Arbeitsrecht

Rechtswirksamkeit Befristung – Vergütung aus Annahmeverzug

Aktenzeichen  2 Sa 30/20

Datum:
17.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Thüringer Landesarbeitsgericht 2. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:LAGTH:2022:0217.2SA30.20.00
Normen:
§ 2 Abs 2 WissZeitVG
§ 14 Abs 2 TzBfG
§ 242 BGB
Spruchkörper:
undefined

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Erfurt, 13. Dezember 2019, 8 Ca 1037/19, Urteilanhängig BAG, kein Datum verfügbar, 7 AZN 275/22

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 13.12.2019 – 8 Ca 1037/19 – abgeändert.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der am 29.05.2017 vereinbarten Befristung zum 31.05.2019 beendet ist.
2. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a) für Juni 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 587,86 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.07.2019 zu zahlen.
b) für Juli 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.08.2019 zu zahlen.
c) für August 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.09.2019 zu zahlen.
d) für September 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 1.427,66 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.10.2019 zu zahlen.
e) für Oktober 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.11.2019 zu zahlen.
f) für November 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.12.2019 zu zahlen.
g) für Dezember 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.01.2020 zu zahlen.
h) für Januar 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.02.2020 zu zahlen.
i) für Februar 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.03.2020 zu zahlen.
j) für März 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.04.2020 zu zahlen.
k) für April 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.05.2020 zu zahlen.
l) für Mai 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.06.2020 zu zahlen.
m) für Juni 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.07.2020 zu zahlen.
n) für Juli 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.08.2020 zu zahlen.
o) für August 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.09.2020 zu zahlen.
p) für 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.10.2020 zu zahlen.
q) für 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.11.2020 zu zahlen.
r) für 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.12.2020 zu zahlen.
s) für 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.01.2021 zu zahlen.
t) für 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.02.2021 zu zahlen.
u) für 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.03.2021 zu zahlen.
3. Die Kosten des Rechtsstreites hat der Beklagte zu tragen.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit einer Befristung und Vergütung aus Annahmeverzug.
Der Kläger absolvierte vom 01.10.2002 bis 31.03.2012 ein Promotionsstudium an der Technischen Universität (TU) Ilmenau, Fachrichtung Elektro- und Informationstechnik, das er am 23.06.2011 abschloss. Er war vom 01.10.2001 bis 31.07.2002 als Stipendiat, ab 01.10.2002 im Rahmen eines Forschungsaufenthaltes, vom 01.08.2004 bis 31.07.2005 im Rahmen eines Industrieforschungsprojektes und vom 22.05.2006 bis 31.05.2019 aufgrund befristeter Arbeitsverträge als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU Ilmenau beschäftigt. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verträge:

Vertrag
Dauer 
Vereinbarter Beschäftigungsgrund und Beschäftigungsumfang
19.05.2006
22.05.2006 – 31.12.2006
§§ 57a – 57 f. HRG; 50 v.H.
Verlängerungsvertrag ohne Datum
bis 21.05.2008
24.05.2007
01.06.2007 – 31.05.2008
WissZeitVG; 75 v.H.
28.09.2007
01.10.2007 – 31.05.2008
WissZeitVG; 25 v.H.
15.05.2008
01.06.2008 – 31.01.2009
WissZeitVG; 50 v.H.
28.11.2008
01.12.2008 – 31.07. 2009
WissZeitVG; Vollzeit
24.07.2009
Verlängerung bis 30.11.2009
26.11.2009
01.12.2009 – 31.03.2010
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; 75 v.H.
18.03.2010
01.04.2010 – 30.06.2010
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; 50 v.H.
29.06.2010
01.07.2010 – 30.09.2010
WissZeitVG; 25 v.H.
27.09. 2010
01.10.2010 – 31.03.2011
WissZeitVG; 25 v. H.
18.03.2011
01.04. 2011 – 31.12.2011
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; 50 v.H.
28.06.2011
ab 01.07.2011
Vollzeit
15.08.2011
01.01.2012 – 30.08.2012
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; 75 v.H.
24.04.2012
01.05.2012 – 31.08.2012
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; Vollzeit
26.07.2012
01.09.2012 – 30.11.2012
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; Vollzeit
27.08.2012
01.12.2012 – 31.12.2012
WissZeitVG; Vollzeit
27.09.2012
01.01.2013 – 31.07.2014
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; Vollzeit
08.07.2014
01.08.2014 – 31.01.2015
WissZeitVG; Vollzeit
26.01.2015
01.02.2015 – 30.09.2015
WissZeitVG; Vollzeit
18.06.2015
Verlängerung bis 31.03.2016
13.11.2015
01.10.2015 – 31.12.2015
anderes Projekt
11.02.2016
12.02.2016 bis 31.12.2016
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; Vollzeit
25.11.2016
01.01.2017 – 31.03.201701.04.2017 bis 30.06.2017
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; 75 v.H.§ 2 Abs. 1 WissZeitVG; 75 v.H.
29.05.2017
01.06.2017 bis 31.05. 2019
§ 2 Abs. 2 WissZeitVG; Vollzeit

Die A GmbH, Projektträger des BMWi, bewilligte auf Antrag des Beklagten vom 27.02.2017 mit Bescheid vom 09.05.2017 (Bl. 65 ff. d. A.) für den Zeitraum vom 01.06.2017 bis zum 31.05.2019 Zuwendungen aus dem Bundeshaushalt für das Projekt “Entwicklung und Bau eines Multisensorsystems zur Überwachung und Regelung des Innenraumklimas (kurz: Musik-Unit 14.0); Entwicklung eines Sensors zur Bestimmung der Feinstaubkonzentrationen verschiedener Partikelgrößen“. Der Kläger war während des zuletzt geschlossenen befristeten Arbeitsvertrages in diesem Projekt tätig, nachdem er zuvor am 17.05.2017 die Beschäftigung in diesem Projekt beantragt hatte (Bl. 170 ff. d. A.).
Der Kläger erhielt ausweislich der Abrechnung für Mai 2019 (Bl. 203 d. A.) ein monatliches Tabellenentgelt i.H.v. 5.816,70 € brutto. Er bezog von Juni 2019 bis einschließlich August 2020 Arbeitslosengeld i.H.v. monatlich 2.519,40 € (Bl. 200 d. A.), außer im Juni und September 2019. Im Juni betrug das Arbeitslosengeld 587,86 € und im September 1.427,66 €. Der Kläger ist seit September 2021 bei der Firma MKP GmbH mit einer monatlichen Bruttovergütung i.H.v. 4.500,00 € beschäftigt.
Der Kläger hat sich mit der am 20.06.2019 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Befristung gewandt.
Wegen des erstinstanzlichen Vortrags der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung (Bl. 107 ff. d. A.) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, die Voraussetzungen für eine Befristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG lägen vor. Die Beschäftigung des Klägers sei überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert worden, die Finanzierung sei für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer bewilligt worden und der Kläger sei überwiegend entsprechend der Zweckbestimmung dieser Mittel beschäftigt worden. Die Befristung erweise sich auch nicht als rechtsmissbräuchlich. Die vom Bundesarbeitsgericht für Sachgrundbefristungen entwickelten Grundsätze des institutionellen Rechtsmissbrauchs seien bei Befristungen nach dem Wissenschaftszeitvertragsgesetz grundsätzlich nicht anzuwenden, weil sich die zeitlichen Grenzen für den Abschluss befristeter Verträge in diesen Fällen aus den Sonderregelungen des § 2 Abs. 1 oder Abs. 2 WissZeitVG ergäben, die ihrerseits durch die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre gerechtfertigt seien.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 109 ff. d. A.) verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 23.01.2020 zugestellte Urteil am 20.02.2020 Berufung eingelegt und die Berufung am 23.04.2020 begründet, nach dem die Berufungsbegründungsfrist auf den am 20.03.2020 eingegangenen Antrag bis zum 23.04.2020 verlängert worden war.
Der Kläger hält die Befristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG für unwirksam und meint, Befristungsdauer und Bewilligungszeitraum der Drittmittel würden sich nicht decken. Darüber hinaus handle sich um unzulässige „Kettenbefristungen“. Auch die auf den Sachgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG gestützten Befristungen im Hochschulbereich könnten rechtsmissbräuchlich sein. Er habe im Zeitraum vom 22.05.2006 bis 31.05.2019 elf Forschungsprojekte bearbeitet und damit über 13 Jahre und 26 Vertragsverlängerungen hinweg gleichartige Tätigkeiten ausgeübt. Er sei bereits bis zum Einreichen seiner Promotion 2011 in fünf unterschiedlichen Projekten beschäftigt gewesen. Die Projektforschung habe seine Tätigkeit bereits in diesem Zeitraum maßgeblich geprägt. Die Promotion sei überwiegend in der Freizeit vorangebracht worden. Zudem habe kein Zusammenhang zwischen dem Promotionsthema und den Projektthemen bestanden. Die Projektthemen seien ganz andere gewesen.
Der Kläger ist der Auffassung, soweit die Befristung im Arbeitsvertrag vom 25.11.2016 für den Zeitraum vom 01.04.2017 bis 30.06.2017 auf § 2 Abs. 1 Satz 1 WissZeitVG gestützt werde, hätten die Voraussetzungen hierfür schon damals nicht vorgelegen. Offensichtlich habe zwischen der ersten Befristung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG vom 01.01.2017 bis 31.03.2017 eine Lücke zu der sich am 01.06.2017 anschließenden drittmittelfinanzierten Projektbefristung bestanden, die habe geschlossen werden sollen. Er habe sich jedenfalls in dieser Zeit nicht in einer Qualifizierung befunden.
Der Kläger macht klageerweiternd Annahmeverzugsvergütung für den Zeitraum von Juni 2019 bis einschließlich Februar 2021 geltend.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 13.12.2019 abzuändern.
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung
vom 29.05.2017 zum 31.05.2019 beendet wurde.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger
a. für Juni 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 587,86 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.07.2019 zu zahlen.
b. für Juli 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.08.2019 zu zahlen.
c. für August 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.09.2019 zu zahlen.
d. für September 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 1.427,66 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.10.2019 zu zahlen.
e. für Oktober 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.11.2019 zu zahlen.
f. für November 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.12.2019 zu zahlen.
g. für Dezember 2019 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.01.2020 zu zahlen.
h. für Januar 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.02.2020 zu zahlen.
i. für Februar 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.03.2020 zu zahlen.
j. für März 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.04.2020 zu zahlen.
k. für April 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.05.2020 zu zahlen.
l. für Mai 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.06.2020 zu zahlen.
m. für Juni 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.07.2020 zu zahlen.
n. für Juli 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.08.2020 zu zahlen.
o. für August 2020 5.750 EUR brutto abzgl. gezahlten Arbeitslosengeldes i. H. v. 2.519,40 EUR, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.09.2020 zu zahlen.
p. 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.10.2020 zu zahlen.
q. 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.11.2020 zu zahlen.
r. 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.12.2020 zu zahlen.
s. 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.01.2021 zu zahlen.
t. 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.02.2021 zu zahlen.
u. 5.750 EUR brutto abzgl. erhaltenem Zwischenverdienst i. H. v. 4.500 EUR brutto, zzgl. Zinsen i. H. v. 5 Prozentpunkten über den Basiszinssatz ab dem 01.03.2021 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt vom 13.12.2019 unter Abweisung der Klageerweiterung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Er ist der Auffassung, die Befristung im hier maßgeblichen zuletzt geschlossenen Arbeitsvertrag vom 29.05.2017 beruhe auf dem Sachgrund der Drittmittelfinanzierung nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG. Der Kläger sei zweckentsprechend beschäftigt worden unter Berücksichtigung der zulässigen Befristungsdauer. Folgerichtig könne diesem Vertrag kein rechtsmissbräuchlicher Charakter beigemessen werden. Eine Rechtsmissbräuchlichkeit ergäbe sich auch nicht aus der Dauer der Befristung in Verbindung mit der Anzahl der befristeten Arbeitsverträge. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum institutionellen Rechtsmissbrauch, der sich aus der Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses und der Anzahl der Vertragsverlängerung ergeben könne, finde im Wissenschaftsbereich aufgrund des Vorrangs der gesetzlichen Sonderbestimmungen keine Anwendung. Die Befristung der bis zum Jahr 2016 geschlossenen Arbeitsverträge sei ausweislich der dem Gericht vorliegenden Arbeitsverträge nach § 57 HRG bzw. § 2 Abs. 1 WissZeitVG erfolgt. Es habe jedenfalls vor 2016 viele Verträge gegeben, die nicht auf die Drittmittelfinanzierung gestützt worden seien. Der Kläger habe sich, auch wenn er im Rahmen von drittmittelfinanzierten Projekten beschäftigt gewesen sei, aktiv qualifiziert, jedenfalls bis zu seiner Promotion im Jahr 2011, belegt und dokumentiert durch die am 23.06.2011 vollzogene Promotion. Die Verträge vor der Promotion hätten daher der Qualifizierung gedient. Die Befristungen seien als Qualifizierungsbefristungen indiziert. Zudem habe es damals noch kein Zitiergebot dahingehend gegeben, dass zwischen § 2 Abs. 1 und Abs. 2 hätte unterschieden werden müssen.
Wegen der Einzelheiten des Parteivortrags wird auf den Inhalt der im Berufungsrechtszug zur Akte gereichten Schriftsätze und die in der Verhandlung am 17.02.2022 zu Protokoll gegebenen Erklärungen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die nach dem Beschwerdegegenstand an sich statthafte, form- sowie fristgerecht eingelegte und damit insgesamt zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Erfurt ist begründet. Die im Arbeitsvertrag vom 29.05.2017 vereinbarte Befristung erweist sich als rechtsunwirksam. Der Kläger hat Anspruch auf Annahmeverzugsvergütung.
I. Das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis wurde nicht aufgrund der am 29.05.2017 vereinbarten Befristung zum 31.05.2019 beendet.
1. Die Befristungskontrollklage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt gem. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die angegriffene Befristung ist konkret bezeichnet. Der Kläger wendet sich gegen die letzte Befristungsvereinbarung im Arbeitsvertrag vom 29.05.2017, nach der das Arbeitsverhältnis am 31.05. 2019 enden soll.
2. Die Befristung gilt nicht bereits nach § 17 Satz 2 TzBfG in Verbindung mit § 7 Halbsatz 1 KSchG als wirksam, denn der Kläger hat die Rechtsunwirksamkeit der Befristung mit der am 20.06.2019 beim Arbeitsgericht innerhalb der Klagefrist des § 17 Satz 1 TzBfG eingegangenen Klage rechtzeitig geltend gemacht.
3. Das Arbeitsgericht hat zutreffend festgestellt, die Befristungsvoraussetzungen des § 2 Abs. 2 WissZeitVG für den letzten hier maßgeblichen Arbeitsvertrag vom 29.05.2017 seien gegeben. Der Anwendungsbereich des § 2 WissZeitVG ist für den Kläger, der dem wissenschaftlichen Personal einer durch Landesrecht anerkannten Hochschule zuzuordnen ist, gem. § 1 Abs. 1 WissZeitVG eröffnet. Die Beschäftigung des Klägers wurde überwiegend aus Mitteln Dritter finanziert. Die Finanzierung erfolgte für eine bestimmte Aufgabe und Zeitdauer. Der Kläger wurde überwiegend der Zweckbestimmung dieser Mittel entsprechend beschäftigt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die zutreffenden Ausführungen des Arbeitsgerichts in den Gründen der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Der Kläger hat hiergegen im Berufungsrechtszug keine rechtserheblichen Einwendungen vorgebracht.
4. Die Befristung erweist sich jedoch entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs als unwirksam.
a) Die Gerichte dürfen sich bei der Befristungskontrolle nicht auf die Prüfung des geltend gemachten Sachgrundes beschränken. Sie sind vielmehr aus unionsrechtlichen Gründen verpflichtet, auch bei Vorliegen eines Sachgrundes für die Befristung durch Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls auszuschließen, dass Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgreifen. Dies gilt auch bei einer auf § 2 Abs. 2 WissZeitVG gestützten Befristung. Auch dabei handelt es sich – im Gegensatz zur Befristung nach § 2 Abs. 1 WissZeitVG – um eine Sachgrundbefristung. Diese zusätzliche Prüfung ist im deutschen Recht nach den Grundsätzen des institutionellen Rechtsmissbrauchs (§ 242 BGB) vorzunehmen (BAG 8. Juni 2016 – 7 AZR 259/14 – juris, m.w.N.).
aa) Die Prüfung, ob der Arbeitgeber missbräuchlich auf befristete Arbeitsverträge zurückgegriffen hat, verlangt eine Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Von besonderer Bedeutung sind die Gesamtdauer der befristeten Verträge sowie die Anzahl der Vertragsverlängerungen. Ferner ist zu berücksichtigen, ob der Arbeitnehmer stets auf demselben Arbeitsplatz mit denselben Aufgaben beschäftigt wurde oder ob es sich um wechselnde, ganz unterschiedliche Aufgaben handelt. Bei zunehmender Anzahl befristeter Verträge und Dauer der befristeten Beschäftigung eines Arbeitnehmers kann es eine missbräuchliche Ausnutzung der dem Arbeitgeber an sich rechtlich eröffneten Befristungsmöglichkeit darstellen, wenn er gegenüber einem bereits langjährig beschäftigten Arbeitnehmer trotz der tatsächlich vorhandenen Möglichkeit einer dauerhaften Einstellung immer wieder auf befristete Verträge zurückgreift. Zu berücksichtigen ist außerdem, ob die Laufzeit der Verträge zeitlich hinter dem prognostizierten Beschäftigungsbedarf zurückbleibt. Bei der Gesamtwürdigung können daneben weitere Gesichtspunkte eine Rolle spielen. Zu denken ist dabei etwa an die Zahl und Dauer von Unterbrechungen zwischen den befristeten Verträgen. Bei der Gesamtbeurteilung ist die Übereinstimmung des voraussichtlichen Beschäftigungsbedarfs und der vereinbarten Laufzeit des befristeten Vertrags als Indiz gegen einen Gestaltungsmissbrauch zu berücksichtigen. Daneben können grundrechtlich gewährleistete Freiheiten von Bedeutung sein. Außerdem sind die besonderen Anforderungen der in Rede stehenden Branchen und/oder Arbeitnehmerkategorien zu berücksichtigen, sofern diese objektiv gerechtfertigt ist (BAG 8. Juni 2016 – 7 AZR 259/14 – aaO, m.w.N.).
bb) Zur Bestimmung der Schwelle einer rechtsmissbräuchlichen Gestaltung von Sachgrundbefristungen kann an die gesetzlichen Wertungen in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG angeknüpft werden. Die Vorschrift macht eine Ausnahme von dem Erfordernis der Sachgrundbefristung und erleichtert damit den Abschluss von befristeten Verträgen bis zu der festgelegten Höchstdauer von 2 Jahren bei maximal dreimaliger Verlängerungsmöglichkeit. Sie kennzeichnet den nach Auffassung des Gesetzgebers unter allen Umständen unproblematischen Bereich. Ist ein Sachgrund nach § 14 Abs. 1 TzBfG gegeben, ist erst das erhebliche Überschreiten dieser Grenzwerte den Schluss auf eine missbräuchliche Gestaltung zu. Zumindest besteht hiernach bei Vorliegen eines die Befristung an sich rechtfertigenden Sachgrundes regelmäßig kein gesteigerter Anlass zur Missbrauchskontrolle, wenn die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG für die sachgrundlose Befristung bezeichneten Grenzen nicht um ein Mehrfaches überschritten sind (BAG 08. Juni 2016 – 7 AZR 259/14 – aaO, m.w.N.).
cc) Werden die Grenzen des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG alternativ oder kumulativ mehrfach überschritten, ist eine umfassende Missbrauchskontrolle geboten. Hiervon ist in der Regel auszugehen, wenn einer der Werte des § 14 Abs. 2 S. 1 TzBfG mehr als das Vierfache beträgt oder beide Werte das Dreifache übersteigen. Überschreitet also die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses 8 Jahre oder wurden mehr als 12 Verlängerungen des befristeten Arbeitsvertrags vereinbart, hängt es von weiteren, zunächst vom Kläger vorzutragenden Umständen ab, ob ein Rechtsmissbrauch anzunehmen ist. Gleiches gilt, wenn die Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses 6 Jahre überschreitet und mehr als 9 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden (BAG 17. Mai 2017 – 7 AZR 420/15 – juris m.w.N.).
dd) Werden die in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG genannten Grenzen alternativ oder kumulativ in besonders gravierenden Ausmaß überschritten, kann eine missbräuchliche Ausnutzung der an sich eröffneten Möglichkeit zur Sachgrundbefristung indiziert sein. Von einem indizierten Rechtsmissbrauch ist in der Regel auszugehen, wenn durch die befristeten Verträge einer der Werte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG um mehr als das Fünffache überschritten wird oder beide Werte mehr als das jeweils Vierfache betragen. Das bedeutet, dass ein Rechtsmissbrauch indiziert ist, wenn die Gesamtdauer des Arbeitsverhältnisses 10 Jahre überschreitet oder mehr als 15 Vertragsverlängerungen vereinbart wurden oder wenn mehr als 12 Vertragsverlängerungen bei einer Gesamtdauer von mehr als 8 Jahren vorliegen. In einem solchen Fall hat allerdings der Arbeitgeber die Möglichkeit, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besonderer Umstände zu entkräften (BAG 17. Mai 2017 – 7 AZR 420/15 – aaO, m.w.N.).
b) Nach diesen Grundsätzen liegt eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung vor.
aa) Ein institutioneller Rechtsmissbrauch ist unter Zugrundelegung einer fortlaufenden Beschäftigung des Klägers als wissenschaftlicher Mitarbeiter seit dem 22.05.2006 indiziert.
(1) Dies gilt bereits aufgrund der Anzahl der befristeten Arbeitsverträge, die das Fünffache der in § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG vorgesehenen Verlängerungsmöglichkeiten überschreitet. Die Parteien schlossen während der Beschäftigung des Klägers 25 Arbeitsverträge. Hiervon sind die Verträge vom 24.05.2007, 28.09.2007, 28.06.2011, 24.04.2012 und 13.11.2015, mithin fünf Verträge in Abzug zu bringen, da diese nur Arbeitszeitänderungen und/oder die Änderung des Projektes innerhalb der Laufzeit des bestehenden Vertrages und/oder eine geringfügige Vertragsverlängerung beinhalten. Im Ergebnis bleiben 20 berücksichtigungsfähige Verträge und damit sogar mehr als der sechsfache Wert nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG.
(2) Eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung ist zudem aufgrund der Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge seit dem 22.05.2006 von mehr als 13 Jahren indiziert. Dem steht der Umstand, dass die Beschäftigung vom 01.04.2017 bis 31.05.2017 auf § 2 Abs. 1 WissZeitVG beruhte, nicht entgegen. Denn es handelt sich hierbei lediglich um eine geringfügige „Unterbrechung der Befristungskette“ von zwei Monaten, die angesichts der Gesamtdauer des befristeten Arbeitsverhältnisses nicht ins Gewicht fällt.
(3) Das gilt selbst dann, wenn die vor Inkrafttreten des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes am 18.04.2007 geschlossenen Verträge zugunsten des Beklagten nicht berücksichtigt werden. Die Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge beläuft sich bei einem Beschäftigungsbeginn ab 01.06.2007 auf knapp 12 Jahre mit 19 Befristungen, so dass auch in diesem Fall die Grenzwerte des § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG in besonders gravierendem Ausmaß überschritten sind und damit eine rechtsmissbräuchliche Vertragsgestaltung indiziert ist.
bb) Der Beklagte hat die Indizwirkung nicht durch Darlegung besonderer Umstände entkräftet.
(1) Der Beklagte beruft sich ohne Erfolg darauf, alle Arbeitsverträge vor der Promotion 2011 hätten der Qualifizierung gedient. Dem steht schon entgegen, dass nur ein befristeter Arbeitsvertrag für zwei Monate vom 01.04.2017 bis 31.05.2017 auf Basis von § 2 Abs. 1 WissZeitVG geschlossen wurde.
Soweit der Beklagte pauschal vorträgt, bei den Verträgen, die nicht ausdrücklich nach § 2 Abs. 2 WissZeitVG geschlossen worden seien, sei die Qualifizierung indiziert, da der Kläger damals promoviert habe, ist dies nicht nachvollziehbar. Der Beklagte ist dem Vortrag des Klägers, es habe sich um Projektbeschäftigungen gehandelt, nicht substantiiert entgegengetreten. Die Tatsache, dass der Kläger möglicherweise auch bei einer Projektbeschäftigung nebenher an seiner Promotion arbeitete, bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Beschäftigung der Qualifizierung diente. Dies gilt umso mehr, als dass der Kläger bis zu seiner Promotion überwiegend teilzeitbeschäftigt war und somit durchaus die Möglichkeit hatte, in seiner Freizeit an seiner Promotion zu arbeiten. Zudem hat der Kläger unbestritten vorgetragen, die Projektthemen hätten mit dem Thema seiner Promotion in keinem Zusammenhang gestanden.
(2) Schriftsatznachlass war dem Beklagten hierzu nicht zu gewähren.
(a) Art. 103 Abs. 1 GG verbietet sogenannte Überraschungsentscheidungen. Die Parteien sollen Gelegenheit erhalten, sich zu den für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhalt, den Beweisergebnissen und den Rechtsauffassungen vor Erlass der Entscheidung zu äußern. Es kann der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt abstellt. Dabei ist allerdings zu beachten, dass das Gericht grundsätzlich weder zu einem Rechtsgespräch noch zu einem Hinweis auf seine Rechtsauffassung verpflichtet ist. Ein Verfahrensbeteiligter muss grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen, auch wenn die Rechtslage umstritten oder problematisch ist. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG ist nur anzunehmen, wenn ein Gericht ohne vorherigen Hinweis Anforderungen an den Sachvortrag stellt oder auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen braucht (BAG 06. Dezember 2017 – 6 AZN 770/17 – nv).
(b) Hiernach bedurfte es keines Hinweises des Gerichts auf seine Rechtsauffassung zum institutionellen Rechtsmissbrauch sowie der Vortragslast des Arbeitgebers. Das Arbeitsgericht hat die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 8. Juni 2016 – 7 AZR 259/14 – ausdrücklich in seinen Gründen herangezogen, den Inhalt dieser Entscheidung aber verkannt und falsch angewendet. Der Kläger hat in der Berufungsschrift seine andere Rechtsauffassung zum institutionellen Rechtsmissbrauch dargelegt. Ein gewissenhafter und kundiger Rechtsanwalt hätte auch ohne richterlichen Hinweis erkennen müssen, dass das Berufungsgericht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend anwendet. Hinzu kommt, dass der Beklagte das Urteil des Bundesarbeitsgerichts, in dem die Möglichkeit des Arbeitgebers aufgezeigt wird, die Annahme des indizierten Gestaltungsmissbrauchs durch den Vortrag besondere Umstände zu entkräften, in seiner Berufungsbeantwortung sogar selbst zitiert. Für einen Schriftsatznachlass besteht daher kein Raum.
II. Die mit der Klageerweiterung geltend gemachten Zahlungsansprüche sind begründet.
1. Der Beklagte schuldet dem Kläger Entgelt für die Zeit vom 01. Juni 2019 bis einschließlich Februar 2021 in unstreitiger Höhe von 5.750,00 € brutto abzgl. des erhaltenen Arbeitslosengeldes sowie der Vergütung aus dem inzwischen begründeten Arbeitsverhältnis aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzugs nach §§ 611, 615, 293 ff. BGB, § 11 Nr. 1, 3 KSchG.
2. Der Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 288, 284 BGB.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.


Ähnliche Artikel

Mobbing: Rechte und Ansprüche von Opfern

Ob in der Arbeitswelt, auf Schulhöfen oder im Internet – Mobbing tritt an vielen Stellen auf. Die körperlichen und psychischen Folgen müssen Mobbing-Opfer jedoch nicht einfach so hinnehmen. Wir klären Rechte und Ansprüche.
Mehr lesen

Das Arbeitszeugnis

Arbeitszeugnisse dienen dem beruflichen Fortkommen des Arbeitnehmers und helfen oft den Bewerbern in die engere Auswahl des Bewerberkreises zu gelangen.
Mehr lesen


Nach oben