht auf eine betriebliche Übung in Bezug auf die Gestaltung von Raucherpausen in der Vergangenheit berufen kann. Auf die Ausführungen in Ziffer I.2.d)aa)(2) (Bl. 286) der Entscheidungsgründe im erstinstanzlichen Urteil wird verwiesen. Angriffe hiergegen sind der Berufungsbegründung nicht zu entnehmen.
gg) Auch der erneute Hinweis der Klägerin auf ihre Nikotinsucht verfängt nicht. Die Nikotinsucht kann allenfalls die Anzahl der Raucherpausen erklären. Wegen der Inanspruchnahme der Raucherpausen an sich wird der Klägerin jedoch gar kein Vorwurf gemacht. Der Vorwurf bezieht sich ausschließlich auf die im Rahmen der Durchführung von Raucherpausen verletzten Pflichten zur ordnungsgemäßen Dokumentation der Pausenzeiten. Dass die Klägerin durch ihre Nikotinsucht daran gehindert gewesen wäre, ordnungsgemäß ihre Arbeitszeit zu erfassen, trägt die Klägerin selbst nicht vor.
hh) Wegen der Schwere der Pflichtverletzung stellt sich die ordentliche, verhaltensbedingte Kündigung auch nach der durchzuführenden Interessenabwägung als sozial gerechtfertigt dar. Zwar ist die Klägerin bereits seit über 30 Jahren bei der Beklagten bzw. deren „Vorgängern“ beschäftigt. Zu beachten ist zulasten der Klägerin jedoch, dass ihre Pflichtverletzung unter dem Gesichtspunkt des Arbeitszeitbetrugs strafrechtliche Relevanz hat. Auch nach langjähriger Beschäftigungsdauer kann einem verständigen Arbeitgeber nicht zugemutet werden, durch das vorsätzliche Nichterfassen von Pausenzeiten betrogen zu werden. Durch die Möglichkeit, die Arbeitszeit im Rahmen des flexiblen Arbeitszeitmodells selbst zu erfassen, haben alle Arbeitnehmer und so auch die Klägerin einen Vertrauensvorschuss erhalten. Dieses Vertrauen hat die Klägerin missbraucht. Das wiederholte Nichtbuchen von Raucherpausen und das dadurch bedingte Erschleichen bezahlter Pausen durch die Klägerin stellen einen schwerwiegenden Vertrauensbruch dar, der auch nach langjähriger Beschäftigung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigt.
b) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Kündigung auch nicht deshalb unwirksam, weil die Beklagte die Klägerin vor Ausspruch der Kündigung hätte erfolglos abmahnen müssen.
aa) Eine Abmahnung ist dann nicht erforderlich, wenn eine Verhaltensänderung in Zukunft selbst nach Abmahnung nicht zu erwarten steht oder es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass eine Hinnahme durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist (BAG 25.10.2012 – 2 AZR 495/11, Rn. 16; BAG 24.03.2011 – 2 AZR 282/10, Rn. 15; LAG RP 15.03.2021 – 3 Sa 397/17, Rn. 490; LAG Hessen 27.02.2012 – 16 Sa 1357/11, Rn. 59). Bei besonders schwerwiegenden Verstößen ist eine Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, weil in diesen Fällen regelmäßig davon auszugehen ist, dass das pflichtwidrige Verhalten das für ein Arbeitsverhältnis notwendige Vertrauen auf Dauer zerstört hat (BAG 21.06.2001 – 2 AZR 30/00, Rn. 47). Bei bewusst falschen Angaben hinsichtlich der Arbeitszeit oder bei mehrfachen nicht unerheblichen Falschaufzeichnungen bedarf es in der Regel nicht noch einer vergeblichen Abmahnung (so LAG RP 15.11.2012 – 10 Sa 270/12; vgl. KR-Fischermeier/Krumbiegel, 13. Auflage 2022, § 626 Rn. 461).
bb) Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass sie nach erfolgter Anhörung durch die Beklagte ihr Verhalten umgestellt hat. Eine anzustellende Zukunftsprognose könnte daher ergeben, dass bei einer vorherigen Abmahnung weitere Pflichtverletzungen nicht zu erwarten gewesen wären. Allerdings übersieht die Klägerin, dass es bei Pflichtverletzungen wie der vorliegenden auf die Frage einer negativen Zukunftsprognose nicht entscheidend ankommt. Die Abmahnung ist vielmehr – wie dargestellt – auch in solchen Fällen entbehrlich, in denen der Arbeitnehmer schlechterdings nicht davon ausgehen durfte, der Arbeitgeber werde ein entsprechendes Fehlverhalten hinnehmen. Aus Sicht der Kammer liegt ein solcher Fall vor. Die Pflichtverletzung betrifft den Vertrauensbereich. Angesichts der Kenntnis der Klägerin von der sie treffenden Pflicht zur Buchung von Raucherpausen, angesichts der Schwere des Vertrauensbruchs und der auch strafrechtlichen Relevanz ihres Verhaltens konnte die Klägerin nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihr Fehlverhalten hinnehmen und es nicht zum Anlass für eine Kündigung – auch ohne vorherige Abmahnung – nehmen würde.
cc) Erfolglos führt die Klägerin in diesem Zusammenhang die Entscheidung des LAG Hamm vom 17.03.2011 (8 Sa 1854/10) an. Zwar hat das Landesarbeitsgericht im Fall eines unterlassenen Ausbuchens von “Raucherpausen” eine Abmahnung für erforderlich gehalten. Diese Entscheidung ist aber als Einzelfallentscheidung anzusehen und auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Der der dortigen Entscheidung zugrundeliegende Sachverhalt ist mit dem hiesigen nicht vergleichbar. Während dort 11 Fälle innerhalb von sechs Wochen durch gezieltes Beobachten „gesammelt“ wurden, waren im Fall der Klägerin innerhalb von nur wenigen Tagen mehr als 20 nicht gebuchte Pausen zu verzeichnen – teilweise bis zu 7 Pausen täglich. Die Erheblichkeit des Pflichtenverstoßes und damit der Unrechtsgehalt des Gesamtschadens zeigte sich vorliegend nicht erst nach längerer Zeitdauer. Vielmehr wäre es der Beklagten kaum möglich gewesen, den Schaden durch früheres Eingreifen geringer zu halten.
4. Auch eine fehlerhafte Beteiligung des Personalrats steht der Wirksamkeit der ordentlichen Kündigung nicht entgegen.
a) Zutreffend führt das Erstgericht aus, dass sich das Beteiligungsverfahren aus Anlass der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung nach § 79 Abs. 1 in Verbindung mit § 72 BPersVG in der bis 14.06.2021 geltenden Fassung richtet.
aa) Mit dem Erstgericht geht die erkennende Kammer davon aus, dass der Personalrat der Arbeitsagentur C… rechtzeitig und umfassend über die beabsichtigte Maßnahme unterrichtet wurde. Mit der Sitzungsvorlage vom 31.01.2019 (Bl. 89 d.A.) nebst „Anlage 1 zur Personalratssitzung vom 04.02.2019“ (Bl. 77 ff. d.A.) wurde der Personalrat der Agentur für Arbeit C… über die Gründe für die beabsichtigte außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung unterrichtet. Ausweislich des Vermerks in der rechten Spalte der Tabelle der Sitzungsvorlage erteilte der Personalrat am 04.02.2019 die Zustimmung zur streitgegenständlichen hilfsweisen ordentlichen Kündigung.
bb) Erfolglos rügt die Klägerin, das Erstgericht habe zu Unrecht die rechtzeitig erfolgte Unterrichtung des Personalrats nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden angesehen.
(1) Die Wertung des Erstgerichts, dass ein Bestreiten der rechtzeitigen Unterrichtung des Personalrats vor dem Hintergrund des Umstands, dass die Klägerin selbst auf die am 31.01.2019 erfolgte Unterrichtung schriftsätzlich Bezug nimmt, begegnet keinen Bedenken. Zu Unrecht stützt sich die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung auf ihre im erstinstanzlichen Schriftsatz vom 20.07.2020 (Bl. 319, 320 d.A.) erfolgte Stellungnahme zur Personalratsanhörung. Zwar macht die Klägerin in diesem Schriftsatz Ausführungen zu den aus ihrer Sicht undurchsichtigen zeitlichen Abläufen der Beteiligung der Personalratsseite sowie der Gleichstellungsbeauftragten. Eingangs ihrer Stellungnahme tätigt die Klägerin jedoch die nachfolgende Aussage: „Am 31. 01.2019 wurde der Personalrat für seine Sitzung vom 06.02.2019 (Agentur für Arbeit C…!) unterrichtet“. Dies kann nur so verstanden werden, dass der Umstand der am 31.01.2019 erfolgten Unterrichtung des Personalrats der Agentur für Arbeit C… unstreitig gestellt wird.
(2) Angriffe der Klägerin wegen des aus ihrer Sicht nicht nachvollziehbaren zeitlichen Ablaufs der Beteiligung der Personalratsseite und der Gleichstellungsbeauftragten können von der erkennenden Kammer nicht nachvollzogen werden.
Aus Sicht der Kammer stellen sich die Beteiligungsvorgänge nach Akteninhalt eindeutig wie folgt dar:
– Personalrat der Agentur für Arbeit C…: Sitzungsvorlage vom 31.01.2019 zur Sitzung am 04.02.2019 – Zustimmungserteilung am 04.02.2019 (Bl. 77 u. 89 d.A.)
– Personalrat des Jobcenters: Sitzungsvorlage vom 01.02.2019 zur Sitzung am 06.02.2019 – Zustimmungserteilung am 14.02.2019 (Bl. 91 d.A.)
– Gleichstellungsbeauftragte der Agentur für Arbeit C…: undatierte Sitzungsvorlage zur Sitzung am 04.02.2019 – „keine Einwände“ zu den mit „nein“ gekennzeichneten Maßnahmen (Bl. 80 u. 90 d.A.)
(3) Auch vor dem Hintergrund der erfolgten Zustimmung des Personalrats und der inhaltlichen Auseinandersetzung der Klägerin mit den von der Beklagten gegenüber dem Personalrat mitgeteilten Gründen hätte es nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast konkretere Ausführungen der Klägerin dazu bedurft, welche Informationen genau dem Personalrat aus ihrer Sicht nicht rechtzeitig vorgelegen haben sollen.
Zwar kann die fehlende oder fehlerhafte Unterrichtung des Betriebsrats (bzw. der Personalvertretung) grundsätzlich nicht dadurch geheilt werden, dass der Betriebsrat (bzw. die Personalvertretung) vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung erteilt (vgl. KR-Rinck, 13. Auflage 2022, § 102 BetrVG Rn. 154). Es gilt jedoch eine abgestufte Darlegungs- und Beweislast. Hat der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße Anhörung des Betriebsrats (bzw. der Personalvertretung) im Detail schlüssig dargelegt, muss der Arbeitnehmer deutlich machen, welche Angaben er aus welchem Grund weiterhin bestreiten will (BAG 18.05.2006 – 2 AZR 245/05, Rn. 50; KR-Rinck, 13. Auflage 2022, § 102 BetrVG Rn. 253). Soweit es um Tatsachen außerhalb seiner eigenen Wahrnehmung geht, kann der Arbeitnehmer sich dabei gemäß § 138 Abs. 4 ZPO auf Nichtwissen berufen; ein pauschales Bestreiten des Arbeitnehmers ohne jede Begründung genügt dagegen nicht (BAG 16.03.2000 – 2 AZR 75/99, Leitsatz).
Vorliegend hat die Beklagte zum Beleg der erfolgten Unterrichtung die vom Personalrat am 04.02.2019 zustimmend gezeichnete Sitzungsvorlage (Bl. 89 d.A.) zur Akte gereicht. In der dortigen Tabelle ist bei den Erläuterungen der Hinweis enthalten, dass die Begründung für die beabsichtigte ordentliche Kündigung der Anlage entnommen werden kann. Als Zusatzunterlagen werden ferner die Anlagen 1 – 5 genannt. Dies deckt sich mit der zur Akte gereichten Anlage 1 zur Personalratssitzung vom 04.02.2019 (Bl. 77 d.A.), an deren Ende auf die Anlagen 2, 3, 4 und 5 Bezug genommen wird (Bl. 83-87 d.A.). Vor dem Hintergrund dieser schlüssigen Darlegungen wäre es an der Klägerin gewesen, nicht nur inhaltliche Unrichtigkeiten und die zeitlichen Abläufe der Unterrichtung des Personalrats zu rügen, sondern konkret darzustellen, aus welchem Grund sie weiterhin von einer nicht rechtzeitig erfolgten Unterrichtung des Personalrats ausgeht. Der bloße Hinweis darauf, dass die gezeichnete Sitzungsvorlage vom 31.01.2019 (Bl. 89 d.A.) den Aufdruck “Entwurf” trägt, reicht nicht. Konkretere Ausführungen der Klägerin wären auch deshalb zu erwarten gewesen, weil der Personalrat gerade auf dem auf konkrete Anlagen Bezug nehmenden Papier seine Zustimmung erteilt hat. Es erscheint höchst unwahrscheinlich, dass ein Personalrat auf einem Formular, das auf Anlagen zur Begründung der beabsichtigten Personalmaßnahme explizit Bezug nimmt, zu eben dieser Personalmaßnahme seine Zustimmung erteilt, ohne diese Anlagen bei seiner Beschlussfassung vorliegen gehabt zu haben. Jedenfalls wäre es bei einem solchen als unwahrscheinlich anzusehenden Geschehensablauf Aufgabe der Klägerin gewesen, konkrete Anhaltspunkte dafür vorzubringen, warum gleichwohl von diesem sehr unwahrscheinlichen Fall ausgegangen werden muss. Solche Anhaltspunkte hat die Klägerin jedoch nicht dargetan.
cc) Die Kammer hält etwaige unvollständige bzw. fehlerhafte Angaben zu den Sozialdaten der Klägerin in der Personalratsanhörung für unschädlich.
(1) Zwar führt die fehlerhafte Unterrichtung des Personalrats nach § 79 Abs. 4 BPersVG in der bis 14.06.2021 geltenden Fassung zur Unwirksamkeit der Kündigung. Für die Anhörung des Personalrats gelten dabei dieselben Grundsätze wie für die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG. Eine Kündigung ist danach nicht erst unwirksam, wenn eine Unterrichtung ganz unterblieben ist, sondern schon dann, wenn der Arbeitgeber seiner Unterrichtungspflicht nicht richtig, insbesondere nicht ausführlich genug nachgekommen ist (vgl. BAG 26.09.2002 – 2 AZR 424/01, Rn. 44; BAG 21.06.2001 – 2 AZR 30/00, Rn. 28). Allerdings führt nicht jede Fehlerhaftigkeit oder Unvollständigkeit in der Unterrichtung zur Unwirksamkeit der Kündigung. Nach dem Grundsatz der „subjektiven Determinierung“ muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Umstände mitteilen, die seinen Kündigungsentschluss tatsächlich bestimmt haben. Zu einer vollständigen und wahrheitsgemäßen Information gehört dabei die Unterrichtung über Tatsachen, die dem Arbeitgeber bekannt und für eine Stellungnahme des Betriebsrats möglicherweise bedeutsam sind. Bei der verhaltensbedingten Kündigung kann auf die Mitteilung persönlicher Umstände nicht ganz verzichtet werden. Zwar handelt es sich bei den „Sozialdaten“ um Umstände, die nicht das beanstandete Verhalten des Arbeitnehmers selbst betreffen. Nach Sinn und Zweck der Anhörung darf der Arbeitgeber dem Betriebsrat aber keine persönlichen Umstände des Arbeitnehmers vorenthalten, die sich bei objektiver Betrachtung entscheidend zu seinen Gunsten auswirken und deshalb für die Stellungnahme des Betriebsrats bedeutsam sein können (BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 14; BAG 21.06.2001 – 2 AZR 30/00, Rn. 34). Zwar sind danach die Sozialdaten auch bei verhaltensbedingten Kündigungen regelmäßig mitzuteilen, weil die Sozialdaten im Rahmen der Interessenabwägung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG von Bedeutung sind (BAG 26.09.2002 – 2 AZR 424/01, Rn. 47; BAG 21.06.2001 – 2 AZR 30/00, Rn. 34; ErfK-Kania, 22. Auflage 2022, § 102 BetrVG Rn. 5). Der Wirksamkeit einer auf Gründe im Verhalten des Arbeitnehmers gestützten Kündigung steht das Unterlassen der Angabe von dessen genauen „Sozialdaten“ bei der Betriebsratsanhörung aber dann nicht entgegen, wenn es dem Arbeitgeber auf die genauen Daten ersichtlich nicht ankommt und der Betriebsrat jedenfalls die ungefähren Daten ohnehin kennt; er kann dann die Kündigungsabsicht des Arbeitgebers auch so ausreichend beurteilen (BAG 19.11.2015 – 2 AZR 217/15, Rn. 45; BAG 23.10.2014 – 2 AZR 736/13, Rn. 14, 15; BAG 21.06.2001 – 2 AZR 30/00, Rn. 34).
(2) Nach Auffassung der erkennenden Kammer sind gemessen an diesen Grundsätzen die fehlerhaften Angaben zu den Sozialdaten der Klägerin als unschädlich anzusehen:
(aa) Dies gilt zunächst für den mitgeteilten Familienstand „verheiratet“, obwohl die Klägerin zu diesem Zeitpunkt nach ihren unbestritten gebliebenen Angaben bereits geschieden war.
Auf den Familienstand der Klägerin kam es angesichts der Schwere des Kündigungsvorwurfs nicht entscheidend an. Zudem belegt der Familienstand „geschieden“ nicht zwingend eine erhöhte Schutzbedürftigkeit. Der Blickwinkel der Klägerin, wonach der Status „verheiratet“ durch das Bestehen von eigenen Unterhaltsansprüchen gegen den Ehegatten eine soziale Absicherung suggeriert, ist nicht zwingend. Vielmehr bedeutet der Familienstand „verheiratet“ gleichzeitig, selbst dem Ehegatten gegenüber unterhaltsverpflichtet zu sein. Diese aus dem Familienstand resultierenden Unterhaltsverpflichtungen und nicht der Familienstand selbst sind auch der Grund, warum der Familienstand im Rahmen der Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG zugunsten eines Arbeitnehmers Berücksichtigung findet (s. dazu ErfK-Oetker, 22. Auflage 2022, § 1 KSchG Rn. 333). Der Status „verheiratet“ hat dem Personalrat daher eine größere soziale Schutzbedürftigkeit der Klägerin suggeriert als dies tatsächlich der Fall ist. Schon aus diesem Grund ist nicht anzunehmen, dass die richtige Angabe des Familienstands „geschieden“ die Bewertung des Personalrats zugunsten der Klägerin hätte beeinflussen können.
(bb) Auch fehlende Angaben zu etwaigen Unterhaltsverpflichtungen gegenüber den Kindern der Klägerin sind unschädlich. Es ist bereits nicht ersichtlich, dass die von der Klägerin erstinstanzlich angeführte Unterhaltsverpflichtung gegenüber ihrer erwachsenen Tochter der Beklagten bekannt war. Der in der Unterrichtung enthaltene Hinweis darauf, dass die Klägerin zwei erwachsene Kinder hat, wird den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterrichtung der Personalvertretung daher gerecht.
(cc) Zuletzt führt auch die fehlerhafte Angabe zur Betriebszugehörigkeit der Klägerin nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Zu Recht verweist die Klägerin allerdings darauf, dass sie nicht erst seit dem 14.05.1990 betriebszugehörig ist – wie im Unterrichtungsschreiben angegeben -, sondern sich ihre Betriebszugehörigkeit wegen des Überleitungsvertrags bereits ab 01.02.1986 errechnet. Der Klägerin ist auch zuzugeben, dass die Betriebszugehörigkeit im Rahmen der Interessenabwägung zur Beurteilung der sozialen Rechtfertigung einer verhaltensbedingten Kündigung grundsätzlich von Relevanz ist.
Wie ausgeführt wird von der Rechtsprechung jedoch dann eine Ausnahme gemacht, wenn dem Betriebsrat bzw. der Personalvertretung die ungefähren Daten bekannt sind und es dem Arbeitgeber auf diesen Umstand nicht entscheidend ankommt. Nichts anderes kann aus Sicht der Kammer dann gelten, wenn die Abweichung zwischen der richtigen und der fehlerhaft mitgeteilten Betriebszugehörigkeit für die Ermittlung der Schutzbedürftigkeit des zu kündigenden Arbeitnehmers nicht entscheidend ins Gewicht fällt. Entgegen der Darstellung der Klägerin in der Berufungsbegründung geht es vorliegend nicht um den Vergleich zwischen einem neu eingestellten Mitarbeiter, der nach 7 Monaten Beschäftigungsdauer Raucherpausen einlegt, und einem mehr als 30 Jahre Beschäftigten. Der Vergleich ist vielmehr zwischen der mitgeteilten Beschäftigungsdauer von rund 30 Jahren und der tatsächlichen Beschäftigungsdauer von rund 34 Jahren anzustellen.
Aus Sicht der Kammer bedeutet eine 34 Jahre dauernde Betriebszugehörigkeit gegenüber einer solchen von nur 30 Jahren bereits deshalb keine erhöhte Schutzbedürftigkeit, weil der Gesetzgeber selbst bei einer Betriebszugehörigkeit von mehr als 20 Jahren keine weitere Abstufung in der Schutzbedürftigkeit vornimmt. Dies zeigt sich etwa bei der Ausgestaltung der gesetzlichen Kündigungsfristen. In § 622 Abs. 2 BGB ist eine Staffelung der arbeitgeberseitigen Kündigungsfristen je nach Bestand des Arbeitsverhältnisses geregelt. Die einzuhaltenden Kündigungsfristen steigen kontinuierlich an. Die gesetzliche Maximalkündigungsfrist gilt für Arbeitsverhältnisse, die mindestens 20 Jahre bestanden haben. Eine weitere Verlängerung der Kündigungsfristen innerhalb der länger als 20 Jahre andauernden Arbeitsverhältnisse sieht der Gesetzgeber nicht vor. Auch bei den Höchstbeträgen für die Bemessung einer gerichtsseitig zuzusprechen Abfindung sieht der Gesetzgeber in § 10 Abs. 2 KSchG eine Staffelung je nach Bestand des Arbeitsverhältnisses vor. Der Höchstbetrag ist bei einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von mindestens 20 Jahren vorgesehen. Jenseits der Grenze von 20 Jahren wird nicht mehr weiter unterschieden. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber ab einem Bestand des Arbeitsverhältnisses von 20 Jahren keinen entscheidenden weiteren Zuwachs an Schutzbedürftigkeit mehr vorsieht. Dann kann es auch im Rahmen der Interessenabwägung für die Prüfung der Sozialwidrigkeit einer verhaltensbedingten Kündigung nicht entscheidend darauf ankommen, ob ein in diese höchste Stufe der Schutzbedürftigkeit hineinfallendes Arbeitsverhältnis von mehr als 20 Jahren 30 oder 34 Jahre bestanden hat.
Dafür, dass die um vier Jahre längere Betriebszugehörigkeit auch aus Sicht des Personalrats nicht entscheidend zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen war, spricht auch die im Vergleich zur Gesamtdauer nur geringfügige Abweichung. Die Abweichung beträgt nur etwas mehr als 10 % im Vergleich zur Gesamtdauer. Es wäre daher nicht abwegig, bei einer solch geringfügigen Abweichung von einer „Kenntnis der ungefähren Daten“ auf Seiten des Personalrats im Sinne der vorzitierten Rechtsprechung zu sprechen.
dd) Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt die Unwirksamkeit der Kündigung auch nicht daraus, dass dem Personalrat unzutreffenderweise mitgeteilt worden wäre, die Kündigung erfolge, weil die Klägerin während der im Raum stehenden Pausen einkaufen gewesen wäre.
Zwar hat die Beklagte tatsächlich erstinstanzlich ausgeführt, Anfang 2019 sei aufgefallen, dass die Klägerin regelmäßig mit Jacke die Dienststelle verlassen habe und teilweise mit vollen Einkaufstaschen zurückgekehrt sei. Eine Kontrolle habe ergeben, dass keinerlei Buchungen zu Raucherpausen oder Einkaufspausen vorlagen (Seite 4 des Schriftsatzes vom 28. Mai 2019, Bl. 136 d.A.). Zu Recht verweist die Beklagte jedoch darauf, dass es für die rechtliche Bewertung der nicht gebuchten Pausen nicht entscheidend darauf ankommt, wie die Klägerin diese Pausen verbracht hat. Zudem ist nicht ersichtlich, dass dem Personalrat gerade dieser Umstand – das Einkaufen der Klägerin während der Pausenzeiten – als Grund für die Kündigung mitgeteilt worden wäre. Die zur Akte gereichte Unterrichtung des Personalrats (Bl. 77-79 d.A.) enthält hierzu jedenfalls keine Angaben.
b) Ausschließlich der Personalrat der Agentur für Arbeit C… war vor Ausspruch der Kündigung zu beteiligen. Darauf, dass der Personalrat des Jobcenters B… erst nach Ausspruch der Kündigung die Zustimmung erteilt hat, kommt es daher nicht an.
aa) Nach § 44h Abs. 3 SGB II stehen dem Personalrat des Jobcenters alle Rechte entsprechend den Regelungen des Bundes Personalvertretungsgesetzes zu, soweit die Geschäftsführung des Jobcenters Entscheidungsbefugnisse in personalrechtlichen Angelegenheiten hat. Nach § 44h Abs. 5 SGB II bleiben die Rechte der Personalvertretungen der abgebenden Dienstherren und Arbeitgeber unberührt, soweit die Entscheidungsbefugnisse bei den Trägern verbleiben. Nach § 44d Abs. 4 SGB II übt die Geschäftsführerin oder der Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung über die Beamtinnen und Beamten sowie die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen in der gemeinsamen Einrichtung Tätigkeiten zugewiesen worden sind, die dienst-, personal- und arbeitsrechtlichen Befugnisse sowie die Dienstvorgesetzten- und Vorgesetztenfunktion aus mit Ausnahme der Befugnisse zur Begründung und Beendigung der mit den Beamtinnen und Beamten sowie Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bestehenden Rechtsverhältnisse. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Regelung stehen der Geschäftsführerin oder dem Geschäftsführer der gemeinsamen Einrichtung nicht die Befugnisse zur Begründung und Beendigung von Arbeitsverhältnissen zu. Diese Befugnisse verbleiben bei den jeweiligen Trägern, die weiterhin Dienstherren oder Arbeitgeber sind (vgl. BAG 15.10.2014 – 7 ABR 71/12, Rn. 32).
bb) Der Wortlaut und die systematische Gesamtschau der Regelungen zur personalvertretungsrechtlichen Zuständigkeitsverteilung bei der Zuweisung von Beamten und Angestellten an gemeinsame Einrichtungen zeigt, dass vorliegend nicht etwa beide Personalräte – der des Jobcenters und der der Arbeitsagentur – vor Ausspruch der streitgegenständlichen Kündigung zu beteiligen waren. Vielmehr ist die personalvertretungsrechtliche Zuständigkeit stets spiegelbildlich zu den Befugnissen des „Gegenübers“ zu lesen. Ist – wie hier – ausschließlich die Arbeitsagentur für die Beendigung von Arbeitsverhältnissen der an das Jobcenter zugewiesenen Arbeitnehmer zuständig, ist auch nur die Personalvertretung dieser Einheit zur Ausübung der Beteiligungsrechte berufen.
Dies lässt sich dem Wort „soweit“ in den Absätzen 3 und 5 des § 44h SGB II entnehmen. Die Zuständigkeit der Personalvertretung ergibt sich nur, „soweit“ es korrespondierende Entscheidungsbefugnisse der jeweiligen Leitung gibt. Die Systematik der §§ 44d Abs. 4, 44h Abs. 3 und Abs. 5 SGB II führt so zu einer gespaltenen Zuständigkeit nicht nur in Bezug auf die arbeits- und dienstrechtlichen Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse auf Arbeitgeberseite, sondern auch in Bezug auf die damit korrespondierenden Zuständigkeiten der Personalvertretung (s. dazu Vogelsang ZTR 2015, 679, Ziffer 3).
cc) Dieses Ergebnis reiht sich ein in die vorgefundene Rechtsprechung zur Gewährleistung von Personalvertretungsrechten bei Spaltung der Arbeitgeberstellung. So hat das Bundesarbeitsgericht für den Fall einer Zuweisung von einem öffentlichen Arbeitgeber an eine privatrechtlich organisierte Arbeitsgemeinschaft gemäß § 44b SGB II aF entschieden, dass die Spaltung der Arbeitgeberstellung nicht zu einem Verlust des durch das Betriebsverfassungsgesetz und das Personalvertretungsgesetz gewährleisteten Schutzes führen darf. Vielmehr – so das BAG – hängt die Zuständigkeit des Personalrats oder des Betriebsrats für die Wahrnehmung von Mitbestimmungsrechten bezüglich der von einem öffentlichen Arbeitgeber an eine privatrechtlich organisierte Arbeitsgemeinschaft überlassenen Arbeitnehmer vom Gegenstand des Mitbestimmungsrechts und der darauf bezogenen Entscheidungsmacht ab. Verbleiben bei dem öffentlichen Arbeitgeber die den Bestand und den Inhalt des Arbeitsverhältnisses betreffenden materiellen Entscheidungsbefugnisse, hat dies zur Folge, dass der öffentliche Arbeitgeber (nur) den bei ihm errichteten Personalrat bei der Ausübung solcher Befugnisse zu beteiligen hat. Nur wenn materielle Arbeitgeberfunktionen von der privatrechtlich organisierten Arbeitsgemeinschaft wahrgenommen werden, ist der dort gebildete Betriebsrat zuständig (BAG 09.06.2011 – 6 AZR 132/10, Rn. 28).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
IV. Die Zulassung der Revision war wegen der sich stellenden grundsätzlichen Fragen im Zusammenhang mit der rechtlichen Erheblichkeit fehlerhafter Angaben bei der Unterrichtung des Personalrats vor Ausspruch einer Kündigung sowie zur Zuständigkeit der Personalvertretung nach § 44h Abs. 3 und Abs. 5 SGB II gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG angezeigt.


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