Arbeitsrecht

Verlängerung der Tilgungsfrist durch „unbeachtliche“ Verurteilungen

Aktenzeichen  M 25 K 18.6074

Datum:
13.5.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 9745
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
StAG § 10 Abs. 1 S. 1 Nr. 5
StAG § 12a
BZRG § 51 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Einbürgerung, § 113 Abs. 5 VwGO.
Ein Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 StAG setzt u. a. voraus, dass der Ausländer nicht wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden ist (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG). Dies ist hier wegen der Verurteilungen des Klägers aus den Jahren 2007 und 2014 nicht der Fall.
Die Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Unbeachtlichkeit nach § 12a Abs. 1 StAG liegen nicht vor. Danach bleiben bei der Einbürgerung Verurteilungen zu einer Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen und Verurteilungen zu einer Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt und nach Ablauf der Bewährungszeit erlassen worden ist, außer Betracht. Bei mehreren Verurteilungen zu Geld- oder Freiheitsstrafen sind diese zusammenzuzählen, es sei denn, es wurde eine niedrigere Gesamtstrafe gebildet; treffen Geld- und Freiheitsstrafe zusammen, entspricht ein Tagessatz einem Tag Freiheitsstrafe. Übersteigt die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2, so wird im Einzelfall entschieden, ob diese außer Betracht bleiben kann.
Die Verurteilungen des Klägers bleiben nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG außer Betracht. Die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten auf Bewährung aus dem Jahre 2007 überschreitet bereits bei isolierter Betrachtung die in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG gezogene Beachtlichkeitsgrenze, und zwar um mehr als das Doppelte und daher nicht „geringfügig“. Weiterhin ist die – bei isolierter Betrachtung nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtliche – Verurteilung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen aus dem Jahre 2014 gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG hinzuzurechnen.
Beide Verurteilungen sind auch weiterhin – entgegen der Auffassung des Klägers – zu berücksichtigen. Nur Verurteilungen, die aus dem Bundeszentralregister getilgt oder zu tilgen sind, werden nicht berücksichtigt (NK-AuslR/Florian Geyer, 2. Aufl. 2016, StAG § 10 Rn. 22; HMHK/Hailbronner/Hecker, 6. Aufl. 2017, StAG § 10 Rn. 54). Erst ab Tilgung bzw. Tilgungsreife statuiert § 51 Abs. 1 BZRG ein Verwertungsverbot. Danach dürfen die Tat und die Verurteilung dem Betroffenen im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zu seinem Nachteil verwertet werden.
Ein früheres Verwertungsverbot ergibt sich nicht aus § 12a StAG. § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG regelt zwar unter welchen Umständen Verurteilungen außer Betracht bleiben, er begründet jedoch keine Ausnahme zu § 47 Abs. 3 BZRG oder führt zu einer vom Bundeszentralregister unterschiedlichen Tilgungsfrist im Bereich der Einbürgerung. Da auch „unbeachtliche“ Verurteilungen zu einer Verlängerung der Tilgungsfrist von vorangegangenen „beachtlichen“ Verurteilungen nach § 47 Abs. 3 BZRG führen, sind diese bis zum Eintritt der Tilgung bzw. Tilgungsreife auch nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG einbürgerungsschädlich (GK-StAR/Berlit, 5. Aufl. 2015, StAG § 12a Rn. 16; vgl. auch BVerwG, U.v. 5.6.2014 – 10 C 4/14 – Rn. 16, in dem ebenfalls eine „unbeachtliche“ spätere Verurteilung zur Verlängerung der Tilgungsfrist geführt hat).
Die beiden Verurteilungen des Klägers sind, bei künftiger Straffreiheit, erst am 10. Dezember 2024 tilgungsreif. Dementsprechend hat er zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung keinen Anspruch auf Einbürgerung, da die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt ist.
Die Klage ist somit mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff ZPO.


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