Arbeitsrecht

Sachgrundlose Befristung – Höchstdauer – Dienstreise – Verlängerung

Aktenzeichen  7 AZR 212/20

Datum:
28.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BAG
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BAG:2021:280421.U.7AZR212.20.0
Spruchkörper:
7. Senat

Verfahrensgang

vorgehend ArbG Düsseldorf, 22. März 2019, Az: 13 Ca 5609/18, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf, 21. Februar 2020, Az: 10 Sa 252/19, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Februar 2020 – 10 Sa 252/19 – insoweit aufgehoben, als die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2019 – 13 Ca 5609/18 – zurückgewiesen wurde.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. März 2019 – 13 Ca 5609/18 – abgeändert, soweit der Klage stattgegeben wurde.
Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.
2
Der Kläger bewarb sich im Juli 2016 auf eine von dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgeschriebene Stelle als Anhörer in der Vorbereitung von Asylentscheidungen am Standort D. Die Beklagte teilte ihm mit E-Mail vom 24. August 2016 mit, dass er für eine Einstellung vorgesehen sei. Die E-Mail lautet auszugsweise:
        
„Es ist beabsichtigt, Sie – vorbehaltlich der Vorlage eines Führungszeugnisses ohne Eintrag sowie der Zustimmung aller zu beteiligenden Gremien – zum 05.09.2016 bis zum 04.03.2017 als Anhörer beim Bundesamt einzustellen. Es handelt sich um einen auf sechs Monate befristeten Arbeitsvertrag der Entgeltgruppe E12 TVöD des Bundes.
        
Sie sind für einen Einsatz in der Außenstelle D des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vorgesehen. Bitte teilen Sie uns bis zum 27.08.2016 per Mail mit, ob Sie die angebotene Stelle annehmen möchten.
        
Vor Beginn der Tätigkeit werden Sie durch entsprechende Schulungen gezielt auf die zukünftige Tätigkeit vorbereitet. Die Qualifizierungszeit beträgt etwa drei Wochen.
        
Bitte kommen Sie zur Unterzeichnung Ihres Arbeitsvertrages am 29.08.2016 um 13:00 Uhr an folgende Adresse: …
        
Vor Beginn der Tätigkeit werden Sie durch eine entsprechende Schulung gezielt auf die zukünftige Tätigkeit vorbereitet.
        
Bitte melden Sie sich für Ihre Schulung am 05.09.2016 um 9:00 Uhr.
        
Art der Schulung: Qualifizierung Anhörer
        
Ort: Qualifizierungszentrum N
        
…       
        
Sie erhalten für die gesamte Dauer Ihrer Schulung ggf. eine amtlich unentgeltliche Unterkunft (Einzelzimmer) einschließlich Frühstück. Wir bitten Sie, ein Hotel aus beiliegender Hotelübersicht (in Mail als Anhang enthalten) zu wählen und selbst zu buchen. Bitte beachten Sie das beigefügte Merkblatt.
        
…       
        
Eventuelle Reisekosten werden Ihnen im Rahmen der Möglichkeiten des Bundesreisekostengesetzes ebenfalls erstattet. Nähere Informationen erhalten Sie bei Ihrem Einstellungstermin. Bitte bringen Sie alle vorab erhaltenen Unterlagen ausgefüllt mit.“
3
Mit E-Mail vom 25. August 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er das Angebot annehme. Am 29. August 2016 unterzeichnete der Kläger den von einem Vertreter der Beklagten bereits am 24. August 2016 unterschriebenen Arbeitsvertrag. Dieser lautet auszugsweise:
        
„§ 1   
        
Herr P
        
wird ab 05.09.2016
        
☒ als Vollzeitbeschäftigte/r befristet eingestellt.
        
…       
        
Das Arbeitsverhältnis wird befristet
        
☒ ohne sachlichen Grund (§ 14 Abs. 2 TzBfG) bis zum 04.03.2017.
        
…       
        
        
        
        
        
§ 2     
        
Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD), den besonderen Regelungen für die Verwaltung (TVöD – Besonderer Teil Verwaltung), dem Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten des Bundes in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-Bund) und die diese ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in der für den Bereich des Bundes jeweils geltenden Fassung.
        
…       
        
§ 4     
        
Der Tarifbeschäftigte ist in die Entgeltgruppe E12 TVöD, Stufe 1 eingruppiert.
        
Der Arbeitgeber ist berechtigt, den Beschäftigten aus dienstlichen Gründen eine andere Tätigkeit im Rahmen der Entgeltgruppe zuzuweisen.
        
…       
        
§ 6     
        
Änderungen und Ergänzungen des Arbeitsvertrages einschließlich von Nebenabreden sowie Vereinbarungen weiterer Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden. Dies gilt auch für die Abbedingung des Schriftformerfordernisses.“
4
Mit einer E-Mail vom 3. September 2016 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er vom 4. September 2016 bis zum 13. September 2016 ein Hotelzimmer am Schulungsort N reserviert habe und mit dem Omnibus nach N anreise. Zugleich bat er um Übernahme der Anreise- sowie der Übernachtungskosten. Er reiste am Sonntag, dem 4. September 2016, mit dem Bus zum Schulungsort in N und übernachtete dort in dem gebuchten Hotel. Ab dem 5. September 2016 nahm er an der dreiwöchigen Schulung für die Tätigkeit als Anhörer im Asylverfahren teil. Mit E-Mail vom 5. September 2016 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie werde dem Hotel eine Kostenübernahmeerklärung übersenden. In der E-Mail heißt es weiter auszugsweise:
        
„Die Fahrtkosten müssen Sie separat beim BVA über die Reisekostenabrechnung anfordern.“
5
Auf entsprechenden Antrag des Klägers übernahm die Beklagte die Kosten für die Anreise zur Schulung.
6
Im Anschluss an die Schulung wurde der Kläger als Anhörer im Asylverfahren in der Außenstelle D beschäftigt. Mit Schreiben vom 6. Februar 2017 lud die Beklagte den Kläger zur Teilnahme an der „Aufschulung vom/von Anhörer/in zum/zur Entscheider/in (Schulungsthema Bescheiderstellung), für „EI-Personal“ für den Zeitraum vom 20. bis zum 24. Februar 2017 ein. Mit einem schriftlichen Vertrag vom 3./7. Februar 2017 vereinbarten die Parteien folgende Änderung des Arbeitsvertrags vom 24./29. August 2016:
        
„Die unter § 1 des o.g. Arbeitsvertrages genannte Vertragslaufzeit wird gem. § 14 Abs. 2 Satz 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz ohne sachlichen Grund verlängert und befristet bis zum 04.09.2018.“
7
Im Anschluss an die erfolgreiche Teilnahme an der Aufbauschulung wurde der Kläger von der Beklagten als Entscheider in D eingesetzt.
8
Mit seiner am 24. September 2018 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 2. Oktober 2018 zugestellten Klage hat der Kläger die Unwirksamkeit der im Änderungsvertrag vom 3./7. Februar 2017 vereinbarten Befristung sowie die vorläufige Weiterbeschäftigung geltend gemacht. Er hat die Ansicht vertreten, die nach § 14 Abs. 2 TzBfG zulässige zweijährige Höchstbefristungsdauer sei überschritten. Sein Arbeitsverhältnis habe bereits am 4. September 2016 mit der Anreise zum Schulungsort in N begonnen. Mit dem Antritt der Dienstreise habe er sich den Anweisungen der Beklagten unterstellt und am Dienstreisetag nicht über seine Freizeit verfügen können, sondern vertraglich geschuldete Arbeitsleistung erbracht. Ferner sei der Ausgangsvertrag im Februar 2017 nicht lediglich verlängert worden, da die Parteien zugleich eine Änderung der Arbeitsbedingungen vom Anhörer zum Entscheider vereinbart hätten. Außerdem sei seine Beschäftigung ohne Zustimmung der Personalvertretung erfolgt.
9
Der Kläger hat – soweit für die Revision von Bedeutung – zuletzt beantragt,
        
1.    
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der Befristungsvereinbarung im Änderungsvertrag vom 7. Februar 2017 nicht am 4. September 2018 endete,
        
2.    
die Beklagte zu verurteilen, ihn als Tarifbeschäftigten weiterzubeschäftigen.
10
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Befristung des Arbeitsvertrags zum 4. September 2018 sei ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 TzBfG wirksam. Das Arbeitsverhältnis habe erst am 5. September 2016 begonnen. Veränderte Arbeitsbedingungen seien im Februar 2017 nicht vereinbart worden, sie habe lediglich von dem ihr zustehenden Direktionsrecht Gebrauch gemacht.
11
Das Arbeitsgericht hat der Klage – soweit sie in der Revision noch anhängig ist – stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten insoweit zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt die Beklagte ihr Ziel der vollständigen Klageabweisung weiter.


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