Arbeitsrecht

Ungültigkeit der Wahl zum Personalrat wegen Zurückweisung des Wahlvorschlags “simply the best”

Aktenzeichen  AN 8 P 16.01127

Datum:
20.9.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
BayPVG BayPVG Art. 24 Abs. 1 S. 1, 25, Art. 25
WO-BayPVG WO-BayPVG § 8 Abs. 8

 

Leitsatz

Die Wahl zum Personalrat wurde für die Gruppe der Arbeitnehmer für ungültig erklärt, weil ein mit dem Kennwort “simply the best” versehener Wahlvorschlag zu Unrecht zurückgewiesen wurde und ein Einfluss auf das Wahlergebnis bei einem so erheblichen Verstoß gegen das Wahlverfahren vermutet wird. (redaktioneller Leitsatz)
Das Kennwort “simply the best” für einen Wahlvorschlag ist zulässig. Weder werden damit andere Wahlvorschläge herabgewürdigt noch ist diese Bezeichnung irreführend. Auch Beschäftigten, die der englischen Sprache nicht mächtig sind, ist diese Bezeichnung wegen des gleichnamigen Songs von Tina Turner verständlich. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Die Wahl zum Personalrat beim Universitätsklinikum … vom 14. Juni 2016 wird hinsichtlich der Gruppe der Arbeitnehmer für ungültig erklärt.
II.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
III.
Der Gegenstandswert beträgt 5.000 EUR.

Gründe

I.
Die Antragstellerinnen und die Beteiligten zu 1 und 2 streiten um die Zulassung eines Wahlvorschlages bei der Personalratswahl am Klinikum der Universität …
Zur Wahl zum Personalrat beim Universitätsklinikum …, einer Anstalt des öffentlichen Rechts, bewarben sich 48 wahlberechtigte Beschäftigte unter dem Kennwort „simply the best“. Der Wahlvorschlag wurde dazu zweifach und von 66 Unterstützern unterzeichnet dem Wahlvorstand am 21. März 2016 vorgelegt.
Der Wahlvorstand für die Personalratswahl 2016 reichte mit Schreiben vom selben Tag den zweiten Wahlvorschlag als ungültigen, weil gleichlautenden, Wahlvorschlag zurück. Hinsichtlich des ersten (gleichlautenden) Wahlvorschlages teilte er mit, dass er auch diesen Wahlvorschlag als ungültig erachte, denn die Bezeichnung „simply the best“ sei in englischer Sprache formuliert. Zudem impliziere diese Formulierung, dass die anderen eingereichten Wahlvorschläge minderwertig seien. Das Kennwort sei irreführend und herabsetzend.
In der Bekanntmachung der gültigen Wahlvorschläge vom 24. März 2016 ist dieser Wahlvorschlag demzufolge auch nicht aufgeführt. Mit Schreiben vom 29. März 2016 bestätigten die Prozessbevollmächtigten des Beteiligten zu 1, dass die Zurückweisung des Wahlvorschlages mit dem Kennwort „simply the best“ zutreffend erfolgt sei.
Einen Antrag vom 31. März 2016, im Wege einer einstweiligen Verfügung die Zurückweisung des Wahlvorschlages „simply the best“ aufzuheben, lehnte die Fachkammer des Verwaltungsgerichts Ansbach mit Beschluss vom 12. April 2016 (Az. AN 8 PE 16.00550) ab.
Mit Schreiben vom 28. Juni 2016 beantragten fünf wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen des Universitätsklinikums …, die Personalratswahl vom 14. Juni 2016 für ungültig zu erklären. Die Zurückweisung des Wahlvorschlages mit dem Kennwort „simply the best“ verstoße gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens im Sinne des Art. 25 BayPVG.
Sie beantragen bei der mündlichen Anhörung deshalb,
auf ihren Anfechtungsantrag hin werde die Wahl des Personalrates am Universitätsklinikum … vom 14. Juni 2016 hinsichtlich der Gruppe der Arbeitnehmer für unwirksam erklärt.
Die Beteiligten zu 1 und 2 beantragen,
den Antrag zurückzuweisen.
Der Wahlvorschlag verstoße insbesondere gegen § 8 Abs. 8 der Wahlordnung zum Bayerischen Personalvertretungsgesetz (WO-BayPVG) vom 12.12.1995, zuletzt geändert durch die Verordnung vom 13.4.2010 (GVBl. Seite 196). Mit der Steigerungsform, nicht nur gut, sondern allein die Besten zu sein, diskriminiere das Kennwort die anderen an der Wahl beteiligten Gruppierungen und Personen. Zudem sei die Fassung des Kennwortes in englischer Sprache nicht zulässig und die Aussage irreführend.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie auf die Verfahrensakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Die Fachkammer für Personalvertretungsrecht des Landes des Verwaltungsgerichts Ansbach ist zur Entscheidung berufen (Art. 81 Abs. 1, Art. 25, 82 Abs. 1 BayPVG).
Die Wahl zum Personalrat am Universitätsklinikum … am 14. Juni 2016 ist hinsichtlich der Gruppe der Arbeitnehmer für ungültig zu erklären, weil ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayPVG in Verbindung mit § 8 Abs. 8 WO-BayPVG und damit gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens vorliegt, eine Berichtigung nicht erfolgt ist und dieser Verstoß das Wahlergebnis auch beeinflussen konnte (Art. 25 Abs. 1 BayPVG).
Die Fachkammer legt den Antrag der Antragstellerinnen dahin aus, dass nicht die Unwirksamkeit der Personalratswahl, das wäre nur im Fall der Nichtigkeit der Wahl möglich, sondern, wie sich aus dem Wortlaut „Anfechtungsantrag“ und der Begründung zum Antrag ergibt, die Ungültigkeit der Wahl geltend gemacht werden soll. Bei der mündlichen Anhörung stellte der Antragstellervertreter darüber hinaus klar, dass sich die Wahlanfechtung nur auf die Gruppe der Arbeitnehmer beziehe.
Der so verstandene Antrag ist fristgemäß und auch sonst zulässig gestellt. Die Antragstellerinnen sind allesamt auch zum Zeitpunkt der Entscheidung der Fachkammer wahlberechtigt.
Der Antrag hat auch Erfolg, weil das Kennwort des zurückgewiesenen Wahlvorschlages im Sinne des § 8 Abs. 8 WO-BayPVG nicht unzulässig ist und durch die hierauf gestützte Zurückweisung des Wahlvorschlages die Wahl beeinflusst werden konnte (Art. 25 Abs. 1 BayPVG), soweit die Gruppe der Arbeitnehmer gewählt hat.
Die Fachkammer konnte hinsichtlich des streitgegenständlichen Wahlvorschlages keine über die geltend gemachten Einwendungen hinausgehenden Mängel feststellen.
Der Wahlvorschlag verstößt aber auch nicht deshalb gegen Art. 8 Abs. 8 WO-BayPVG, weil er fremdsprachig, diskriminierend, irreführend oder sonst unzulässig ist.
Gemäß Art. 24 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BayPVG darf niemand die Wahl des Personalrats behindern oder in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise beeinflussen. Insbesondere darf kein Wahlberechtigter in der Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts beschränkt werden. Diese Bestimmung richtet sich auch an den Wahlvorstand (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand Juli 2016, Art. 25 RdNr. 7 m. w. N.) und ist im Lichte der Ausstrahlungswirkung der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG auszulegen (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand Juli 2016, Art. 25 RdNr. 4a unter Hinweis auf BVerfG vom 24.2.1999 Az. 1 BvR 123/99).
Dem folgend ist eine Wahlwerbung ebenso grundsätzlich zulässig wie die Verwendung eines Kennwortes für einen Wahlvorschlag (§ 8 Abs. 8 WO-BayPVG), soweit hierdurch die Grenze zur unzulässigen Wahlbeeinflussung nicht überschritten wird, etwa weil auf die Entscheidungsfreiheit der Wähler in irreführender oder sonst sittenwidriger Weise Einfluss genommen werden soll (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand Juli 2016, Art. 25 RdNr. 12 m. w. N.).
Diese Voraussetzungen sind nach Überzeugung der Fachkammer durch die Verwendung des Kennwortes „simply the best“ für den streitgegenständlichen Wahlvorschlag nicht gegeben.
Allein der Umstand, dass das Kennwort in englischer Sprache verfasst ist, macht den Wahlvorschlag nicht unzulässig. Der Einwand des Beteiligten zu 1, nicht alle Beschäftigten der Dienststelle seien der englischen Sprache mächtig, verfängt nicht, denn es geht gerade nicht um die einzelnen Worte „simply“ (deutsch: simpel – französisch: simple – Latein: simplex; jeweils für einfach), „the“ (englisch: der/die/das) und „best“ (deutsch: Beste). Die Fachkammer ist vielmehr der Auffassung, dass sich die Worte „simply the best“ als Titel des gleichnamigen Songs von Tina Turner als eigenständiger Begriff festgemacht haben und dieser Begriff in diesem Sinne auch allgemein verständlich ist.
Sie folgt der Auffassung der Antragstellerinnen auch darin, dass damit nicht eine Herabwürdigung der anderen Wahlvorschläge oder Kandidaten einhergeht, sondern vielmehr wahlberechtigte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angesprochen werden sollten, die ohne diese Kundgabe der wohl doch eher gefühlsmäßigen Selbsteinschätzung der Kandidaten dieses Wahlvorschlages nicht zu Wahl gegangen wären. Eine unzulässige Wahlbeeinflussung, etwa weil auf die Entscheidungsfreiheit der Wähler in irreführender oder sonst sittenwidriger Weise Einfluss genommen werde, ist darin nicht zu erkennen.
Aber auch eine Irreführung durch das verwendete Kennwort und dadurch eine darin liegende Gefahr der Wählertäuschung (siehe dazu BVerwG, U.v. 19.9.2012 Az. 6 A 7.11) ist nicht ersichtlich, denn das Kennwort verschleiert weder, wer den Wahlvorschlag eingereicht hat (VGH BW, B.v. 12.4.2001 Az. 15 S 940/05) noch täuscht es über die auf dem Wahlvorschlag genannten Personen.
Für ein sonst als sittenwidrig zu beurteilendes Verhalten gibt es keinerlei Anhaltspunkte (Ballerstedt/Schleicher/Faber, BayPVG, Stand Juli 2016, Art. 25 RdNr. 13). Solche wurden auch nicht substantiiert dargetan.
Die Zurückweisung des Wahlvorschlages war einer Berichtigung nicht zugänglich (siehe dazu BayVGH B.v. 1.7.1977 Az. 10 XVIII 76).
Mithin greift die Bestimmung des Art. 25 Abs. 1 letzter Halbsatz BayPVG, dass bei Vorliegen eines erheblichen Verstoßes gegen wesentliche Vorschriften des Wahlverfahrens, hier die Nichtzulassung eines gültigen Wahlvorschlages, kraft Gesetzes vermutet wird, dass das Wahlergebnis hierdurch beeinflusst oder geändert worden sein konnte (dazu BVerwG, B.v. 26.11.2008 BVerwGE 132, 276 = PersV 2009, 138). Tatsachen, die diese Vermutung ausräumen, konnten von der Fachkammer nicht festgestellt werden (BVerwG, B.v. 4.6.1959 Az. VII P 13.58), soweit die Gruppe der Arbeitnehmer betroffen ist.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (Art. 81 Abs. 2 BayPVG; § 80 Abs. 1 ArbGG und § 2 Abs. 2 GKG).
Auf Antrag war der Gegenstandswert festzusetzen (§ 33 Abs. 1 und 2 RVG). Er wird nach freiem Ermessen festgesetzt und beträgt in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte in der Regel 5.000,00 EUR (§ 23 Abs. 3 Satz 2 RVG).


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