Arbeitsrecht

„Vertauschen“ der Kostenquote

Aktenzeichen  2 S 5434/17

Datum:
4.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 22709
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BeurkG § 44a Abs. 2 S. 1
ZPO § 164, § 278 Abs. 6 S.3, § 319
BGB § 779

 

Leitsatz

Ein auf Vorschlag des Gerichts nach § 278 Abs. 6 ZPO geschlossener Vergleich kann nicht in analoger Anwendung des § 319 ZPO oder des § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG berichtigt werden, wenn es zu einem „Vertauschen“ der Kostenquote (60/40, statt 40/60) gekommen ist.

Verfahrensgang

11 C 888/16 2018-02-19 Bes AGERLANGEN AG Erlangen

Tenor

Der Antrag der Klagepartei auf Berichtigung des Beschlusses des Landgerichts Nürnberg-Fürth – 2. Zivilkammer – vom 19.02.2018 wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Mit Verfügung vom 12.02.2018 schlug das Gericht den Parteien in der Berufungsinstanz gem. § 278 Abs. 6 ZPO folgenden Vergleich vor:
„1. Die Beklagte zahlt an die Klägerin 1.200,00 €.
2. Damit sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche der Parteien aus dem streitgegenständlichen Versicherungsvertrag (Nr. 1-31.708.577-5) abgegolten und erledigt.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 60% und die Beklagte 40% zu tragen.“
Die Parteien stimmten diesem Vergleichsvorschlag zu, die Beklagte mit Schriftsatz vom 09.02.2018 (Bl. 91 d.A.), die Klägerin mit Schriftsatz vom 16.02.2018 (Bl. 92 d.A.). Das Gericht stellte das Zustandekommen des Vergleichs mit dem vorstehenden Inhalt mit Beschluss vom 19.02.2018 fest.
Mit Schriftsatz vom 16.03.2018 beantragte die Klagepartei Berichtigung des Beschlusses vom 19.02.2018, da die Kostenquote unter Ziffer 3. nicht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen zwischen den Parteien entspreche. Es handle sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit, die nach § 164 ZPO zu berichtigen sei.
Die Beklagtenpartei erklärte mit Schriftsatz vom 10.04.2018, dass die Beschlussfassung vom 19.02.2018 dem Vergleichsvorschlag vom 12.02.2018 entspreche.
II.
Der Antrag auf Berichtigung des das Zustandekommen des Vergleichs feststellenden Beschlusses war zurückzuweisen, da weder die Voraussetzungen für eine Berichtigung gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO in Verbindung mit § 164 ZPO vorliegen noch die beantragte Berichtigung auf einer anderen Rechtsgrundlage möglich ist.
1. Die Voraussetzungen für eine Berichtigung des Beschlusses vom 19.02.2018 nach § 278 Abs. 6 Satz 3 in Verbindung mit § 164 ZPO liegen nicht vor.
Gem. § 278 Abs. 6 Satz 3 ZPO gilt im Falle eines durch gerichtlichen Beschluss zu Stande gekommenen Vergleichs § 164 ZPO entsprechend. Nach dessen Abs. 1 können Unrichtigkeiten jederzeit berichtigt werden. Als unrichtig ist dabei eine Erklärung anzusehen, in der das Gewollte nicht zutreffend zum Ausdruck gebracht wird. Der Fehler muss also bei der Verlautbarung des Willens, nicht bei dessen Bildung unterlaufen sein (zu § 319 ZPO: BGH NJW 1985, 742; OLG München NJW-RR 1986, 1447; OLG Frankfurt/Main NJW-RR 1989, 640; AG Bremen, Beschluss vom 16.05.2007 – 4 C 259/05 – juris). Im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 164 ZPO ist das Protokoll daher nur dann als unrichtig zu betrachten, wenn sein Inhalt nicht dem entspricht, was tatsächlich in der mündlichen Verhandlung vorgegangen ist (BAG NJW 2009, 1161). Da die Vorschrift auf außerhalb der mündlichen Verhandlung zustande gekommene Vergleiche entsprechend anwendbar ist, liegt eine Unrichtigkeit in diesem Sinne insbesondere auch dann nicht vor, wenn der zutreffend beschlossene bzw. protokollierte Wortlaut eines Vergleichs nicht dem von den Erklärenden Gewollten entspricht (BeckOK ZPO/Wendtland, 28. Ed. 1.3.2018, § 164 ZPO, Rn. 4). Im vorliegenden Fall, in dem dem vom Gericht vorgeschlagenen Vergleich durch beide Parteien zugestimmt wurde und dessen Zustandekommen mit unverändertem Inhalt durch Beschluss festgestellt wurde, ist demzufolge nicht von einer Unrichtigkeit auszugehen, die eine Berichtigung rechtfertigen würde.
2. Derart zustande gekommene Vergleiche können auch nicht in analoger Anwendung des § 319 ZPO oder des § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG (so allerdings LAG Hamm, Beschluss vom 28.02.2012 – 18 Sa 1144/09 – juris) berichtigt werden.
a) Nach § 319 Abs. 1 ZPO können in Urteilen Schreibfehler, Rechnungsfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit auch von Amts wegen durch das Gericht berichtigt werden. Eine analoge Anwendung dieser Bestimmung auf den vorliegenden Sachverhalt scheidet jedoch zum einen schon deshalb aus, weil die rechtliche Lage bei einem Vergleich, der einen Vertrag zwischen den Parteien darstellt (§ 779 BGB), eine andere ist als bei einem der Rechtskraft fähigen Urteil (BAG NJW 2009, 1161). Zum anderen fehlt es auch an der weiteren Voraussetzung einer Analogie, nämlich einer planwidrigen Regelungslücke. Der Gesetzgeber hat sich im Rahmen des Gesetzentwurfs zur Reform des Zivilprozesses ausdrücklich dafür entschieden, die Berichtigung eines Beschlusses über das Zustandekommen eines Vergleichs außerhalb der mündlichen Verhandlung nur unter entsprechender Anwendung des § 164 ZPO zuzulassen (vgl. BT-Drs. 14/4722, S. 82) – und nicht innerhalb des weitergehenden Anwendungsbereichs des § 319 Abs. 1 ZPO, in dem bereits offenbare Unrichtigkeiten Anlass zu einer Berichtigung geben können (vgl. auch OLG Frankfurt/Main BeckRS 2009, 6464).
b) Vor diesem Hintergrund besteht auch für eine analoge Anwendung des § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG kein Raum (aA LAG Hamm Abschluss vom 28.02.2012 – 18 Sa 1144/09 – juris), da es auch hier jedenfalls an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Der Gesetzgeber hat sich im Zusammenhang mit außerhalb der mündlichen Verhandlung zustande gekommenen Vergleichen bewusst dafür entschieden, allein offenbare Unrichtigkeiten nicht für eine Berichtigung ausreichen zu lassen, sondern hierfür eine tatsächliche Abweichung des beschlossenen Vergleichs von den Erklärungen der Parteien zu verlangen. Letztlich entspricht die Regelung des § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG daher in Inhalt und Umfang im Wesentlichen der des § 319 Abs. 1 ZPO, die ebenfalls nicht in analoger Anwendung herangezogen werden kann. Selbst wenn man mit dem LAG Hamm davon ausginge, dass zwischen gerichtlich vorgeschlagenen Vergleichen und notariellen Urkunden eine hinreichende Vergleichbarkeit hinsichtlich der Schutzbedürftigkeit der Parteien und der Verantwortung des Gerichts bzw. Notars für den Inhalt des Vergleichs bestünde (wobei auch dies aus Sicht der Kammer jedenfalls im Anwaltsprozess zweifelhaft sein dürfte), scheidet eine analoge Anwendung der beurkundungsrechtlichen Regelung hier aus.
Dr. R.
Kneissl
Wühr
Vorsitzender Richter
„ am Landgericht
Richterin
„ am Landgericht
Richter
„ am Landgericht

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