Aktenzeichen 7 AZR 452/17
Leitsatz
Nach Ablauf von 22 Jahren seit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses kann bei der erneuten Einstellung des Arbeitnehmers bei demselben Arbeitgeber in der Regel eine Befristung ohne Sachgrund vereinbart werden. In einem solchen Fall ist es geboten, § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG in verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift nicht anzuwenden, soweit nicht besondere Umstände vorliegen, die die Anwendung des Verbots dennoch gebieten könnten.
Verfahrensgang
vorgehend ArbG Neumünster, 15. Juni 2016, Az: 1 Ca 358 b/16, Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, 27. Juli 2017, Az: 4 Sa 221/16, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27. Juli 2017 – 4 Sa 221/16 – aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Neumünster vom 15. Juni 2016 – 1 Ca 358 b/16 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat auch die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses aufgrund einer sachgrundlosen Befristung.
2
Zwischen den Parteien bestand in der Zeit vom 22. Oktober 1991 bis zum 30. November 1992 ein Arbeitsverhältnis. Ausweislich des schriftlichen Arbeitsvertrags vom 31. Oktober 1991 war die Klägerin als Aushilfsangestellte zur Vertretung beim Arbeitsamt N eingestellt. Ihr war laut Verfügung vom 31. Oktober 1991 eine Tätigkeit als Hilfsbearbeiterin für Kindergeld zugewiesen. Nach dem im Jahre 1993 ausgestellten Zeugnis gehörten zu den Aufgaben der Klägerin die entscheidungsreife Bearbeitung von Kindergeldanträgen, einfacher Schriftverkehr insbesondere durch die Verwendung von Formblättern sowie die Erteilung von telefonischen Auskünften in Kindergeldangelegenheiten.
3
Mit Wirkung zum 15. Oktober 2014 stellte die Beklagte die Klägerin erneut auf der Grundlage eines Arbeitsvertrags vom 1. Oktober 2014 zunächst befristet bis zum 30. Juni 2015 ein. Durch Änderungsvereinbarung vom 3. Juni 2015 wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 30. Juni 2016 verlängert. Die Klägerin übte eine Tätigkeit als Telefonserviceberaterin im Servicecenter aus.
4
Mit ihrer am 21. März 2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 24. März 2016 zugestellten Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung zum 30. Juni 2016 geltend gemacht und die Auffassung vertreten, die Befristung sei wegen ihrer Vorbeschäftigung nicht nach § 14 Abs. 2 TzBfG gerechtfertigt.
5
Die Klägerin hat – soweit für die Revision von Interesse – beantragt
festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis vom 1. Oktober 2014 / 3. Juni 2015 nicht aufgrund der Befristung mit Ablauf des 30. Juni 2016 geendet hat.
6
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, das frühere Arbeitsverhältnis stehe einer Befristung ohne Sachgrund nach § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG nicht entgegen, da das Ende des vorangegangenen Arbeitsverhältnisses bei der erneuten Einstellung ca. 22 Jahre zurückgelegen habe. Auch sei die Tätigkeit der Klägerin im Rahmen des ersten Arbeitsverhältnisses sowohl inhaltlich als auch ihrer Art nach anders gewesen als im Rahmen des sachgrundlos befristeten Arbeitsverhältnisses. Die Anwendung des Verbots der sachgrundlosen Befristung nach einer Vorbeschäftigung sei daher im vorliegenden Fall unzumutbar.
7
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landesarbeitsgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit ihrer Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.