Arbeitsrecht

Rückforderung von Beiträgen zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft – unwirksame AVE VTV 2014 – Verfassungsmäßigkeit des SokaSiG

Aktenzeichen  10 AZR 323/18

Datum:
22.1.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2020:220120.U.10AZR323.18.0
Normen:
§ 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB
§ 7 Abs 3 SokaSiG
Anl 28 SokaSiG
§ 1 Abs 1 VTV-Bau
§ 1 Abs 2 VTV-Bau
§ 1 Abs 3 S 1 Nr 1 VTV-Bau
§ 1 Abs 3 S 1 Nr 2 VTV-Bau
§ 15 Abs 2 S 1 VTV-Bau
§ 16 S 1 VTV-Bau
§ 18 Abs 1 S 1 VTV-Bau
§ 5 TVG
Art 9 Abs 3 GG
Art 20 Abs 2 S 2 GG
Art 20 Abs 3 GG
Art 2 Abs 1 GG
Art 3 Abs 1 GG
Art 19 Abs 1 S 1 GG
Art 1 Abs 3 GG
Spruchkörper:
10. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Wiesbaden, 9. August 2017, Az: 11 Ca 104/17, Urteilvorgehend Hessisches Landesarbeitsgericht, 6. April 2018, Az: 10 Sa 1273/17, Urteil

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 6. April 2018 – 10 Sa 1273/17 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Rückzahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft, die die Klägerin im Kalenderjahr 2014 leistete.
2
Der Beklagte zu 1. ist die Urlaubs- und Lohnausgleichskasse der Bauwirtschaft (ULAK), eine gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien in der Rechtsform eines Vereins mit eigener Rechtspersönlichkeit kraft staatlicher Verleihung. Er ist tarifvertraglich zum Einzug der Beiträge zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft verpflichtet. Bei der Beklagten zu 2. handelt es sich um die in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft organisierte Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes (ZVK-Bau). Sie gewährt zusätzliche Leistungen zu den gesetzlichen Renten. Seit dem 1. Januar 2010 zieht der Beklagte zu 1. neben seinen eigenen Beiträgen auch die Beiträge für die tarifliche Zusatzrente ein. Diese führt er an die Beklagte zu 2. ab.
3
Die Klägerin mit Sitz im baden-württembergischen S ist nicht Mitglied eines der die Verfahrenstarifverträge schließenden Verbände. Sie unterhielt im Streitzeitraum einen Gewerbebetrieb, in dem arbeitszeitlich überwiegend Bautätigkeiten iSd. Verfahrenstarifverträge ausgeführt wurden. Im Kalenderjahr 2014 entrichtete sie auf der Grundlage des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 3. Mai 2013 idF vom 3. Dezember 2013 (VTV 2013 II) an den Beklagten zu 1. Sozialkassenbeiträge.
4
Der Senat hat festgestellt, dass die Allgemeinverbindlicherklärung des VTV 2013 II unwirksam ist (BAG 21. September 2016 – 10 ABR 48/15 – BAGE 156, 289).
5
Die Klägerin hat behauptet, dass sie im Beitragsjahr 2014 insgesamt Beiträge iHv. 108.448,60 Euro gezahlt und Erstattungen iHv. 66.252,74 Euro erhalten habe. In Höhe der Differenz, so hat sie gemeint, seien die insoweit gesamtschuldnerisch haftenden Beklagten ungerechtfertigt bereichert. Sie habe die Beiträge ohne rechtlichen Grund geleistet, weil sie nicht an den VTV 2013 II gebunden gewesen sei. Das Gesetz zur Sicherung der Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 16. Mai 2017 (SokaSiG) verstoße gegen das Verbot rückwirkender Gesetze und sei weder mit der Koalitionsfreiheit noch mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar. Zudem stelle es ein unzulässiges Einzelfallgesetz dar, das den Grundsatz der Gewaltenteilung verletze.
6
Zuletzt hat die Klägerin beantragt,
        
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 42.195,86 Euro nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 13. Dezember 2016 zu zahlen.
7
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen. Sie haben gemeint, die Beklagte zu 2. sei nicht passivlegitimiert. Rückforderungsansprüche bestünden auch gegenüber dem Beklagten zu 1. nicht. Die Klägerin habe die Beiträge mit Rechtsgrund geleistet, weil die Verfahrenstarifverträge in der jeweiligen Fassung nach § 7 SokaSiG kraft Gesetzes anzuwenden seien.
8
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin den Rückzahlungsanspruch weiter.


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