Aktenzeichen AN 8 P 21.01102
Art. 25 Abs. 1 BayPVG
§ 7 Abs. 1 Satz 1
§ 10 Abs. 4 WO-BayPVG
Leitsatz
Tenor
1. Das Verfahren wird eingestellt, soweit die Antragsteller die Anträge zu 1) und 2) aus dem Schriftsatz vom 14.6.2021 zurückgenommen haben.
2. Die am 22.6.2021 durchgeführte Wahl des örtlichen Personalrats wird für ungültig erklärt. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Gründe
I.
Die Verfahrensbeteiligten streiten über die Zulassung eines von den Antragstellern eingereichten Wahlvorschlags für die Personalratswahl am 22. Juni 2021 sowie über deren Gültigkeit.
Bei der Beteiligten zu 1 handelt es sich um die Leitung der Gesundheitseinrichtungen des Bezirks …, einem eigenständigen Kommunalunternehmen mit etwa 2000 Beschäftigten an vier verschiedenen Standorten. Die Antragsteller sind Beschäftigte dieser Einrichtung am Standort … und Mitglieder der – mittlerweile vom Bundesarbeitsgericht für nicht tariffähig erklärten – Gewerkschaft … (im Folgenden: …). Bei dem Beteiligten zu 2 handelt es sich um den Personalrat des Bezirkskrankenhauses … Mit am 12. April 2021 ausgehängtem Wahlausschreiben leitete der Wahlvorstand des Bezirkskrankenhauses … die auf den 22. Juni 2021 terminierte Wahl des örtlichen Personalrats ein und legte ein Wählerverzeichnis aus. Die Wahlberechtigten und die in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften wurden aufgefordert, innerhalb von 25 Kalendertagen seit Erlass des Wahlausschreibens (7.5.2021 bis 15:00 Uhr) beim Wahlvorstand Wahlvorschläge für jede Gruppe einzureichen.
Die …, deren fehlende Tariffähigkeit damals noch nicht rechtskräftig festgestellt und die in der Dienststelle vertreten war, reichte am 23. bzw. 26. April 2021 einen Wahlvorschlag, Kennwort „… – …., beim Wahlvorstand ein, in dem der Antragsteller zu 1 und die Antragstellerin zu 2 als Bewerber für die Gruppe der Angestellten und als Beauftragte der Gewerkschaft benannt waren. Als Listenvertreter war der Antragsteller zu 1 benannt. Auf Hinweis des Wahlvorstands vom 28. April 2021 reichten der Antragsteller zu 1 am 30. April 2021 und die Antragstellerin zu 2 am 3. Mai 2021 ihre noch fehlenden Zustimmungserklärungen beim Wahlvorstand ein. Die … bestätigte dem Wahlvorstand mit Schreiben vom 29. bzw. 30. April 2021 die Mitgliedschaft der Antragsteller zu 1 und 2 in der Gewerkschaft.
Mit Schreiben vom 7. Mai 2021 um 13:05 Uhr nahmen die Antragsteller zu 1 und 2 den eingereichten Wahlvorschlag zurück. Am gleichen Tag um 13:10 Uhr reichte die … erneut einen Wahlvorschlag unter dem Kennwort „… – …. beim Wahlvorstand ein, in dem neben dem Antragsteller zu 1 und der Antragstellerin zu 2 die Antragstellerin zu 3 als Bewerberin und als Beauftragte der Gewerkschaft benannt war. Mit der Wahlliste wurden alle erforderlichen Zustimmungen und Bestätigungen vorgelegt. Der Antragsteller zu 1 wurde als Listenvertreter benannt.
Mit Schreiben vom 11. Mai 2021 informierte der Wahlvorstand den Antragsteller zu 1, dass die Rücknahme der Wahlvorschlagsliste auch vor Einreichungsausschluss unzulässig sei, auch wenn alle Unterzeichner einverstanden seien. Dem Wahlvorstand lägen zwei Listen der … vor, was nach der WO-B. nicht zulässig sei. Im weiteren Schriftwechsel erklärte die Gewerkschaft, dass der Wahlvorstand die doppelt geführten Bewerber auffordern müsste, binnen dreier Tage zu erklären, auf welchen Vorschlag sie benannt bleiben wollten. Es solle der zweite eingereichte Wahlvorschlag vom 7. Mai 2021 aufrechterhalten bleiben. Der Wahlvorstand verwies weiterhin darauf, dass die Rücknahme der zuerst eingereichten Liste rechtlich nicht möglich sei und diese somit weiterhin Bestand habe. Die zweite Liste käme daher nicht zum Tragen.
Der vom Wahlvorstand am 26. Mai 2021 veröffentlichte Wahlvorschlag für die Wahl des örtlichen Personalrats enthielt lediglich den zuerst eingereichten Wahlvorschlag der … vom 23. April 2021; die Antragstellerin zu 3 war dementsprechend nicht aufgeführt.
Am 14. Juni 2021 leiteten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach das personalvertretungsrechtliche Beschlussverfahren ein und kündigten für den Fall der Durchführung der Wahl an, diese anzufechten. Sie vertraten zunächst den Standpunkt, dass der Wahlvorstand die Wahlvorschlagsliste der … vom 7. Mai 2021 hätte zulassen müssen. Der Wahlvorstand habe die neu eingereichte Liste ohne rechtliche Grundlage nicht anerkennen wollen. Richtigerweise hätte er die Antragsteller gemäß § 10 Abs. 3 WO-BayPVG den auf mehreren Wahlvorschlägen benannten Bewerber auffordern müssen, innerhalb von drei Kalendertagen zu erklären, auf welchem Wahlvorschlag er benannt bleiben will. In der Rücknahme der ersten Vorschlagliste liege bereits eine Erklärung der beiden Bewerber vor, dass diese lediglich auf der Liste vom 7. Mai 2021 verbleiben wollten. Somit hätte dieser Wahlvorschlag veröffentlicht werden müssen. Sofern es für den Wahlvorstand tatsächlich nicht ausreichend erkennbar gewesen sein sollte, auf welche Liste die doppelt benannten Bewerber verbleiben wollten, hätte er diese auffordern müssen, sich noch einmal ausdrücklich zu erklären. Es habe ein noch heilbarer Mangel vorgelegen, der bei unverzügliche Rüge noch innerhalb der Einreichungsfrist hätte korrigiert werden können. Stattdessen habe er den Listenführer viel später und somit nach Ablauf der Einreichungsfrist auf das Vorliegen zweier Listen aufmerksam gemacht. Die Antragstellerinnen zu 2 und 3 selbst seien nicht auf die doppelte Bewerbung aufmerksam gemacht worden. Der Wahlvorstand habe damit fälschlicherweise selbst entschieden, den ersten Wahlvorschlag zu veröffentlichen und damit der Antragstellerin zu 3 die Möglichkeit abgeschnitten, als Gesamtpersonalrätin gewählt zu werden.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens änderten die Antragsteller ihren Vortrag dahingehend, dass die Wahl nichtig sei, weil das Bundesarbeitsgericht am 22. Juni 2021 (Az. ….) festgestellt habe, dass die Berufsgewerkschaft … nicht tariffähig sei. Nach Auffassung des Gerichts fehle es der Arbeitnehmervereinigung an der erforderlichen Durchsetzungskraft in den zuletzt beanspruchten Zuständigkeitsbereichen. Demzufolge habe die … für die streitgegenständliche Wahl kein Vorschlagsrecht gehabt, da hierzu nur die in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften berechtigt seien.
Die Antragsteller beantragen zuletzt,
1.Es wird festgestellt, dass ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit und das Wahlverfahren vorliegt, wenn der Wahlvorstand einer Personalratswahl bei Vorliegen zweier Wahlvorschläge mit gleichen Bewerbern, ohne Aufforderung an diese, sich innerhalb von drei Kalendertagen zu erklären, auf welchem Wahlvorschlag diese bleiben wollen, den zuletzt fristgerecht eingereichten Wahlvorschlag zurückweist.
2.Die am 22. Juni 2021 durchgeführte Wahl des Personalrats wird für ungültig erklärt.
3.Es wird festgestellt, dass die Wahl zum Personalrat am 22. Juni 2021 nichtig ist.
Der Beteiligte zu 2 beantragt,
die Abweisung des Antrags.
Die Rücknahme des zuerst eingereichten Wahlvorschlags sei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts letztlich nicht möglich, sodass der zweite Vorschlag nicht habe zum Tragen kommen können. Die nunmehr vorgebrachte Begründung für die vermeintliche Nichtigkeit der Wahl sei abwegig. Die Antragsteller beriefen sich darauf, dass ihr eigener Wahlvorschlag nicht hätte zugelassen werden dürfen, obwohl sie zuvor im selben Verfahren die Zulassung des Wahlvorschlags hätten gerichtlich durchsetzen wollen. Das Vorgehen sei in ganz erheblichem Maße widersprüchlich und letztlich rechtsmissbräuchlich. Darüber hinaus komme eine Wahlanfechtung generell lediglich dann in Betracht, soweit gerade durch den behaupteten Verstoß das Wahlergebnis hätte geändert oder beeinflusst werden können. Hierzu hätten die Antragsteller nichts vorgetragen. Bei der Wahl zum örtlichen Personalrat seien bei 13 zu wählenden Mitgliedern 5.946 gültige Stimmen auf die Vorschlagsliste 1 entfallen und auf die streitgegenständliche Vorschlagsliste 2 der … insgesamt 82 gültige Stimmen. Die höchsten Zahlen 1 bis 13 hinsichtlich des örtlichen Personalrats seien bei der Verteilung der Sitze alle auf die Vorschlagsliste 1 entfallen. Wenn die Antragsteller meinen, die Vorschlagsliste 2 hätte nicht zur Wahl zum Personalrat zugelassen werden dürfen, verkennen sie, dass auch bei Nichtzulassung des streitgegenständlichen Wahlvorschlags sich an dem Wahlergebnis ersichtlich nichts geändert hätte. Soweit die Antragsteller beantragt hätten, die Nichtigkeit der Wahl festzustellen, würden sie verkennen, dass dies allenfalls zur Anfechtbarkeit der Wahl, nicht aber zu deren Nichtigkeit führen könne. Vorliegend habe keine Veranlassung für den Wahlvorstand bestanden, von einer Tarifunfähigkeit der … auszugehen. Zwar habe das Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 22. Juni 2021 entschieden, dass die … seit dem 21. April 2015 tarifunfähig sei. Das Landesarbeitsgericht habe jedoch am 10. Mai 2016 noch die Tariffähigkeit der … bejaht und diese schließlich erst mit Beschluss vom 22. Mai 2020 verneint. Aufgrund der beim Bundesarbeitsgericht eingelegten Rechtsbeschwerde der … sei diese Entscheidung allerdings zunächst nicht rechtskräftig geworden. Zum Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlags der … bzw. der Entscheidung über die Zulassung der Vorschlagsliste sowie auch am Ende der Einreichungsfrist am 7. Mai 2021 um 15:30 Uhr sei mithin mangels Rechtskraft noch von der Tariffähigkeit der … auszugehen gewesen. Der Wahlvorstand habe vorliegend darauf vertrauen können, dass die … tariffähig sei. Dass er die Vorschlagsliste einer später für nicht tariffähig erklärten Gewerkschaft zugelassen habe, stelle keinen derart schwerwiegenden Fehler dar, der zur Nichtigkeit der Wahl führen könnte. Vielmehr dürfte dies nicht einmal einen Verstoß gegen wesentliche Bestimmungen über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren darstellen, so dass auch die Frage der Anfechtbarkeit zu verneinen sei.
Der Beteiligte zu 1 hat auf das Ausscheiden des Antragstellers zu 1 aus dem vom Beteiligten zu 1 geleiteten Unternehmen hingewiesen, sich im Übrigen zur Sache aber nicht geäußert.
Die Verfahrensbeteiligten haben auf die Durchführung einer öffentlichen Anhörung verzichtet.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten des Hauptsache- und des könne vorangegangenen Eilverfahrens (AN 8 PE 21.01037) Bezug genommen.
II.
1. Das Verfahren war einzustellen, soweit die Antragsteller die Anträge zu 1 und 2 aus der Antragsschrift vom 14. Juni 2021, zurückgenommen haben (vgl. Schriftsatz vom 6.7.2021).
2. Der Antrag festzustellen, dass ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften über die Wählbarkeit und das Wahlverfahren vorliegt, wenn der Wahlvorstand einer Personalratswahl bei Vorliegen zweier Wahlvorschläge mit gleichen Bewerbern den zuletzt fristgerecht eingereichten Wahlvorschlag zurückweist, ohne diese zuvor aufzufordern, sich innerhalb von drei Kalendertagen zu erklären, auf welchem Wahlvorschlag diese bleiben wollen, ist zulässig, aber unbegründet.
Wie bereits in dem im vorausgegangenen, auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichteten Eilverfahren ergangenen Beschluss vom 17. Juni 2021 (AN 8 PE 21.01037) ausgeführt, durfte der Wahlvorstand von einer entsprechenden Aufforderung absehen und den von der … am 7. Mai 2021 eingereichten Wahlvorschlag wegen Verbots von Mehrfachvorschlägen (§ 9 Abs. 3 Satz 2 WO-BayPVG) zurückweisen.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist die Rücknahme eines bereits eingereichten Wahlvorschlags mangels einer diesbezüglichen gesetzlichen Regelungen nicht möglich (BVerwG, B.v. 11.6.1975 – VII P 15.73 – juris Rn. 18). Der Wahlvorschlag ist mit seiner Einreichung beim Wahlvorstand rechtlich verbindlich. Der Grundsatz eines geordneten Wahlverfahrens schließt eine Rücknahme nicht schlechthin aus, erfordert aber unabdingbar, dass sie hinsichtlich ihrer Voraussetzungen und der einzuhaltenden Frist ausdrücklich geregelt sein muss. Eine solche Regelung ist jedoch lediglich im Rahmen des § 10
WO-B. gesetzlich vorgesehen. Daraus folgt, dass eingereichte Wahlvorschläge nur dann den Bereich des Wahlvorstandes verlassen können, wenn die in dieser Vorschrift abschließend aufgezählten Voraussetzungen einer Rückgabe gegeben sind. Eine Disposition der Unterzeichner über den eingereichten Wahlvorschlag ist danach ausgeschlossen (BVerwG a.a.O).
Da hier die Wahlvorschlagsliste vom 23. bzw. 26. April 2021 nach Nachreichung des Nachweises der Mitgliedschaft der Antragsteller zu 1 und zu 2 zur Gewerkschaft sowie ihrer Zustimmungserklärungen keine Mängel mehr aufwies, die ein Tätigwerden des Wahlvorstandes nach § 10 WO-BayPVG erfordert hätte, lagen mit der Übergabe der letzten ausstehenden Erklärung an den Wahlvorstand am 3. Mai 2021 keine Voraussetzungen für eine Rückgabe dieses Wahlvorschlags mehr vor. Damit bestand keine gesetzlich geregelte Möglichkeit mehr, dass dieser den Bereich des Wahlvorstandes verlassen könnte. Die erst danach erfolgte Rücknahmeerklärung vom 7. Mai 2021 ging damit ins Leere, so dass ein Vorgehen nach § 10 Abs. 4 Nr. 3 WO-BayPVG im Hinblick auf das Vorliegen zweier Listen nicht in Betracht kam. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Antragstellerseite herangezogenen Entscheidung des VG Dresden vom 15. Dezember 2017 (9 K 941/16), deren Fallgestaltung mit der hier vorliegenden nicht vergleichbar ist.
3. Soweit die Antragsteller beantragt haben, die am 22. Juni 2022 durchgeführte Wahl des örtlichen Personalrats für ungültig zu erklären, ist der Antrag zulässig und begründet. Er ist unbegründet, soweit die Antragsteller die Feststellung der Nichtigkeit dieser Wahl beantragt haben.
3.1 Hinsichtlich der Zulässigkeit der Wahlanfechtung bestehen keine rechtlichen Bedenken. Dies gilt insbesondere auch im Hinblick auf die Wahlberechtigung des Antragstellers zu 1. Soweit der Beteiligte zu 1 auf dessen Ausscheiden aus dem Unternehmen hingewiesen hat, haben die Bevollmächtigten der Antragsteller nachgewiesen, dass dessen Arbeitsverhältnis durch die Kündigungen vom 10. März, 26. April und 25. Mai 2021 ausweislich des Sitzungsprotokolls des Arbeitsgerichts … vom 27. Januar 2022 nicht aufgelöst wurde. Auch der Auflösungsantrag vom 18. Oktober 2021 wurde vom Gericht abgewiesen. Damit ist der Antragsteller zu 1 zur Wahlanfechtung berechtigt und die drei Antragsteller erfüllen als Wahlberechtigte in dem vom Beteiligten zu 1 geführten Unternehmen das in Art. 25 Abs. 1 BayPVG vorgesehene Quorum.
Dem Rechtsschutzinteresse der Antragsteller steht auch nicht das Verbot unzulässiger Rechtsausübung entgegen, weil sie die die Anfechtung der Wahl und deren Nichtigkeit damit begründen, dass ihr eigener Wahlvorschlag nicht hätte zugelassen werden dürfen, obwohl sie zunächst im selben Verfahren die Zulassung dieses Wahlvorschlags hatten gerichtlich durchsetzen wollen. Dabei kann dahinstehen, ob einer Wahlanfechtung wegen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren überhaupt der Einwand des Rechtsmissbrauchs bzw. der unzulässigen Rechtsausübung entgegengesetzt werden kann, nachdem das Wahlanfechtungsverfahren nicht zur Verfolgung subjektiver Rechte bestimmt ist, sondern einer im allgemeinen Interesse liegenden Überprüfung der Ordnungsmäßigkeit der Wahl dient (vgl. HessVGH, B.v. 24.10.2002 – 21 TK 3290/00 – juris Rn. 49). Dessen ungeachtet verkennt der Einwand des Rechtsmissbrauchs, dass die fehlende Tariffähigkeit der …, mit der die Wahlanfechtung bzw. die begehrte Nichtigkeitsfeststellung begründet wird, erst mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 2021 (Az. ….) rechtskräftig festgestellt wurde, mithin zu einem Zeitpunkt, an dem die Antragsteller das Beschlussverfahren, das ursprünglich auf die Zulassung ihres Wahlvorschlags zielte, bereits eingeleitet und begründet hatten.
3.2 Der Antrag, die Wahl des örtlichen Personalrats vom 22. Juni 2021 für ungültig zu erklären, ist auch begründet.
Eine Wahl ist nach Art. 25 Abs. 1 BayPVG anfechtbar, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen wurde und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
3.2 Vorliegend liegt jedoch ein Verstoß gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens vor, da zur Wahl eine Vorschlagsliste einer Vereinigung zugelassen war, der nach den gesetzlichen Vorgaben kein entsprechendes Vorschlagsrecht zustand. Denn das Bundesarbeitsgericht hat mit Beschluss vom 22. Juni 2021 (Az. ….) rechtskräftig festgestellt, dass die … seit dem 21. April 2015 nicht (mehr) tariffähig ist.
Vorschriften über das Wahlverfahren sind solche, die die Vorbereitung und Durchführung der Wahl betreffen (BVerwG, B.v.24.2.2015 – 5 P 7.14 – juris Rn.18 m.w.N.). Nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 BayPVG, § 7 Abs. 1 S. 1 WO-BayPVG sind neben den wahlberechtigten Beschäftigten die in der Dienststelle vertretenen Gewerkschaften für die Personalratswahl wahlvorschlagsberechtigt. Der Begriff der Gewerkschaft ist im Personalvertretungsrecht nicht definiert. Nach den in Rechtsprechung und Literatur aufgestellten Grundsätzen zählen hierzu sowohl Gewerkschaften im traditionell arbeitsrechtlichen Sinn als auch Beamtengewerkschaften (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber/Hebeler, Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand 3.3.2022, Art. 2 Rn. 29). Danach handelt es sich um Vereinigungen von Arbeitnehmern, die nach dem Grundsatz der Koalitionsfreiheit auf freiwilligem Zusammenschluss beruhen, auf überbetriebliche Grundlage gerichtet und gegnerfrei sind sowie unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder bestehen. Weiterhin ist Voraussetzung, dass die Vereinigung ihre Aufgabe als Tarifpartner sinnvoll erfüllen kann. Neben der sogenannten Tarifwilligkeit bedarf es dazu, soweit es sich nicht um Beamtenverbände handelt, einer entsprechenden Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler als auch einer ausreichenden Leistungsfähigkeit der Organisation (sog. Tariffähigkeit; vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber/Hebeler, a.a.O. Rn. 30, 31; OVG NW, B.v. 10.11.2005 – 1 A 1264/05.PVL – juris Rn. 27 ff., jeweils m.w.N.). D Diese Voraussetzung ist nach den Feststellungen des Bundesarbeitsgerichts im Urteil vom 22. Juni 2021 (Az. …) bei der … seit dem 21. April 2015 nicht gegeben, so dass sie keine Gewerkschaft im Sinne des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 BayPVG, § 7 Abs. 1 S. 1
WO-B. darstellt. Sie war demnach nicht wahlvorschlagsberechtigt, so dass die Zulassung ihres am 23. April 2021 eingereichten Wahlvorschlags zur Wahl als Vorschlagsliste 2 Vorschriften über das Wahlverfahren verletzt. Hierbei handelt es sich auch um eine wesentliche Vorschrift, weil es sich bei den Regelungen über das Wahlvorschlagsrecht um zwingende Vorschriften handelt (Ballerstedt/Schleicher/Faber/Hebeler, Art. 25 Rn. 4 m.w.N.).
Dem steht nicht entgegen, dass die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erst am Wahltag selbst getroffen wurde. Es trifft zwar zu, dass zum Zeitpunkt der Einreichung des Wahlvorschlags der … bzw. der Entscheidung über die Zulassung der Vorschlagsliste sowie auch am Ende der Einreichungsfrist mangels Rechtskraft der vorausgegangenen erst- und zweitinstanzlichen Entscheidungen noch von der Tariffähigkeit der … auszugehen war. Mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 22. Juni 2021 ist jedoch rechtskräftig festgestellt, dass die … bereits seit dem 21. April 2015 nicht tariffähig ist, so dass ein objektiver Verstoß gegen die Vorgaben des Art. 19 Abs. 4 Satz 1 BayPVG, § 7 Abs. 1 S. 1 WO-BayPVG vorliegt. Es würde dem Charakter des Beschlussverfahrens als einem objektiven Verfahren widersprechen, wenn die Anfechtbarkeit einer Personalratswahl davon abhängig gemacht würde, ob dem Wahlvorstand der Verstoß vorgeworfen werden kann oder nicht. Die Bestimmung des § 26 Abs. 1 Satz 2 WO-BayPVG macht deutlich, dass sich der Gesetzgeber mit der Frage auseinandergesetzt hat, wie erst nachträglich bekannt gewordene Veränderungen zu behandeln sind. Danach gelten als gültige Stimmen auch diejenigen, die für Bewerber abgegeben worden sind, die nach der Bekanntgabe der Wahlvorschläge, aber noch vor der Wahl ihre Wählbarkeit verloren haben. Ungeachtet des Umstands, dass die fehlende Tariffähigkeit der … nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht in dieser Zeitspanne eintrat, sondern rückwirkend ab dem 21. April 2015 festgestellt wurde, macht das Fehlen einer entsprechenden Vorschrift für den Verlust des Vorschlagsrechts nach Art. 19 Abs. 4 Satz 1 BayPVG, § 7 Abs. 1 Satz 1 WO-BayPVG deutlich, dass insoweit nicht auf den Kenntnisstand des Wahlvorstands zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Zulassung der Wahlvorschläge bzw. bei deren Bekanntgabe abzustellen ist.
Entgegen dem Beteiligtenvorbringen ist es auch möglich, dass der Verstoß das Wahlergebnis beeinflusst oder geändert hat. Zwar trifft es zu, dass bei der Wahl zum örtlichen Personalrat nach Auswertung der abgegebenen Stimmen die danach gewählten 13 Personalratsmitglieder alle der Vorschlagsliste 1 angehörten und auf diese deutlich mehr Stimmen entfielen als auf die beiden Bewerber der Vorschlagsliste 2. Das ändert jedoch nichts daran, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass sich die Wahlberechtigten in dem Fall, dass nur die Vorschlagsliste 1 zur Wahl gestellt worden wäre, zu einer anderen Stimmabgabe entschlossen hätten. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf diejenigen, die für die Bewerber der Vorschlagsliste 2 gestimmt hatten. Es kann aber auch insgesamt nicht ausgeschlossen werden, dass das Wahlergebnis durch den Umstand beeinflusst wurde, dass zwei Vorschlagslisten zur Wahl gestellt worden waren.
Aufgrund dessen ist die Wahl für ungültig zu erklären.
3.3 Der Antrag, die Nichtigkeit der Wahl festzustellen, ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die Annahme der Nichtigkeit der Wahl sind noch nicht erfüllt.
Eine Personalratswahl ist nur in den Ausnahmefällen nichtig, in denen sie an einem derart schweren und offenkundigen Fehler leidet, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr vorliegt (Ballerstedt/Schleicher/Faber/Hebeler, Art. 25 Rn. 39 m.w.N.). Wie sich aus obigen Ausführungen ergibt, war die fehlende Vorschlagsberechtigung der … nicht offenkundig, sondern ergab sich erst aus der am Wahltag getroffenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Die Rechtskraft der Entscheidungen der Vorinstanzen trat erst mit diesem Beschluss ein. Bis zum Bekanntwerden dieser Entscheidung musste der Wahlvorstand daher vom Vorschlagsrecht der Vereinigung ausgehen. Die Tariffähigkeit einer Arbeitnehmervereinigung hängt von zahlreichen Faktoren ab und bedarf im Zweifelsfall der Klärung in einem Verfahren nach § 97 ArbGG (vgl. BAG, B.v. 15.5.2019 – 7 ABR 35/17 – juris Rn. 35). Die hohe Hürde für die Annahme einer Nichtigkeit ist daher noch nicht erreicht.
4. Eine Kostenentscheidung kommt nicht in Betracht (Art. 81 Abs. 2 BayPVG; § 80 Abs. 1 ArbGG und § 2 Absatz 2 GKG).