Arbeitsrecht

Prozesskostenhilfe für noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung erfordert vollständige Einreichung des Antrags innerhalb der Zulassungsfrist

Aktenzeichen  11 ZB 17.30684

Datum:
12.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 124713
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1, § 121 Abs. 2
VwGO § 60 Abs. 1, § 166 Abs. 1 S. 1
AsylG § 78 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1 Um einem Kläger nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 60 Abs. 1 VwGO Wiedereinsetzung in die Rechtsmittelfrist des § 78 Abs. 4 S. 1 AsylG gewähren zu können, muss der Betreffende innerhalb offener Rechtsmittelfrist alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan haben, um das Hindernis auszuräumen, das einer fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels entgegensteht. Fehlen ihm die für die Prozessführung erforderlichen finanzeillen Mittel, ist er insbesondere verpflichtet, innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eine vollständig ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst entsprechenden Belegen einzureichen (wie BayVGH BeckRS 2014, 52902). (Rn. 4) (red. LS Clemens Kurzidem)
2 Grundsätzlich setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung auch bei einem nicht anwaltlich vertretenen Kläger voraus, dass dieser zumindet einen Zulassungsgrund in groben Zügen darlegt (vgl. OVG NRW beckRS 2013, 46254). (Rn. 6) (red. LS Clemens Kurzidem)

Verfahrensgang

Au 2 K 17.31039 2017-05-29 Urt VGAUGSBURG VG Augsburg

Tenor

Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Mai 2017 wird abgelehnt.

Gründe

Die Kläger begehren Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen noch zu stellenden Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 29. Mai 2017, den Klägern zugestellt am 10. Juni 2017.
Nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1, § 121 Abs. 2 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Der Antrag ist abzulehnen, weil die von den Klägern beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Ein Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung wäre abzulehnen.
Den Klägern könnte bei Gewährung von Prozesskostenhilfe zwar grundsätzlich Wiedereinsetzung nach § 60 Abs. 1 VwGO in die Rechtsmittelfrist des § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG gewährt werden. Der Betreffende muss jedoch für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand innerhalb offener Rechtsmittelfrist alles Erforderliche und ihm Zumutbare getan haben, um das Hindernis auszuräumen, das einer fristgerechten Einlegung des Rechtsmittels entgegensteht. Besteht dieses Hindernis im Unvermögen, die Kosten des Rechtsstreits aufzubringen, obliegt es dem Rechtsschutzsuchenden unter anderem, innerhalb der Rechtsbehelfsfrist eine vollständig ausgefüllte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse mit den gegebenenfalls erforderlichen Belegen einzureichen (BayVGH, B.v. 10.6.2014 – 22 ZB 14.99 – juris Rn. 3 m.w.N., B.v. 15.12.2011 – 12 C 11.1976 – juris Rn. 7 m.w.N.). Denn ein Rechtsmittelführer, der innerhalb der Rechtsmittelfrist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe formgerecht beantragt hat, ist so lange als ohne Verschulden an der Einlegung des Rechtsmittels verhindert anzusehen, bis sein Antrag wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt ist. Die nach § 117 Abs. 2 und Abs. 4 ZPO (i.V.m. § 166 Abs. 1 VwGO) selbst im Falle eines Sozialleistungsbezugs erforderliche Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse haben die Kläger innerhalb der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 78 Abs. 4 Satz 1 AsylG, die am 10. Juli 2017 abgelaufen ist, nicht vorgelegt. Sie konnten auch nicht auf frühere, etwa im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, zu den Akten gereichte Vordrucke Bezug nehmen, weil sie für das erstinstanzliche Verfahren zwar Prozesskostenhilfe beantragt, aber ihre Bedürftigkeit nicht glaubhaft gemacht hatten.
Auf Unkenntnis oder einen mangelnden Hinweis des Senats auf dieses Erfordernis können sich die Kläger nicht berufen, denn der Senat hat sie mit Schreiben vom 26. Juni 2017 unter Beifügung der PKH-Formulare darauf hingewiesen, dass der Antrag nur zulässig ist, wenn innerhalb der Monatsfrist eine vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt wird. Die Kläger haben aber innerhalb der Frist weder die ausgefüllten Formulare vorgelegt noch vorgetragen, dass sie überhaupt bedürftig sind.
Es kann daher offen bleiben, ob die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein noch einzuleitendes Berufungszulassungsverfahren auch bei einem nicht anwaltlich vertretenen Kläger voraussetzt, dass dieser zumindest einen Zulassungsgrund in groben Zügen darlegt (vgl. OVG NRW, B.v. 14.1.2013 – 16 A 2690/12 – juris Rn. 4 m.w.N.). Das Bundesverwaltungsgericht geht insoweit davon aus, dass sich aus der innerhalb der Begründungsfrist vorgelegten Begründung des Prozesskostenhilfegesuchs das Vorliegen eines Zulassungsgrundes zumindest in groben Zügen erkennen lassen muss (BVerwG, B.v. 4.5.2011 – 7 PKH 9/11 – juris Rn. 2; a.A. Seibert in Sodan/Ziekow, VwGO, 4. Aufl. 2014, § 124a, Rn. 233 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124a Rn. 52 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO 21. Aufl. 2015, § 124a Rn. 42 m.w.N.).
Diese Entscheidung, für die keine Kosten erhoben werden, ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).

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